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Pulsnitzer Tageblatt Geschäftsstelle: Pulsnitz, Mbertstraße Nr. 2 Druck und Verlag von E. L. Försters Erben (Inh. I. W. Mohr) Schriftleiter: I. W. Mohr in Pulsnitz Nummer 227 Montag, den 29. September ISS« 82. Jahrgang Anzeigen-Grundzahlen in E Die 41 mm breite Zeile (Mosse's Zeilenmesser 14) 1 wm Höhe 10 O/, in der Amtshauptmannschaft Kamenz 8 amtlich 1 wm 30 und 24 M/; Reklame 25 --?//. Tabellarischer Satz 50 °/„ Aufschlag. — Bei zwangsweiser Einziehung der Anzeigengebühren durch Klage oder in Konkursfällen gelangt der volle Rechnungsbetrag unter Wegfall von Preisnachlaß in Anrechnung. 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S., Großröhrsdorf, Bretnig, Hauswalde, Ohorn, Obersteina, Niedersteina, Weißbach, Ober- und Niedeklichtenau, Friedersdorf, Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Kleindittmannsdorf Neichsnotopfer auf Z Prozent erhöht Kürzung auch der Kriegsbeschädigtenbezüge Rechtsregierung in Braunschweig — Wachsende Einsicht in Amerika — Hitler-Artikel in der Hearst-Presse "Pie Frage der Kürzung -er Beamtengehälter War auch in de« letzten Sitzungen Gegenstand der Verhandlungen des Reichskabinetts, neuerdings in der Form -eines Kompromisse» zwischen einer Erhöhung des Notopfers non 2)4 auf Z Pro zent und einer Art Gehaltskürzung. Wk man weiter erfährt, soll das Reichsarbeitsministe- rium hin Unterstützung der Kriegsteilnehmer ohne voraus gegangene Verhandlungen verkürzt haben, und zwar mit Wirkung vom 1. Oktober ab, so daß Lie Opfer des Krieges am bevorstehenden Monatsersten eine Ueberraschung erlebe« «erden. Nationalsozialisten in -er braunschweigischen Regierung v.e r zweite Mini st er ein Deutschnationaler Braunschweig. Die Verhaudlunge« zwischen dei iandtagsfrsktion des Bürgerblocks und den National sozialisten über eine Regierungsbildung haben zu einei Einigung geführt. Das Kabinett, das bisher aus drei Mit gliedern bestand, soll in Zukunft nur aus zwei Ministern be gehe«. Hierfür wird von bürgerlicher Seite der frühere braunschweigische Finanzminister vr. Küchemthal prä- entiert, während die Nationalsozialisten den Landgerichtsrat Sr. jur. Anton Franzen in Kiel in Vorschlag bringen. Das Programm, das von den neuen Regierungsparteien ausgestellt wurde, enthält eine ganze Anzahl grundsätzlicher Forderungen, die vor allem auf Ersparnisse gerichtet sind. In erster Linie fordert der Bürgerblock eine genaue Nachprüfung der Frage, ob das Land Braunschweig noch als lebensfähig angesehen werden könne. Außerdem wird die Herabsetzung sämtlicher Gehälter der Gruppe „Einzelgehälter" ünschließlich der Mnistergehälter um zehn Prozent gefordert. Nebenbezüge der Staatsbeamten sollen in Wegfall kommen. Weiterhin soll geprüft werden, ob ein sogenannter „Partei buch-Beamter" ohne Ruhegehalt entfernt werden kann und inwieweit die Wiedereinführung ehrenamtlicher Tätigkeit, insbesondere im Gemeinde dien st, möglich ist. Das Ministerpensionsgesetz soll aufgehoben wer den. Die Grundsätze für die Personalpolitik sollen im engsten Einvernehmen mit den Regierungsparteien aufgestellt werden. Bon der früheren Regierung gemaßregelte oder nicht berücksichtigte Beamte, die den Regierungsparteien nahestehen, sollen bevorzugt werden. Die Aufwandsentschädi gung der Landtagsabgeordneten soll um 33)4 Prozent herabgesetzt werden. Weiter« Einsparungen werden auf anderen Verwaltungs gebieten vorgenommen. Das nationalsozialistische Programm begegnet sich in der Frage der allgemeinen Kostenverringe rung mit den Plänen des Bürgerblocks. Darüber hinaus erstreben die Nationalsozialisten die Verbannung der marxistischen Geistes aus Unterricht und Erziehung und die Weckung eines kraftvollen deutschen Selbst behauptungswillens. Im übrigen soll sich die Regierung mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für die Be- kämpfung der Arbeitslosigkeit einsetzen. Wachsende Einsicht in Amerika New Jork. Ueber die Kriegsschuldfrage hat der bekannte amerikanische Schriftsteller und Historiker Kirby Page eine Umfrage gehalten. Von sämtlichen ein gegangenen Antworten hält keine einzige Deutschland für allein schuldig am Weltkrieg. Am wertvollsten für die gegen früher gründlich revidierte amerikanische Auffassung über die Kriegsschuldlüge sind die Antworten, die Page von 100 der bekanntesten amerikanischen Geschichtsforscher er halten hat. Von diesen sind 95 der Ueberzeugung, daß Deutschland nicht allein schuldig am Kriege ist; drei halten die Kriegsschuldfrage noch für ungeklärt, und die übrigen zwei haben es abgelehnt, in dieser Frage Stellung zu nehmen. Page hat außerdem aus allen Teilen der Vereinigten Staaten noch 429 Antworten auf seine Umfrage erhalten. Unter diesen befinden sich Männer und Frauen aller De- rufsschichten, 215 Professoren, 36 Kollegspräsidenten, 58 Redakteure sowie 13 Offiziere des Heeres und der ameri kanischen Marine. Don diesen Einsendern macht ebenfalls keift einziger Deutschland allein verantwortlich. Hitler über seine Ziele. New Park. Die Sonntagsblätter des Hearst-Konzerns »eröffentlichten in sehr großer Ausmachung einen Artikel ttdolf Hitlers, der mit den Worten beginnt: „Möge die Welt ich nicht täuschen. Entweder wird Deutschland wieder eine ^eie Nation, oder es verzweifelt an der Zukunft und wird ft die lockenden Arme Les Bolschewismus getrieben." Die Verantwortung hierfür, so heißt es weiter, liege bei den Staaten, die Deutschland unmögliche Friedensbedingungen end untragbare Lasten aufgezwungen hätten. Das Ergeb- ris Ler Rcichstagswahl sei ein Signal für die nahende Em- -örung der deutschen Seele. Die Nationalsozialisten forderten die Revision des Versailler Vertrages und des Doung-Planes, die Rück gabe des polnischen Korridors und die Beseitigung der Kriegsschuldlüge. Venn Deutschland leiden müsse, dann sei es schon besser, daß s Leiden auf sich nehme, indem es „Nein" sage. Die Qualen inter dem „Ja" erstreckten sich auf Generationen, das Dulden lnter einem „Nein" würde sicherlich kürzer sein. Hitler gibt »er Ueberzeugung Ausdruck, daß spätestens in eineinhalb Fahren Neuwahlen stattfinden würden. Er erwartet dann ünen weiteren ungeheuren Stimmenzuwachs der National- iozialisten, so daß sie nicht gewaltsame Maßnahmen zu er- Mifen brauchten, um die Kontrolle über die Regierung zu erringen. „Wir denken an keinen Putsch. Die Wahl hat ins den Weg zur Macht gewiesen." Der Artikel schließt mit »en Worten: „Ihr könnt Deutschland nicht zugrunde richten »der bolschewisieren und gleichzeitig glauben, daß das übrige Europa unversehrt bleibt. Mein Vertrauen zum deutschen Volke ist unbegrenzt, seine Freiheit mein Ziel." Veröffentlichung des RegkerungSprogrammS am Dienstag. Berlin. Die Beratungen des Reichskabinetts über ein Gesamtprogramm wurden am Sonnabend zu Ende geführt. Die mehrtägigen eingehenden Verhandlungen führten zu ein stimmigen Entschließungen des Reichskabinetts. Eine öffent liche Verlautbarung der Reichsregierung über das Gesamt programm erfolgt im Laufe des Dienstag. 577 Reichstagsabgeordnete. Wie amtlich mitgeteilt wird, hat sich bei der Feststellung ües endgültigen Ergebnisses der Reichstagswahl ergeben, daß Sie Zahl der gültigen Stimmen sich auf 34 956 723 erhöht Mt. Die Gesamtzahl der Abgeordneten wird daher 577 statt ä76 betragen. Das neue Mandat fällt den Kommunisten zu, üe somit mit 77 Abgeordneten vertreten sein werden. Ein Wirtschaftsprogramm ixS Völkerbundes. Genf. Der wirtschaftspolitische Ausschuß der Völker bundsversammlung hat einen eingehenden Bericht aus gearbeitet, der ein wirtschaftspolitisches Programm enthält. Der Bericht ist auf der Forderung nach enger wirtschaftlicher Zusammenarbeit vor allem der europäischen Staaten auf gebaut. Er sieht darin den einzigen Weg zur Gesundung und Rettung der Wirtschaft. Als Mittel zur Erreichung dieses Zieles nennt der Bericht eine regionale wirtschaft liche Verständigung der einzelnen Wirtschaftsgruppen, Rege lung der Zolltariffrage, Rationalisierung der Meist- begünstigungsklausel, Regelung des internationalen Kredit wesens und des Goldverkehrs. Henderson über die Genfer Verhand lungen Loudon. Nach seiner Rückkehr aus Genf äußerte sich Außenminister Henderson über die Genfer Verhandlungen. Er rechnet zuversichtlich mit einer Fortsetzung der italienisch französischen Flottenbesprechungen. Er persönlich lehne es ab, irgend etwas von den Einflüssen der deutschen Wahlen auf den Gang der Ereignisse gespürt zu haben. Italien und Frankreich ersuche er dringend, sich zu einigen, so daß die Vorbereitungen zur Weltabrüstungskonferenz ohne Verzögerung in Angriff genommen werden können. Bemerkenswert ist Hendersons Zufriedenheit mit der Ernennung Sir Eric Drummonds zum Sekretär des Pan- europaausschuffes. Das Wichtigste Das Luftschiff „Gras Zeppelin" ist am Sonntag früh nach Reichen bach i.V. aufgestiegen, und nach einer Zwischenlandung nach Friedrichs hafen zurückgckehrt, wo es um 19.05 Uhr glatt landete. Der neue Machthaber Argentiniens, General Uriburu, veröffentlicht einen überaus scharfen Angriff gegen den früheren Präsidenten Irigoyen. Uribuit deutet weiter an, daß Argentinien vielleicht in den Völkerbund zurückkehren werde. In Buenos Aires sind Nachrichten aus Uruguay eingetroffen, daß die Regierung Schwierigkeiten habe, eine revolutionäre Bewegung zu ersticken. In der Madrider Stierkawpfarena fand eine Kundgebung der spanischen republikanischen Parteien mit Ausnahme der Sozialdemokraten statt, auf der die Abdankung des Königs und die Ausrufung der Republik verlangt wurde. Kranke Wirtschaft. Don unserem handelspolitischen MitarbektBk Die Fieberkurve der Reichsflnanzen. — 1 Milliarde Mark Gesamtsteuerlast der Landwirtschaft. — Trotz Brotmangel Rußlands Getreidedumping. Mit äußerstem Befremden erinnerte man sich in der Berichtswolle, als das Defizit der Reichsregierung mit einer Milliarde bekanntgegebtzn wurde, der Ausführungen, die der Reichsfinanzminister Ende August hinsichtlich der Reichsfinanzlage vor der Presse gemacht hatte: „Die Kaffenlage ist durchaus befriedigend, und mensch lichem Ermessen nach darf bestimmt angenommen werden, daß wir ohne Schwierigkeiten über die nächsten Monate hinweg kommen werden. Auch wenn man noch so pessimistisch rechnet, wird man die Verluste des Reiches im laufenden Haushalts- fahr auf etwa 300 Millionen Mark beziffern können, die den Haushalt nicht über den Haufen zu werfen vermögen. Eine Erhöhung der Arbeitslosenziffer ist einge rechnet, so daß einer Gefahr von dieser Seite für die Kaffen gleichfalls vorgebeugt worden ist." Inzwischen hat sich herausgestellt, daß die Verluste des Reiches sich mehr als verdreifacht haben und daß die Ein rechnung steigender Anforderungen der Arbeitslosenversiche rung denn doch anscheinend nicht erfolgt ist. Denn wie wäre es sonst möglich, daß die Reichsanstalt für Arbeitslosen versicherung auf Grund der geschätzten Arbeitslosigkeit in den Wintermonaten jetzt erklärt, zunächst einmal mit einem Defi zit von 400 Mill. Mk. rechnen zu müssen. Dieser Fehlbetrag muß laut gesetzlichen Bestimmungen zur Hälfte von feiten des Reiches als Zuschußbetrag gedeckt werden, die andere Hälfte ist von der Allgemeinheit aufzubringen. So wurde der Oeffentlichkeit denn in diesen Tagen kund und zu wissen getan, daß der bisherige Pflichtbeitragssatz zur Arbeitslosen versicherung in Zukunft nicht mehr 4)4, sondern 6)4 Pro zent betragen werde. Ohne Frage belastet diese neue Ab gabe die Oeffentlichkeit in nicht unbedenklicher Weise, aber was noch schlimmer ist als diese augenblickliche Belastung, ist die Aussicht, daß dieser Weg der Umlage öffentlicher Lasten aus die Allgemeinheit in diesem Winter fortgesetzt werden wird. Da nämlich mit einem Anwachsen der Arbeitslosenziffern und einer Erhöhung der Aus gaben für diese gerechnet werden muß, dementsprechend auch eine Verminderung der Einnahmen der Arbeitslosenversiche rung eintritt, denn die Arbeitslosen fallen ja als Beitrags- zahler fort, so kann man die Bedenken verstehen, die so wohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer diesen ständigen Neu belastungen gegenüber haben. Gelingt es nicht endlich, die Arbeitslosigkeit bei ihrer Wurzel zu fassen — allein mit Arbeitsbeschaffungsprogrammen ist es, wie wir sahen, nicht getan —, so dürsten die bisherigen Krisen nur einen leichten Auftakt zu den kommenden Dingen gebildet haben. Wohin das Ueberspannen der öffentlichen, vor allem der steuerlichen Anforderungen an alle Wirt schaftskreise führt, das haben wir in den letzten Jahren zur Genüge an der deutschen Landwirtschaft gesehen. Tatsache ist, daß die Landwirtschaft sich bei den schlechten Preisen für ihre Waren und den hohen Steuer- und Sozialabgaben großenteils gezwungen gesehen hat, ihren Verpflichtungen durch Aufnahme von Krediten nachzukommen. Immer in der Erwartung, daß eine Besserung der Preise eintreten und damit die Möglichkeit für sie gegeben wäre, die erforderlichen Beträge aus dem Betriebe herauszuarbeiten! Diese Hofft nung ist getäuscht worden. Wie ernst die Lage der Land wirtschaft sich heute darstellt, geht am besten aus dem vom Statistischen Reichsamt angestellten Untersuchungen über die Besteuerung der Agrarkreise hervor. Dabei ist zu berücksichtigen, daß diese Zahlen inzwischen ohne Frage eine Verschlechterung erfahren haben. Die Untersuchungen des Reichsamts erstrecken sich nämlich bis auf die Zeit vom 1^ Januar 1928. In der Zwischenzeit aber stürzten die Preise