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Wach enblatt für Wilsdruff, Tharaud, Rossen, Siebeylehn und die Umgegenden. Äml 8 kfatt für das Königl. Eerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Freitag, den 9. Lctoöer L863. 41. Verantwortlicher Redacteur und Verleger: A. Lorenz. Von dieser Zeitschrift erscheint alte Freitage eine Nummer. Der Preis für den Vierteljahrgang beträgt 10 Ngr. und ist jedesmal vorauszubezählen. Sämmtliche Königl. Postämter nehmen Bestellungen darauf an. Anzeigen, welche im nächsten Krück erscheinen sollen, werden in Wilsdruff sowohl <in der Redactionj, als auch in der Druckerei d. Bl. in Meißen bis längstens Donnerstag Vormittags 8 Uhr erbeten, Inserate nur gegen Ivforlige Bezahlung besorgt, etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, mit großem Danke angenommen, nach Befinden honorirt. d Umschau. Leit Wochen sah es aus, als ob die dre' Mächte England, Frankreich und Oestreich, die vom russischen Minister Gortschakoff in der polnischen Frage erhaltenen Ohrseigen ruhig ein stecken würden. Zwar murrten sie im Stillen gewaltig, aber das kümmerte den Russen sehr wenig. Schlau genug hatte er die Angelegenheit bis jetzt zu verschleppen gewußt; er forderte selbst die Machte auf, ihm ihre Meinung darüber zu sagen, wie Polen am besten ZU beruhigen wäre. Die letzte Note, die kürzeste von allen, sagte dagegen den Mächten mit dürren Morten, sie sollten sich um andere Dinge kümmern, als um Polen. Gortschakoff weiß sehr wohl, daß diesen Herbst kein Krieg gegen Rußland geführt werden kann und bis zum Frühjahr denkt er in Polen Ruhe zu haben, wenn auch die Ruhe des Kirchhofs. In Frankreich hat das barsche Auftreten der Russen gewaltig verschnupft; Napoleon ist eher gewöhnt, Ohrfeigen auszutheilen als einzustecken. Die Unterhandlungen zwischen Paris, London und Wien über die Frage, was nun zu thun sei, sind wieder sehr lebhaft geworden, und von Paris tönen bereits die Kriegstrompeten. Vorsichtiger sind die Engländer; sie wollen blos erklären, daß Rußland das Besitzrecht auf Polen durch seine unmenschliche Behandlung eingebüßt habe. — Unterdeß wirth- kchasten die Russen weiter; an die Stelle des einen Murawieff ist in Wilna ein anderer getreten, Ler stanz in seines Verwandten Fußtapfen wandelt. An Warschau ist Erschießen und Hangen an der Tagesordnung. Täglich kommen mit der Peters burger Bahn 2000 Mann frische Truppen an, die bei den Bürgern einquartirt werden. Jedes kleine Städtchen soll bis zum Winter eine hinreichende Besatzung erhalten, um die für das Militär im Winter besonders beschwerlichen Marsche entbehren und die Insurgenten auf die Wälder beschränken zu können. Das amtliche Blatt der Russen in Warschau, der „Dziennik", darf auf Befehl der Nationalregierung weder gedruckt noch gelesen werden. Der Befehl wird so pünktlich befolgt, daß gleich am I. October erst zwölf Setzer mit Gewalt her beigeholt werden mußten. — An den Straßenecken ist eine Bekanntmachung zu lesen, wonach Demjenigen 6000 Gulden (833^ Thaler) versprochen werden, der einen bei der Plünderung des Zamoyski'schen Palastes verlo ren gegangenen Juwelenschmuck abliefert. — Hundert Nationalgcnsdarmen haben geschwo ren, nach Ausführung eines Todesurtheils ruhig stehen zu bleiben und sich verhaften zu lassen, da mit nicht Unschuldige von den Russen gemißhandelt werden, wie dies bei dem Attentat auf den Grafen^ Berg geschehen ist. — Der Haß zwischen Russen und Polen hat in Biarritz, einem Badeorte, wo sich der französische Hof jetzt aufhalt, zu einem abscheulichen Skandale geführt. Da di- meisten Franzosen im Herzen polnisch gesinnt sind, so wurden die anwesenden Russinnen nicht mit den freundlichsten Blicken angesehen. Be sonders ließ, eine eben aus Lemberg zurückgekehrte vornehme Französin ihrer Theilnahme für das un terdrückte Polen freien Lauf, was ihr den Haß einer Russin zuzog. Diese beschloß, ihre Feindin auf echt russische Weise zu züchtigen. Auf offener Straße und Angesichts der vorbeifahrenden kaiserlichen Equi page schlug sie dieselbe mit dem Sonnenschirm in's Gesicht. Die Folge dieser brutalen Handlung war, daß sämmtlichcn Russinnen der Hof verboten wurde, mit Ausnahme einer einzigen Dame, einer gebornen