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Donnerstag, den 25. März 1909. 61. Jahrgang. Die Schneeglöckchen läutet durch die Welt — Lebendig wirds aus Flur und Feld, Im tiefsten Waldesgrunde; Wie leiser, leiser Sphärenklang Ertönt der Schöpfer Lobgesang Auf weitem Erdenrunde. Welt ist umgewandelt wie aus ein Zauberwort: ein düsteres, banges Schweigen, nächtige Trauer, Finsternis und Sterben herrschten, da jauchzt und jubelt es an allen Enden und länger und länger werden nun die Tage, und die holde Königin des Himmels weckt mit ihren milden Strahlen, die goldenen Pfeilen gleich sieggewohnt der Erde harten EiSpanzer durchbohren, tausend Leben zum Lichte und mit ihnen tausend Freuden und Won nen ... Ja, es ist die holdeste Zeit des ganzen Jahres, wenn Schneeglöckchen läutet, wenn die Zeit des Vorfrüh lings von neuem herangenaht ist, denn kommen auch noch rauhe, eisige Tage, so ist es aber doch mit der Macht behauptet, daß der Zar Nikolaus durchaus für die Er haltung des Friedens sei. Man muß sich dabei allerdings nur wundern, daß Rußland unter diesen Umständen die Kriegslust in Serbien nicht schon lange gezügelt hat. Bedeutsam ist auch, daß England sich jetzt noch mehr als bisher der friedlichen Mission der Großmächte Mgefchlos- sen hat. Und von Oesterreich sind sogar vom Bsinister- präsidenten Baron Bienerth Erklärungen bekannt, nach welchen Oesterreich noch einmal Serbien Zeit lassen will, friedlichen Ratschlägen der Großmächte Gehör zu schenken und billigen Anforderungen Oesterreichs zu entsprechen. Die Verzögerung in der Entscheidung der schwierigen Streitfrage ist daher zunächst wohl mehr als ein Versuch, die Lage zu verbessern, als eine Verschlimmerung anzu- fehen, und es bleibt immer noch die Hoffnung, daß jetzt Serbien nachgibt und eine Konferenz der Großmächte alle orientalischen Streitfragen löst. OsrMcdes und Sücksisedss. Pulsnitz, 25. März. Auf die für heute Abend vom konservativen Verein für den Amtsgerichtsbezirk Pulsnitz angekündigte, im Saale des Hotels „Grauer Wolf" statt findende öffentliche politische Versammlung, in welcher Herr Landtagsabgeordneter Georg Knobloch aus Rade berg über die Arbeiten des vergangenen Landtages Be richt erstatten wird, wird hierdurch nochmals hingewiesen. Pulsnitz. Im Prüfungszimmer der Stadtschule zu Pulsnitz fand am Mittwoch die öffentliche Osterprüfung der Handelsschule zu Pulsnitz statt. Der Prüfung wohnten bei die Herren Bürgermeister l)r. Michael, Schul direktor Brück, Stadtrat Cunradi, Postdirektor Heymann, Bahnhossinspektor Hambsch und verschiedene Lehrherren und Väter der Examinanten. Herr Lehrer Steglich prüfte in Handelswissenschaft (Checkoerkehr), Herr Heinrich in kaufmännischem Rechnen, Herr Böhme in Handelsgeogra phie und Herr Kaufmann Wild in englischer Sprache. Hierauf erstattete Herr Heinrich einen kurzen Bericht über das letzte Schuljahr, der einen Fortschritt durchblicken ließ. Wegen ihres Fleißes und guten sittlichen Betragens erhielten drei Schüler je ein Diplom und zwar: Martin Otto Senf, Fr. Kurt Philipp und Arno Erich Oswald; zwei weitere Schüler: Bernhard Paul Richter und Emil Traugott Lehnert erhielten Prämien. Nach Verteilung der Zeugnisse fand die Entlassung der abgehenden Schü ler, 18 aus der I. Klasse und 1 aus der II. Klasse, durch den Schulleiter, Herrn Heinrich, statt. In seiner zu Her zen gehenden Abschiedsrede schilderte Herr Heinrich unter Zugrundelegung einiger Bibelstellen und Aussprüchen großer Dichter die Arbeit als Grundlage unseres Glückes und als nationale Pflicht. Die Handelsschule wurde im verflossenen Jahre von 48 Schülern besucht. Pulsnitz. Künstler-Konzert. Am Freitag, den 2. April, werden unsere Musikfreunde Gelegenheit haben, einen der ersten Tenoristen Deutschlands, den Königlichen Hofopernsänger Alfred Rittershaus aus Berlin zu hören. Der Künstler veranstaltet an diesem Tage im Saale des Hotels Schützenhaus einen Wagner-Balladen- und Lieder-Abend. Das Programm befindet sich im In seratenteil. Wie selten bietet sich Gelegenheit, GesangS- künstler ersten Ranges zu hören! Die meisten „Größen" verstehen sich ja leider erst dann dazu, in die Provinz zu reisen, wenn ihre Blütezeit vorüber ist. Herr Ritters- haus befindet sich aber, wie wir aus einer uns vorliegen den Sammlung von Kritiken aus letzter Zeit konstatieren, auf der Höhe feiner glänzenden Stimmmittel und seiner vielgeflierten Gesangs- und VortragSkunst. — Die Ein trittspreise sind so niedrig gestellt, daß der Besuch des Konzerts auch für den Minderbemittelten kein nennens wertes pekuniäres Opfer in sich schließt. Möge der ge feierte Sänger, wie allenthalben, auch hier ein zahlreiches Auditorium finden, auf welches er den Zauber seiner herrlichen Kunst wirken lassen kann. Pulsnitz. Wie wird das Wetter am Sonn tag sein? Endlich treibt es etwas, die Sträucher be ginnen Knospen zu treiben, wir hatten in den letzten Ta gen Nachmittagstemperaturen von 13 und mehr Grad Wärme. Schön wäre es ja nun, wenn ein allmäliches Aas Wichtigste. Die zweite Lesung des Marine-Etats wurde am Mitt woch vom Reichstage in anderthalbstündiger Sitzung erledigt. (S. Rchstg.) In der Finanzkommission wurde die Branntweinsteuer vorlage fortgesetzt, ohne daß ein Anschluß erreicht worden wäre. Wie aus Wien gemeldet wird, ist es bestimmt, daß die österreichisch-ungarische Note an Serbien am heu tigen Donnerstag durch den Grafen Forgach über reicht werden soll. Aus weiteren heute vorliegen den Nachrichten von zuständiger Seite geht hervor daß die Friedensvorschläge der Mächte insgesamt gescheitert sind. Die österreichische Kriegsmarine ist in völlige Kriegs bereitschaft gestellt worden. Bei Verlesung der italienischen Thronrede fanden die Ausführungen über die innere Politik lebhafte Zustimmung. Dis Stellen über die auswärtige Politik wurden mit Stillschweigen ausgenommen. Zwischen bulgarischen und türkischen Truppen ist es an der Grenze zu einem Gefecht gekommen. Die Beamten des Pariser Haupttelegraphenamts haben die Arbeit gestern nachmittag wieder ausgenommen. weiteres Steigen der Temperatur erfolgen würde, aber leider sind die Aussichten noch nicht danach. So lange wie sich Hochdruckgebiete im >IO. und diV/. unseres Erd teiles befinden, ist an eine Andauer dieser milden Wit terung noch nicht zu denken. Wir erwarten deshalb auch für nächsten Sonntag, namentlich früh, etwas kälteres, am Tage aber ziemlich mildes Wetter, eine wechselnde Bewöl kung mit zeitweisem Sonnenschein und unter Einfluß verhältnismäßig niedrigen Drucks etwas Niederschläge. Pulsnitz. Der so gern von hier und auswärts zu Ausflügen benutzte Schweden st ein mit seinen herrlichen Anlagen und mit dem eine prächtige Fern- und Rund sicht bietenden Turm soll anstatt der jetzigen zugigen eine massive, windgeschützte, stattliche Veranda erhalten. Nach einem von Herrn Baumeister Paul Johne für den Gebirgs- und Verschönerungsverein gefertigten Entwürfe wird der Bau der Veranda mit einem Kostenaufwande von 4100 M demnächst in Angriff genommen. Damit verwirklicht sich nun ein schon seit Jahren vom Gebirgs- und Verschönerungsverein gehegter Plan, den Besuchern des Schwedensteines wird die Veranda aber angenehmen Aufenthalt bieten auch bei plötzlich eintretenden Witt e rungsunbilden. —n. — Schulprüsungen. Der Schluß des Schul jahres mit seinen Osterprüfungen ist wieder da. Es öffnen sich die Pforten der Schule auch einmal für Eltern und Angehörige. Da ist Gelegenheit, sein Interesse zu zeigen für die so eigen geartete, stille, oft auch mühevolle Arbeit der Schule, für die Stätte, da unsere Kinder einen so beträchtlichen Teil ihres Kinderlebens zubringen und ihre geistige unv geistliche Nahrung holen. Man hat ein Recht, zu kommen, davon soll man Gebrauch machen; man hat aber wohl auch die Pflicht, zu kommen! Kann es doch sicherlich nur vorteilhaft sein sür die Beurteilung der eigenen Kinder, wenn man sie einmal, und sei es auch nur die kurzen Stunden einer Osterprüsung, unter ihren Altersgenossen sitzen, reden und sich geistig be tätigen sieht. Da kann man seine persönliche Meinung korrigieren, Vorurteile mildern, zu hohe Meinung däm pfen; damit kann man aber auch seine Kinder zu Fleiß und Strebsamkeit ermuntern, wenn sie wissen, am Jahres schlüsse sieht Vater oder Mutter selber nach, wie sie ge worden sind. Und auch dem Lehrer seiner Kinder gegen über sollte man sich verpflichtet fühlen, zu kommen. Gar manches Wort fällt über ihn im Laufe des Jahres. Man war gewöhnt, ihn immer nur durch die Brille der eignen oder der Nachbarskinder zu betrachten. Ob die immer ganz richtig sehen? Jetzt kann man ihn selber sehen in seiner Art, bei seiner Arbeit, und man lernt anders denken, wohl auch dann das Kind selber anders ansassen. HauS und Schule sollen ja zusammengehen, sie sollen sich verstehen, stützen und achten lernen, wenn das Werk der Erziehung voll gelingen soll. Die Kinder sollen das Interesse des Hauses an der Arbeit der Kinder in der Schule sehen, und auch die Schule selber möchte eS sehen! Darum, wenn doch recht viele das kleine Opfer der Zeit nicht scheuten und sich zu unsern Osterprüfungen einfänden! — Die Schneeglöckchen blühen nun wieder. Freudigen Herzens begrüßen wir das erste blühende Schneeglöckchen, daS unser Auge erschaut. Die VnMmng der NMeiiMg im Srimt. Die politische Welt ist seit Wochen voller Befürch- -tungen über den Ausbruch eines Weltkrieges wegen der Streitigkeiten im Orient und besonders wegen des Kon fliktes zwischen Oesterreich und Serbien, und dabei wird Lie ganze Lage durch täglich sich mehrende widerspruchs volle Nachrichten nur noch mehr verdunkelt. So soll man in Belgrad jeden Augenblick den Ausbruch einer Revolution zur Beseitigung des Königs Peter und zu gunsten der Erhebung des Kronprinzen Georg auf den serbischen Thron befürchten. So sollen ferner aus Ruß land und Bulgarien schon massenhaft Freiwillige nach Serbien abgereist sein, um sich für die serbische Sache in die serbische Armee einreihen zu lassen. Dazwischen wird natürlicherweise auch fortwährend von neuen Rüstungen Oesterreichs und Serbiens gesprochen und berichtet und dabei die Behauptung aufgestellt, daß gerade Serbien die Verschleppung der Entscheidung sehr angenehm sei, weil e s inzwischen Zeit gewinne, noch mehr Mannschaften militärisch auszubilden. Eine kindischere Art, über die Vorbereitungen zu einem großen Kriege zu sprechen, ist wohl kaum möglich, denn einer Großmacht wie Oester reich, die in wenigen Tagen Serbien mit 30000 Mann angreifen kann und die serbische Hauptstadt Belgrad schon durch ihre Donaukriegsschiffe in Schach halten kann, wird man durch die rasche Ausbildung von noch einigen Tau send Serben sür den Krieg wohl niemals imponieren können. Irrtümlich und übertrieben sind auch alle Nach richten über eine wesentliche Verschlimmerung der Lage, denn da es bis jetzt weder zu einer Kriegserklärung noch zu einem blutigen Zusammenstöße zwischen den streiten den Parteien gekommen ist, so geht doch daraus deutlich hervor, daß auf Seiten der verschiedenen Parteien eine große Vorsicht geübt wird, und daß man offenbar be strebt ist, den Krieg zu vermeiden und die Streitfrage, wenn irgend möglich friedlich zu schlichten. Man kann ja auch gewisse Richtlinien in der Politik der Großmächte erkennen, welche die Richtigkeit dieser Anschauungen bc- rr r:. gen So arbeitet Frankreich jetzt mit diplomatischem Hochdruck in Petersburg und Belgrad sür die gütliche Beilegung ^eS Streites, da Frankreich sein Schicksal nicht an tue serbische Großmacht angeknüpft sehen und für Serbien und Rußland die Kastanien aus dem Feuer ho- len will In einem russischen Ministerrate soll ja auch schon letzt festgesetzt kein, daß der Ausbruch eines Welt- ^8 die Beteiligung Rußlands an demselben den russischen Interessen letzt durchaus entgegen sei, auch wird Pulsnitzer Mchenblatt lelegr.-^dr.: Wochenblatt Pulsnitz erscheint: Dienstag, Donnerstag u.Sonnabend. Amts des l^omgl. Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz prnl-rblnitli sNnNttlknit? umfassend die Ortschaften: Pulsnitz, Pulsnitz M. S., Vollung, BroßröhrsLork, Bretnig, Bauswalds, Ohorn, Obersteina, Niedsr- »MUÄUlUll l Ul een DUNlOgel stsina,VVeitzbach,Ober-u.DieSerIichtenau,§riedersLork-'khiemsndor?,Mittelbach,Srotznaundork,Lichtenberg,Klsin-Dittmannsdork. Druck und Verlag von E. L. Sörstsr's Erven (Inh.: Z. iV. Mahr). e-cpsdition: Pulsnitz, Bismarckplatz Dr. 265. Verantwortlicher Bedaktsur: I. VV. Mohr in Pulsnitz. Inserats kür denselben lag sind bis vormittags iv Ohr aukzugebsn. Dis künk mal gespaltene Zeile oder deren Naum t 2 pk., Lokalpreis 10 pk. Reklame 25 Pf. Bei Wiederholungen Rabatt. Zeitraubender und tabellarischer Satz nach be sonderem larif. Erfüllungsort ist Pulsnitz. Fernsprecher: Nr. 18. SSZirKs-KnZSIgSr und Zeitung 6 latt Mit „Illustr. Sonntagsblatt", „Landwirtschaft. Ucher Beilage" und „§ür Baus und Berd". Abonnement: Monatlich 45 pk., vierteljährlich Mk. l.25 bei kreier Zustellung ins Baus, durch die Post bezogen Mk. l.41. Herr Rechtsanwalt Karl Max ksssler in Pulsnitz ist von dem Königlichen Justizministerium zu Dresden tigen Tage von dem hiesigen Amtsgericht in Pflicht genommen worden. Pulsnitz, am 23. März 1909. ^öniglickss Nmtsgsricbt Notar kür Pulsnitz ernannt und am Heu-