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Frühgeschichtliche Getreidereste von der Wiprechtsburg in Groitzsch, Kr. Borna Von Klaus-Dieter Jäger Die systematische archäologische Untersuchung früh geschichtlicher Burganlagen und Siedlungsplätze hat während der letzten Jahrzehnte in unterschiedlichen Gebieten Mitteleuropas einen bedeutenden Umfang erreicht. Dabei wurden erhebliche Fortschritte im Kenntnisstand nicht zuletzt auch über Stand und Entwicklung der Landwirtschaft während des Mittel alters erzielt. Ein wesentlicher Teil des Erkenntnis gewinns wird Funden verkohlten Getreides verdankt, die bei Ausgrabungen geborgen und nachfolgend karpologischen Untersuchungen unterzogen worden sind. 1 Sie gestatten relativ weitgehende Einblicke in den Feldbau während des Mittelalters auch für Ge biete und Zeitabschnitte, für die entsprechende zeit genössische schriftliche Zeugnisse nicht zur Verfügung stehen. 2 Als Beispiel soll der Nachweis eines Frucht folgezyklus für das 7. bis 9. Jh. aufgrund von Fun den verkohlten Getreides aus dem slawischen Burg wall von Tornow (Kr. Calau) in der Niederlausitz erwähnt werden. 3 Ebenso bedeutsam ist die Feststel lung, daß mit dem Roggen eine der auch gegenwär tig noch wichtigsten Getreidearten auf den landwirt schaftlichen Nutzflächen in Mitteleuropa in weiten Gebieten, zu denen das gesamte Tiefland zwischen Rhein und Oder gehört, erst während des frühen Mittelalters eingebürgert worden zu sein scheint. 4 1 Vgl. dazu u. a. für die Zeiträume vom 1.—12. Jh. u. Z. die Fundortverzeichnisse bei E. Lange (1971, S. 126—139) so wie ergänzend hierzu die Fundortnachweise bei F. Kühn (1980) und E. Hajnalov (1980) für das einstige Gebiet des Großmährischen Reiches, ferner bei D. Kucan (1979) für das ostfriesische Küstengebiet sowie — unter Einbezie hung von Fundgut aus späteren Jahrhunderten — bei U. Willerding (1978) für frühdeutsche Stadt- und Dorfsied lungen im südlichen Niedersachsen und angrenzenden Ge bieten, denen vergleichbare Funde aus weiteren Teilräu men Mitteleuropas an die Seite gestellt werden können, so z. B. für Magdeburg (H.-J. Stoll und K.-D. Jäger 1967). 2 Zusammenfassende Auswertungen vgl. u. a. bei E. Lange (1971), dazu in Sonderheit für die zeitweilig oder dauernd von Slawen besiedelten Gebiete im östlichen Mitteleuropa besonders bei J. Herrmann und E. Lange (1970), U. Wil lerding (1979) und M. Beranovä (1980), ferner für die frühdeutschen Fundkomplcxe im südlichen Niedersachsen und benachbarten Gebiete bei U. Willerding (1978). 3 Belege bei K.-D. Jäger (1966, S. 173 ff. nebst Beilage 12). 4 Vgl. dazu jetzt besonders die Problemdiskussion bei E. Lange (1971, S. 60—63 und 80—87) sowie die Feststellun ¬ gen bei U. Willerding (1978, S. 142 und 158; 1979, S. 909). Zu beachten sind allerdings auch Karte und Fundort- nachweis für vormittelalterliche Roggenfunde in Mittel europa bei U. Willerding (1970, S. 344—345 mit Abb. 4). Als korrekturbedürftig erwies sich dagegen die früher verbreitete Vorstellung, wonach zumindest in den kürzer- oder längerfristig slawisch besiedelten Gebie ten des mittelalterlichen Zentraleuropa die Hirse die wichtigste Getreideart gewesen sein soll. 5 Besonders für diese infolge einer größeren Anzahl planmäßiger Großgrabungen an auswertbarem Fundgut bereits verhältnismäßig reichen Gebiete im östlichen Mittel europa hat der erzielte Erkenntnisfortschritt inzwi schen mehrfach zusammenfassende Würdigungen und Auswertungen erfahren (vgl. Anm. 2). Die Reprä sentativität der gewonnenen Aussagen wird allerdings vorerst noch erheblich beeinträchtigt durch beträcht liche regionale Unterschiede in der verfügbaren Funddichte, die wesentliche Lücken in der räum lichen Verteilung der Fundorte auch in altbesiedelten Landschaften einschließt, sowie durch die hiermit verbundenen Schwierigkeiten, die Verallgemeine rungsfähigkeit der bisherigen Beobachtungen kritisch einzuschätzen. Zu den Gebieten Mitteleuropas, in denen der früh geschichtlichen Archäologie im Verlaufe der letzten Jahrzehnte intensive Bemühungen gewidmet worden sind, gehören die sächsischen Bezirke. 6 Dennoch ist deren Territorium an den bisher veröffentlichten Fundortnachweisen für frühgeschichtliche Getreide funde von der frühslawischen Zeit bis zum Hohen Mittelalter in Mitteleuropa offenbar nicht beteiligt. Um so mehr Aufmerksamkeit verdienen Neufunde gerade aus diesem Gebiet selbst dann, wenn deren Aussagevermögen vorerst begrenzt bleibt. Solche Funde liegen im Ergebnis mehrjähriger Ausgrabungen durch das Landesmuseum für Vorge schichte zu Dresden von der Wiprechtsburg bei Groitzsch (Kr. Borna) vor, über deren archäologische 5 So W. v. Stokar (1951, S. 49) und B. Krzemienska (1962). Vgl. dazu einerseits kritisch zusammenfassend E. Lange (1971, S. 63—64), andererseits aber aufgrund polnischer Funde für den Zeitraum bis zum 10. Jh. W. Hensel (1974, S. 188). Besondere Beachtung verdient in diesem Zusam menhang der Hinweis von P. Donat und E. Lange (1983), wonach verschiedene Umstände eine Überrepräsentation der Rispenhirse (Panicum miliaceum L.) beim carpologi- schen Nachweis von Getreidearten im archäologisch ge wonnenen Fundmaterial begünstigen. Maßgeblich sind da für die besonders große Erhaltungsfähigkeit und leichte Erkennbarkeit der Ährchen. 6 Für eine zusammenfassende Übersicht vgl. z. B. W. Cob- lenz (1973).