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Einun-vierzigster Jahrgang. Nr. 71. Dienstag, dm 6. September 1881. Erscheint »ichentltch S Mal DienStag und Freitag) AivnnementSpreiS vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer lastet 10 Ps. Jnseratenannahme Montags ».Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht nnd den Stadtrath zu Wilsdruff. Erschein» wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag. Abonncmentspreis vierteljährlich 1 Wark Eine einzelne Nummer kostet 10 Ps. Jnscratenannabme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Die feierliche Erössnnng des Landtages. Dresden, 4. September. Zur Eröffnung des 19. ordentlichen Landtages hatten sich im Eckparadesaal des königlichen Schlosses kurz vor 1 Uhr die Mitglieder der beiden Kammern versammelt. Hinter ihnen hatte die Generalität, das Offizierskorps und Herren der ersten und zweiten Hosrangordnung zahlreich Aufstellung genommen; die Uniform herrschte vor. Von der Diplomatie waren sämmtliche Ge sandtschaften — mit alleiniger Ausnahme der preußischen — durch ihre Chefs vertreten. Vom Vorzimmer des Eckparadesaals verkündeten um 1 Uhr Fanfaren des Hoftrompeterchores das Erscheinen Sr. Majestät des Königs. Unter Vorantritt des großen Dienstes, an dessen Spitze Oberzeremonienmeister v. Miltitz, erschien Se. Majestät der König, gefolgt von dem Prinzen Georg und Friedrich August. Während Se. Majestät zum Throne schritt, brachte der Präsident der ersten Kammer, Herr von.Zehnu n, ein Hoch aus, in welches die An wesenden drei Mal begeistert einstimmten. Hierauf nahm Se. Majestät in großer Feldmarschallsuniförm, bedeckten Hauptes, auf dem Throne Platz, zur Rechten und Linken ließen sich Prinz Georg und Prinz Friedrich August nieder. Se. Majestät nahm hierauf aus den Hän den des Ministers von Fabrice die Thronrede entgegen und verlas unter lautloser Stille der Versammlung folgende Rede: Meine «Herren Stän-e! „Sie sind heute zusammengekommen, um nach verfassungsmäßiger Ordnung die dem neunzehnten ordentlichen Landtage obliegenden Ge schäfte zu erledigen, und Ich heiße Sie in Meiner Residenzstadt will kommen. Ich habe Sie schon heute zusammenbernfen, da Ich es Mir nicht versagen wollte, die fünfzigste Wiederkehr des Tages, an welchem die Verfassung unseres Landes verkündigt worden ist, in Ihrer Mitte zu begehen. Ein Tag so wichtiger Erinnerung darf nicht mit Schweigen übergangen werden. Gern gedenken wir Alle der Art, in welcher vor einem halben Jahrhunderte unsere Verfassung gegründet worden ist. Sie ist nicht mit einem gewaltsamen Abbruch der Vergangenheit entstanden, sondern aus einer durchaus maßvollen Entwickelung hervorgegangen. Hatte der Kurstaat Sachsen schon seit Jahrhunderten eine Vertretung in der Form des älteren deutschen Ständewesens besessen, und in treuem Zu sammenwirken mit dieser ein geachtetes Kulturleben errungen, so galt es vor fünfzig Jahren, unserem Staate eine neue Organisation zu geben, damit er befähigt würde, die größeren Aufgaben des öffentlichen Lebens dieses Jahrhunderts zu erfüllen. Wir wissen, mit welcher Umsicht und Opferbereitschast man damals gehandelt, und in welchem Frieden sich der Uebergang aus dem älteren in den neuen Verfassungs staat vollzogen hat, und dankbar erinnern wir uns heute der Männer, deren patriotischem Wirken wir dieses entscheidende Ergebnis; zuschreiben. Steht man aber an dem halbhundertjährigen Abschluß der Wirk samkeit einer solchen Organisation,'so fühlt man sich wohl aufgefor dert, die Frage zu beantworten, was sie in einem Zeitraum geleistet hat, in welchem es galt, Ansprüche des Volkslebens zu befriedigen, wie sie fv umfassend in keiner früheren Zeitperiode aufgetreten sind. Denn wenn sich unser früheres Staatslebeu Jahrhunderte hindurch auf wesentlich veränderten Bahnen bewegte, so gab es in dieser Peri ode kein Gebiet des öffentlichen Rechts, das nicht eine Planmäßige Erneuerung nach den politischen Bedürfnissen der Zeit gefordert hätte. In der That bedarf es nur eines Blickes auf Das, was in diesen fünfzig Jahren in Gesetzgebung nnd Verwaltung geschehen ist, um sich von der Fruchtbarkeit unseres neuen Verfassungslebens zu überzeugen. Justiz und Verwaltung, Finanzverfassuug und Steuern, das Heerwesen, Kirche und Schule, das Recht der Gemeinden und des gewerblichen Lebens haben völlig neue Ordnungen erhalten, und oft ist es nicht bei einer einmaligen Umgestaltung geblieben. So ist unter Mitwirkung der Stände der jetzigen Verfassung unser Staat ein völlig neuer ge worden. Wenn Ich hierauf Hinweise, so thue Ich dies nicht in dem Ge danken, daß diese Ergebnisse unseres neuen Verfassungslebens überall als abgeschlossen zu gelten hätten. Denn definitive Abschlüsse lassen sich im Staate, zumal bei dem Charakter unseres modernen Staats wesens, nur selten erreichen, da die Wechselwirkung der Kräfte eines gesunden Volkslebens von selbst zu weiteren Entwickelungen hinführt. Aber trotz der rascheren Veränderung der politischen Bedürfnisse kann auch das moderne Staatsleben nicht bestehen ohne jene konstanten Kräfte, welche die Mannichfaltigkeit im Wechsel regeln und beherrschen; sie wurzeln in der unverbrüchlichen Treue und Liebe zum Vaterlande und in der selbstlosen Hingebung bei der Pflege seiner Interessen. Und wenn die Stände unserer Verfassung in diesem halben Jahrhunderte es verstanden haben, gleichzeitig als Vertreter der mannichfaltigeu Interessen des Volks, wie als treue und zuverlässige Stützen bei der Erhaltung des Vaterlandes zu dienen, wenn ferner die auf dem In halte unserer Verfassung ruhende halbhundertjährige Arbeit zur För derung der Gerechtigkeit, zur Hebung der Sittlichkeit des Volks und zur Entwickelung seiner geistigen und wirthschaftlichen Kräfte geführt hat, so darf man sagen, daß die vor fünfzig Jahren gegründete Ver- fassnug die Erwartungen ihrer Einführungen erfüllt und als ein Segen unseres Volkes sich erwiesen hat. Es ist Mir ein landesväterliches Bedürfniß, diese Anerkennung mit dankbarem Herzen heute öffentlich auszusprechen. Sowie aber in früheren Jahrhnnderten unser Staat sich mit dem Gesammtleben des deutschen Volkes verbunden gezeigt hat, was die von hier ausgegangenen Einwirkungen auf alle Gebiete des deutschen Kulturlebens sattsam bezeugen, so will auch unser heutiger Staat seine Kraft und Gesundheit vor Allem in dem Gedanken erhalten, daß er damit sich als ein wirksames und dem Ganzen förderliches Glied des Deutschen Reiches erweise. So wollen wir uns denn heute dankbar daran erinnern, was unter Gottes gnädiger Führung unser Vaterland in diesen fünfzig Jahren mit seiner Verfassung erreicht hat, und zugleich getrost in die Zukunft mit der Hoffnung ausblicken, daß unser Volk, wenn abermals ein halbes Jahrhundert verflossen ist, mit denselben Empfindungen des Dankes und Vertrauens seiner Verfassung gedenken werde. Es gereicht Mir zu großer Befriedigung, den gegenwärtigen Landtag, welchem Meine Regierung nur wenige Gesetzentwürfe vor zulegen Veranlassung hat, mit der Erkürung eröffnen zu können, daß mit der allmählich fortschreitenden Hebung der wirthschaftlichen Ver hältnisse des Landes auch die Finanzlage des Staates eine erfreuliche Wendung zum Besseren genommen hat. Die im Steigen begriffenen Erträge der Betriebsverwaltungen des Staates, insbesondere der Ei senbahnen, bei welchen die günstigen Wirkungen der Konsolidirung des sächsischen Staatseisenbahnnetzes und der angestrebten Betriebsverein- fachungen immer mehr zur Geltung gelangen, gestatten es, für die nächste Finanzperiode auf den größeren Theil der außerordentlichen Steuerzuschläge zu verzichten. Mögen auch die Verhandlungen dieses Landtags vom besten Er folge begleitet seiu und zum Segen des Landes gereichen." Nachdem der Minister die Thronrede, deren Verlesung gegen den Schluß hin von freudiger Bewegung der Anwesenden begleitet war, in Empfang genommen, verlas Geh. Rath Held die detaillirte Mil- theiluug der Staatsregiernng über die Ausführung der vom letzten Landtage gefaßten Befchlüsse. Hierauf erklärte Minister v. Fabrice auf Befehl Sr. Majestät dcu X!X. ordentlichen Landtag für eröffnet. Die Versammlung stimmte hierauf begeistert iu ein dreimaliges, vom Präsidenten der 2. Kammer, Bürgermeister Haberkorn, ausgebrachtes Hoch auf Se. Majestät den König ein, worauf der Hof in derselben Reihenfolge wie beim Eintritt den Saal verließ. Tagtsgeschichlc. Berlin, 1. September. Nach einer kaiserlichen Verordnung vom 31. August sollen die Reichstagswahlen am 27. Oktober stattfinden. Ein Telegramm der „Frankfurter Presse" aus Biel meldet von einer großen Ueberschwemmung. Die Fahrdämme der Jurabahn sind beschädigt, in Folge dessen fand eine Zug-Entgleisnng statt. Die Bildung eines Ministeriums Gambetta scheint nach den Berichten und Telegrammen, die aus Paris kommen, vorläufig ver tagt zu sein. Der Ministerpräsident Ferry zeigt wenig Neigung, die Leitung der Geschäfte schon jetzt au Gambetta abzutrcten. In einem Schreiben, daß Ferry an seine Wähler gerichtet hat, führt er wieder eine sehr sichere und selbstbewußte Sprache. Gegenüber den Reform plänen der vorgeschrittenen Republikaner, die "er als verfrüht und chimärisch bezeichnet, entfaltet er wieder die Fahne der gemäßigten Republik, für die nach seiner Meinung auch der Ausfall der Wählen entschieden hat. Es scheint hieraus hervorzugehen, daß es noch nicht zu einer gründlichen Verständigung Ferrys mit Gambetta gekommen ist, und daß der Letztere noch nicht ganz Herr der Situation ist. Loudon, 1. September. Nach hier Angegangenen Nachrichten aus Kapstadt vom 31. August hat der Postpacketdampfer „Teuton" von der „Union Steamship Company", welcher am Montag von Eng land eiugetroffen und nach der Algoa-Bai weitergegangen war, beim Kap Quoin Schiffbruch gelitten. Von den Passagieren und der Mann schaft, im Ganzen 200 Personen, wurden 27 in Kähnen gerettet. Die englische Korvette „Dido" hat sich sofort an Ort und Stelle begeben. Die Sucht der Amerikaner und Engländer nach „Reliquien" hat einen Diebstahl veranlaßt, der in Washington großes Aufsehen erregt. Bekanntlich wurden wenige Tage nach der letzten Operation Garfields mit den Ausflüssen aus der Wunde einige Knochensplitter ausgewaschen, welche sowohl ärztliches als historisches Interesse hatten. Dieselben sollten dem medizinischen Museum zur ewigen Aufbewahrung über wiesen werden, sind aber spurlos verschwunden. Man glaubt nicht, daß der Dieb irgend einen anderen Wunsch hatte, als sich in den Besitz des Andenkens zu setzen. Die Aerzte wünschten dieselben für ihre spätere Darstellung des Krankheitsvcrlaufes zu haben und sind nun sehr ungehalten. Der Kampf der Zeitungen gegen die behan delnden Aerzte dauert noch immer an. Die Nachrichten aus Rußland klingen immer asiatischer, d. h. abenteuerlicher. Zur Ausrottung des Nihilismus „mit Stumpf und Stil" haben die jungen Leute in der Umgebung des Kaisers eine „heilige Druschiua" gebildet, deren Mitglieder sich verpflichten, jeden Anarchisten mit Gewalt aus der Welt zu schaffen. Also Mord gegen Mord, Gesetzlosigkeit gegen Gesetzlosigkeit! Selbstverständlich mußte ein solcher Plan mit dem tiefsten Geheimniß umgeben werden, ein Mitglied verlor aber die Liste der Verschworenen im Klub und so kam