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157 Zur chronologischen und kulturellen Gliederung der Keramik im Arbeitsgebiet 1. Stand der Forschung im Arbeitsgebiet 1.1. Zur Aussagefähigkeit der archäologischen Quellen im Arbeitsgebiet Die Hauptmasse des Fundstoffes stellen im 6./7. bis 12./13. Jh. auch in Sachsen die keramischen Reste. Dabei erbrachten zwar die Forschungsgrabungen die überwiegende Mehrzahl der Funde, aber die hohe Anzahl der Fundplätze kommt zustande durch zufäl lige Aufschlüsse und deren Meldung oder planmä ßige Kontrollen aller Arten von Erdaufschlüssen durch die ehrenamtlich tätigen Bodendenkmalpfleger. Diese Tätigkeit beeinflußt natürlich auch direkt das Kartenbild, wie es durch Forschungsgrabungen über haupt nicht möglich ist, aber die unabdingbare Vor aussetzung für siedlungsarchäologische Forschungen schafft. So werden die wichtigsten Funde des Leip ziger Raumes R. Moschkau, Leipzig, verdankt, und für das Parthegebiet um Taucha, Kr. Leipzig, hat R. Dunkel, Taucha, durch systematische Flurbe gehungen in den letzten 20 Jahren die Zahl der Fundplätze mehr als verzehnfachen können. Ein klassisches Beispiel, wie durch systematische Flurbegehungen unter Einbeziehung von Schülern ein Maximum an Erkenntnissen zu gewinnen ist, lieferte der Rochlitzer Gymnasiallehrer Clemenz Pfau (1900) mit seinen vor über 80 Jahren durchge führten Feldforschungen, die allein für die früh geschichtliche Periode im Kreis Rochlitz über 160 Fundstellen ergaben. Wie stark auch der subjektive Faktor, die Interes sen einzelner Bodendenkmalpfleger, eine Rolle spie len können, mag das Beispiel des Wurzener Boden denkmalpflegers R. Birke, Wurzen, zeigen. Jahr zehntelang sammelte die Familie Birke in ihrem Be reich vornehmlich jungpaläolithisch/mesolithische Fundstellen im Muldegebiet ab, meldete aber auch gelegentlich Funde anderer Zeiten. Nach einer Aus sprache und der dabei vorgetragenen Bitte, speziell auch auf slawisch-frühdeutsche Funde zu achten, stieg die Zahl der Fundstellen dieser Zeit innerhalb von vier Jahren auf das Doppelte. Untersuchungen von Bodendenkmalpflegern in Gebieten, die hauptsäch- lieh erst im Mittelalter für die Besiedlung erschlossen wurden, schufen Klarheit über Siedelvorgänge des 12. bis 14. Jh. und schlossen damit gleichzeitig Lük- ken im Kartenbild (G. Eismann und J. Richter 1971). Die Beispiele mögen genügen, um zu demonstrie ren, wie sehr nicht nur den Fundumständen Beach tung zu schenken ist, sondern auch der Entwicklungs stand der Bodendenkmalpflege als ein den allgemei nen Forschungsstand beeinflussender Faktor berück sichtigt werden muß (z. B. Zahl, Interessen, Qualifi zierungsgrad etc. der ehrenamtlichen Bodendenkmal- pfleger). Wenn es sich bei vielen Funden auch um Ober flächenfunde handelt, deren Aussagewert für eine Interpretation der Fundstelle unzureichend ist, stellen sie dennoch wichtige Belege für den allgemeinen Be siedlungsablauf dar, sind für entsprechende Karten auswertbar und stellen Forschungsgrabungen bei de ren Auswertung gewöhnlich erst in die richtigen Be ziehungen zum Gesamtfundbestand. Das eingangs umschriebene Arbeitsgebiet kann all gemein als gut erforscht charakterisiert werden. Be dingt durch die aktive Geländetätigkeit der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter war es möglich, Ma terial von über 1000 Fundstellen in den Bezirken Leipzig und Karl-Marx-Stadt zu erfassen. 83 Der allgemeine Forschungsstand für Sachsen wurde von W. Coblenz (1960) vorgelegt und konnte für das Elster-Pleiße-Gebiet unter Berücksichtigung der ehe mals ostthüringischen Kreise um Altenburg und der neueren Forschungen detailliert werden (H.-J. Vogt 1968 c; 1968 d). Zu dem dort skizzierten Stand sind nur einige Grabungen hinzugekommen, die sich vor nehmlich auf das Bornaer Braunkohlengebiet er streckten (W. Baumann und R. Kratzsch 1972; H.-J. Vogt 1970 b), aber auch planmäßige Untersuchungen im Wermsdorfer Forstrevier, Kr. Oschatz (K. Helbig und W. Baumann 1968; G. Billig und K. Helbig 1969) umfassen. Eine prinzipiell neue Sicht des bis her Bekannten veranlassen aber die Neufunde nicht. 83 Diese über 1000 Fundstellen (Stand um 1970) stehen im augenscheinlichen Gegensatz zu den etwa 140 Fundstel len des gleichen Gebietes, die W. Coblenz (1960) zur Grundlage seiner Karte nahm. Hierbei ist zu berücksich tigen, daß von ihm nur die Funde Sachsens in den Gren zen vor der Verwaltungsreform 1952 erfaßt wurden. Die ostthüringischen Kreise Altenburg und Schmölln sowie die Kreise Delitzsch, Eilenburg und Torgau wurden von ihm nicht mitbehandelt, wie er auch den Zustand der sächsischen Museen in den Jahren seiner Materialauf nahme zu berücksichtigen hatte. Schließlich konnten von mir auch die zahlreichen Materialien des 12. Jh. mit er faßt werden, deren slawische Provenienz nicht ersichtlich ist.