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27. Jahrgang ^uirr Tageblatt Mzrigrr Mr -as Erzgebirge SM»» ««halt««» «, a-Mch« 0«k<>««mach««^« «» «at« »« «a»t»« )w«. "-»»»»»>»-'— - Freitag, äea 4. November 1932 Der Kamps am die Kontingente Der Reichskanzler bestehl auf äer Einführung 3m Endspurt der Wahl (BerNner Brief.) - Gemessen an der Wahlagitation im Juli d. I. geht e« diesmal in der Reich-Hauptstadt ruhla zu. Damals hingen schon Wochen vor dem Wahltag die Fahnen der verschiedensten ParteianhLnger aus den Fenstern und von den Giebeln. Und diesmal? In Straßenzügen,' in denen noch vor vier Monaten Fahne an Fahne hing, sind diesmal nur ganz vereinzelte Parteishmbole zu erblicken. Sie gleichen fast den letzten Blättern der entlaubten Bäume, und man kann sich de» Eindrucks fast nicht erwehren, daß sie selber darauf warten, von einem mitleidigen Windstoß entführt u werden. Viel» leicht daß die letzten Tage noch! eine , Besserung" brin gen. Aber da» Flaggenminu» kann fast al» Symbol gelten für den „Schwung", der diesmal nicht zu fin den ist. SS fehlt überhaupt der große Zug in allem und jedem. TS ist ja schließlich! auch kein Wunder, daß die Wähler in jeder Hinsicht wahilmüde sind. Hum fünften Male in diesem Jahre aufgepeitscht und aufgeputfcht zu werden, da» ist selbst für die Parteien radikaler Färbung zuviel, denen sonst da» Tamtam und der Trara einer wilden Agitation Lebenselement ist. Mit den Versammlungen war e» überhaupt diesmal nicht sonderlich gut gestellt. Im Sportpalast, um den früher «in Wettlauf der großen Parteien einsetzte, ist e» fast still geworden. Rur noch di« Nationalsozialisten ver mögen ihn dadurch zu füllen, daß die sämtlichen in Berlin und Umgebung verfügbaren SA> und SS.« Mannschaften dazu abkommandiert werden. Di« Ber- sammlungStätigkett, die überhaupt schon überlebt ist. spielt sich nur noch! in engeren Kreisen und fast unter Ausschluß der Oeffentlichkeit ab. wa» soll man auch noch Neue» in ihnen zu hären bekommen? Und Rede duelle, wie sie unlängst zwischen den Deutschnationalen und Nationalsozialisten gewissermaßen probeweise ver- anstaltet wurden, enden hoffnungslos im „Klamauk", den der richtige Berliner auch! bet 'olchen Gelegen heiten gern hat. Auch von den sonst üblichen Mitteln der Agitation ist nicht viel zu bemerken. Flugblätter verfallen zu meist ungelesen dem Schmutz der regennassen Straßsn. Der Plakatkrteg an den Anschlagsäulen tobt sich we niger lebhaft al» das vorige Mal au». Di« langen Ti raden der gegenseitigen Beschuldigungen der groß»« Parteien liest lein Mensch, weil keiner mehr Agit da- sür übrig hat. Rur noch kurze, prägnante, schlagwort. artig formulierte Sätze fesseln de« «ick de, Beschauers und hemmen seinen Schritt. SS scheint fast, als ob mit de» Geld der Seist Berlin, 2. Nov. Wieder einmal beschäftigt sick da» Reichskabinett mit einer Reich-Hilfe sür die Land- wirtschaft. Die Getreidepreise sind in letzter Zeit in folge der guten Ernte stark gefallen. E» soll deshalb Getreide eingelagert und auf dies« Weiss ein höherer Getreidepreis erzwungen werden. Dazu braucht man Geld. Um die'«» zu beschaffen, fanden heute vormittag Besprechungen zwischen Regie- rung und Reichsbank statt. Man spricht davon, daß sür etwa 100 Millionen RM. Finanzierung-möglich- ketten durch die Reichsbank geschaffen werden sollen, während wettere 28 bi» 80 Millionen <n Form von Bürgschaften durch da» Reich selbst garantiert werden sollen. Damit will di« Regierung die bisher ringe» lagerten Getreidebestände auf längere Zeit vom Markt sernhalten, um einen Preisdruck zu vermeiden. Dar über hinaus sind weitere Aufkäufe vorgesehen, nicht nur wie bisher iin Sofort- sondern auch im Termin, geschäft. Diese Maßnahmen haben in den letzten Ta- gen bereit» einen Umschwung an der Berliner Pro duktenbörse herbeigeführt. Ferner soll jetzt über di« Kontinaentierung der deutschen Einfuhr Beschluß gefaßt werden. Die deutsch nationale Fraktion de» Preußischen Landtages teilt mit, der Reichskanzler habe einer Abordnung der Frak tion zugesagt, daß da» Kabinett nach Rückkehr der Kom mission aus Dänemark die Kontingentierung, an.der unbedingt festgehalten würde, beschließen wolle. Die sogenannte „Tomaten-Komm'fiion", die Re- gierungSkommission, die mit den ausländischen Kabi- Eine Lebensfrage des bratsche» Volkes Bon Kom.-Nat U,L«l-Plauen, Spitzenkandidat der D.V.P. im S0. Wahlkreis 1. Wao sind Kontingent«? Die Stticharegierung hat di« Absicht, für einige Monate di« Einfuhr fremder Agrarprodukt« durch bestimmte Mengen zu begrenzen, eine unbeschränkt« Einfuhr also nicht zuzulassen. Dies« Beschränkung soll sich auf Gemüse, Obst, Schntttblumen, Holz, Bteh und Viehprodukt,, Karpfen. Erbsen ufw. erstrecken. Dieser Schritt würde von den anderen Staaten, die von Deutschland Ware abm-men, al, «in Bruch der bestehenden Handelsverträge empfunden werden. Deshalb ver handelt di« Regierung durch eine besondere Kommission mit den in Betracht kommenden fremden Staaten, damit diese sich mit den geplanten Maßnahmen einverstanden «rklären. Erst wenn da, Ergebnis dieser Maßnahmen vorliegt, sollen di« entsprechenden Beschlüsse gefaßt werden. L. Autonome» vor gehen? E» ist -ekannt, daß der deutschnationale Führer Geheimrat stugenberg «in Befürworter der autonomen Kontingentterungspostttk ist. Er hat erst in die sen Tagen wieder erklärt, daß ihm da, verhandeln der Re gierung in dieser Frage nicht -»sagt, er würde sich für ein» autonome Einsetzung der Kontingent« erklären. Da» heißt, die deutsche Regierung soll von sich au» und ohne Rücksicht auf die Folgen, die sich für di« deutsche Au»fuhr ergeben, diejenigen Mengen für fremde Einfuhrwaren bestimmen, die sie al» au«- reichend betrachtet- Hugenberg beruft sich dabet auf da» vorgehen von Frankreich, da» in gleicher Weise gehandelt hat. Er ver gißt dabei aber, daß gerade Frankreich damit di« schlechtesten Er fahrungen gemacht hat und von dem System der autonomen Regelung wieder abgehen will, Die Deutsch« vollipartei steht ander». MeLstz auf dM Baden k» Sttgikruns»p«gram«» beharrt, da» eine Wiederbelebung der gesamten Wirtschaft -um Ziele hat, erwartet sie, daß da» Reich»kabtnett da» Problem auf dem Verhandlungsweg« lvst, sie betrachtet aber «in «inseitige» Vorgehen von Deutschland au» al, eine Stäruni der gesamten Handelspolitik mit allen Gefahren, dtt der deutschen Wirtschaft damit drohen. S. Wird der Landwirtschaft damit geholfen? Die agrarisch« »Deutsche Tageszeitung" hat erklärt, daß das Kontingent nicht da» Allheilmittel sein werde, zu dem «» jetzt im Streit der Meinungen aufgebauscht wird. Der Reich »ver band landwirtschaftlicher Genossenschaften er klärte, daß bet finkender Ausfuhr der deutschen Wirtschaft die deutsche Arbeiterschaft kein Einkommen habe und dadurch nicht in der Lage sei, eine prei»stchernL« Nachfrage für die deutschen land wirtschaftlichen Produkte zu erzeugen. Professor Beckmasnn von der landwirtschaftlichen Hochschule in Bonn berechnet, daß 7» Prozent des Absturze» der landwirtschaftlichen Veredelung in der Schrumpfung de» eigenen Verbrauch» in Deutschland beruht. 4. Um welche Werte handelt e» sich? vorweg ist zu bemerken, daß hie Einfuhr der bezeichneten landwirtschaft lichen Produkte stark nachgelassen hat. St« betrug im ersten Halb jahr 1SS1 noch 744 Millionen Mark, im ersten Halbjahr 1SSL aber nur noch 21S Millionen Mark. Darin drückt sich schon di« sim kende Kaufkraft de- deutschen Markte» für srentde Waren au» Dagegen betrug die deutsch« Ausfuhr nach denjenigen Ländern, die von der Kontingentierung betroffen «erden, im ersten Halb- jahr 1882 1,8 Milliarden Mark. Daraus ergibt sich schon zahlen mäßig, daß Deutschland mit seinen besten Kunden in den Han delskrieg verfällt, wenn es dem Vorschläge de, Geheimrate» Hugenberg folgen wollte und autonom die Einfuhr aus diesen Ländern auf einen bestimmten Prozentsatz weiter hrrabdrücken wollte. L. Wie wirkt da» auf den deutschen A»»land»- markt? Der Hamburger „Wirtschaft»di«nst" stellt« am 14. Oktober fest, daß die autonome Kontingentierung den deutschen Export noch weiter vernichten müßte, «eil die davon betroff«' nen Staaten zu Gegenmaßnahmen greifen. «» würden damit, wie der „Wirtschaftsdienst" schreibt, auf direktem weg« werter« drei Millionen Menschen «rwerb»lo«, indirekt wür den 8 bi» v Millionen Menschen davon betroffen. Alle» da» würde geschehen, ohne daß der Landwirtschaft irgendein Nutzen spürbar würde- — G» wäre wohl möglich, daß die Preis« in Deutschland steigen, aber e, fehlte an Menschen, di« solch« Preis» bezahl»» können. Ohne Stärkung de« Binnenmärkte» ist der not leidenden Landwirtschaft nNht zu hekfen. 6. Wa» sagt der Mittelstand dazu? Daß Industrie, Großhandel und Schiffahrt von einem uxitewn Rückgang dee Au»land»geschäfte» auf» schwerste betroffen würden, ist klar. Auch da» mittÄständisch« Gewerbe empfindet diese Gefahren, Da, «Westfälische Handwerk»blatt" schreibt in Nr. 44 darüber folgend»: . «Für die Handwerk»wirtschaft siud b«tde Mittungen gleich bedenklich: mit einem weiteren Absinken der Kaufkraft wird da» Absatzgebiet für die Qualitätsarbeit de» Handwerk» gewaltig eingeengt. Warenhäuser, Einheitspreisgeschäft« und Kon sumverein« würden mit ihren Massenwaren di« Lück» cm», füllen." In Themnitz, Solingen usw. liegen den Reinen nutz mitüe- , ren SUdustriebetrieben haufenweise Abbestellungen au, denjenigen Ländern vor, dir schon durch die Ankündigung deutscher Konkin-' ' "'"t« ^tmnwna -langt sind. Die deutsche - Küstenfchtffahtt leidet ebenfalls schon jetzt unter dm beginnende« 2 netten über die Einführung deutscher Kontingente für landwirtschaftlich« Importe verhandelt hat, ist heute vormittag wieder in Berlin etngetroften. Sie war bisher in Brüssel, dem Haag, Pari-, Rom und Ko penhagen. Außer in Brüssel haben die Verhandlun gen der Kommission lein positive- Ergebnis gehabt. Der widerstand de- Wirtschaft-Ministerium« und de» Au-märtigen Amtes gegen die Einführung von Kontin genten hat sich noch> nicht abgeschwächt. Der Wider stand der Industrie ist stark gewachsen. Trotzdem will Papen Kontingente festsetzen. Da- würde den Handels krieg Deutschland- mit seinen Nachbarn und einen schwe ren Schlag gegen Deutschland- Industrie und für die industrielle Bevölkerung bedeuten. heute Entscheidung des Reichrladinettr Kontingentierung, Getreidestützung, Gemeindefinanzen Berlin, 2. Nov. Wie zu erfahren ist, sind tn der Sitzung des RvichSkabinettS, die in den heutigen Wbend- stunden stattfand, keine Beschlüsse -gefaßt worden. Die Ver handlungen gchen vielmehr morgen vormittag 11 Uhr wei ter, und man nimmt an, daß diese Sitzung zu Entscheidun gen führen wird. Die Probleme, um die eS augenblicklich geht, sick) die Sicherung der Gemeindefinanzen, das Kon tin gentierungSprvblem und die Stützung der Getreid^reise. Im VoÄ)ergründ steht dabei die Kontingentteri^ngSMge, nachdem die Kommission heut« von ihren AuSlaNdSreM zurück gelehrt ist. Man darf annehmen, daß auch über diese Frage morgen eine Klärung herbeigeführt wird. und die Erfindungsgabe der sür die Parteien tätigen Plakatzeichner ausgegangen ist. Und da- ist wohl letzt lich die eigentliche Ursache der flauen Wahlbewognngr i es ist kein Geld mehr in den Kassen. So sind ganz von selber -um Symbol diese» Wahlkampfes die Samm ler auf den öffentlichen Plätzen und Strafen geworden,' die stierend und klappernd, teils mit den gähnen teils ! mit den Büchsen, milde Gaben heischen für die unter- schiedlich«« Parteien. Daß ausgerechnet die beiden radikalen Parteien der Nationalsozialisten und der Kommunisten damit den Anfang machten und den an deren ein Vorbild gaben, ist geradezu eine Groteske. Revolution mit Sammelbüchsen! Berlin im letzten Wahlkampf diese» Jahre» ist ausgesprochen langweilig. Reue Schwierigkeiten zwischen Kabinett Braun und Reichsregierung? Berlin, 2. Nov. Wie da» Nachrichtenbüro des BDZ. meldet, fand heute mittag wiederum gine Sitzung de» preußischen ^Kabinetts Braun statt, di« knapp zwei Stunden dauerte und an der sämtliche Staatsminister mit Ausnahme des Kultusministers Grimme und des Innen ministers Severins teilnahmen. Die letzten beiden Minister befanden sich noch auf Wcchlreisen. Den Vorsitz führte Ministerpräsident Dr. Braun. Wie da» Nachrichtenbüro > de» BDZ. Weiler meldet, wurden vom Kabinett die morgen beginnenden Verhandlungen der ReichSratSauSschüsse be sprochen. Ministerialdirektor Dr. Brecht erstattete Bericht wer seine VermittlungSattionen. GS schloß sich eine Er örterung an Wer die au» den Aktionen und dem Bericht Dr. Brechts sich ergebenden Fragen. Eine weitere offiziös« Stellungnahme wird von der preußischen StaatSvegierung zur Stunde adgelehnt, dock hat e» den Anschein, al» ob die Besprechung«« Dr. Brecht» bisher einen für di« Staats- regierung nicht befriedigenden Verkauf genommen hätten. AmveMebtmg der Mrgermeifttes wm Eutin Eutin, 2. Nov. Der nationalsozialistische Regie rungspräsident Boehmcker (Eutin) hat den Bürgermeister der Stadt Eutin, den Deutschnationalm Dr. Stoffregen, seines Amte» enthoben. Dr. Stoffregen wurde heute nach- urtttag durch ein Kommando der Schwartau« Ordnung», poliztt unter Führung eine- PolizeihauvtmannS aus seinen AmtSritmnen entfernt. Der Bürgermeister bat ddn Polizei- Hauptmann auf Vie Ungesetzlichkeit seines Vorgehen» hin- gewiesen «nd beim oldenburaischen Staatsministerium test- graphisch Beschwerde erhoben. Der Krei-vorstand de, DNVV. hat in eine« an dm ReichSinnenminifte, «richte- tm LÄaAamn um da» Stnschreitm de» Reich«, im In- tereffe »w Recht, Ruhe «ad Ordnung «edetm.