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Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Licbenlch» und die Umgegenden. Wmisölali für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Freitag, den 24. Januar 1873. Tagesgeschichte. Freiberg, 21. Januar. Eine von mehreren Bürgern ausge schriebene gestrige Volksversammlung war von ca. 400 bis 450 Per- sonen besucht. Der Beitritts-Antrag zu der von dem städtischen Ver eine zu Leipzig veranlaßten Petition: „dieselbe wolle die Staatsre- gierung.ersuchen, dem Landtage ein neues Verfassungs- und Wahl gesetz nach den Grundlagen des Einkammer- und Rcprüsentivshstems, sowie des allgemeinen, unmittelbaren nnd gleichen, sowohl activen als pasfiverc Wahlrechts, vorzulegen", fand einstimmige Annahme. ., Nach der im D.eccmber v. I. durch die königl. sächs. Jnvaliden- stiftnng stattgefundenen Vertheilnng von Gaben an 122 Invaliden sind nicht weniger als 57 Geldbriefe als unbestellbar zurückgekommen, weil deren Adressaten, binnen weniger Monaten vorher, gestorben waren. Unter ihnen befanden sich 23 Mitglieder von Militärvercinen. — Das Gesamiütvermögen der k. s. Jnvalidenstrftung belief sich am Ende des Jahres 1872 auf 20,874 Thlr. 19 Ngr. 9 Pf., darunter 20,7s0 Thlr. in zinstragend angelegten Wertpapieren. Dem „Dr. Journ." schreibt man aus Hainichen, 19. Januar: Die königl: KreiSdirection hat die erbetene Entlassung unseres Bürger meisters I)r. Fischer genehmigt, dagegen die Amtsniederlegung seilen her übrigen Sladtralhsmitgliedcr auf Zeit für unzulässig erklärt. Letztere nahmen hierauf ihre in pleno geschehene Amtsniederlegung zurück; cs behielt sich jedoch jeder Einzelne vor, sein Amt niedcrzu- legen, sobald ihm ein gesetzlicher Grund hierzu zur Seite stehe. Um die.ausgeschriebene Bürgermeistcrstelle hat sich offiziell noch Niemand gemeldet und nur privatim ist ein Bewerber aufgetreten. Lobsdorf bei Glaucha, 17. Januar. Ein bcklagcnswerthcr Fall trug sich vorgestern in unserem Orte zu. Die einzige 16jährige Tochter des Gartenbesitzers Müller stürzte in der Scheune des Guts besitzers Schilling, wo dieselbe Garben zum Dreschen herabgeworfcn hatte, von dem Boden'auf die Tenne herab und blieb mit zerschmet terter Hirnschale auj der Stelle todt. Noch tragischer wurde der Un glücksfall dadurch, daß er gerade am Geburtstage des verunglückten Mädchens geschehen, Und dasselbe die Mutter gebeten hatte, einen Ge- burtstagskranz aus der Stadt mitzubringen, der nun auf so erschüt ternde Weise zum Todtenkranz wurde. In.Niedcrgräfcnhain brach am 19. d. M. nach 5 Uhr ans dem über dem Kuhstalle gelegenen Heuboden des zum Rittergut Shhra gehörigen Vorwerks Feuer ans, das in kurzer Zeit sämmtttche Wirth- schafts- und Slallgebäude mit Vorräthcn vernichtete. Ebenso sind 110 Schafe, 6 zweijährige Kalben, 7 Schweine und sämmtliches Federvieh mit verbrannt. Vieh und Vorräthe waren versichert. Da das Vorwerk nur ungefähr 50 Meter von dem Niedergräfenhainer Eisenbahnviaduct entfernt liegt, ist es nicht unwahrscheinlich, daß von der Locomotivc des um 5 Uhr vorbeigefahrenen Zuges Funken in die am Heuböden befindlich gewesenen Löcher gefallen sind und den Brand hervvrgcrufen haben. Ueber die am 19. Januar in Potsdam vollzogene Einführung der französischen Trophäen in die dortige Hof- und Garnison kirche geht der „N. A. Z." folgender Bericht zu: Als Blücher am 19. Juni 1814 den Tagesbefehl für seine Armee ausgab, schloß er ihn mit den Worten: „So lange es Geschichte geben wird, wird sie Eurer gedenken. Ihr unerschütterlichen Säulen der preußischen Monarchie tragt mit Sicherheit das Glück Eures Königs und seines Hauses: nie wird Preußen untergehen, wenn Eure Söhne und Enkel Euch gleichen!" — Und wahrlich die Söhne und Enkel der Helden von 1813—14, sic sind nicht unwerth der Sieger von Großbeeren, Culm, Leipzig, Paris, Belle-Alliance. Sie haben unvergängliche Lorbeeren gepflückt und im Fluge wie auffahrende Adler den hochmüthigcn Erbfeind zu Boden geschmettert und auf den blutgetränkten alten Schlachtfeldern Frankreichs noch einen gewaltigeren Triumphzug gehalten, als die Väter und Großväter im heiligen Be freiungskämpfe. So kehrte auch zum dritten Male in diesem Jahrhundert der historisch wichtige Act wieder, wo die Hof- und Garnisonkirche zu Potsdam, die Ändachtsstätte der Könige Preußens, die Ruhestätte der Monarchen Friedrich Wilhelm I. und Friedrichs jdes Großen, die Siegestrophäen der preußischen Armee, die im heißen Kampfe erober ten feindlichen Feldzeichen in ihren geweihten Naum einziehen sicht.— Das erste Mal war es am Christtage des Jahres 1816, als König Wilhelm III. inmitten seiner Garden 22 französische Feldzeichen und Rheinbundsfahnen aus dem glorreichen Befreiungskriege hier anf- hängen ließ. Ueber der Gruft des großen Friedrich senkten Galliens ruhmreiche Adler trauernd ihre Flügel, und die goldgestickten Flaggen des einst sicgesberauschten Frankreich, welche den Eroberungszügen des hochmüthigcn Corse» vorangeleuchtet hatten, sie predigten hier das Wort: „Gott zerschmettert die Hoffährtigen, aber den Demüthigen giebt er Gnade!" Und die Segnungen eines fünzigjährigen Friedens kamen über das Vaterland, und die liefen Wunden, die eine schreckliche eiserne Zeit dem Lande geschlagen, sie heilten unter dem weisen Sccpter des „gerechten" Friedrich Wilhelm. Aber gerade nach 50 Jahren, am Svlvestertage 1866 zogen abermals fremde Feldzeichen in die Garni sonkirche. Habsburgs alte Banner und des Dünen Danebrog be grüßten die alten fünfzigjährigen Gäste neben der Gruft. Sechs Jahre sind seit dem Nenjahrstage 1867 verstossen, an dem unser Kaiser sein 60jähriges Dienstjubiläum in dieser Kirche beging, an welchem Tage in aller Stille, ohne jegliches rnhmrediges Gepränge, die Zeugen der heißen Kämpfe auf Böhmens Fluren an den Säulen der Kirche sich den Augen der Krieger zeigten, und wieder ist in die sen Tagen ein ganzer Fahnenwald Zn dasselbe Gotteshaus eingerückt und hat Stellung genommen über und neben den alten Ehrenzeichen braver Armeen. 86 eroberte französische Fahnen aus dem letzten Feldzüge! Da runter 11 in der Schlacht mit stürmender Hand erbeutete, zwei schwarze Turkos-Fahnen und 56 vor Metz erhaltene Fahnen. Wäh rend noch Avlerfahnen ans dem ersten Kaiserreich mit den Schlacht namen Hohenlinden, Marengo, Wagram, Austerlitz, Jena, Pr. Fried land unter ihnen sind, bemerkt man auch solche mit dem Namen Jnkermann, Alma, Sebastopol, Puebla, Magenta, Solferino; ja und ganz neue aus den ersten Tagen der jugendlichen Republik mit dem gallischen Hahn sind auch in dieser prächtigen und reichen Sammlung. Nun haben die alten Fahnen 1813/15 Landsleute erhalten, und die stolzen Adler des ersten Empire begrüßen ihre jüngeren Kameraden des zweiten Kaiserreichs. Wunderbarer Gang in der Geschichte! Der Kaiser hat in'Veranlassung der Ueberführung der im letzten Feldzuge erbeuteten Fahnen folgenden Armeebefehl erlassen: „Ich habe den heutigen Tag, durch das letzte rühmliche Gefecht vor Paris, durch die Schlacht bei St. Quentin, einer der neuen Ehrentage der Armee, gewählt, um die Siegeszeichen des letzten Krieges denen hin- zuzusügen, welche aus frühere» glorreichen Kriegen in der Garnison kirche zu Potsdam ausgestellt sind. Gott war mit uns, Großes hat er an uns gethan! Die Vertreter der ganzen Armee, welche der heutigen Feier beiwohnen, werden vor Allem das Gefühl des tiefsten Dankes gegen den Allmächtigen empfunden haben. Nächst diesem ge denke ich aber mit Stolz und Rührung meiner Armee, ihrer Tapfer keit, ihrer ausdauernden Hingebung und tiefbewegt ihrer Opfer. Die dankbare Erinnerung an Alles, was die Armee in diesem Feldzuge geleistet, wird in meinem Herzen bis zum letzten Schlage fortleben. Der Nachwelt aber werden die Siegeszeichen, welche wir heute auf- stellcn, ein redendes Zeugniß verbleiben. Mögen die kommenden Generationen das Erbe unserer Väter, den alten Ruhm der Waffen ehre der Armee, eben so treu hüten, Ivie Ihr cs gcthan. Potsdam, den 10. Januar 1873. Wilhelm." Der deutsche Vundcsrath in Berlin soll für Freigabe des Apothckcrgewerbes und Ablösung der Privilegien einzntretcn geneigt