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Blatt Amts des Aönigl. Amtsgerichts und des Stadtrathes Mutsnih Abonnements - Preis Vierteljahrs 1 M. 25 Pf. Auf Wunsch unentgeltliche Zu sendung. Als Beiblätter: 1 . Jllustrirtes Sonntagsblati (wöchentlich); 2 L.andwirthschaftliche Beilage (monatlich). Erscheint: Mittwoch und IonnabenX HeCchäfisstelren: Buchdruckereien von A. Pabst, Königsbrück, C. S. Krausche, Kamenz, Carl Daberkow, Groß röhrsdorf. Annoncen-BureauS vonHaasen- stein L Vogler, Jnvalidendank, Rudolph Mosse und. G. L. Daube L Comp lsch en L/»,- ^fiir Pulsnitz, Lönigsbrück, Radeberg, Radeburg, Moritzburg mld Umgegend. Inserate -- ^7 sind bis Dienstag und Freitag Vorm. 9 Uhr aufzugeben. Preis für die einspaltige Cor- puszeile (oder deren Raum) 10 Pfennige. Md«.n Mchtuudvievsigker Jahrgang. H-b.-l-'- Sonnabend. Nr. 88. 31. Oktober 18S«. Ortskrankenkasse zu Pulsnitz. Die An- und Abmeldungen der Versicherungspflichtigen haben nach tz 10 des Statuts bei unsrer Kassenstelle durch den Arbeitgeber scHriftticH zu erfolgen; Formulare hierzu stehen zur Verfügung. Arbeitgeber, welche die An- und Abmeldungen unterlassen oder nicht rechtzeitig bewirken, werden mit 3 Wark für den einzelnen Fall bestraft. Der Kassirer ist angewiesen, jede Unterlassung oder Versäumniß der Meldepflicht ohne Nachsicht anzuzeigen. Pulsnitz, am 26. October 1896. Der Vorstand der Ortskrankenkasse. Hermann Mütze, Vorsitzender. Zum Resormationssest. In der Welt ist vielfach der evangelische Glaube sehr gering geachtet, ja verachtet. Die L ebe will n.an sich noch gefallen lassen als Predigt des Christenihums, aber vom Glauben mögen Viele nichts wissen. Gar Manche achten den Glaubensür eines Mannes unwürdig. Und eoch! Isler nicht eine Macht, an der die mächtigsten Feinde zu Schanden werden? Als Luther auf dem Wege nach Worms war, wo er vor Kaiser und Reich sich wegen seiner Angriffe aus die Päpstliche Kirche und wegen seiner Predigt des Evangeliums verantworten sollte, da bekam er unterwegs sichere KunSe, daß schon vor seiner Verantwortung der Stab über ihn gebrochen und alle seine Schriften veuriheilt seien. Da fragten ihn seine Freunde, ob er wirklich noch hinziehen Wollte, und boten ihm Zuflucht, ja, Spalatin warnte ihn in einem Briefe vor den Fährlichkelten, die seiner m Worms warteten, und wies ihn hin auf das Schicksal tes HuS, der von dem Concil zu Costnitz, trotz des freien Geleits, das ihm der Kaiser Sigismund gewährt, war lebendig verbrannt worden. Luther aber schwankte' keinen Augen blick, sondern antwortete: Er wolle gen Worms, wenn gleich so Viel Teufel darin wären, denn Ziegel ans den Dächern; wenn auch Hus zu Feuer verbrannt worden, so sei doch die Wahrheit nicht mit verbrannt! — Woder nahm Luther solchen Muth? Was hatte überhaupt, ihm, dem schlichten Augustinermöch, den Muth gegeben, in den Kampf einzutrctcn wieder den mächtigsten Mann der Welt, das Oberhaupt der Christenheit? Was gab ihm Freudigkeit und Muth, die Bannbulle, welche der mächtige Pasi wieder ihn erlassen, jammt den päpstlichen Rechten öffentlich zu Wittenberg ins Feuer zu werfen? Was gab ihm Muth, vor der glänzenden Reichsversammlung zu Worms, dem Kaiser zum Trotz, ein so entschiedenes, mannhaftes, herr liches Zeuguiß abzulegen: „Widerrufen kann ich nicht und will ich Nicht, dieweil wider das Gewissen zu handeln, unsicher und gefährlich hi!"? Nickls Anderes, als der Glaube, zu dem er sich hinburchgerungen und hindurch gekämpft in seiner Klosterzelle, der Glaube an die freie Gnade Gottes in Christo Jesu! War dieser Glaube ein Kinderspiel? War er etwas Geringes, Verächtliches, Un männliches ? War er nicht die Quelle seiner unbesieglichen Kraft und seines heldenhaften Mannesmuths? Der Gmube ist auch heute noch eine Macht! Da sind zwei Menschen krank, sie leiden an der gleichen Krank heit, haben dieselben Schmerzen zu erdulden, denselben Tod zu fürchten. Der eine ist ungeduldig, klagt uud jammert, verwünscht sich und sein elenses Loos, fühlt sich todtsun- glücklich, ist dabei sehr unliebenswürdig gegen seine Um- gebung und möchte doch nicht sterben, ja, fürchtet unter allen seinen Leiden nichts jo sehr, als ihr Ende, den Tod! Der andere aber ist bei allen seinen Schmerzen so still, so ergeben, hat immer noch Golt zu danken für fo viel Gitte und Freundlichkeit, macht seinen Pflegern die Arbeit lieb und leicht, ist trotz seiner Leiden glücklich und zu'rieden im tiefsten Herzen, ja, auch der Tod schreckt ihn nicht mehr, er hat sich hindurchgerungen zu der gewissen Zuversicht: Meine Sünden sind mir vergeben; der Tod bringt mich zu meinem Gott! — Wo liegt der Unterschied zwischen den Beiden? Dieser glaubt, jener hat keinen Glauben! — Oder es sind zwei Menschen im gleichem Wohlstand, beide gesund und vermögend, beide glücklich in ihrem Geschäft, beide gesegnet mit gesunden, fröhlichen Kindern usw., aber doch; der eine macht immer ein ver drießliches Gesicht, er meint immer es fehle ihm noch etwas zu seinem Glück, er trachtet Tag und Nacht, wie er mehr gewinnen und wie er sein Leben anders einrichten wolle, um es recht zu genießen und wirklich glücklich zu werden und wirds doch nimmer! Der andere aber ist in seiner Gottselig keit heiter und vergnügt, dank seinem Gott alle Morgen und alle Abende für semen reichen Segen, legt täglich sein und der Seinen Geschick von neuem getrost in Gottes Hand, und statt nur nach Vermehrung des eigenen Wohlstands zu trachten, hat er seine größteFreure daran, auch anderen Freude zu bereiten. Wo liegt der Unterschied? Dieser glaubt jener hat keinenGlauben! — Sollte der Glaube, der solche Wunder thut, der unter gleichen Verhältnissen so verschiedene Menschen macht, wirklich so zu verachten sein, so ein Nichts, so ein Kinderspiel? Nein, der Apostel hat Recht, uns zu sagen: Vor allen Dingen aber ergreifet den Schild des Glaubens, und ganz obenan zu stellen, was die Welt untenan stellt, ja, ganz verwirft, den Glauben, nämlich den gewissen, herzlichen Glauben an unseren Heiland, und an den Vater im Himmel, der diesen seinen lieben Sohn uns zum Heil gesandt hat. Dieser Glaube ist ein Schild, an dem alle feindlichen Angriffe ab prallen, hinter diesem Schild sind wir gewappnet gegen die Menschenfurcht; wir sprechen: Ist Gott für uns, wer mag wieder uns sein? — gegen die Verzweiflung; wir trösten uns: Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes, Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Fährlichkeit oder Schwert? — gegen die Ver führungen des alten bösen Feinde«; wir singen : Thut er uns doch nichts, Das macht, er ist gerichi't, Ein Wörtlein kann ihn fällen! Darum ergreift den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösewichts. Mag uns dieser Schild nicht schützen gegen leibliche Noth und gegen leibliches Elend — wozu er auch nicht bestimmt ist — unser innerer, unsterblicher Mensch ist durch diesen Schild gedeckt gegen jeden Feind im Leben und im Sterben! Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat! Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Beitrage sür diesen Theil werden gegen Vergütung dankend angenommen. Pulsnitz. Die am Mittwoch Abend im Saale des „Herrnhauses" stattgehadte Versammlung des Evange lischen Bundes hatte aus Stadt und Umgebung gegen 70 Personen, darunter auch viele Frauen und Jungfrauen, zusammengeführt. Nach herzlichen Begrüßungsworten des Herrn Oberpfarrer Prof. Kanig sprachen als Vertreter des Bundeszweigvercins« Bischofswerda, dem bisher die Bundesmitglieder aus unserer Parochie angehörten, die Herren Oberpfarrer Or. Wetzel aus Bischofswerda, Pfarrer Grössei-Frankenthal und Pastor Dietrick-Hauswalde. Sie führten in beredten, warmen Worten sehr ausführlich und anschaulich Zweck und Nothwendigkeit dieser protestantischen Vereinigung den Zuhörern vor die Seele und erreichten noch an demselben Abend, daß 33 neue Mitglieder zu den früheren 11 Parochianen für die ernste, gute, hochwichtige Sache gewonnen wurden, die nun einen eigenen Zweig verein-Pulsnitz im Evangelischen Bunde bilden. Bei der von Herrn Oberpfarrer Wetzel, dem Leiter der Versamm lung, angeregten freien Diskussion wurden von verschie denen Seiten theils Berichtigungen, Bedenken und Fragen vorgebracht, auf welche die genannten Redner erwiderten, theils Zustimmungen und Wünsche geäußert. Auch wurden mehrere sehr stimmungsvolle Quartettjänge eingefügt. Mit einem sür daS neue Bündniß Gottes Schutz und Segen erbittenden, weihevollen Schlußwort des Herrn Oberpf. Prof. Kanig und dem Choralgesang: Laß mich dein sein und bleiben! endete die Versammlung. Beitrittserklärungen zum Bund, der gerade in unserer Zeit so wichtige, schwere Aufgaben zu lösen hat und lösen möchte, dazu aber der thatkräftigen Unterstützung aller evangelischen Kreise bedarf, denen es heiliger Ernst ist um ihren evangelischen Glauben, werden stets mit Freuden von unseren Herren Geistlichen entgegengenommen. Der geringe Jahresbeitrag von 1 Mk., wofür auch noch jährlich verschiedene treffliche Druckschriften gewährt werden, kann Wohl Niemand zurückschrecken. Pulsnitz. Wie wir aus sicherer Quelle hören findet Sonntag, den 15. November im Schützenhaus eine theatralische Aufführung zweier netter Lustspiele zum Besten der Bekleidungskasse unserer freiwilligen Feuerwehr statt, worauf wir schon heute hiermit aufmerksam machen wollen. Pulsnitz. Das Königliche Bezirks Commando zu Bautzen erläßt folgende Bekanntmachung: „Alle in der Stadt Pulsnitz aufhältlichen Reservisten und alle Dispositions urlauber erhalten hierdurch Befehl, am 6. November 1896 Vormittag »/< 8 Uhr im Schützenhaus zu Pulsnitz zur Kontrolversammlunq einzutrcffen. Die Militär papiere sind initzubringen. Nichterscheinen wird bestraft." Die betreffenden jungen Männer seien hierauf aufmerksam gemacht. Pulsnitz. Ein recht bedauerlicher Unglückssall trug sich am Donnerstag in den Nachmittagsstunden auf der unteren Eierberqstraße in der Nähe der Hübnerschen Schmiede zu. Auf der Heimfahrt begriffen, wollte der Gutsbesitzer Bruno Körner aus Mittelbach vom Wagensitze aus am Pferd irgend etwas in Ordnung bringen, stürzte herunter und wurde vom Hufe des Pferdes so unglücklich ins Ge sicht getroffen, daß, nachdem man ihn in ein nächstgelegenes Haus gebracht, ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden mußte. Das mit dem Gefährt durchgegangene Pferd wurde bald aufgehalten. Wie wir erfahren ist Körner schwer am Unterkiefer verletzt worden. — Die Getreidepreise sind seit Wochen in stetiger, bis vor Kurzem langsamer, seit einigen Tagen aber schnellerer Steigerung. Der höchste Regulirungspreis für Weizen, der vor einem halben Jahre, am 20. April, 157 war, wurde am Mittwoch an der Berliner Börse 173,75 notirt. Das sind immerhin Preissteigerungen, die, während sie von den Verbrauchern nicht als Vertheuerung empfunden werden, für die Produzenten als werthvoll ins Gewicht fallen. Sie sind aussckließlich durch die Verhältnisse desselben Weltmarktes, dessen Lage den früheren Preisfall bedingt hatte, veranlaßt: Indien ist von einer HungerSnoth bedroht, Argentinien kann ebensowenig exportiren, in Europa ist die Ernte eine mittelmäßige gewesen, in Nordamerika sind die Verhältnisse des Getreidemarktes derart, daß ganz besonders von dort der Impuls zu der Preissteigerung ausgeht. Dresden, 29. October. Als Prinz Friedrich August heute Vormittag 10 Uhr in das Palais am Ta schenberge reiten wollte, glitt das Pferd aus und stürzte mit dem Reiter. Der Prinz blieb jedoch unversehrt. Ein Gendarm, der dem Prinzen behilflich sein wollte, wurde derart verletzt, daß er in das Schloß getragen werden mußte. Die Verletzungen sind zum Glück unbedeutend. — Gestern erfüllte sich ein Zeitraum von 23 Jahren, daß Se. Maj. der hochselige König Johann früh 4 Uhr 55 Min. im Schloß Pillnitz aus dem Leben schied. — Se. Kgl. Hoh. Prinz Albert hört im gegenwärtigen Wintersemester Vorlesungen über Deutsches Reichs- und Landes-Staatsrecht, Sächsisches Staatsrecht, Strafrecht, Völ kerrecht, Finanzwissenschaft und Deutsche Geschichte. — „Welche Fortschritte hat unser Jahrhundert in volkswirthschastlicher Hinsicht gemacht? Haben wir Ursache, stolz und befriedigt auf diese Fortschritte hinzublicken ?" Ueber diese Frage sprach im Dresdener Gewerbevereine Archidiakonus Or. Schmidt. Nach dem Tilsiter Frieden (1807) war Deutschland — oder richtig gesagt der maß- gebendste deutsche Staat, Preußen — so verarmt, so tief gesunken in volkswirthschaftlichen Sinne, daß die kärglichste Kost, die mangelhaftesten Wohnungen in den nüchtern