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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. ^7 25. Dienstag den 28. Marz 1871. Tagesgeschichte. Wilsdruff, am 27. März 1871. Am 12. dieses Monats ist in der Villa Caserta der junge Baron Egon von Schönberg auf Rothschöllberg, Limbach und Wilsdruff zur katholischen Kirche übergelreten, nachdem vor zwei Jahren von Seiten seines Bruders Ernst und seiner Mutter ein Gleiches geschah. Den Tag darauf ertheilte ihm der Pabst im Va- tican die Firmung. (Dr. Anz.) Das „Dresdner Journal" meldet: Se. Majestät der deutsche Kaiser haben Sr. königlichen Hoheit unserm Kronprinzen gestern das Großkreuz des eisernen Kreuzes zu verleihen geruht. Infolge des von Sr. Majestät dem König für diese hohe und seltene Auszeichnung nach Berlin gerichteten Dankes ist von Sr. kaiserlichen und königlichen Majestät an unsers Königs Majestät das folgende Telegramm ge laugt: „Herzlichsten Dank! Dem Kronprinzen habe Ich nur gewährt was Er verdient. Wilhelm." Aus Berlin wird der Wiener „Presse" telegraphisch gemeldet: Die am 22. März fällig gewesene Coulributions-Rate als Anzahlung auf die erste Milliarde wurde nicht eingczahll. Die Rachrichten aus Paris lauten düster. General von Schlotheim, der Commandant der deutschen Truppen in Compiegne und in den Forts, Hal dem Pariser Central- Cvmits die Anzeige gemacht, seine Truppen würden sich passiv ver halten, so lange die Pariser die durch den Frieden bestimmten Grenzen nicht überschritten und sie nicht gefährdeten. Das Central- Comits antwortete, eS werde in keiner Weise seindlich gegen die deutschen Truppen verfahren. — An dem Vendome-Platz in Paris kam's zu einem blutigen Zusammenstoß zwischen Rativnalgarden und Insurgenten; 100 Tobte und Verwundete blieben auf dem Platze. — Lyon ist im vollständigen Besitz der Revolution. Die Republik in Paris will auch leben, namentlich die rothe Nationalgarde, die schon 9 Monate fürs Vaterland bummelt L Lag I'/s—H'/s Francs. Die Herren vom Finanz-Counts haben daher eine Anleihe bei der Bank und bei Rothschild gemacht mit der Pistole in der Faust; sie zeigten sich sehr bescheiden; denn sie verlangten 5 Mill, von der Bank und 5 Mill, von Rothschild und nahmen mit 1 Mill, von der Bank und mit V« Mill, von Rothschild vorlieb, aber baar. Rothschild wurde vor-schrecken krank. Unter den Tobten wird ein Bankier Hottinger genannt ohne nähere Bezeichnung, woran er gestorben. Gegenseitige Mißverständnisse gibls bereits viele unter den" Rationalgarden; die aus den Vorstädten von Belleville und Montmartre, auch St. Antoine und die aus den inneren Stadt vierteln sind mehrsach mit Flintenschüssen und Bajonetten an einander gerathen. Unter den Gefallenen wird ein General Raphael genannt. Man kann m dem Trubel nichts genau erkennen. Wer kann, ver läßt Paris und flüchtet nach Brüssel, das eine Pariser Vorstadt ge worden ist. Rach Paris hinein geht nur, wer muß. Müssen die Bonapartistcn hinein? Da sollen sie in Massen sein und eine merk würdige Thätigkeit für die Republik entfalten. Was draußen im Lande vorgeht, brauchen die Pariser nicht zu wissen, Thiers hat ihnen daher die Telcgraphenverbindung abgeschnitten. Ob sie wissen, daß die Stadt Lyon ihrem Beispiel gefolgt und auch in voller Revolution ist? Thatsache soll es sein. Vor Thiers und Genossen scheinen die Pariser weniger Respekt zu haben als vor den deutschen Truppen draußen. Diese haben die Forts auf der Nord- und Ostseite von Paris bereits wieder be setzt und beherrschen mit ihren Kanonen die Stadt. Der deutsche Commandant droht das Feuer zu eröffnen, wenn die zerstörte Tele graphenverbindung bei Pankin nicht sofort wiederhcrgestellt wird und die Republikaner sich noch einmal seinen Linien nähern. Thiers zieht Truppen aus der Bretagne zusammen, um sie nach Paris zu führen. Das revolutionäre Central - Comits in Paris erklärt offi ziell: „Es achte die Friedensbedingungen, es scheine aber gerecht zu Mn, daß die fluchwürdigen Urheber des Krieges den größern Theil der Kriegsentschädigung zahlen müssen." — „Inmitten der Ohnmacht der herrschenden Classen begreifen die Proletarier, cs sei die Stunde für sie gekommen, die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten zu übernehmen. Begreift die Bourgoisie nicht, daß die Zeit der Eman zipation der Proletarier gekommen ist?" — Viele Sträflinge sind in Paris angekommen; kein Hausbesitzer darf seinem Miether kündigen, ein Pfand verkauft werden u. s. w. Paris, 24. März. Die Situation bleibt unverändert ernst. Das Central-Comits ordnete den Anklagezustand über die Regierungs- Mitglieder in Versailles, sowie die Verhaftung des Maire vom Montmartre, Clemenceau und der dem Centrals feindlichen Jour nalisten an. Admiral Saissel erließ eine Proklamation, worin er den Pariser Bürgern anzeigt, er habe vorläufig die Anerkennung der muuicipalen Freiheiten, das Recht der Wahl sämmtlicher Offiziere der Nationalgarde, die Modificativn des Gesetzes über die Wechsel verfallzeit und ein den kleinen Miethshcrrn günstiges Miethsgcsetz erlangt. Paris, 24. März, Abends. In einer Proklamation zeigt das Central-Comits an, d.e militärischen Vollmachten seien an Duval in Brüssel und Endes mit dem Titel General übertragen. Dieselben werden kinverständlich bis zur Ankunft des General Garibaldi handeln, der zum Obercommandirenden der Streitkräfte der Rothen ernannt worden ist. Versailles, 24. März. Die Festung des Mont Valerien ist nicht in den Händen der Insurgenten. Die Versailler Regierung verfügt über eine große Blasse von Geschützen, sie will noch 14 Tage warten, ehe zum Angriff geschritten wird. Versailles, den 22. März. In der Sitzung der Nationalver sammlung theilte Jules Favre mit, daß er einen Brief des Fürsten Bismart empfangen habe, in welchem er anzcigt, daß das Ober- commandv der deutschen Armeen Angesichts der Pariser Ereignisse jede Annäherung an die deutschen Linien untersagt; falls Paris in Gegensatz zu den Friedensbedingungen trete, werde die Beschießung aus den Forts beginnen. Es verlange die Herstellung der in der Vorstadt Paulin zerstörten Telegraphen binnen 24 Stunden. JulcS Favre antwortete: Die Jnsurrectio» mit ihren Anführern werde unter drückt werden. Wenn die Unterdrückung bisher nicht ganz gelungen fei, so sei die Ursache in dem Bestreben der Negierung zu suchen, Blutvergießen zu vermeiden. Bezüglich der Herstellung der Tele graphen würden die Maires thun, was möglich sei. Dem „Genfer Journal" gehen Berichte aus Lyon vom 23. d. M. zu, nach welchen Ricciotti Garibaldi den Oberbefehl über die Aufständischen übernommen hat. Die Letzteren haben sich im Hotel de Ville verschanzt und vor demselben Kanonen aufgcpflanzt. Den Präfeclen halten die Aufrührer gefangen. Ein Theil der National garde hat im Verein mit Truppen des General Carousat an die Aufrührer eine Aufforderung gerichtet, das Hotel de Ville zu räumen lind dieselben im Weigerungsfälle mit einem gewaltsamen Angriffe bedroHt. Ein Theil der Nationalgarde hat unter Leitung eines Dele- girten des Pariser Ceutralcomitecs die Präfektur besetzt. Der Prä- sect und die Behörden sind gefangen. Bis jetzt ist den Ausrührern in keiner Weise Widerstand geleistet. — Spätere Nachrichten aus Lyon bestätigen, daß die Stadt und die Forts vollständig in der Gewalt der Insurgenten sind. Der General Prenet ist gcsangen. Die Kommune ist eingesetzt, am Stadthause die rothe Fahne ausge- pflauzt. Durch Straßburg und Kehl ziehen preußische Landwehrregi menter heimwärts, "der Rhein und der deutsche Boden wird jedes mal mit donnerndem Hurrah begrüßt, die genommenen Kanonen von Belfort rc. tragen grüne Reiser in dem Zündlochs und mit Kreide geschriebene Namen der Festungen. Wieder zog ein Regiment heran, unter den Zuschauern war ein altes Mütterchen mit einem sechs jährigen Mädchen. Plötzlich stößt das Kind einen Schrei aus und stürzt aus einen bärtigen Laudwehrmann zu, in welchem es den Va ter erkannt halte. Die Familiengeschichte ist kurz und schmerzlich. Der Vater war aus seiuer Heimath, Saarbrücken, in den Krieg gc-