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Bis V-10 Uhr vormittags eingehende Anzeigen finden am gleichen Tage Aufnahme Das Pulsnitzer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft u. des Finanzamtes zu Kamenz des Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz sowie der Gemeinderäte Großnaundorf und Weißbach behördlicherseits bestimmte Blatt Hanptblatt und älteste Zeitung in den Ortschaften des Pulsnitzer Amtsgerichtsbezirks: Pulsnitz, Pulsnitz M. S., Großröhrsdorf, Bretnig, Hauswalde, Ohorn, Obersteina, Niedersteina, Weißbach, Ober- und Niederlichtenau, Friedersdorf, Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Kleindittmannsdorf Geschäftsstelle: PulSuitz, Nlbcrtstraßc Nr. 2 Druck und Verlag von E. L- Försters Erben (Inh. I. W. Mohr) Schriftleiter: I. W. Mohr in Pulsnitz Nummer 169 Mittwoch, de« 23. Juli 1S3V 82. Jahrgang Hindenburgtag am Deutschen Eck Tragischer Abschluß der Befreiungsfeier in Koblenz — Bisher 34 Todesopfer des Koblenzer Unglückes Abbruch der Reise Hindenburgs? — Ergebnislose Wahl des sächsischen Ministerpräsidenten (siehe Landtag) Koblenz. Me Stadt Koblenz stand am Dienstag ganz im Zeichen der großen Befreiungsfeier und des damit ver- bundenen Besuches des Reichspräsidenten von Hindenburg. Seit den frühen Morgenstunden befand sich die Stadt in Aufregung. Die Straßen waren übersät mit Fahnen. Fri sches Tannengrün und viele kleine, bunte Wimpel belebten das Bild. Hunderttausende von Menschen waren auf den Beinen. Sonderzüge brachten neue Menschenmafsen. Am Deutschen Eck hatten sich die Ehrengäste und an ihrer Spitze Oberbürgermeister Or. Ruffell versammelt. »Böllerschüsse vom Ehrenbreitstein gaben das Zeichen der Ankunft des Reichspräsidenten. Unter Glockengeläut und Winken von vielen Tausenden legte der Dampfer, der den Reichspräsidenten und sein Gefolge aus genommen hatte, am Landungssteg an. Oberbürgermeister Or. Russell begrüßte dann den Reichspräsidenten. Dann saugen 2500 Schulkinder in einem Maffenchor das Lied »Der freie Rhein". Unter dem Jubel der zahlreichen Teilnehmer an der Be grüßungsfeier begab sich Hindenburg mit den Reichs- und Staatsministern im offenen Wagen zur Stadthalle. Die Ver- treter der Behörden und Verbände und zahlreiche geladene Gäste versammelten sich dort zur Kundgebung der preußi schen Staatsregierung. Hindenburg spricht in der Koblenzer Stadchalle. Bei einem Frühstück, das die preußische Staatsregierung in der Koblenzer Stadthalle gab, überbrachte Reichsverkehrs. Minister v. Guörard die Grüße der Reichsregierung und dankte den Söhnen und Töchtern des Rheins für ihre An hänglichkeit. Wenn auch die sichtbare Kontrolle durch fremde Soldaten geschwunden sei, so sei die Frage, ob der Rhein außer Gefahr sei, leider noch nicht mit Bestimmtheit zu be jahen. Reichspräsident von Hindenburg gedachte in seiner Rede der vielen Opfer der langen Leidenszeit, ge dachte aber auch mit stolzer Befriedigung der gewissenhaften Pflichterfüllung und der vorbildlich standhaften Haltung der Beamtenschaft im besetzten Gebiet. Das Band zwischen Reich und Rhein sei, so sagte er, in seiner Festigkeit erprobt uno für alle Zeiten gesichert worden. Er schloß seine Rede wieder mit der Mahnung zur Einigkeit. Bei einem Abendessen, das die Stadt Koblenz gab, hielt der preußische Innenminister Or. Waentig eine Rede, in der er seiner Freude darüber Audruck gab, daß der deutsche Rhein keinen fremden Druck mehr zu dulden brauche und daß in der schweren Prüfungszeit sich das Rheinland in seinem Denken, Wollen und Handeln gleichwertig bewährt habe. Den Tagen der Freude werde allerdings bald wieder eine Zeit nüchterner Arbeit folgen, in der es gelte, alle Kräfte anzuspannen, um aus wirtschaftlicher und finanzieller .Bedrängnis hinauszugelangen. Die Rettung werde nicht so sehr durch Hilfe von außen als durch eigene Kraft kommen. Tragischer Abschluß der SefreimgSfeier in Koblenz Bisher 12 Tote Die Befreiungsfeier anläßlich des Hindenburg-Be suches in Koblenz fand einen sehr tragischen Abschluß. Als Sie Menschenmassen nach dem Vorort Koblenz-Lützel zurück- ftrömten, brach eine Brücke, die über den Hafen führte, zusammen. Etwa 100 Menschen, dir sich auf der Brücke befanden, stürzten ins Wasser. Bei den Rettungsarbeiten wurden bis jetzt 12 Tote geborgen. Einzelheiten fehlen. Bisher 34 Todesopfer des Loblenzer Unglücks Koblenz, 23. Juli. Das tragische Unglück, das sich gestern abend im Vorort Koblenz-Lützel beim Einsturz der Brücke über den Floß-Sicherheitshafen ereignete, hat sich als folgenschwerer herausgestellt als ursprünglich angenommen wurde. Wie schon berichtet, wurden sowohl von der Schutz polizei als auch von der Feuerwehr energische Rettungsar beiten ausgenommen, die von Schiffern mit Kähnen und Motorbooten unterstützt werden. Im Fackelschein, der grausig über der Unfallstelle leuchtet, wird mit Schlepphaken und Flaschenzügen nach Vermißten gesuchk. Gegen I Uhr waren 22 Tote aus dem Wasser geborgen. Diese Zahl ist aber noch kein abschließendes Ergebnis. Die Rettungs- und Ber gungsarbeiten werden, da noch eine große Anzahl Vermiß tenanzeigen vorliegen, ohne daß Anhaltspunkte für den Ver bleib der Vermißten gegeben werden konnten, fortgesetzt. Um 1'/, Uhr waren die Rettungsarbeiten soweit fortgeschritten, daß 34 Todesopfer geborgen waren Die Arbeiten werden weiter fortgesetzt, da man befürchten muß, daß auch diese Zahl noch nicht endgültig sämtliche Opfer erfaßt. Abbruch der Reife Hindenburgs? Koblenz. Der tragische Ausgang der Befreiungs- fcier in Koblenz ist dem R ichspräsivent von Hindenburg, der in seinem Salonwagen im Hauptbahnhose schläft, noch nicht mitgeteilt worden. Die Tatsache wird ihm am Mitt woch vormittag zur Kenntnis gegeben werden. In ringe» weihten Kreisen nimmt man an, daß der Reichspräsident seine Weiterfahrt durch das geräumte Gebiet nach Trier und Aachen abbrechen und an der Trauerfeier teilnehmen wird. tzoover unterzeichnet den Nottenverlras Aus Washington wird gemeldet. da-; Präsident Hoover den Londoner Flottenvertrag am Dienstag nachmittag unterzeichnet hat. Weitere Verschärfung der ägyptischen Revolution. Wird König Fuad weichen müssen? Kairo. Die Lage inAegypten hat sich weiter verschärft. Bei den letzten Zusammenstößen wurden in Kairo füns Tote und über 200 Verwundete, in Port Said vier Tote und 70 Verwundete gezählt. Zahlreiche Verhaftungen erfolgten. Die englischen Truppen, die in höchster Alarmbereitschaft ge halten werden, wurden bisher noch nicht eingesetzt. In politischen, der Wafd-Partei nahestehenden Kreisen glaubt man, daß König Fuad von Aegypten abdanken wird. Man hält es. auch für möglich, daß der gegenwärtige Ministerpräsident Sidki Pascha zurücktritt. Der frühere Premierminister und jetzige Vorsitzende des ägyptischen Senats, Adli Ieghen, wird als Nachfolger Sidki Paschas genannt. Das Wichtigste Wie die Feuerwehr aus Koblenz mitteilt, sind bis 2 Uhr 45 Min. 35 Tore geborgen worden, die zur Turnhalle de* ehemaligen Tele graphenkaserne überführt wurden. Die einaestürzte Brücke war eine leicht gebaute Eisenbrücke, die nicht dem öffentlichen Verkehr diente. Wie aus Lille gemeldet wird, find dort in 54 Fabriken 10 500 Arbeiter zum Zeichen des Protestes gegen die Sozialversicherung in den Aus stand getr-ten. Da Zusammenstöße befürchtet werden, haben die Behörden Schutzmaßnahmen getroffen. Polizeipakouillen zu Pferde und zu Fuß durchstreifen die Stadt. Aegypten in Aufruhr! Revolution in Aegypten. Unsere Blicke tasten über diese Zeile, und wir sind versucht, zurückzuLenken an Zeiten, da es auch in Deutschland unruhig, da auch in Deutschland der Kamps um die innere Herrschaft ausgebrochen war. Es wäre völlig verfehlt, hier irgendeinen Vergleich ziehen zu wollen. In Aegypten leben die Völkr nebenein ander. Und wenn auch eine Verbindung unter Europäern möglich ist, eine Brücke zu den Eingeborenen wird fast nie geschlagen. Die Welten stehen gegeneinander. Ein blick in die Seele des Mohammedaners gewinnt vielleicht der Arzt, der Beamte, der jahrzehntelang im Volk und mit dem Volke lebt, seltener der Kaufmann, der seinen Wohnsitz am Nil aufschlug, sicherlich nicht der Fremde, der Aegypten als Reisender durchzog. Durch das Wort „Mohammeda ner" sei eine Erklärung zu geben versucht. Der Einge borene ist nicht unsriedlich, er ist ein in der Jugend lebhafter Mensch mit starkem Anpassungsvermögen, er altert — auch geistig — schnell, eine Eigenschaft ist aber wohl allen Einge borenen ins Blut gegeben: er ist aufzuhetzen gegen alles das, was „fremd" heißt. Aus einem solchen Anlaß heraus war Aegypten einst von den Engländern unterjocht worden. Arabi Pascha hatte sich an die Spitze des sogenannten nationalen Aegypten gestellt. Die Engländer hatten ihn geschlagen und waren einmarschiert in Kairo und Alexandrien, in Port Said und Suez. Es läßt sich manche Parallele zwischen damals und heute ziehen. Heute ist Nahas Pascha der Mann, der die Menge wie ein Arabi Pascha gegen die Fremden führt. Schon protestieren die Gesandten der euro päischen Staaten gegen die Ermordung von Euro päern, schon liegen englische Kriegsschiffe vor Alexandrien bereit, jederzeit einzugreifen. Wir kennen das Bild. Dann liegen die dunklen Kolosse bei Res el Tin, dem alten Schloß von Alexandrien, das auf dem Feigenkap draußen an der Spitze des Hafens steht, und die Rohre der Kanonen sind auf die Eingeborenenstadt gerichtet. Wird es wieder zu einem Einmarsch der Engländer kommen? Worum geht der Streit? Es ist vornehmlich eine Frage zu lösen. England hat dem Land am Nil eine gewisse Selb ständigkeit gegeben, als es einen Ersatz für Aegypten gefun den hatte. Die Zeiten sind zwar vorbei, da die Webstiihle von Lancashire die Welt versorgten. Trotzdem braucht Eng land eine starke Baumwolleinfuhr. Als der Weltkrieg vor- Lbergegangen war, in dem England den Aegyptern die Frei heit versprochen hatte, begackn Großbritannien energisch die Kolonisierung des Sudans. Durch Stauwerke und Kanalisierung wurden im Sudan 120 000 Hektar Land gewonnen, weitere 300 000 Hektar sind für Baumwollpflan zungen vorbereitet. Der Sudan ist leicht zu regieren. Für Eisenbahnen und Straßen hat London gesorgt. Die Be- völkerungszahl ist im Gegensatz zu Aegypten gering. Nun beansprucht Aegypten den Sudan, den Eng land keinesfalls abzutreten gewillt ist. Das ist der Haupt streitpunkt zwischen Kairo und London. Gegenspieler in Aegypten sind Sedki Pascha, den König Fuad berufen hat, als sich das Parlament seinen Wünschen, einen entsprechenden Vertrag mit England abzu schließen, widersetzte, und Nahas Pascha, der Führer der Wafd, der nationalen Partei. König Fuad ist ebenso wie Sedki Pascha Türke, Nahas Pascha ist Fellache. Der Türke ist ein Herr unter den Völkern, wie der Eng länder. Sedki Pascha hat zunächst das Parlament suspen- diert. Die Abgeordneten drangen einige Tage nach ihrer unfreiwilligen Beurlaubung in das Parlamentsgebäude ein und hielten aus eigener Machtvollkommenheit eine Sitzung ab. So war die Lage vor dem Ausbruch des Aufstandes. Die Gegensätze zwischen dem König und der Wafdparbei verschärften sich, als Nahas Pascha zu einer Agitationsreiss nach Mansuria fuhr. Mansuvia ist eine Stadt, die zwischen Alexandrien und Kairo liegt und allen Aegypten besuchern als Schnellzugstation bekannt. In Mansurah kam es zu einem blutigen Zusammenstoß. Hanna