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Lokalblatt für Au«,Auerha«mrr, ZelleKlSfterlei«, Rieder- u. Oberpfannenftiel. Lauter, Bockau, v<r«1»«ch, veytrsa», ««chsosa», Aich*»«» uu» »u m»u«,«»»e>» OrtschaN«». «rscheint «tttw-K», »rett««» u.M-ncettcM». Mb»««»«,«t»p»et» incl. der 3 werthvollm BeUaäen vierielttihrlich mU Brinaerlohn 1 Mr. 20 Gs. durch dk Post t «.» M. Wktt 3 iTttstrirtttr AeiötättMt: Aimtfches AamiNevösatt, Kute Keiffer, der Jeitspiegel. veeautworUlchee RedaNem: W«U -egemetster in »ue («qgebkge). RedMon u. Srpedition: An«, Morktstraß«. Jnseratt die «insp-ltige Sorpuizetle ttt Gf., die volle S«Üe SV. «. SV,'/««»- S »k. bei Wiederholungen hoher Stobst- All« Postanstalten und Landbriestrlger nehmen Bestellungen an. Po. -129. Sonnabend, dm 30. October 1892. Bestellungen aus die ' WM'Nuer^HaL-IeiLung MW (No. Mü der Zeitung-Preislist«) für November und Deeember wird«« in der Expedition (Aue, Marktstraße), von den An»- trägeru de» Blatte», sowie den Landbriefträgern jederzeit gern angenommen. -rpedilisn der „ Arertyal-Aeitung," Lmott Z«m 31. Oktober. Solange es eine deutsche Geschichte -iebt, wird dieser tag einen Sonnenaufgang bedeuten. Am 31. Yktvdcr sind 37L Zahre vergangen, seit Martin Luther seine VS Lhescn an die Thüre der Wittenberger Schloßkirche an schlug und damit sein große« Resormation-wrrk begann. Da» geschah, al- Papst Leon X. unser deutsche« Land zu einem Marktplatz gemacht hatte, auf dem er, um Geld für den Bau der PeterSkirche in Rom zu erhandeln, den Sßndenrrlaß für Lebende und Berstorbene gegen klingende Münze perkaufen ließ, Zn der Nähe von Wittenberg, in Züterbog, trieb gerade damals der Dominikaner Letzel, di« Unwissenden bethörrnd und dir Gewiflen verwirrend^ sein marktschreierische« Unwcseu: „Wenn da« Gefd im Kasten klingt, die Serie au» dem Fegefeuer springt," Lu» ther» Thesen waren «in auf da» Wort Gotte« begründe ter lauter Protest gegen den heillosen Ablaßkram. Wir rin von Stur« getriebene» heilige» Feuer lies sein Wort zündend durch» deutsche Land, und aü» heißen Kämpfen, in denen Luther, der Glaubensheld todeSmuthig die Fahne porantrug, wurde die Reformation geboren. Der evangelischen Kirche ist mit de» reinen Wort« Gotte» Große« auvertraut, aber darum wird auch Groß«» von ihr gefordert. Die Sturmflutheu der Zeit habe» Mas sen de» deutschen Bolke», Hohen und Geringen, die Hei- ligthümrr de« Glauben« au« de» Herze« gerissen und die Fundamente de, Gesellschaft unterwühlt. Beide Kirchen stehen vor einer Aufgabe, von deren Erfüllung die Zu» kunst unsere« Volke«, die Zukunft der Völker abbäagt. Die katholisch« Kirche, so scharf ihr Widerspruch grgrn die Wrformalion ist, vtrdankt ihr viel und «eit «ehr, al« st« «jngestehen will, -der auch die evangellschr hat von der katholischen viel zu lernen. Lief verschuldet sind beide. Denn ans 31, Oktober die Glocken wieder zu« Resor« mation«frst« läuten, so ruft jeder Slockenton un« Evange lischen die Frag« in« Gewißen: Wa» haben wir versäumt und gefehlt, daß über un«, denen Luther den Schatz de» lautere» Evangelium« wieder erkämpft hat, solche Tode»- gesahrrn hereipgebrcchen sind? Da» wär« ein« rechte Re- s»r«ationtf«irr, wenn wir unter dem Ernst der Selbst prüfung un« rüsteten, mit neuer Liebe und opferfreudigem Dienst unser« Volke Pa» Evangelium in Wort und Lhat zu bringen. Dazu aber muß da« Evangelium Jedem von un- nicht Lai» und Schall, sondern im tiefsten Grunde der Seele selbsterfabrene Wahrheit und sein Eigenthum werden. Ein Dichterwort sagt: ,Wa« du ererbt von dei nen Vätern hast, erwirb e«, um e» zu besitzen!" Und Martin Luther singt: „Eine fest« Burg ist unser Gott!" Nicht unsere Lippe» nur, sondern unsere Herzen sollen e» «it ihm singen. Die Stellung der Parteien zur Milttärvorlage. Mit Rücksicht aus dtt ausschlaggebende Bedeutung, welche da» Eentru« für da« Schicksal der Vorlage haben wird «olle» wir zuerst «ittrile» «a» da« stthmnd» vpga« die» ser Partri am Rhein, die „Köln. Voltt-Ztg." jagt: „Wir halten^, so bemerkt fle, „die Vorlage sür gänzlich aus sichtslos - , . - Mit einem Worte: die ganz« Situation bezüglich der Militärvorlage erscheint un« unheilbar ver sah«». Auf die Stellung, welche Sozialdemokratie und Frejssvn zur Vorlage einnehmen, wird nitmand gespannt seini^ stastd von »orrchetein sest, daß fie ablehnen wür den. Preßftiuuaen au« diese« Lager können wir un« des halb erspare«. Da auch die Konservativen «egen der zweijährigen Dienstzeit de» Vorlage grolle«, wenn auch offener Wider spruch nicht zu er«arten ist, so bleiben nm di« Ratio- ualliberalen al« uueingeschrSnkte Freunde übrig. Ihr« „Nationalztg." erkennt denn auch „den Gedanken einer verschärften Abhebung ohne Weitere« al« berechtigt an. Der Au»gang«punkt der Vorlage sei nicht die zweijährige 5. Jahrgang. Dienstzeit, sondern da« von der Pflicht diktierte Bestreben sich Frankreich nicht über den Kopf wachsen zu kaffen, da« mit 88 Millonen Einwohnern un« an Lruppenzahl weit überlegen sei. Heute sei die Ftage der Heere»stirk« eine Existenzfrage für die Staaten. Dir Opfer tiiier Nieder lage wäre» weit schlimmer, al« die der jetzigen Geldau«- gabr." Bi-marck« Hamburger Nachrichten erklären sich auch jetzt noch, nach der Veröffentlichung der Hrrr«»vorsl»gr ge gen dieselbe. Auf die numerischen Vergleichungen »it der Kriegsstärke au««irtiger Heere könne kein entscheidende« Gewicht gelegt werden ein« Mtnderstärk« bedkutt wenig, so lange sie sich innerhalb gewisser Grenzest bewege; dir Hauptsache sei die Qualität, die durch die ntttt Vorlage bedroht würde. Schon jetzt sei die S Millivnest betra gende Kriegsstärke auf 4 Millonen gesteigert, während Frankreich nach Maßgabe seiner Bevölkerung dl« Hinauf- schraubung-grenze der Armeeziffer längst überschritten habe. Politische Nachrichten. Sentschlnnb. Berlin, den 28. Oktober. — D« Reich-anzeiger veröffentlicht ein« kaiserlich« Or dre durch welche der Reichstag «ms den W. November ein berufen wird. — Kaiser Wilhelm ist in Blankenburg zur Hofjagd gewesen. Er erlegt: dabei 8 Stück Rotwild, 7Ü Stück Schwarzwild und fing 2 Sauen eigenhändig ab. Dir Rückfahrt von der Jagd benutzte Kaiser Wilhelm zu einem Abstecher nach Wittenberg, um abermals die erneuerte Schloßkirche zu besichtigen. — Die „Köln. Ztg." schreibt über di« von ihr bewirkte Enthüllung: - „Wir haben in der Sache überhaupt keinen Schritt gethan und sind ganz unschuldig an dem journalistischen Erfolg. Die gebratene Laube ist un- in den Mund ge flogen, den freundlichen Spender kennen wir nicht. Die Vorlage ist im Bundesrat eingebracht, sie ist also, einem weitem Kreise von hochstehenden Personen bekannt.gewor, den, die bei der Gleichberechtigung der deutschen Bunde«, (Nachdruck verbeten) JeuMelon. Die Armen der Millionenstadt. Sin Berliner Roman an« der Gegenwart von M. Palf>). (Fortsetzung.) Wie Fenerfunkrn tanzten di« Buchstaben vor ihren Au gen, fle mußte sich halten, um nicht umzuflnken bei dem tollen Wirbel von Gedanken und Möglichkeit««, der Plötz' lich unaufhaltsam auf fle «indrang. „Sin acht Lage alte« Kind von guter Herkunft wird gegen «ine einmalige Abfindung an kinderlose« Ehepaar abgetreten." A. Michal-ki, Alexanderstraße v. Wa» hieß da«, «a« bedeutete da»? Ein ncht Lag« alte« Kind wird abgetreten? Ach, also kein todt«», «in lebende«, , ein gesunde« Kind l Und e« wird abgetreten, sie könnt« e» holen, haben, behalten, virlleicht latsten für Gold. Sie wußte von den Abgründen der Großstadt, daß »an Kin« Her verfchenkte, wie e« hieß, in Wahrheit ade, «sch Nutzen i sticht« bei dieser Uebeagrb« der kleinen Wesen. Ach, Gold, Gold! Sir besaß o» ja! Mit zitternden Händen wühlte sie in ihrer Schatulle, riß Gold, Schmuck und Stein« an sich und wandt« sich dann wie im Fieber der. Lagrrsttttt de« kleinen Lodten zu. Sie wußte selbst nichts wa« sie »hat, aber st« hob iHv Kind heran«, umhüllt« «» und drückt« «» an sich. Ei» todte« Kind hier, und dort ein lebende«, gesunde« t Sott, und' die Mutte, de« letzteren verging viellvicht vor Armnth »nd war dankbar und zufrieden, »rnn sie in die wanne Wieg« neben ihrem Bette «inen kleinen Lobten legt« und dic< Hand dir «uttrr mit Grld dafür füllt« l Zn dir blausriden« Wiege d«» Grafenkind«» ab«r, dir kalt «ar unter dem steifen Körper de» kleinen Verblichenen, würde sie da« «arm«, gesundr, lächelnde Kind der Armen betten l Die schön« Gräfin warf mit bebenden Händen einen dunklen, pelzverdrämten Mantel über und schlang um Kops und Hal« ein schwarze» Spitzentuch, da« ihre aristokra tischen Züge beschattete. Dan« ergriff st« da» dunkelver- hülttr Spitzenliffrn mit de« kleine» Lodten «nd eilte zur Thür htnau« wie im Fieber. „Zum Arzte! Halten Sie mich nicht auf!" rief sie fliehend über ihre Schalter hin weg dem erstaunten Haushofmeister zu. Am Portier vorbei stürmt« sie die Straße hinunter. Sine vorübersausend« Droschke nah« sie auf. „Fahren Sie zu, Kutscher, «» gilt Lod oder Leben, ich habe ein kranke» ättudl" Sie warf ih« eine Goldmünze hin, der Wagenschlag flog hinter ihr zu und di« Droschke rollt« «it der fieber haft erregten Frau und ihrer Bürd« davon. 7. Da« verkaufte Kind. Der Wahr» der Gräfin flog über den ASphalboden, der dir Greuzstraßen zwischen Berlin V. und Berlin 0. be deckte. Unaufhaltsam glitt der müde Saul, de» di« Peitsche de« Kutscher« schmerzte, quer durch Berlin 0. der Arbeiter- gegrnd zu. Und im Jnnernj de» Wageu» saß «it fieberndem Her zen di, bleich« Fra«, di» im Begrefse war, An« Sünde gegen da« Gesetz zu begeheo. War ntchck jw« Minute kostbar? Und wenn «an sie sehen, sie erkenn«» Würm »it ihrer Lest — k voll Entsetzen drückte sie da» klein, Wesen, da» so hüflo» «nd kalt in ihren Arme« hing, fester an fich. Man durste sie nicht sehen I — Ach, der Wagen fuhr nicht schnell genug! Welch' «in furchtbarer Abend. — Und wie htziern sich die Minuten dehnten. — Sie blickte durch die angrlaufencn Scheiben de- Wagenfenster« nach den trüb« brennenden Laternen. Di« irgend war ihr unbekannt. Wie denn nun, wenn ihr Wagstück mißglückt«? welchen Gefahren ging fle entgegen, sie, die zarte, rlegant«, verwöhnt« grau «itten in der Dunkelheit und der Armuth. Der Kutscher bog sich herum und frug st« »ach der Nummer. Sie antwortete zerstreut, am ganzen Leib« zit ternd. Er sah sie erstaunt an. — D»nn b«--nn er zu suchen, denn er fand dir Nummer nicht gleich m Dunkeln. Endlich hielt der Wage«. Sie zog da» Spitzentuch noch tiefer in'» Gesicht, hüllt« ihr« schrecklich« Nein« Last fester in di« Lücher und sprang zum »Nagen heraus. „warten/ rief sie dem Kutscher zu. Daan ritte sie hinauf. Aber mitten auf der ihr unbekannten Treppe blieb st« zaghaft stehen. wohin? Sir wußte nur Hau» und Nmnr. Aber ein Name in diesen Berliner Birnenkörpen — wa» bedeutete derselbe? , Und schon fiel ihr anmuthlger, leichter Schritt, hi« Vor nehmheit ihrer Haltung unter der bescheidenen Hüffe auf. Einige Frauen streiften sie mit zweideutigen Blicken, «in roher Bursche, von oben kommend, trat ihr in den weg und musterte sie dreist. „Bitte/ sagte sie geängstigt, «it einer fliegenden Nithe, „ich such« «. Michal»«. E» ist hier, Nr. S. Zch bin eilig!" „Ah," machte der Bursch», denn August »ar e» selbst, erstaunt, und überflog di« seltsame Erscheinung «ll gierige«, lauernden und prüfenden Blick. '