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Haupt- und Tageszeitung für die Stadt und den Amtsgerichtsbezirk Pulsnitz und die Gemeinde Ohorn Amtshauptmannschaft und des Finanzamtes zu Kamenz Das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der des Stadtrates zu Pulsnitz und des Gemeinderates zu Ohorn behördlicherseits bestimmte Blatt 88. Jahrgang Dienstag, den 2. Juni 1936 Nr. 126 vnd Zwangsvergleich wird der für Aufträge etwa schon bewilligte Nachlaß hinfällig. Anzeigen sind an den Erschetnungstagen bis vormittag» 10 Uhr aufzugeben. — Verlag: Mohr K Hoffmann. Druck: Karl Hoffmann und E. L. Förster'« Erbe«. Verantwortlich für Oertliches u. Sächsisches, UnterhaltüngSteil, Sport u. Anzeigenteil Walter Hoffmann, Pulsnitz, für Politik und den übrigen Teil Walter Mohr, Pulsnitz. D. A. IV.: 2250. Geschäftsstellen: Albertstr. 2 u. Adolf-Httler-Sw. 4. Fernruf 518 u. 550. Dtei» Zeitung erscheint täglich mit Ausnahme der gesetzlich«! Sonn. u«L Feiertage. Ler Bezugspreis beträgt bei Abholung wöchentlich 45 Rpf., bei Liefermrg frei HauS M Stpf. Postbezug monatlich 2.80 RM. Im Falle höherer Gewalt ober sonstiger Betriebsstörungen Hai der Bezieher keinen Anspruch auf Lieferung der Zeitung ober RLckahlung be» Bezugspreise«. — Anzeigenpreise und Nachlaßsätze bet Wieder holungen nach Preisliste Nr. > si« unseren Geschäftsstellen erhältlich). Bei Konkur« Pulsnitzer Anzeiger Ohorner Anzeiger WulMNtritt der men srnnziWen Kamer Eine vorläufige Minislerliste Die Kommune frohlockt Noch immer über 40 000 Streikende in Paris. Eine amtliche Meldung des französischen Arbcitsmi- nisteriums kündigte zwar die Beendigung des Metall arbeiterstreiks in den Pariser Vororten für den heutigen Pfiugstdienstag an, aber durch das Uebergreifen auf an dere Betriebszweige scheint sich die Streikbewegung in Paris in ihrer Stärke doch erhalten zu haben. Das Ge werkschaftsblatt „Le Peuple" und der „Matin" geben eine Aufstellung über die noch im Ausstand befindlichen Werke. In 41 Werken befinden sich 40 820 Arbeiter im Ausstand, darunter allein bei Citroen 10 000 Arbeiter. Die kommunistische „Humanit 6" und der „P oPu la i r e ", das Blatt Leon Blums, frohlocken über den be reits von der Arbeiterschaft errungenen Teilsieg und über die ängstliche Haltung der bürgerlichen Presse, die der, Wie die beiden Blätter sich ausdrücken, „disziplinierten neuen Form des Kampfes der Arbeiter um ihre Rechte" fassungslos gegenübergestanden habe. Der kommunistische Senator Cachin meint in der HumanitS", der ruhige Ver lauf des Massenstreiks beweise, daß die Linksregierung von morgen in keiner Weise revolutionären Charakter trage. In voller Anarchie und Verwirrung ... Der „Ami du Peuple" faßt dagegen die Ansichten der R e ch t s presse über den augenblicklichen Streik und die I politische Lage folgendermaßen zusammen: Man befinde sich bereits in voller Verwirrung und Anarchie: Anarchie in der Regierung, da sie keine Verantwortung mehr habe, Anarchie in der sozialen Frage, da man die Forderungen der Arbeiter mit den grundsätzlichen Rechten des Eigen tums zu vermischen beginne, Anarchie bei den Arbeitge bern, die ihre Vorrechte mißbrauchten und mit den nor malen Besitzrechten verwechselten. Oer pariser Streik macht Schule Die Großwäschereien folgen dem Beispiel der Metallarbeiter. Der Streik der Pariser Metallarbeiter ist wesentlich abgeflaut. Die meisten Großbetriebe sind von den Strei kenden geräumt worden, nachdem zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern Vereinbarungen getroffen wurden, die den ersteren in zahlreichen Punkten Genugtuung schaffen. Das Beispiel der Metallarbeiter hat jedoch auf andere Industriezweige abgefärbt. So sind jetzt zahlreiche Groß wäschereien in den Streik getreten. Die Angestellten, die sich zum größten Teil aus weiblichem Personal zusam mensetzen, haben die Nacht in den Betrieben zugebracht. Einigungsverhandlungen sind im Gange. Im Bau gewerbe werden ebenfalls Teilstreiks gemeldet. Man be fürchtet, daß auch die chemische Industrie dem Beispiel der Metallarbeiter folgen wird. Italienisch-Ostafrika Verwaltungsgesetz vom Ministerrat verabschiedet Paris, 2. Juni. Die neue gewählte französische Kammer trat am Pfingstmontag in Paris zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Eröffnet wurde die Sitzung mit einer Rede des Alters präsidenten. Anschließend wurde aus den jüngsten Abge ordneten das vorläufige Büro zufammengestellt. Der zweite Tag der neuen (16.) Legislaturperiode ist der Prü fung verschiedener Anträge auf Ungültigkeitserklärung von Wahlen durch die Ausschüsse Vorbehalten. Der Rück tritt der Regierung Sarraut wird sür den heutigen Diens tag oder für Mittwoch erwartet. Alsdann wird der Sozia- listcnführer Leon Blum den Auftrag zur Neubildung der Negierung erhalten. Nach den Auslassungen der Presse dürfte das neue Kabinett folgendes Aussehen haben: Ministerpräsident Leon Blum; Staatsministcr: Faure (Sozialistische Partei), EhautemPs(Nadikalsozialist), Paul-Boncour (Sozialistische Vereinigung); Außenministerium: Avon Dclbos (Nadikal- sozialist): Kriegsministerium: Daladier (Radikalfozialist); Kriegsmarine:. Campinchi (Radikalsozialist); Luftfahrt: Pierre Cot (Radikalsozialist); Finanz: Vincent Auriol (Sozialist); Arbcitsministerium: Lebas (Sozialist); Land wirtschaft: Monnen 'Sozialist); Pcnsionsministcrium: Ri viere (Sozialist); Wirtschafts-, Industrie- und Handels ministerium: Spinasse (Sozialist); Innenministerium: Sa- lengro (Sozialist); Kolonialministcrium: Moutet (Sozia list); Ocffentliche Arbeiten: Morizet (Sozialist); Postmini sterium: Sellier (Sozialist); Justiz: Violette (Sozialistische Vereinigung). Der „Excelsior" glaubt zu Wissen, daß Frau Joliot- Curie den zukünftigen Ministerpräsidenten telephonisch davon in Kenntnis gesetzt habe, daß sie das Angebot, das Gesundheitsministerium zu übernehmen, annehme. Aufschlußreiche Vede Leon Blums Auf dem Parteitag der französischen Sozialisten legte Leon Blum besonderen Nachdruck auf die Feststellung, daß die künftige Negierung keine Regierung der Sozialistischen Partei sei, sondern eine Regierung der Volksfront. Die Sozialistische Partei, so erklärte er, habe nämlich bei den letzten Wahlen nicht die absolute Mehrheit erhalten. Es gebe keine sozialistische Mehrheit und keine Mehr heit des Proletariats, sondern eine Mehrheit der Volks front und ein Programm dieser Volksfront. Ausgabe der Regierung sei es daher, dieses Programm durchzusührcn. Daraus gehe hervor, daß die Regierung im Rahmen des augenblicklichen Regimes handeln müsse, dessen Wider sprüche und Ungerechtigkeiten die Partei im Verlauf der letzten Wahlperiode herausgestellt habe. Es werde sich also darum handeln, aus diesem so zialen Regime soviel Ordnung, Wohlstand, Sicherheit und Gerechtigkeit herauszuholen, wie eben möglich. Nach die ser notwendigen Klarstellung fügte Leon Blum beruhi gend hinzu, daß er keinen Augenblick an den Mißerfolg dieser Aufgabe glaube. Leon Blum ging dann auf die Streiklage ein. Er lehnte es ab, sich der Auffassung derer anzuschließen, die darin ein Druckmittel der Kommunisten oder sogar der marxistischen Arbeitergewerkschaft sehen wollten. Rach dem Abschluß einer langen Periode des Elends rufe der Sieg ncf politifchem Gebiet in der Arbeiterklasse eine gewisse Ungeduld hervor. Aufgabe der Arbeiter sei es aber, stets 'Mier der Kontrolle ihrer Gewerkschaften zu bleiben. Die Sozialisten könnten nichts anderes tun, als die Einfüh rung eines sozialen Regimes vorzubereiten, das zur stunde noch nicht verwirklicht werden könne. Auf außenpolitischem Gebiet erhofft Leon Plum, einen größeren Einfluß ausüben zu können als die bisherigen Regierungen. Die Stimme der kommenden Negierung habe mehr Aussicht, gehört zu werden, als die der vergangenen. Die Sozialisten der II. Internationale dätten dieselbe Befähigung, wenn nicht noch mehr, ihre Ansichten über den Frieden durchzusctzen, und zwar einen Frieden der Gerechtigkeit und Gleichheit, einen totalen, Wirklichen und unteilbaren Frieden und einen abgerüste- Kn Frieden. Der italienische Ministerrat stimmte dem von Musso lini vorgelegten Gesetz über die Ordnung und Verwaltung von Jtalicnisch-Ostafrika zu. Unter der Bezeichnung „Jta- lienisch-Ostafrika" sind die Gebiete des Kaiserreichs Abes sinien und der italienischen Kolonien Eritrea und Somali land zu verstehen, die politisch, militärisch und wirtschaftlich vom Generalgouvernement Jtalienisch-Ostafrika mit Sitz in der Hauptstadt Addis Abeba verwaltet werden. Jtalienisch-Ostafrika zerfällt in fünf Gouvernements, Eritrea, zu dem die früheren abessinischen Gebiete des Tigre und das Danakilgebiet kommen und dessen Regie rungssitz Asmara ist; Amhara, Regierungssitz in Gon- dar, das die Gebiete des Tana-Sees und die amharischen, Gebiete umfaßt; Galla und Sidamo mit Regierungs sitz in Gimma, Harrar und Somali mit Regierungs sitz in Mogadiscio, zu dem auch die Provinzen des Ogaden gehören. Dem Generalgouverneur und Vizekönig ist ein stellvertretender Generalgouverneur und für die militäri schen Fragen ein Generalstabschcf beigegeben. Der Zen tralregierung werden zwei beratende Organe zugeteilt, der Regierungsrat, der aus den höchsten Beamten von Jtalienisch-Ostafrika gebildet wird, und die Allgemeine Lonsulta, der auch sechs italienische Vertreter aus Land wirtschaft, Handel und Industrie und sechs Stammes führer und Notabeln angehören. Addis Abeba erhält unter einem Stadtgouverneur eine besondere Verwaltung. Das Gesetz enthält ferner weitgehende Garantien für die mohammedanische und für die koptische Religion. Ein weiterer wichtiger Beschluß des Ministerrats betrifft die Regelung des Gctreidcmarktes. Italienische Gerichtsordnung für das gesamte eroberte Gebiet. Durch italienische Regierungsverordnung ist die Ausfuhr von Silbertalern und Edelmetallen aus dem ge samten Vizekönigrcich Abessinien verboten worden. Fer ner ist eine neue Gerichtsordnung für das gesamte er oberte abessinische Gebiet in Kraft getreten. Danach sind in Zivilrechtsfragen italienische und ausländische Staats angehörige bezüglich ihrer Rechte und Pflichten gleichge stellt und der italienischen Gesetzgebung unterworfen. Zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Weißen und Abessi- mern werden vom Gouverneur von Addis Abeba ent- schieden. In strafrechtlichen Fragen werden italienische und ausländische Staatsangehörige nach italienischem Ge- setz von italienischen Richtern abgeurteilt. Berufungen denn Appellattonshof in Nom sind zulässig. Farbige Be wohner werden vom Gouverneur und in schweren Fällen vom Regierungsgericht als Schwurgericht abgeurteilt. SOO Millionen Lire für Aufbauarbeiten Die Nationale Versicherungskasse und das National- -ustitut sür Sozialversicherung in Rom haben je 250 Mil lionen Lire, in fünf Jahresraten zahlbar, für die Finan zierung der Aufbauarbeiten in Abessinien zur Verfügung gestellt. Schuschnigg in Italien Außerordentliches Aufsehen erregt in Wien die Tat sache, daß der Bundeskanzler Schuschnigg Montagabend 10 Uhr mit dem Rom-Schnellzug nach Italien abgereist ist. Er wird voraussichtlich eine Unterredung mit Mussolini haben, entweder in Rom oder in einer der italienischen Küstenstädte. Eine amtliche Meldung bestätigt die Tatsache der Abreise. Es heißt darin, daß der Bundeskanzler sich im Anschluß an eine Pfingstfahrt zur Erholung an die italie nische Küste begeben habe. SV0 Italiener in Berlin Im Austauschverkehr zwischen Deutschland und Ita lien trafen 500 Italiener im Sonderzug auf dem Anhalter Bahnhof zum Besuch der Reichshauptstadt ein. Die italie nischen Gäste, die bereits München einen Besuch abgestattet haben, wurden auf dem mit den deutschen und italienschen Farben geschmückten Bahnhof von Vertretern des Propa- gandaministcriums und der Stadt Berlin empfangen. Zur Begrüßung hatten sich weiter Angehörige der italie nischen Botschaft und viele Mitglieder der italienischen Kolonie in Berlin eingefunden. Amtlicher Teil Seite 7