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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rosse», Siebentel)» und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Madtrath daselbst. ^7 63. Dienstag den 15. August 1871. Tagesgeschichte. Der Albert-Salon zu Tharandt ist, nachdem er seit einer Reihe von Jahren Tausenden von Auswärtigen einen angenehmen Aufent halt gewährt, vorigen Donnerstag Abend in Flammen aufgegange». Am 9. August Nachmittags wurde der Sächsischen Guß stahl- fabrik in Döhlen die hohe Ehre zu Theil, von Sr. Mas. dem König besucht zu werden. Das große, im vollen Betriebe befindliche Etablissement prangte deshalb im festlichen Fahnen- und Blumen schmücke, auch hatten sich bei dem in eine große geschmackvolle Ehren pforte umgewandelten Eingänge die Beamten und das Arbeiter- Personal, letzteres in seiner kleidsamen Hüttenlracht, sowie das uni- formirte Burgker Musikchor ausgestellt. Vom Herrn Fabrikdircctvr Ritter Grahl begrüßt und geführt, nahm Se. Majestät die verschiedenen Werkstätten, den Spcisesäal, die Comptoirs und Wohnungs-, Vor raths- und Lagerräume mit sichtlichem Vergnügen in Augenschein, erfrischte sich durch dargereichten Trunk und Imbiß, sprach huldvolle Anerkennung über Betrieb und Einrichtung aus, geruhte von zwei jungen Damen Blumenbouqucts freundlichst dankend entgegen zu nehmen und mehrere Vorstellungen geschehen zu lassen, worauf dann die Verabschiedung unter Hochs und Klängen der Musik, eine Be sichtigung der neuerbauten Kirche zu Deuben und dann die Weiter reise ins Gebirge mittetst eines inzwischen von Dresden angekommcnen Extrazugs erfolgte. Eibenstock, 11. Angust. Gestern Abend gegen 7 Uhr gelaugten Se. Majestät der König hier an, wurden von den städtischen und königlichen Behörden festlich empfangen und nahmen im Rathhause Quartier. Nachdem war Diner und Fackelzng veranstaltet, während später eine Umfahrt Sr. Majestät in der glänzend beleuchteten Stadt erfolgte. Heute Morgen besichtigten Se. Majestät das Etablissement von C. G. Dörffel und Söhne und fuhren alsdann bei günstigstem Wetter nach dem Auersberg, wurden dort von dem Forstpersonal unter Musik und Gesang begrüßt und setzten dann die Reise nach Johanngeorgenstadt fort. Traurig ist folgender Vorfall, der sich vor Kurzem in Olbers dorf bei Kamenz zugetragen. Dort starb die nur fünf Jahre alte Tochter des dasigen Mühlenführers I. G. Birnbaum infolge des Genusses an Branntwein. Das Kind hatte sich Tags zuvor mit noch andern Kindern in der Hausflur des dortigen Wirthshauses, der so genannten Zeisigschäuke aufgchalten und daselbst in unbewachtem Augenblicke einem dort stehenden angczapften Fasse mehrere Gläser Schnaps entnommen mid getrunken, worauf es in total betrunkenem Zustande zu Bett gebracht werden mußte und am andern Morgen eine — Leiche war. Für den deutschen Reichstag wird jetzt eine Vorlage bearbeitet über die Einführung einer Reichsgewerbesteuer. Dieselbe soll an die Stelle der in den einzelnen Staaten bestehenden Gewerbesteuer treten und wird den Vortheil bitten, daß künftig die Beitrüge zum Bundeshaushalt nicht mehr so ungerecht nach der Kopfzahl, sondern mit Rücksicht auf den Wohlstand deS einen und die Armuth des andern Bundesstaates vertheilt werden. Berlin, 10. August. Die ministerielle „Provinzial-Correspon- denz" bringt heute einen äußerst wohlwollend und versöhnlich ge haltenen Leitartikel über die Beziehungen Deutschlands zu Frankreich, in welchem die schon für die nächste Znkunst in Aussicht gestellte Zahlung der erst am I. Mai k. I. fälligen dritten halben Milliarde der Kriegsentschädigung als ein sicheres Zeichen der Befestigung des Friedens charakterisirt wird. — Der Artikel schließt mit folgenden Sätzen: „Dentschlaud will seinerseits aufrichtig und ernst den Frieden mit Frankreich und darf um so ruhiger der Zukunft entgcgcnblicken, als die Bürgschaften für den Frieden eine festere Grundlage in den Thatsachen haben, als in einzelnen Kundgebungen der französischen Negierung und in den Persönlichkeiten der vorübergehenden au der i^taatsleitung betheiligtcn Männer. Wenn die französische Regierung sich beeilt, den Verpflichtungen des Friedensvertrages gerecht zu werden, so verschließt sie sich wohl nicht der Einsicht, daß Frankreich der schleunigen Vollendung des Friedenswerkes bedarf, um seine inneren Schäden zu heilen. Auch Deutschland wünscht, daß die Nachwirkungen, nicht jedoch die Lehren, des Krieges sobald als möglich bei Seite treten und regelmäßigen Beziehungen zwischen den Ländern Platz machen. Je ernster aber Frankreich sich mit seiner inneren Heilung beschäftigt, um so sicherer wird es dazu gelangen, auf die friedliche uud wohlwollende Nachbarschaft Deutschlands Werth zu legen." Berlin, 12. August. Die heutige „Kr. Zlg." schreibt in einem längeren Artikel u. A. Folgendes: Der Revolution eine Zufluchts stätte zu gewähren, hat England seit säst einem halben Jahrhunderte als seine Aufgabe verbündeten, befreundeten und benachbarten Staa ten gegenüber betrachtet. Jetzt ist es weiter gegangen. Durch seine insulare Lage einstweilen gedeckt, hat cs kein Bedenken getragen, nicht etwa nur Flüchtlinge aus politischen Kämpfen fremder Völker, sondern selbst Nichtswürdige, welche solche Kämpfe zur Begehung der gemeinsten Verbrechen benutzten, Mordbubcn, Brandstifter, Räuber bei sich aufzunehmen uud so die verdiente Strafe von ihnen abzu wehren. Es ist schon kein seiner Ruhm, der Heerd zu sein, wo alle revolutionären Elemente Europas ihren Teufelstrank zusammenbraucn, und eS kann und wird nicht ausbleiben, daß für einen solchen Miß brauch des Ashlrcchts einmal Rechenschaft zu legen sein wird; — eine Insolenz aber ohne Gleichen ist es, wenn man in englischen Blättern jetzt so weit geht, an andere Negierungen die Forderung zu stellen, dergjeicheu Verbrechen im eigenen Laude ungestraft zn las sen. Wie nach den Greuel- und Schandscenen in Paris, deren ent setzter Zeuge Europa war, die Presse eines großen Landes sich hcr- bcilassen kann, Nachsicht und fast Straflosigkeit für die Bcrübcr sol cher Missethatcn anzusprechen, würde unerklärlich erscheinen, wenn hierin nicht die Hand einer rächenden Vorsehung zu erkennen wäre. Nicht ungestraft konnte lauge Jahre hindurch dem Verbrechen Schutz und Heimath gewährt werden; die Revolution, die man als willkom mene Waffe gegen das Ausland bei sich hegte und pflegte, mußte auch die Moral des englischen Volkes vergiften. Wenn aber die Gastfrcunde der Verbrecher deren Principcn beschönigen und adoptirc», so werden sie sich nicht wundern dürfen, wenn die letzteren dereinst gegen sie selbst und gegen das englische Staatswesen zur Anwen dung gebracht werden. Regensburg, 11. August. Gestern Nachmittags 4 Uhr be grüßte der König von Bayern den Kaiser Wilhelm in Schwandorf in der Uniform seines preußischen Husarcnrcgiments. Die beiden Monarchen umarmten sich herzlich. Die Ankunft in Regensburg ge schah 6 Uhr Abends. Beide Monarchen fuhren zum Hotel „Goldenes Kreuz." Der König von Bayern verweilte daselbst eine Viertelstunde und reiste hierauf mit der Eisenbahn zurück. Die Stadt prangte im Festschmuck, unendlicher Volksjubel herrschte. Die Gesangvereine trugen des Abends vor dem Hotel patriotische Lieder vor. Der Bürgermeister brachte auf den Kaiser ein Hoch unter großem Enthu siasmus aus, dann fand Fackelzug der städtischen Feuerwehr statt. Der Kaiser setzte seine Reise heute Morgen 8 Uhr nach Wels fort. Wels, 11. August. Heute Mittag 1 Uhr 10 Minuten erfolgte die Ankunft des Kaisers Wilhelm. Der österreichische Kaiser in preu ßischer Uniform erwartete denselben am Bahnhofe. Der Kaiser Wil helm eilte sogleich aus dem Waggon dem österreichischen Kaiser ent gegen. Beide Monarchen küßten sich innigst und herzlichst. Sodann wurden dem deutschen Kaiser, welcher die Unisorm eines österreichi schen Obersten trug, der Statthalter Oberösterreichs, die Generalität, der Bezirkshanptmanu uud der Bürgermeister vorgestellt. Nach Aufenthalt von 8 Minuten erfolgte die Weiterreise. Beide Kaiser nahmen in demselben Cvnpee Platz. Auf dem Bahnhöfe war zahl reiches Publikum versammelt. Ischl, 11. August, 6 Uhr Abends. Beide Majestäten trafen um ü'/r Uhr ein und fuhren sofort nach Hotel Bauer, wo dieselben von dem Herzog von Mecklenburg, dem Prinzen von Holstein, dem Für sten von Waldeck, den Gemeindevertretern und einem zahlreichen Publikum nut Hochrufen empfangen wurden. Unmittelbar nach An-