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pulsnißerIayeblatt Bezirksanzeiger — — — Erscheint a« jedem Werktag —- — — Im Falle höherer Gewalt, Krieg, Streik oder sonstiger irgend welcher Störung des Betriebes der Zeitung oder der Beförderungseinrichtungen, hat der Bezieher keinen Anspruch auf Lieferung oder Nachlieferung der Zeitung oder auf Rück- zahlung des Bezugspreises. — Wöchentlich 0.65 RM bei freier Zustellung; bei Abholung wöchentlich 0.55 RM; durch die Post monatlich 2.60 RM freibleibend LL Bank-Konten: Pulsnitzer Bank, Pulsnitz und V THI IIV TU TT Commerz« und Privat-Bank, Zweigstelle Pulsnitz Anzeigen-Grundzahlen in RM: Die 41 mm breite Petitzeile (Mosse'sZeilenmesser 14) RM 0.25, in der Amtshauptmannschast Kamenz RM 0.20. Amtliche Zeile RM 0.75 und RM 0.60. Reklame RM 0.60. Tabellarischer Satz 50°/. Aufschlag. — Bei zwangswcisct Einziehung der Anzeigengebühren durch Klage oder in Konkursfällen gelanal der volle Rechnungsbetrag unter Weg'all von Preisnachlaß in Anrechnung. Bis '/«10 Uhr vormittags eingehende Anzeigen finden am gleichen Tage Aufnahme Das Pulsnitzer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast u. des Finanzamtes zu Kamenz des Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz sowie der GemeinderLte Großnaundorf und Weißbach behördlicherseits bestimmte Blatt Hauptblatt und älteste Zeitung in den Ortschaften des Pulsnitzer AmtSgerichtsbezirtS: Pulsnitz, Pulsnitz M- S-, Großröhrsdorf, Bretnig, Hauswalde, Ohorn, Obersteina, Niedersteina, Weißbach, Ober- und Niederlichtenau, FrirderSdorf, Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Klein-Dittmannsdorf Geschäftsstelle: Pulsnitz, Albertstraße Nr. 2 Druck und Verlag von E. L. Förster- Erben (Inh. I. W. Mohr) Schriftleiter: I. W. Mohr in Pulsnitz Nummer 47 Freitag, den 24. Februar 1928 8V. Jahrgang Amtlicher Teil Kamenz, am 22 Februar 1928 Der Kommissar: Dr. Gebauer, Bürgermeister. Dies wird mit dem Hinweise bestaunt gemacht, daß nach Ablauf der Frist angebrachte Einsprüche unberücksichtigt bleiben. Kamenz, Zimmer Nr. 2 zur Einsicht und Erhebung etwaiger Widersprüche der Beteiligten öffent. ltch aus gelegt. Zwangsinnung für das Dachdeckerhandwerk. Nachdem die Frist zur Abstimmung über die beantragte Errichtung einer Zwangs innung für das Dachdcckerhandwerk im Be-irke der Amtshauptmannschast Kamenz einschlietzlch der Stüdle Kamenz und Pulsnitz am 18 d. M abgelausen ist, wird die über die Abstimmung aufgestellte Liste vom 27 Februar 1928 ab für die Dauer von zwei Wochen im Rathaus Das Wichtigste Der afghanische König erhielt von der Rcichsrcgterung ein Junkers- Flugzeug zum Geschenk. Im deutschen Landwirtschastsrat wurde die Not der Landwirtschaft be- sprachen. Der österreichische Nationalrat protestierte gegen die Unterdrückung des Deutschtums in Südtirol. Der ehemalige Kronprinz Carol von Rumänien ist in Nizza cinge- L verlautet, daß er eine Unterredung mit dem rumimi- nischen Außenminister Titulescn haben wird. — (Berufswahl und Studium) Mehr als 10 Prozent aller Studierenden nehmen einen Studienwechsel vor! Das ist das Ergebnis einer Erhebung an der Univer sität Tübingen und der Technischen Hochschule Stuttgart. Wie vielen von ihnen hätten Kosten und Zeit erspart wer den können, wenn sie sich vor Aufnahme des Studiums über den Ausbildungsweg, über spätere Verwendungsmöglichkeiten in den Berufen usw. zuverlässig unterrichtet hätten. Mögen nun die Grunde eines Wechsels im Studium innerer oder äußerer Natur sein, jedenfalls ist es dringend zu empfehlen, daß die Abiturienten der höheren Schulen vor Beginn des Hochschulstudiums zu möglichst weitgehender Erkenntnis über das Wesen, die inneren Voraussetzungen und Anforderungen von Studium und Beruf Vordringen und soweit möglich sich auch über die Bedarfslage in den akademischen Berufen unterrichten. — (Zur Aenderungdes Ziegenbockkör- gesetzes) ist dem Landtag eine Vorlage der Regierung zugegangen. — (DieKrankenkassenh onorare derAerzte.) Die Bekanntmachung des Ministeriums des Innern vom 7. September 1027, betr. die sächsische Gebührenordnung für Aerzte und Zahnärzte, ist am 1. Februar aufgehoben worden. Äntllcht md säGscht Angelegenheiten Matthiastag. Der Tag des heiligen Matthias ist nach dem Kalender der 24. Februar; in Schaltjahren, also auch in diesem Jahre, der 25. Februar. Dieser Tag ist eigentlich der Vorläufer des Frühlings. Ein alter Volksglaube sagt: „Mattheis bricht das Eis, find' er keins, so macht er eins." In diesem Jahre hat sich der Eisheilige nicht allzu unbeliebt gemacht, die Witterung blieb milde, und wenn sich in der Nacht auf den Matthiastag kein Frost einstellt und an, nächsten Tage die Sonne scheint, so freut sich an, meisten der Landmann darüber; denn Sonnenschein am Matthiastage deutet auf eine Anzahl schöner, warmer Wochen, wogegen eine frostige Nacht ein Zeichen von 40 kalten Tagen ist. Tritt abends ein Gewitter ein, so bedeutet es ein fruchtbares und reiches Jahr. — . Viele Wetterregeln gibt cs für den Matthiastag. Der Gärtner glaubt, daß der in der Matthiasnacht im Erdreich befindliche Same besser aufgeht, als der zu späterer Zeit gesäte. In Westfalen wird der Matthiastag „Tigge s" genannt und ist ein großes Fest für die Schweinehirten. In Böhmen werden die Obstbäume durch Schütteln und Auf rufen zur Fruchtbarkeit angeregt. Bei den Esten darf an diesem Tage nicht genäht, gestrickt und gesponnen, kein Korn gemahlen und kein Holz aus dem Walde geholt werden. In der Nordheimer Gegend erscheinen die Burschen mit einem Gänserich in der Spinnftube, ziehen demselben einen Strumpf Uber den Kopf und setzen eine Brille auf; jeder- der ihn berührt, wird in demselben Jahre noch hei raten. — Auch die Kinder auf dem Lande erwarten diesen Tag nnt großer Ungeduld; denn sie hoffen an diesem Tage die ersten zur Heimat zurückgekehrten Stave und hier und dort eine Lerche zu sehen. Ja, so wie die Vögel die Vorboten des vor der Tür stehenden Frühlings find, die mit ihrem Zwit schern und Singen wieder Leben in die Natur bringen, die ebenfalls im Begriff ist, zu erwachen, um die Menschheit zu ^freuen, so ist auch der Matthiastag der Vorbote eines Süden, einträglichen oder schlechten Sommers. Bauernnot — Bolkesnot 58. Vollversammlung des Deutschen Landwirtschastsrates — Hindenburg als Teilnehmer Großartige Vorbereitungen Englands für Amanullah — Unverschämtheiten eines belgischen Senators gegen Deutschland Die bayerische Koalition in Gefahr Berlin. Der Deutsche Landwirtschaftsrat trat am Donnerstag in Berlin zu seiner 58. Vollversammlung zu sammen, die angesichts der katastrophalen Lage der deutschen Landwirtschaft mit verkürzter Einberufungsfrist angesetzt war, nm besondere Maßnahmen znr Milderung der deut schen Agrarkrise zu beraten und die Notforderungen der Landwirte zu formulieren. Eine besondere Bedeutung erhielt die Laguna dadurch, daß der Reichspräsident von Hindenburg sowie zahlreiche Mitglieder der Reichs- regiernng und Landesregierung anwesend waren. Präsident Or. Brandes hielt die Eröffnungsrede, in der er darauf hinwies, daß Bauernnot Dolksnot bedeute und daß die Landwirtschaft trotz des Willens zur Selbsthilfe und des Mutes zur Arbeit aus eigener Kraft nicht aus ihrer Not herauskommen könne. t Hierauf ergriff der Reichsernährungsministef Schiele d<^ Wort zu folgenden Ausführungen: „Sie fordern Maß- nahmen zur Gesundung der landwirtschaftlichen Kreüitver- hältnisse, Sie fordern Schutz der landwirtschaftlichen Er- zeugung, Sie fordern Erleichterung auf dem Gebiete der steuerlichen und sozialen Lasten. Sie fragen mit Recht, welche Maßnahmen die Reichsregierung und die Länder gegenüber einer so angespannten Notlage der Landwirtschaft zu treffen bereit sind. „Wir müssen die deutsche Landwirtschaft, insbesondere die gefährdeten Betriebe, bis zur kommenden Ernte hin durchbringen. Wir müssen den Zusammenbruch großer deutscher Bezirke verhindern. Die Zeit drängt, die Be stellung steht vor der Tür. Wir dürfen nicht mit ansehen, daß aus Pessimismus und aus Verzweiflung oder aus finanzieller Ohnmacht kein Saatgut und kein künstlicher Dünger gekauft wird. Hier liegt ein öffentliches Unglück, eine Gefahr für das gesamte deutsche Volk." Der Minister skizzierte dann das Notprogramm, das außer den Maßnahmen der Zinsverbilligung, für umfang reiche Meliorationen und Rationalisierungsbestrebungen auf dem Gebiete der Milchwirtschaft eine Reihe von weiteren Sofortmaßnahmen enthält, die oie Reichsregierung für unab weisbar hatte. Der Reichsernährungsminister wies dann auf die Passivität der Handels- und Zahlungsbilanz hin und erklärte, es sei undenkbar, daß die Volkswirt schaft auch nur auf längere Zeit die Lasten aus der Repa ration, aus der Verzinsung der aufgenommenen Auslands kredite und deren Erwerbslosenfürsorge und der Nahrungs mitteleinfuhr nebeneinander tragen könne. Unfere zukünftige Wirtschafts- und Handelspolitik müsse ausgehen von dem Prinzip der Erhaltung und Stärkung aller produktiven Kräfte Es folgte dann eine Reihe von Vorträgen über das Thema Notforderungen der deutschen Landwirtschaft. Präsident von Flemming betonte, daß die Wieder herstellung der Rentabilität auch von den Maßnahmen zur Gesundung der landwirtschaftlichen Kreditverhältnisse ab hängig sei. Die Höhe der Verschuldung betrage zurzeit rund 11 Milliarden, und zwar 3,5 Milliarden Aufwertungsfchul- den, 3 Milliarden organisierten Realkredit, und 4,5 Milliar den Personalkredit. Die bäuerliche Verschuldung betrage im Dnrchschnitt 46V Mark pro Hektar. Die Zahl der über diesem Durchschnitt liegenden Betriebe sei jedoch erheblich. Für die in den letzten Jahren dauernd fühlbaren falschen Kreditmaßnahmen sei einmal die Verständ- nislosigkeit, andererseits das Mißtrauen zwischen Kredit gebern und Kreditnehmern verantwortlich. Notwendig sei die Wiederherstellung des Vertrauens auf beiden Seiten. Un erläßlich sei die Herabsetzung der Zinssätze. , Als zweiter Referent sprach dann über die Kreditfrogen, uno zwar unter besonderer Berücksichtigung der bäuerlichen Betriebe des Südens und Westens, Frhr. v. Lüninck. Er betonte, daß in der Gesamthöhe der Verschuldung wesentliche Unterschiede zwischen Westen und Osten nicht festzustellen seien. Die Gesamtbelastung pro Hektar sei im Westen höher als im Osten. Das Thema „Schutz und Steigerung der deutschen Erzeugung als Grundlage der deutschen Wirtschaftspolitik" behandelte Oeko- nomievat Hensel-Dortelweil, Präsident der Landwirt schaftskammer für Hessen. Der Redner forderte eine Aende- rung unserer Handelspolitik. Ueber Maßnahmen zur Erleichterung der steuerlichenBelastunginderLandwirtschaft sprach der Präsident der Schweriner Landwirtschaftskammer Eschenburg. Er wies daraufhin, daß der Grundsatz, eine Steuer müsse einfach, gerecht und tragbar sein, in der Nach kriegszeit weitgehend außer acht gelassen sei. Zum Schluß erörterte Sächsischer Landwirtschastskammer- präsident Vogelsang-Ebersbach die Maßnahmen zur Erleichterung der sozialen Belastung. Er betonte, daß bei der Beratung der NotforLerungen der deutschen Landwirtschaft auch die Sozialversicherung berück sichtigt werden müsse. Großartige Vorbereitungen Englands für Amanullah Manöver der gesamten Atlantikflotte London, 23. Februar. Angesichts des bevorstehenden Besuches des afghanischen Königspaares in England hat die Aufnahme König Amanullahs tu Berlin hier besonderes Jniercsse gesunden. Die Blätter verzeichnen in sehr ausführlichen Berichten alle Phasen der Berliner Veranstaltungen. In England hat man in weit höherem Grade als bei allen übrigen bisher von König Amanullah ausgesuchten Staaten auch politische Gründe für einen großartigen Empfang. Das nunmehr in seiner endgültigen Gestalt vorliegende Programm umfaßt denn auch alles, was England einem regierenden Monarchen bieten kann. Wäh rend der Ucberfahrt über den Kanal am 14 März bilden britische Zer störer die Eskorte. In Dover feuern die Küstenbatterien den Salut, und der Prinz von Wales als Vertreter des Königs erfüllt dort die erste Begrüßungspslicht. In London werden die Gälte von dem eng lischen Könicspaar, Ministerpräsident Baldwin und Sir Austen Cham berlain sowie anderen Vertretern der Regierung, der Armee, der Marine und der Luftstreitkräfte empfangen und nach dem Buekingtam-Palast geleitet. Am 15. März gibt der Lordmayor und die Stadtverwaltung von London in der Guildhall ein Frühstück. Im Anschluß daran wird König Amanullah die Urkunde als Ehrenbürger der City überreicht werden. Am Abend folgt ein Regicrungsbankctt im Foreign Office, für das der sogenannte Locarnosaal besonders hergcrichtet wird. Am 16. März endet der offizielle Staatsbesuch. Der Besuch wird etwa Anfang April durch die großen Manöver der gesamten Atlantikflotte gekrönt werden. Die beiden Universitäten Oxford und Cambridge wer den dem Königspaar bei ihrem Besuch die Ehrendoktorwüri^e verleihen. Unverschämtheiten eines belgischen Senators gegen Deutschland Brüssel. Zu der Weiterberatung des Außcnetats im Senat unternahm der liberale Senator Magnette, der gleichzeitig Großmeister der Freimaurer ist, einen heftigen Angriff auf Deutschland. Man habe gesagt, so meinte Magnette, daß der deutsche Gesandte in Brüssel einen unklugen Schritt bei der belgischen Regierung unternommen habe, um die Aufführung des Cavellfilms zu verbieten. Er, Magnette, hoffe, daß diese Demarch nicht stattgesunden habe. Sollte dies aber doch der Fall sein, so erwarte er, daß Minister Hymans offen auf diese Unverschämt heit geantwortet habe. Er klage Deutschland an, den Vergeltungskrieg gegen Belgien vorzubereiten und durch Filme und Broschüren zu ver suche», seine während des Krieges begangenen Schandtaten zu verschleiern. Deutschland sei ein Volk, das zu Lügen und Grausamkeiten geboren ist. Der sozialistische Senator Lekeu unterbrach Magnette und fragte ihn, wie er ein ganzes Volk anklagrn könnte. Magnette antwortete, daß eS natürlich Ausnahmen gäbe. Zum Schluß erklärte Magnette, er sei Anhänger einer Annäherung der Völker, rate jedoch gegenüber Deutsch land, da« seine strategischen Linien gegen die belgischen Grenze entwickele, Varsicht zu üben. Einige wenige Senatoren zollten dem Redner Beifall. — Es erübrigt sich, aus die Ausfälle des Senators räher einzugehen, aber der Vorfall zeigt wieder einmal, daß der Locarnogeist auf der anderen Seite immer noch nicht fest Wurzel gefaßt hat.