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für Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag). AbonnementLpreiS vierteljährlich 1 Mark, «ine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags »iS Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag). Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannalnne Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. für die Königl. Amtshauptumnnschch zu Meißen^dns^Königl. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Neununddreißigster Jahrgang. Rr. 7. Freitag, den 24. Januar 1879. Tagcsgeschichtc. Fürst Bismark ist mit seinem Strafgewaltsgesetz für den Reichstag erschienen, aber nicht wie der freundliche Genins oder der Goldonkel im Lustspiel, der plötzlich auftritt, alle Schwierigkeiten löst und seine Hände segnend ausbreitet, sondern wie der Donnerer Zeus aus den Wolken. Er hat es verstanden, alle und alles zu überraschen, die Reichstagsabgeordneten und das Volk; keine Partei und keine Fraktion hat er ins Vertrauen gezogen, nicht einmal einzelne hervor ragende Männer, alle sind verblüfft, sogar die Conservativsten und die der Negierung nahe stehenden Zeitungen. Auch die letzteren stammeln nur schüchtern und verschämt für den Entwurf und geben zu verstehen, daß sich ja darüber sprechen lasse und daß das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Alle andern vollends erklären, dieses Gesetz mit seinem Strafcodex für die höchste Vertretung des deutschen Volkes werfe viele Paragraphen der Verfassung über den Haufen und sei unannehmbar, der Reichstag müsse sein Hausrecht zwar verschärfen, aber selber wahren. Wer weiß, welche Überraschungen und Zumuthungen noch die Zukunft bringe, — allerlei Schatten werfe ja schon die Gegenwart, Finanz- und Steuer- und Eisenbahn-Pläne — der Entwurf sei ei Damocles- schwert für jede Partei, heute mir, morgen dir. — Da müsse der Reichs tag sich seine volle Unabhängigkeit wahren, wenn auch sofort für eine strengere Hausordnung sorgen. — Mau will sogar wissen, daß Bayern, Sachsen, Baden, mehre Thüringer Staaten, die Hansastädte und Oldenburg im Bundesrathe gegen den Entwurf stimmen werden. (Freund Ulk illnstrirt sehr heiter, wie es nicht nur Hasselmann und Windthorst, sondern auch Lasker, Richter re. ergehen kann.) Die „Deutsche Allg. Ztg." schreibt: Der Gesetzentwurf wegen der Strafgewalt des Reichstages beschäftigt noch immer aufs lebhafteste die öffentliche Meinung. Nicht allein die deutsche Presse hat sich mit ganz überwiegender Mehrheit (selbst die namhaftesten conservativen Organe nicht ausgenommen) gegen den Entwurf, so wie er vorliegt, ausge sprochen, sondern auch die auswärtige hat fast einstimmig denselben in einer Weise vcrurtheilt, die zum Theil für unser deutsches National- gefüh! wenig angenehm war, um so weniger, als wir uns außer Stande sahen, darauf etwas zu erwidern. Einer neuesten, offenbar osficiösen Kundgebung in der „Post" zufolge scheint nun der Reichskanzler, viel leicht doch stutzig gemacht durch jenes so ungünstige öffentliche Verdick, selbst nicht mehr aus der Vorlage, so wie sie ist, beharren, vielmehr zu Abänderungen derselben die Hand bieten zu wollen. Freilich lassen sich dadurch die Nachtheile, die durch das Hinauswerfen jenes so weit gehenden Gesetzentwurfs in die Oeffentlichkeit unstreitig geschaffen werden, die Erregung und Verwirrung, die er im deutschen Volke an gestiftet, die Kränkungen vom Auslande, denen er uns fast waffenlos ausgesetzt hat, nicht ungeschehen machen, nud immer ist es bedenklich, wenn von maßgebender Stelle aus so einschneidende Aenderungen in der Gesetzgebung ohne Noth angeregt werden, indem dadurch das Ver trauen der Nation auf die Stetigkeit seiner Gesetzgebung, welche doch von so großem Werthe für den Stand des öffentlichen Geistes ist, un möglich gewinnen kann. Der schon vielfach besprochene, dem Bundesrathe vorliegende Ent wurf eines Gesetzes betreffs der Strafgewalt des Reichstags über seine Mitglieder umfaßt in der Hauptsache vier Punkte. Die Strafgewalt des Reichstages wird ausgeübt von einer Commission, welche aus dem Präsidenten, den beiden Vicepräsidenten und 10 Mitgliedern besteht. Die Ahndungen, welche die Commission zu verfügen berechtigt ist, sind folgende: 1) Verweise vor versammeltem Hause; 2) Verpflichtung znr Abbitte.vor versammeltem Hause; 3) Ausschließung von der Versamm lung auf bestimmte Zeit, welche, weun sie sich auf die ganze Dauer der Legislaturperiode erstreckt, deu Verlust des Rechts zur Wählbarkeit nach sich ziehen kann; 4) wenn die Ungebühr eine strafbare Handlung im Sinne des Strafrechts in sich schließt, so kann das betreffende Mitglied des Reichstages auch dem Strafrichter überwiesen werden. Gleichzeitig mit dieser Ahndung kann dem incriminirten Theile der Rede die Aufnahme in den stenographischen Bericht versagt sowie über haupt jede Art der Veröffentlichung derselben verboten werden. Die Commission tritt in Wirksamkeit, wenn der Präsident sie anordnet oder wenn ihre Wirksamkeit von 20 Mitgliedern des Reichstages beantragt wird, welches letztere binnen drei Tagen nach dem Vorfälle geschehen muß. Die Commission entscheidet endgültig. Wenn aber auf Aus schließung aus dem Reichstage entschieden wird, kann der Ausgeschlossene binnen acht Tagen nach der Entscheidung der Commission die Ent scheidung des Reichstags aurufeu. Der Präsident kann ungebührliche Aeußerungen auch schon vorläufig — vorbehaltlich einer Anrufung der Commission — von der Aufnahme in den stenographischen Bericht und von der Veröffentlichung durch die Presse ausschlicßen. Zuwider handlungen gegen dieses Verbot der Veröffentlichung werden mit Ge- fängniß von drei Wochen bis drei Monaten bestraft) In die verflossene Woche fiel der Jahrestag der Verkündigung des Deutschen Kaiserthums, allezeit ein Jubel- und Festtag für die deutsche Nation, diesmal in verdoppeltem Maße, weil sie den am 18. Januar 4871 von den Fürsten und Völkern Deutschlands auf den Schild ge hobenen ehrwürdigen Herrscher, errettet ans schweren Gefahren, in un vermindertem körperlichen und geistigen Wohlsein, trotz seines hohen Alters, an ihrer Spitze erblickte und mit ihren freudigen Glückwünschen umgeben konnte. Die Eröffnung des Reichstages steht nach der Provinz.-Corr. zum 12. Febr. zu erwarten. Die Frage, ob die socialdcmokratischcn Abgeordneten unbehelligt werden in den Reichstag eintreten können, beschäftigt unsere parla mentarischen Kreise lebhaft. Die Mitglieder des Parlaments sind im Besitz ihrer Eisenbahnkarten für die Dauer der Legislaturperiode, und acht Tage vor Eröffnung der Session treten die Karten zur Reise hier her in Giltigkeit. Ueberdies reisen die Abgeordneten ausnahmslos unter dem Schutz des Kaisers, deun der Kaiser beruft sie hierher. Sie sind deshalb, wie angenommen wird, für die Dauer der Session den Con sequenzen des kleinen Belagerungszustandes, entzogen und selbst für den Fall, daß die Polizei socialdemokratischc Abgeordnete verhaften sollte, treten sie in ihre Privilegien als Reichstagsmitglied ein, denn an die Verhaftung müßte sich sofort ein strafrechtliches Verfahren an schließen, und zur Einleitung eines solchen wäre vom preußischen Justiz minister erst die Genehmigung des Reichstages nachzusuchen. Wahr scheinlich legt die Polizei den von hier ausgewiesenen Abgeordneten Schwierigkeiten zum Eintritt in den Reichstag nicht in den Weg, schon weil der Eintritt sämmtlicher svcialistischen Mitglieder nicht verhindert werden könnte. Denn beispielsweise müssen die Hamburger und die Braunschweigischen Abgeordneten unbehelligt bleiben. Den Cultusminister Falk in Preußen muß man eine gute Sieben nennen. 7 Jahre ist er Minister und in diesen 7 Jahren hat er es dahin gebracht, daß 400,000 Kinder mehr als unter seinem Vorgänger v. Raumer m guten Volksschulen unterrichtet werden. Das ist eine That und er hat es ermöglicht durch Vermehrung der Seminare und Errichtung von zahlreichen Schulen. Ein Socialdemokrat schrieb über ihn: „Falks Versuche, die gefährdeten Säulen des Staates und der Gesellschaft zu stützen, sind für uns Socialdemokraten gefährlicher als seines Vorgängers Regulative und vieles andere." Möglich, daß Falk, wie mau gesagt hat, seine Rede zum Fenster hinaus gehalten hat: so was darf man schon zum Fenster hinaus rufen. Wenn es nur alle oben und unten hören! — In ihrem Brevier lesen es die schwarzen Männer ohnehin nicht. In den letzten Sitzungen des preußischen Landtags ging es so unparlamentarisch zn, als wollten die Herren zeigen, wie iiöthig das Bismarck'sche „Maulkorbgesetz" sei. Ein katholischer Rentier, Franzen aus Bonn, brauchte gegen einen abwesenden Professor und Landsmann die Ausdrücke Niederträchtigkeit, Gemeinheit und Frechheit und bekam von einem College» die Antwort eines französischen Ministers zu höreu: „Häufen Sie nur immer das Maß Ihrer Jnjurieu, Sie werden nie mals das Maß unserer Verachtung erreichen." Die conservativen Ab geordneten Mayer-Ärnswalde und v. Minnigcrode gingen Arm in Arin mit den Ultramontanen gegen Falk vor und oft recht kleinlich und gröblich. Herr Mayer wurde gründlich abgetakelt, er gehört zu den spaßhaften Leuten, die gern in Superlativen sprechen und niemals in Verdacht kommen, die Verfasser von Mayers bekanntem Cymplimentir- bnch zu sein, cs aber gewaltig übel nehmen, wenn sie in ähnlicher Münze bedient werden. — Ein gutes Wort in dem Streit — hoffent lich nicht in den Wind — sprach Or. Virchow. Man dürfe, sagte er, nicht jedes Wort in erregter politischer Debatte auf die Goldwaage legen; wenn er, Virchow, solche Angriffe in und außer dem Haus sich sehr hätte zu Herzeu nehmen wollen, so würde er seit Jahr und Tag Nachts nicht habe schlafen können. Zur Bestreitung der Kosten der Hebung nnd Heimschaffung der verunglückten Panzerfregatte „Großer Kurfürst" sind ausge worfen 1,000,000 Mk. — Wie verlautet, wird das Kriegsgericht zur Uutersuchuug des Unfalls der Panzerfregatte „Großer Kurfürst" am 27. d., Morgens 10 Uhr, in Berlin im Gebäude der Admiralität zusammentretcn. Als Beisitzer fungiren 12 Mariueofficiere. Hannover. Die Wachsamkeit des königl. Amtes zu Borgdorf hat dieser Tage die überraschende Thatsache zu tage gefördert, daß' hier Sammelstellen zur Beschaffung eines Hochzeitsgeschenkes für den Herzog von Cumberland und Unterzeichnung einer Adresse an den selben in vollem Flor gestanden haben. Die Listen der Betheiligten sowohl, als die schon zu einer ganz annehmbaren Summe angewachseneil Beiträge sind seitens der Polizei in Beschlag genommen. Ueber den Landtag in Bayern hat die Regierung ein ganzes Füllhorn von neuen Eisenbahnen ausgeschüttelt. Nicht weniger als 12 Bahnen sollen gebaut oder fortgeführt werden mit einem Aufwande von 86 Vr Mill. Mark. Es sind aber vorläufig nur Schaugerichte und uur 4 haben zunächst Aussicht, weil das Geld rar ist. Wer hätte das gedacht, daß die Amerikaner auf Europa neidisch sind? Die New-Iorker Zeitung rechnet ihren Landsleuten, die nach Deutschland, Frankreich, England und Italien reisen, um eine Zeit lang von der Dvllarjagd auszuruhen und sichs wohl sein zu lassen oder auch ! um ihre Kinder zu erziehen oder auf Universitäten zu studiren, au den ! zehn Fingern vor, daß sie jährlich über 100 Mil. Dollars ins Ausland j verschleppen und vcrplämpern.