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Nossen, Sievenlehn und die Umgegenden Erscheint wöchentlich S Mal Dienstag und Freitag). Abvnnementßpreis dürteljährlich I Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Znseratenannabme Hontags u. Donnerstags Mittag 1S Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag) AbonncmcntSprcis vierteljährlich 1 Wark Eine einzclne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahine Montags u. Donnerstags biS Mittag 12 U^r. für ilsdrnff, Tharandt, Amtsblatt !iir die Königl. Amtshauptmannschast zu Meißen, das Königl. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Reunund-reißigster Jahrgang. Nr. 61. DicutSng, den 5. August , 1^70. Tagcsgeschichte. Berlin. Nach Allem, was in den der Regierung nahestehenden Blättern gegen die Sozialdemokratie jetzt vvrgebracht wird, will es scheinen, als ob irgend ein Nachtrag zu dem Gesetze vom 21. Lkt. v. I. nach der Richtung vorbereitet wird, einzelne, voriges Mal abge lehnte Bestimmungen mit Zusätzen wieder vorzulegen. Bestimmtes steht darüber in keiner Weise fest. Wie verlautet, darf es als ziemlich sicher angenommen werden, daß der Reichstag sich in seiner nächsten Session abermals mit einem Gesetzentwurf, betreffend die Einführung einer Börsenstcuer, zu bc- fchäftig'N haben wirb. Dieses Projekt sand bekanntlich in den Jahren 1869, 1871, 1873, 1875 und 1878 nicht die Zustimmung des Reichs tags. Bon der jetzt ans den Konservativen und Ultramoutanen zu sammengesetzten Majorität nimmt man an, daß sie dem Projekt zu- stimmen wird. Gerade in diesen Kreisen hat das Prinzip einer durch greifenden Besteuerung des mobilen Vermögens zahlreiche Freunde. Berlin, 2. August. Das „Reichsgesetzblatt" publizirt die kaiser liche Verordnung, wonach das Gesetz, betr. die Verfassung und Ver waltung von Elsaß - Lothringen, am 1. Oktober in Kraft tritt, ferner eine kaiserliche Verordnung, worin die dem zum kaiserlichen Statthalter Von Elsaß - Lothringen ernannten Gencralfeldmarschall v. Manteuffel übertragenen Befugnisse ausgezählt werden. Die deutsche Marine ist schon wieder von einem schweren Unglück ! betroffen worden. Auf dem Artillcrieschiff „Rcuvwu" in Wilhelms haven ist ein Vicrundzwanzig - Ccntimeter - Geschütz gesprungen; drei Mann sind todt, drei schwer nnd elf leicht verwundet. Das kriegsgerichtliche Urtheil in Sachen des „Großen Kurfürsten" verhängt, wie sich jetzt bestätigt, über den Koutre-Admiral Batsch eine 6monatliche Festungsstrase, weil das Panzerschiff „König Wilhelm" in zu geringer Distanz von dem in den Grund gebohrten Panzerschiff »Großer Kurfürst" fuhr, und weil der Kontre-Admiral nicht früh ge nug eingriff, um die Katastrophe zu verhindern. Er habe zu lange dem Kapitän - Lieutenant Klausa das Commanoo überlassen und bei Eintritt der Gefahr nicht genug Geistesgegenwart und Kaltblütigkeit gezeigt. Als Oberkommaudant für jede Bewegung der Schiffe verant wortlich, hat Batsch deshalb von den Angeklagten die höchste Strafe erhalten. Klausa gab, wie cs heißt, bei Annäherung der Gefahr ganz richtige Beiehle an das Steuerruder ab, allein die Wirkung des Be fehls trat später ein, als er in Ansehung der sich steigernden Gefahr wünschte, und bei Erneuerung des völlig angemessenen Commando's zur Verhinderung der Anreunung des „Grotzen Kurfürsten" durch „König Wilhelm" fiel Klausa, in dem Bestreben, sich der Mannschaft am Ruder deutlicher zu machen, aus der Schiffssprache heraus. Hier durch aber trat Verwirrung ein, und das Steuerruder «ahm Richluug nach der verkehrten Seite, wodurch der Zusammenstoß unvermeidlich werden mußte. Klausa gilt übrigens für einen ausgezeichneten Offizier, der, wie man hofft, der Marine erhalten bleiben dürfte, während Batsch den aktiven Scedienst wohl verlassen müssen wird. Kaiser Wilhelm weilt in Gastein und setzt mit günstigem Er folg seine Badeeur fort, der Reichskanzler ruht auf der Saline zu Kissingen von den Strapazen der Reichstagssession aus nnd stärkt die angegriffenen Nerven, der Bundesrath hat Ferien, ganz natürlich, wenn von großen Staatsactionen im deutschen Reiche nicht die Rede ist. Hat doch der päpstliche Nuntius in München, Masella, der offenkundig in den Verhandlungen zwischen unserm leitenden Staatsmann und der römischen Curie eine Hauptrolle spielt, München nicht verlassen und an den Kissinger Quellen sich gelabt, obschon die geschwätzige Fama ihn schon dorthin versetzt hatte. Aber nach Rom geht der geschickte Unterhändler, und seine Anwesenheit daselbst läßt mit Recht darauf schließen, daß die von beiden Seiten, wie es scheint, ernstlich angestrebte Annäherung Fortschritte macht und dem aufreibenden Culturkampse die scharfen Spitzen abznbrechen angebahnt wird. Welche Bedingungen Und Forderungen von der einen oder der anderen Seite gestellt werden möge», hüllt sich freilich in Dunkel. Papst Leo XIII. soll seit einigen Monaten ziemlich argwöhnisch geworden sein. In seinen Privatgemächern duldet er außer seinem Bruder, dem Kardinal Pecci, niemand als seine drei Sccretäre. Häufig arbeitet er in seinem Schlafzimmer, das er beim Verlaßen stets ver schließt. Seine Sparsamkeit grenzt an Geiz; viele Gehalte hat er, ob schon die Peterspfennige in letzter Zeit wieder besser fließen, erheblich beschnitten und dabei verfährt er ziemlich rücksichtslos. Ueberhanpt ist das Leben im Vatikan viel stiller geworden als unter seinem Vorgänger. Die Schmarotzer sind ebenso wie alle überzähligen Wagen und Pferde abgcschasst; die verbliebenen Beamten müssen von und nach dem päpst lichen Palast zu Fuße gehen und mehr arbeiten als srüher, da der Papst eine Menge früher im Vatikan übliche Festlage einfach gestrichen hat. Er felbst benutzt nur einen bescheidenen Landauer, in welchem er auf den Rath seiner Aerzte täglich eine Stunde in den vatikanischen Gärten spazieren fährt. Rom, 29. Juli. Gestern entdeckte hier die Polizei ein republi kanisches Komplot, welches einen Aufruhr bezweckte uud verhaftete zwei Rädelsführer, Namens Angeli und Mirti. Ein Buchdrucker wurde ebenfalls verhaftet und bei demselben ein gedruckter Aufruf zur Empörung konfiszirt. — Der Minister des Innern befahl in einen: Rundschreiben die Ausweisung derjenigen ausländischen Arbeiter aus Italien, welche Politik treiben. Obwohl offiziell die Nachricht verbreitet war, daß der russische Kaiser den ganzen Sommer uud eineu Theil des Herbstes in Livadia zubringen werde, ist die kaiserliche Familie auffallend schnell nnd un verhofft in die Hauptstadt zurückgekehrt. Die Politiker zerbrechen sich die Köpfe, auf welche diplomatische Ursache dieser schnelle Residenz- Wechsel zurückzuführen sei. Rian erzählt sich nun ein trauriges, aber die ganze Sache leicht erllärendcs Ereiguih. Ungeachtet aller Vorsichts maßregeln entdeckte der die Runde machende Offizier im kaiserlichen Parke zwei unbekannte Individuen, welche bei seinem Erscheinen sofort verschwanden. Bei einer genauen Durchsuchung des Gartens wurden die beiden verdächtigen Personen nicht gefunden, wohl aber einen in den letzten Zügen liegender Wachtposten, der nach einigen Stunden verschied, ohne daß er einen Augenblick zum Bewußtsein zu bringen war. Die Aerzte konstatirten bet'der Sektion des Leichnams Vergif tung. Diese unheimliche That habe besonders die Kaiserin in einen solchen Schrecken versetzt, daß das sonst so ruhige uud geliebte Livadia als höchst verdächtig sofort wieder von der kaiserlichen Familie verlassen wurde. Ein wenig beueidenswerthes Loos. London, 2. August. Die „Times" koustatiren die allgemeine Befriedigung Europa's über die hochbedcutenden bisherig:n Ergebnisse des Berliner Vertrages, heben die großen Verdienste des Fürsten Bismarck uni das Zustandekommen des Vertrags hervor nnd knüpfen daran die ermuthigende Hoffnung, daß die Oricutfrage auch künftig einen befriedigenden Verlauf nehmen und der Berliner Vertrag die permanente Basis der zukünftigen Entwickelung der europäischen und der asiatischen Türkei bilden werde. Der neugebackene Fürst Alexander von Bulgarien hat schon seine liebe Noth. Er hat nämlich ein Telegramm an die Pforte ge richtet, daß türkische Truppen unweit Tubnitz'a die Grenze überschritten und bulgarisches Gebiet betreten haben und daß Baschibozuks plündern und morden. Hübsche Zustände! Der Fürst verlangt nun dich sofortige Zurückberusnng der Truppen. In Brasilien geht es gar nicht lustig her. Vor kurzer Zeit wurde der dortige Minister v. Sinimbu beim Eintritt in dasKammer- gebände von den die Kammern umlagen Volkstruppen auf schimpfliche Weise beleidigt. Die Worte: „Ins Gefängnis; mit Dir!" schallten dem Erichrvckencn entgegen. Der Finanzmimster wurde mit dem Titel „Verrälher" begrüßt. Der Deputirte I. Marianna wurde ebeufalls beleidigt. „Jutriguaut, Talentloser" und ähnliche Titel flogen ihm an den Kopf. Das Kammergebände war von Militär umgeben. Infanterie, Secsoldaten, Polizei und Kavallerie waren zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung herangezogen. Trotz dec ausgepflanzten Bayonuette wurden aber die zvrückkehrenden Minister mit allen Zeichen des Mißsalls vom Volke empfangen. Die oppo sitionellen Deputirten wurden jubelnd nach Hause geleitet. Abends hörte man an verschiedenen Stellen aus der Menge den Ruf er schallen: „Nieder mit dem Ministerium! Es lebe die Republik!" Sollte die republikanische Idee nun schon in Brasilien angelangt sein? Bisher hielt man den König Dom Pedro stets für einen nn- gcmein volksbeliebten Monarchen. OertlicheS und Sächsisches. In Sachsen nimmt die Agitation für die Ergänzungswahleu zum Laudtag weitere Grenzen ein. Alle Parteien rühren sich, nnd Nationalliberale nnd Fortschrittler scheinen gemeinsam gegen die Cou- servativen Vorgehen zu wollen. Die Sozialdemokraten hüllen sich noch in Schweigen, scheinen aber in einigen Bezirken im Trüben fische» zu wolle». Unsere Fortschrittler mögen durchaus nichts von einer Auslosung der Partei höre», uud doch gesteht ihr Leipziger Organ selbst zu, daß eine solche bevorstche, wenn man nicht zu einer neuen Organisation auf entschieden demokratischer Grundlage greife; dadurch will man zugleich ein Zusammengehen mit einem Theile der Sozial demokraten ermöglichen. Daß die gemäßigten Fortschrittler, die ja in dankenswerther Weise in der zweiten Kammer oft mit den Conservativcn Front gegen die „Unitarier" machten, diese» Schritt nicht mit thnu wollen, darf man ihnen ja zntraucn. Es herrscht im Publikum vielfach die Meinung, es müsse unbe dingt bei Geburtsanzeigen auf dem Standesamts immer so gleich der Name des neugeborenen Kindes angegeben und eingetragen werde». Das ist ein Jrrkhum. Das betreffende Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes vom 6. Febr. 1875 sagt H 22 am Schluß wörtlich also: „Standen die Vornamen des Kindes znr Zeit der Anzeige noch nicht fest, so sind dieselben nachträglich und längstens binnen zwei Monaten nach der Geburt anzuzeigen". Es haben also die Eltern zur Wahl der Vornamen ihres Kindes acht Wochen Zeit. — Die vor einiger Zeit von Dresden aus verbreitete Nachricht, daß nach dem diesjährigen .Herbstmanöver die Einberufung dec Feld webel-Lieutenants zu einer zehntägigen Uebung stattsiuden würde,