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PulsnHerIa-eblait Fenisprscher 18. Tei.-Asr.: Tageblatt Pulsnitz ^Koktscheck-Konto Dresden 21 38. Giro-Konto 146 — — _ Erscheint a» jedem Werktag — — — Im Falle höherer Gewalt — Krieg, Streik oder sonstiger irgend welcher Störung des Betriebes der Zeitung oder der Beförderungseinrichtungen — hat der Bezieher keinen Anspruch aus Lieferung oder Nachlieferung der Zeitung oder auf Rück« zahlung des Bezugspreises. — Wöchentlich 0.65 RM bei freier Zustellung; bei Abholung wöchentlich 0.55 RM; durch die Post monatlich 2.60 RM freibleibend Bank-Konten: Pulsnitzer Bank, Pulsnitz und Commerz- und Privat-Bank, Zweigstelle Pulsnitz Anzeigen-Grundzahlen in RM: Die 42 ww breite Petitzeiie (Moffe'sZeilenmeffer 14) RM 0.25, in der Amtshauptwannschaft Kamenz RM 0.20. Amtliche Zeile RM 0.75 und RM 0.60. Reklame RM 0.60. Tabellarischer Satz 50»/, Ausschlag. — Bei zwangsweiser Einziehung der Anzeigengebühren durch Klage oder in Konkursfällen gelangt der ovlle Recknungsbetrag unter Wegfall von Preisnachlaß in Anrechnung. Bis l/,10 Uhr vormittags eingehende Anzeigen finden am gleichen Tage Aufnahme Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Kamenz, des Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz sowie der Gemeinderäte Großnaundorf und Weißbach Hauptblatt und älteste Zeitung in den Ortschaften des Pulsnitzer Amtsgerichtsbezirks: Pulsnitz, Pulsnitz M. S., Großröhrsdorf, Bretnig, Hauswalde, Ohorn, Oberftetna, Niedersteina, Weißbach, Ober- uni» Niederlichtenau, Friedersdorf, Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Klein-Dittmannsdorf Geschäftsstelle: Pulsnitz, Albertstraße Nr. 3 Druck und Verlag von E. L. Försters Erben (Inh. I. W. Mohr) Schriftleiter: I. W. Mohr inPulSnitz Nrsmmer 214 Dienstag, den 14. September 1926 78. Jahrgang WMM VN Sie WM-MmVM Besprechungen Stresemann—Briand Nächste Sitzung des Völkerbundsrats im Dezember in Berlin — Einberufung des italienischen Parlaments — Primo de Nivera über seine zukünftige Politik — Dementi über die Gerüchte eines Staatsstreiches in der Tschechoslowakei Das Wichtigste Nach einer Meldung der Berliner Morgenblätter aus Buka rest ist auf dem Bahnhof von Contesci (Rumäniens ein Schnellzug mit einem anderen Zug zusammengestoßen. 5 Personen wurden getötet, 30 verletzt. In Gens fanden zwischen Stcsemann und Briand Besprech ungen über die Locarno Rückwirkungen statt. In Italien besteht die Auffassung, daß das Attentat auf Mussolini in Frankreich vorbereitet wurde. Bei Oppeln und Landsberg a. W. wurden neue Eisenbahn attentate verübt. Die Typhusepidemie in Hanover hat bisher 15 Tote und 700 Erkrankungen gefordert. Die heute zur Zeichnung aufgelegte preußische Staatsanleihe im Betrage von 20 Millionen Dollar ist sehr stark über zeichnet worden, sodaß die Zeichnung gleich nach ver Er öffnung geschlossen werden mußte. Reichspräsident von Hindenburg ist gestern abend 8,36 Uhr mit dem fahrplanmäßigen Zuge aus München von seinem Erholungsaufenthalt in Bayern wieder nach Berlin zu- rückgekehrt. Nach Meldungen aus Hankau sollen bei der Beschießung der der Stadt Wan-Sicn durch die Engländer auf chinesischer Seite 20o0 Tote und Verwundete zu verzeichnen sein. Eine Agcnturmeldung will wissen, daß die Spanier auf der ganzen Linie wieder mit den Marokkanern im Kampfe sind. Diese neue Lage wird die französische Heeresleitung zu größter Aufmerksamkeit auf der nordischen Front veran lassen. Nach indischen Meldungen hat der Emir von Afghanistan nach Abschluß des russischen Freundschaftsvertrages den Kaisertitel angenommen, nachdem ihm schon vor wenigen Jahren im Vertrage mit England die Anrede Majestät eingeräumt worden war. Welche Strafe erwartet -ie Attentäter von Leiferde? Von Regierungsrat vr. Knittel. Zum Glück sind Anschläge auf Eisenbahntransporte ziem lich selten. Die unabsehbare Vernichtung von Menschenleben und Material und die durch das Gesetz angedrohten hohen Strafen stehen außer Verhältnis zu dem vom Täter gewoll ten Erfolg. Alle in Betracht kommenden Motive (Racheakt gegen einen einzelnen, gegen die Lisenbahnverwaltung oder gegen die bestehende Gesellschaftsordnung oder schließlich die Ausführung von Raubabsichten im Wirrwarr der Kata strophe) lassen sich mit geringeren Mitteln in die Tat um setzen. Um so größer ist bei den hin und wieder doch vorkom menden Eisenbahnanschlägen die Teilnahme an dem Geschick ! der unschuldigen Opfer und die allgemeine Entrüstung über ! die Verruchtheit der Täter. Unwillkürlich zieht man bei einem Attentat wie dem von Leiferde, bei dem einige , zwanzig Menschenleben vernichtet und zahlreiche Menschen an Körper und Gesundheit geschädigt wurden, einen Ver gleich zwischen den für die Tat Verantwortlichen und den großen Massenmördern der jüngsten Vergangenheit wie etwa Haarmann und Angerstein. Die Verbrecher von Leiferde, Schlesinger und Weber, haben sich zu ihrer Tat bekannt. Da ist nichts natürlicher als die Frage: Kann man Schlesinger und Weber auch vom juristischenStandpunkt ausmitMördernaufeineStufe st eilen? oder: Wie werden die über die Leiferder Atten täter zu Gericht sitzenden Geschworenen und Richter zu entscheiden haben? Schon die bloße vorsätzliche Gefährdung eines Eisenbahntransports wird mit Zuchthaus bestraft. Es ge nügt, daß die Anlagen und Beförderungsmittel der Eisen bahn dergestalt beschädigt oder durch falsche Zeichen oder ! Signale oder durch Hindernisse ein Transport in Gefahr gesetzt wird. Daß tatsächlich ein Unfall eintritt, ist nicht erforderlich. Mit Recht wurde daher vor ! einigen Tagen vom Schwurgericht Brieg ein Arbeiter mit Genf. Von gut informierte englische Seite verlautet, daß zwischen vr. Stresemann und dem französischen Außen minister Briand als Folge des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund bereits Verhandlungen über die km Locarno-Pakt vorgesehenen Rückwirkungen eingeleitet worden sind. Der englische Außenminister Chamberlain sowie der belgische Außenminister Vandervelde sollen die Vermittlung für diese Verhandlungen übernommen haben. Zur Behandlung stände vorläufig die Frage der Herabsetzung der Bssatzungstruppe« im Rheinland auf 38 000 Mann. Deutscherseits wird die Einbeziehung der Besatzung des Kehler Brückenkopfes in diese Zahl gewünscht, weiter die Räu mung der Kurorte Langenschwalbach, Kreuznach und Neuenahr sowie die Zusammenfassung der Besatzungs truppen in großen Zentren, die Unsichtbarmachung der (Be satzungstruppen. Ehamberlain soll sich bereit erklärt haben, diese deutschen Forderungen zu unterstützen. Eine Einbeziehung der Oeffentlichkeit in diese Fragen wird zurzeit von französischer Seite für nicht allzu wünschens wert erachtet. Immerhin hatte schon am Sonnabend das Organ Loucheurs, eines prominenten Mitgliedes der französischen Delegation, geschrieben, es könne nicht zweifel haft sein, daß die französische Regierung einer deutschen Bitte auf Herabsetzung der Rheinlandtruppen entsprechen werde, wobei sie ihrerseits Gegenforderungen stellen würde, die einen Beweis sür den guten Willen Deutschlands bedeuten sollen. Der Geist von Genf. Noch eine Rede vr. Bells über Genf. - Köln. Während des Banketts des Kölner Messeamtes ergriff Reichsjustizminister vr. Bell das Wort zu einer Rede, in der er sich vor allem mit der außenpolitischen Lage beschäftigte. Alle, die heute für die Verständigung und gegenseitige Befriedung eintreten, kämen mehr und mehr zu der Ueber- zeugung, daß ein Wiederaufbau Europas ohne die tätige Mitwirkung des Herzens Europas, Deutschlands, nicht möglich sei. Aber eines dürfe dabei nicht aus den Augen gelassen werden: Der Geist von Gens ist unvereinbar mit dem Geist von Versailles. Der Geist von Versailles müsse verschwinden, sonst sei eine De ff ie düng und Versöhnung der Völker nicht möglich. Der Eintritt Deutschlands in den Völkerbund sei von den einen mit übertriebenem Optimismus, von den anderen mit einem bedauerlichen Pessimismus begrüßt worden. Beides sei nicht am Platze, sondern nur ein gesunder Realismus und ein kühler Blick gegenüber den tatsächlichen Verhältnissen. Um unserer schönen Augen wil len tue weder einer unserer früheren Gegner noch auch kaum ein Neutraler etwas für uns, aber sie beide seien zu der Ueberzeugung ge kommen, daß ein gesundes Wirtschaftsleben und eine Wieder herstellung der zertrümmerten Finanzen Europas ohne die tätige Mitwirkung Deutschlands unmöglich sei. Volksabstimmung in Spanien. Das Ergebnis für Primo de Rivera. - Paris. Der spanische Diktator Primo de Rivera hatte zur Beruhigung der Gemüter in Spanien eine Volks abstimmung für den vergangenen Sonntag angeordnet, in der das Volk sich für oder gegen die Diktatur aus sprechen sollte. Nach den Nachrichten, die über Paris zu uns gelangen, ist die Abstimmung außerordentlich günstig für die Regierung Primo de Rivera verlaufen. Die Abstimmung ging nicht in der Weise vor sich wie bei nns, sondern es handelt sich lediglich uin eine Sammlung von Zustimmungs» erklärungen für Primo de Rivera. Die Unterschriften auf den Dörfern waren zahlreicher als die in den Städten. In Barcelona wurden Per sonen verhaftet, die zur Stimmenthaltung aufforderten; sie wurden zu einer Geldstrafe von 500 Peseten verurteilt. Der Klerus hat die Gläubigen aufgefordert, den Aufruf Primo de Riveras zu unterzeichnen. Auch die Beamten und An gestellten wurden angehalten, zu unterschreiben. Primo de Rivera erklärte einem Pariser Pressevertreter, daß ein großer Teil der aufrührerischen Artillerieoffiziere be gnadigt werden würde. Jur Einberufung der National versammlung erklärte er, daß es sich um ein Parlament handeln würde, das aus den Wirtschafts ständen zusammengesetzt sei. Das Parlament werde aus 300 Ver tretern bestehen, die für drei Jahre durch die Gewerkschaften und die Gewerbeorganisationen gewählt werden. Auch Frauen würden in dem Parlament sitzen. Primo de Nivera über seine zukünftige Politik Berlin, 14. September. Der Korrespondent des Ber liner Tageblattes in Madrid hatte mit Primo de Rivera eine Unterredung, in der der Diktator u. a. erklärte: Die Auflehnung der Artilleristen ist im Auslande maßlos über schätzt worden. Die Schuldigen wird die ganze Härte des Gesetzes treffen, wenn sie sich wohl auch der Tragweite ihres Schrittes nicht voll bewußt gewesen sind. Die Sicherheit des Staates erfordert, daß diesmal nicht Gnade vor Recht ergeht. Wie ich mir die weitere Gestaltung der Dinge m Spanien denke? Ich brauche nur auf die Kundgebung hin zuweisen, die ich bei meinem Regierungsantritt vor drei Jahren erließ. Drei Jahre sind keine lange Zeit. Es war ein Ausnahmezustand und es muß Ordnung geschaffen wer den. Mein Werk ist nicht vollendet. Auf die Frage des Korrespondenten, ob Spanien nur zeitweilig am Völkerbunde desinteressiert sei, erklärte Primo de Rivera: Heute läßt sich das noch nicht sagen. Wir müssen die weitere Entwicklung abwarten. Aber ich möchte klar zum Ausdruck bringen, daß Spanien über Deutschlands Aufnahme in Genf lebhafte Ge nugtuung empfindet und sie als einen wichtigen Schritt auf dem Wege der Befestigung des europäischen Friedens an sieht. Unsere freundschaftlichen Beziehungen zum deutschen Volke werden durch die Genfer Vorgänge sicherlich nicht ge trübt werden. Wir wünschen uns besonders eine weitere Ausgestaltung des Handelsverkehrs zwischen beiden Ländern. Völkerbundsrat in Berlin? Berlin, 14 September. Die Vossische Zeitung mel det aus London: Nach Meldungen englischer Berichterstatter in Genf verlautet in dortigen diplomatischen Kreisen, die offenbar der englischen Delegation nahe stehen, daß erwogen werde, die nächste Sitzung des Völkerbundsrates im Dezem ber in Berlin unter Vorsitz von Dr. Stresemann abzuhalten.. Einberufung des italienischen Parlaments Rom, 13. September. Am Montag morgen empfing: Mussolini das Direktorium der faschistischen Partei, das ihm nahelegte, sobald wie möglich das Parlament zur Verabschie dung des im Justizministerium vorbereiteten Gesetzentwurfes über die Wiedereinführung der Todesstrafe einberufen zu lassen. Kammerpräsident Kasertano ist am Montag früh nach Rom zurückgekehrt und von Mussolini empfangen wor den. Auch Tittoni, der Senatspräsident hat seinen Urlaub unterbrochen und wird am Dienstag in Rom zurückerwartet. Das neue Gesetz soll nicht nur alle Attentatsversuche gegen den König und die Minister bestrafen, sondern auch die Ver schwörung gegen dcn Faschistischen Staat unter Todesstrafe stellen.