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Oertliche und sächfifcke Augelkgeuheiten. Pulsnitz, 5. Januar. Gestern gegen Abend ver breitete sich in unsrer Stadt das „Gott sei Dank" falsche Gerücht: Se. Maj. der König wäre gestorben. Der Urhe ber dieses Gerüchtes war der Wind, welcher die Königliche Standarte auf dem Königlichen Schloß in Dresden auf Halb mast gehißt halt". Das uns gestern Abend telephonisch zu- gegangene Bulletin lautet: Se. Majestät der König ist seit gestern Abend fieberfrei. Die Nacht war durch Hustenan» fälle mehrfach gestört, doch haben Se. Majestät einige Stun den ruhig geschlafen. Der Appetit hebt sich langsam, die Herztätigkeit ist kräftig. (S. auch unter Dresden.) ockenvlatt Kelegi'amm - Glesse kennst-; »cken Aoclienblatl puIsnM und Umgegend für Pulsnitz Amts-Blatt »otl. 'N ladet Verantwortlicher Redakteur Mtto Vorn in Pulsnitz. Expedition: Pulsnitz, Bismarckplatz Nr. 265. Druck und Verlag von L. L Förster'» Erben. Montag, den 5. Januar 1903 55. Jahrgang Ar. 2 Pulsnitz, am 5. Januar 1903. .-Voll. len. i und lattes. später rkt. n u be- von ufzn- er se n6 rit ssenvor- n Der Stadt rat. Nr. Michael, Bürgermeister. Erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend. Beiblätter: Dllustr. Sonntags blatt und landw. Beilage. Abonnement: Monatl. 50 H., vierteljährlich (.25 bei freier Zp.t^äung ins Kaus, durch die Post bezogen unter Nr. 3602 z.-zo. k! , Gan- , nahe Auf Blatt 23 des hiesigen Handelsregisters, die Firma August Brückner in Pulsnitz betreffend, ist heute eingetragen worden, daß der Kaufmann Frtkdrtch Alfre- Kraetschniar in Pullnitz in das Handelsgeschäft eingetreten und die Geiellfchaft am 31. Dezember 1902 errichtet worden ist. Königliches Amtsgericht. Die Pflicht und das Recht, sich auszuleben. Da- Jahr 1902 hat nicht zu Ende gehen sollen, ohne daß daS grelle Licht der unbarmherzigen O-ffentlichkeit b:S in die «höchsten Spitzen menschlichen Lebens drang, ohne daß den «staunstn Augen der niederen Sterblichen auch dort oben Menschliches, nur allzu Menschliches, gezeigt Wurde. ES liegt in der Natur der Sache, daß der kleine Mann sich an den Kopf saßt, und verwirrt auSrust: Wie ist das nur möglich die Welt muß ja schon ganz und ga« verdorben sein! Wer die Geschichte aber und die Men schen kennt, weiß, daß es Menschen überall giebt, oben und und unten, welche die Lasten drücken, die ihnen ihre Tc» meinschast auferlegt, und die sie um jeden Preis los sein wollen. DaS Leben ist heute eine ernste Sache, ist ein Gehen aus eng begrenzten Pfaden, Welche die Menschheit und die Geschlechter sich in vielen Jahrtausenden bahnten; wer all dZstn teilhaftig werden will, waS Menschenalter und Geschlechter vor ihm geschaffen, darf nicht ungebunden seinen eigenen Weg gehen wollen; er muß sich fügen. Fügen muß sich der Aermste in die uralten Formen und Gesetze, fügen muß sich der Höchste, dem seine höheren Rechte nur um so höhere Pflichten auserlegen. Kultur heißt Zwang, und der lügt, welcher etwas anderes behaup ten will. Wohl dem, welchem die gütige Mutter Natur die so zialen Instinkte, welche sich stärker und stärker in den auf einanderfolgenden Geschlechterreihen enlw'ckelt haben, in solcher Stärke mitgegeben hat, daß er, ohne zu fragen, die engen Pfade der Pflicht geht; wohl auch dem Zweif ler, welcher in heißem Ringen endlich deS Menschenlebens tiefen Sinn erkannte, nachdem er an den Gütern, welche seine Wege begrenzen, sich die Hände blutig gerissen hatte. Wehe aber denen, die Mcht begreifen wollen, nicht lernen wollen, die frei sein wollen, frei - eS ist noch keinem von ihnen gelungen, den Weg in daS „schöne Land" zu finden, von dem sie geträumt haben. Alle, olle sind sie noch gestorben, verdorben, und wo immer ein F ll sich er eignete, s i eS unten, sei es oben, daß ein Mensch hinauS- wollte über die Grenzen, die ihm gezogen waren, ging die Menschengemeinschaft kühl darüber hinweg: Mann über Bord I Mann über Bord I darf eS auch nur in dem Falle den möchten, nicht aber die Pflichten aus sich nehmen, welche die Zugehörigkeit zu dieser Kulturgemeinschaft und zu den Kreisen dieser Kulturgemeinschaft auflegt. Unser Leben, es soll ein Leben der Kultur sein, steht unter dem Zeichen der Pflicht; diese Pflicht verlangt, alle die Regeln zu be achten, welche unsere Vorfahren in vielen Jahrtausenden als die besten herauSgefunden haben, und eS ist eine freche Be>m ffenheit, eines halben oder auch ganzen Menschenalters Erfahrung der Erfahrung von Jahrtausenden gegenüber, stellen zu wollen. Die Menschheit hat immer die Pflicht als daS Höchste anerkannt, und die Frau war von jeher die Priesterin der Pflicht: DaS eben ist das Gewaltige, das Heilige im Weibe, das dem Manne auch vor der Ge ringsten ihres Geschlechts daS Haupt beugt, daS eS stark ist im schweigenden Tragen von schweren Pflichten, ohne viel Aufheben- davon zu machen, und die Menschheit ist gesund solange 'daS Weib gesund ist, dieser Born, auS dem sich das Menschengeschlecht ewig verjüngt. Sind wir heute nicht mehr gesund, ist die Frau auch heute wieder in größerem Maße als gewöhnlich angefressen von den lieben alten Wünschen nach „freier Entfaltung?" AlS die phönizische Frau fiel, griff der Adonaikult um sich, ein Kult der zügellosen Sinnenlust, welcher die kleinasiatische Kultur vernichtete, den Niedergang der griechischen und römisch-n Frau begleitete der Niedergang Griechenlands und RomS. Schwache Frauen, schwache Männer und zer fallende Staaten. Darum muß die Erscheinung furchtbar ernst stimmen, welche uns bei der Besprechung deS Falles der sächsischen Kronprinzessin aufgestoßen ist, und nur der Trost bleibt uns, daß alle jene Zeitungen, welche so wenig von der Pflicht gesprochen haben, die deutsche Frau nicht kennen und sie nach den „modernen" Weibern beurteilen, die des halb so zahlreich erscheinen, weil sie überall das große Wort führen. Nein, die deutsche Frau, die Zukunft Deutsch- landS, ist hoffentlich noch die alte, welche uns die Männer vergangener Tage beschreite, und die groß ist im Schweigen und Tun, waS ihre Pflicht ist. Mit solchen Frauen ifi Deutschland nicht verloren. heißen, der heute unser Sachsen, der die ganze Welt be- schäftigt; eS war wieder einer oder eine, die daS Leben nicht verstand, eS nicht vei stehen lernen wollte, ein Fall, Wie er sich noch immer ereignet hat und sich immer w e- der von neuem ereignen wird. Wir würden nicht ein Wort dazu geäußert haben, wenn nicht anläßlich dieses Falles Dinge in die Erscheinung getreten wären, die man besprechen, bet welchen man verweilen muß. Wir haben aufmerksam einen großen Teil der Preß- äußerungen zu dem traurigen Falle gelesen, welcher zu der ganz eigenartigen Genfer „Idylle" geführt hat, und mit immer wachsendem Erschrecken haben wir konstatieren müssen, daß für einen großen Teil der deutschen Presse das Wort „Pflicht" nicht mehr zu existieren scheint. In Dutzenden von großen Blättern sind wir ihm im Zusam- m« hange mit der Sffaire nie begegnet; wir lasen nur immer mehr oder minder schöne Geschichten von der „un- verstandenen Frau", die doch so li.benSwürdig und le benslustig war, und welche strenge Angehörige keine fran zösischen Romone, keinen Nt.tzsche lesen lassen wollten, die nicht einmal radeln sollte. Empfindsame und moderne Welber oder klatschen an allen Straßeneck n jeder grö ßeren Stadt von dem Recht der Frau, sich auSzuleben, Dos soll nämlich modern sein, daß die Frau radelt, Zi- garretten raucht, das Haar knrzgeschoren trägt und in die Kneipe g'hi; leider ist daS aber gar nicht modern. Wir haben in der Geschichte gelesen von Bacchantinnen, Wei bern, die im alten Griechenland aus den Häusern aus die Straße liefen und in Tempeln und Tempelhainen jeder Lust stöhnten und eS toller trieben wie die Männer; wir w ssen vom alten Phönizien und vom alten Rom Dinge über die damaligen Werber, welche sie noch viel „mo derner" erscheinen lassen, als unsere „modernen" Schönen. „Modern" sind immer die, welche sich ausleden, d. h. sich nicht in den Kulturzwang fügen wollen; das «st eine alte Geschichte, die sich jeden Tag wiederholt; gefährlich wird die Sache aber, wenn diese Neigung sich auszuleben, zur anst ckenden Seuche wird wie einst in Phömzien, Griechen land und Rom. Sind wir heute so weit? Beinahe scheint eS so; nach vielem, waS wir in den letzten Tagen gelesen haben, muß die Anschauung, daß man daS Recht habe, sich auSzuleben, schon sehr weit verbreitet fein. Ein schönes Recht, diese- angebliche Recht; wohin eS führen muß, wird jedem klar, der über eheliche Verhält- n'sst z. B. nur ein wenig nachdenkt. Ein Mann, der Arzt ist, hat etwa eine ungeliebte Frau, die er gern loS werden möchte; er weiß, daß sie ihren Körper in wenigen Jahren zu Grunde richten muß, wenn er sie in einer fehlerhaften Gewöhnung bestärkt. Hätte er das Recht, sich auszuleben, weshalb sollte er jene- nicht tun? Und warum sollte ein zweiter nicht Frau und Kindern davongeh-n können und ste im Elend zurücklassen? WeShalb sollte eine Frau, der ein kleines Kind und: quem wird, dasselbe nicht zu Grnnde gehen lass-n? Das geht ja doch nicht so leicht! Alle d'ese Menschen, welche sich der ersten Pflicht entziehen, folgen nur dem Rechte, sich auSzuleben; aber dies angebliche ist kein Recht, sondern eine brqueme Lotterbank für olle jene, welche zwar aller Segnungen unterer Kultur lcilhast wer- Weueste Ereignisse. Der deutsche Kronprinz ist vom Zaren Nikolaus zu einem mehrtägigen Besuche nach Petersburg eingeladen worden. Die Lage in Marokko ist nach den bisher vorlie genden Nachrichten unverändert. Der Sultan scheint zu beabsichtigen, den „Heiligen Krieg" zu proklamieren. Präsident Castro will die Annahme des Schieds gerichts von Vorbehalten abhängig machen, jedenfalls, um die Sache hinzuziehen. -es König!, klmlsgerlckls un- -es Sta-tnatkes Lu pulsnitL. Amtsblatt für den Bezirk des Rönigl. Amtsgerichts Pulsnitz, umfassend die Ortschaften: Pulsnitz, Pulsnitz AI. S., Böhmisch - Vollung, Großröhrsdorf, Bretnig, sfanswalde, Ohorn, Gbersteina, Niedersteina, Weißbach, Oberlichtenau, Niederlichtenau, Friedersdorf-Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Ul.-Dittmannsdorf, D ß D Z D H Z Z ß Z das diesjährige Musteruugsgeschäft betr. Alle in hiesiger Stadt aushältlichen, militärpflichtigen Personen, welche entweder im Jahre 1883 geboren oder b., bereits in früheren Jahren zur Stammrolle angemeldet, aber zurückgestellt worden find, werden in Gemäßheit Z 25 der deutschen Wehrordnung vom 22. November 1888 aufgefordert, in der Zeit vom 15. Januar bis 1. Jebruar 1903 unter Vorzeigung ihrer Geburtsscheine und bez. der im I. Gestellungsjahre empfangenen Losungs- und Gestellungsscheine behuss Eintragung in die hiesige Rekrutierungsfiammrolle auf hiesiger Natsoxpedition Kat. Nr. 311 sich anzumelden, oder durch ihre Eltern, Vormünder, Lehr-, B>ot- oder Fabrikherren cnmelden zu lassen. Gleichzeitig werden die letzteren aufgesordert, dafür Sorge zu tragen, daß ihre militärpflichtigen Söhne, Kommis, Gewerbsgehilfen und Lehrlinge pp., welche jeweilig von hier abwesend sind, während der oben angegebenen Frist zur vorschriftsmäßigen Anmeldung gelangen. Geburtsscheine sind nur voir solchen zur Anmeldung gelangenden militärpflichtigen Persenen vorzulegen, welche nicht in Pulsnitz, sondern auswärts geboren sind. Wer die vorgeschriebene Anmeldung zur Stammrolle unterläßt, wird mit Geldstrafe bis zu 30 Mark oder mit Haft bis zu 3 Tagen bestraft. Pulsnitz, am 2. Januar l903. Inserate für denselben Tag ° sind bis vormittags zo Uhr aufzugeben. Preis für die einspalt. Zeile oder deren Raum zo Reklame 20 H. Bek Wiederholungen Rabatt, plle Bnnoncen-Expeditionen ' nehmen Inserate entgegen, j