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Festlich-frohe Eröffnung im Stile französischer Musik, wobei Debussy zitiert wird. Ein Blues klingt auf, Gefühl der Sehnsucht und des Heimwehs in einer fremden Stadt. In immer neuen Orchesterfarben wird dieser Blues gesteigert. Rückkehr zur Fröhlichkeit des Anfangs. Charlestonstimmung. Auch ein paar Boogie-Woogie-Anklänge sind zu hören. Im Finale werden die drei Hauptthemen noch einmal zitiert und miteinander verbunden: Das französische, der Blues und der Charleston. Die Uraufführung fand am 13. Dezember 1928 in New York statt. Der Widerhall war ungewöhnlich spontan, bei den Hörern und auch beim Fachpublikum. loscanini hat Gershwins Werke immer wieder mit Liebe und Begeisterung dirigiert. Als Film, Ballett oder Orchesterdichtung, der „Amerikaner in Paris“ wurde ein Welterfolg. So ist es geblieben bis zum heutigen Tag. KLEINES LEXIKON DER JAZZMUSIK Blues: Eine der ältesten und schönsten Formen der Jazzmusik. Grundlage bildet als Formeinheit eine zwölftaktige Harmoniefolge im Sinne unserer klassischen Kadenz. Brubeck, Dave: Pianist, 1920 geboren, studierte bei Darius Milhaud und Arnold Schön berg. Verwendet in seinen Improvisationen gern Elemente der Barockmusik. Brubeck. Howard: Bruder von Dave. Dozent für Musik an einer amerikanischen Hoch schule. Komponist. Boogie Woogie: Ein negerischer Pianostil, der gern als Bluesbegleitung benützt wird. Typisch die immer wiederkehrende Baßfigur der linken Hand. Zahlreiche Übertragungen auf das Orchester. Als Tanz- und Unterhaltungsmusik oft sehr verflacht und kom merzialisiert. Charleston: Ein ursprünglich afro-amerikanischer Tanz, der in den zwanziger Jahren zu einem international beliebten Modetanz wurde. Von der Jugend vor ein paar Jahren aufs neue entdeckt und „modernisiert“. Cooljazz: Jazzstil und Musizierweise der fünfziger Jahre als ein Zusammenklang von Bachscher Polyphonie und kühler Geistigkeit im Sinne Strawinskys. Ellington, Duke: Pianist. Arrangeur, Komponist und Orchesterleiter. 1899 geboren. Arbeitete in den dreißiger Jahren mit Toscanini zusammen an der Verbindung von Sinfonieorchester und Jazzband. Herman, Woody: Klarinettist und Orchesterleiter, geboren 1913. Seine verschiedenen Orchester zeichneten sich aus durch artistische Präzision und oft impressionistisch an mutende Klangkultur. Jazz: Eine auf europäische Harmonie und afrikanischem Rhythmus aufbauende im provisierte musikalische Ausdrucksform (D. Brubeck). Jump: Eine swingende Bewegungsform des Jazz. Straff und gehämmert im Rhythmus, stark akzentuiert im Grundschlag. Wörtlich „Sprung“. Kenton, Stan: Orchesterleiter, 1912 geboren. Weitete die großorchestrale Besetzung aus. Bereicherung durch betont konzertante Arrangements im Sinne der Sinfonik. Sein Arrangeur Pete Rugolo war Schüler von Milhaud. Mambo: Ein 1948 auf Cuba entstandener Modetanz im 4 / 4 -T akt, der afro-kubanischen Rhythmus mit Jazzelementen verbindet. Modern Jazz Quartett: Das berühmteste Quartett des Cooljazz (Klavier, Vibraphon, Baß und Schlagzeug). Die vier Solisten sind Neger, die mit Vorliebe Inventionen, Kanons und Fugen frei improvisieren. Vollendete Kammermusik. Rumba: Moderner Gesellschaftstanz spanisch-kubanischer Herkunft im 4 /4-Takt, oft durch Polyrhythmik bereichert. Gottfried Schmiedel Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Spielzeit 1965/66 - Künstlerischer Leiter: Prof. Horst lörster Redaktion: Dr. Dieter Hartwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 39/41 III 9 5 2 366 It G 009/17/66 8. Philharmonisches Konzert 1965/66 Die Dresdner Tanzsinfoniker Igor Strawinsky beschäftigte sich in seinem Leben mehrfach mit Jazz. Erinnert sei an „Die Geschichte vom Soldaten“, „Ragtime“, „Piano Rag Music“, „Tango“, „Zirkuspolka für einen kleinen Elefanten“ und „Scherzo ä la Russe“. In den Vereinigten Staaten kam Strawinsky mit der Jazzband Woody Hermans in Berührung, die ihn so begeisterte, daß et- für diese Gruppe sein Ebony Concerto komponierte. Uraufführung am 24. Januar 1946 in der Carnegie Hall New York. Die Besetzung: Soloklarinette (nach dem Ebenholz-Instrument Woody Hermans wurde der Name Ebony Concerto gewählt), fünf Saxophone, Baßklarinette, Ventilhorn, fünf Trompeten, drei Posaunen, Gitarre, Harfe, Klavier, Kontrabaß und Schlagzeug. Mit seinem Ebony Concerto wollte Strawinsky (nachzulesen in seinen Lebenserinnerun gen) „einen Gebrauchstyp zum Porträt-Typ abstrahieren“. Der Stil des Cooljazz wurde glänzend getroffen, und doch blieb alles typischer Strawinsky: klar in der Diktion, logisch im Aufbau, hart in den Konturen, gläsern und transparent im Klangbild, eine „jazzoid- neoklassizistische Orchester-Sonatine in drei Sätzen. Bis dahin interessierte sich Stra winsky für Jazz. Jetzt begann der Jazz sich für Strawinsky zu interessieren“ (H. Lindlar). Es ist so reizvoll wie amüsant, wie sich in diesem unterhaltsamen, spielerisch bewegten Werk (ein Divertimento des 20. Jahrhunderts) die motorische Triebkraft des Jazz mit einer gleichsam coolverfremdeten Bluesstimmung vereint. George Gershwin wurde 1928 durch seinen Aufenthalt in der französischen Hauptstadt zu seinem rhapsodischen Ballett „Ein Amerikaner in Paris“ angeregt, wobei es die Absicht des Komponisten war, „die Eindrücke eines amerikanischen Besuchers \\ icderzugeben. der in Paris herumstrolcht, der auf Straßengeräusche hört und die französische Atmo sphäre aufnimmt.“ Ganz ähnlich wie in der „Rhapsodie in blue“ finden wir auch in diesem Werk keine sinfonische Verarbeitung im Sinne der Klassik, sondern eine Aneinanderreihung herr lichster Melodieeinfälle unterschiedlichen Charakters; im Grunde handelt es sich eben falls um eine Rhapsodie.