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Anzeiger«»»Elbeblatt für Riesa, Strehla und deren Umgegend. Wochenschrift zur Belehrung und Unterhaltung. 15. Freitag, den 21. Februar - 1851. Kerkerbriefe. (Aus einer noch ungedruckten Biographie.) (Schluß.) Waldheim, 2. Oktober 1850. Du hast mich wieder recht erquickt und ich danke Dir herzlich für Deinen Brief; er enthält zwax manches Trübe, aber was mich daran so ,nnig erfreut, ist, daß ich Dich bei allem Leid, selbst unter niederdrückenden Körperschmerzen, so lebensmuthig finde. O, erhalte Dir diesen Muth, der kein Uebermuth ist, aber auch keine Verzagt heit aufkommen läßt; diesen siegenden Blick aufs Leben, dieses hoffende Schauen in die Zukunft, diesen Frieden des innersten Geistes; dann er trägt sich Alles, dann wird Alles überwunden. Und soll es etwa anders sein? ich glaube nicht. Wie schön sagt der Dichter: Die Thräne, welche zur Erde sinkt — Der Erde gehört sie an; Zum heiligen Aether, der Heimath, schwingt Der ewige Geist sich hinan. (Mahlmann.) Schmerz und Geist sind Todfeinde; wo sie immer zusammentreffen, muß einer von beiden un terliegen. Zweierlei ist also nur möglich: entwe der der Geist überwindet und kehrt zu seiner na turgemäßen Freiheit und Ruhe zurück, oder er wird überwunden, d. h. er überläßt dem Schmerz die irdische Hülle und geht ein zur höheren Frei heit jenseits des Grabes. So laß uns leben und sterben! Wie freundlich ist es von Dir gedacht, daß Du den lieben Büchern ihr Verzeichniß voraus schickst; nun habe ich eine lange schöne Vorfreude. Bei dieser Gelegenheit muß ich Dich auf eine meiner Manien aufmerksam machen: nämlich die, daß es mir ordentlich Wollust ist,'ein Verzeichniß neu erschienener Bücher zu lesen. Diese Freude wurde mir in Magdeburg oft zu Thetl, denn hat man auf irgend ein Werk subscribirt, wie ich da mals auf Lessing, Jean Paul u. s. w., so bekommt man mit jedem Bande solchen herrlichen Neuig keitszettel in die Hand. Jetzt nun, da ich keine zu lesen bekomme, schreibe ich welche, und Du darfst nicht erschrecken, wenn ich Dir einmal solche Stammrolle von einigen Ellen Länge zuschicke und darüber schreibe: „Nothwendige Bücher", oder: „Bücher, die ich brauche", oder: „Wün- schenswerthe Bücher". Es ist halt nur eine Phan tasie; was mir darunter wirklich nöthig ist, werde ich unterstreichen. Und so ist es auch, wenn ich mix ein irdisches Paradies erträume, in gewissen Stunden kein anderes, als der Bibliothekarposten in Wolfenbüttel. Vermischtes. Leipzig, 15. Febr. Ueber die Schicksale mehrer sächsischen Flüchtlinge in der Fremde gehen un folgende Notizen zu. Advocat Bertling von hier ist in Neuyork Theilhabcr eines Kaufmannsge- schäft, in welchem er anfangs in untergeordneter Stellung beschäftigt war; Bürgermeister Fincke auS Crimmitzschau lebt in derselben Stadt als deutscher Advocat in ziemlichem Wohlstände; der ehemalige Conrector am Gymnasium zu Zwickau, Eduard Lindemann, hat ebendaselbst eine Schenk- wirthschaft errichtet, die ihn leidlich nähren soll, (Sein Bruder, der bisherige Conrector am Gym nasium zu Plauen, ist vor kurzem zur Verbüßung der sechsjährigen Freiheitsstrafe, die ibm wegen seiner Betheiligung an den Maiereignissen zuer kannt wurde, in die Strafanstalt nach Waldheim abgrführt worden.) Buchhändler Schreck von hier lebt in Straßburg von dem Ertrage des Handel- mit Gutta-Percha; die Bürgermeister Helbig auS Börnä und Linckr aus Werdau befinden sich i« Zürich, wo der Erstere Spielkarten fäbricirt- der Letztere ein Tuchgeschäft errichtet hat.