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Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag). Abonnementspreis beträgt vierteljährlich t Mark 20 Pf. prienuwvranäo. Anzeiger Inserate werden bis spätestens Mittags des vorhergehenden Tages des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit 10 Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Zwönitz und Umgegend. Organ für den Stabtgemeinderath, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Redacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. 1A7. Dienstag, den 14. December L88V. 5. Jahrg. Tagesgeschichte. Deutschland. Es kann als bestimmt angesehen werden, daß Fürst Bismarck weder vor Weihnachten hier eintreffen, noch über haupt an den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses theilnehmen wird. Seine Ankunft in Berlin erfolgt erst im Januar oder Anfang Februar, weun die sogenannten Ministerberathungen iin Bundesrathe über die von Preußen zu beantragenden, vom Volkswirthschaftsrathe vorberathenen socialpolitischen Gesetzentwürfe stattfinden werden. Die Einberufung des Volköwirthschaftsrathes ist noch im Laufe dieses Monats zu erwarten. — Der Unterrichtscommission des Abgeordneten hauses ist von Seiten der Regierung eine Bearbeitung derGesctzes- novelle betr. Abänderung, Ergänzung u. s. w. des Wittwen- und Waisen-Pensionsgesetzes zugegangen, in welcher die Vereinigung fämmtlicher Kassen zu einer allgemeinen Elementarlehrer-Wittwen- und Waisenkasse, Fixirung des Minimalpensionssatzes auf 250 Vik., Höhe der Lehrerbeitrüge auf 16 Mk. und der Gemeinden auf 15 Mk. vor geschlagen wird, während der Staat das dann noch Fehlende zuzu- schießen sich verpflichten will. — In Buudesrathskreisen will man wissen, die Reichsregieruug werde in der Frage wegen Erhöhung der Tabaksteuer die Initiative nicht ergreifen, sondern eine Anregung seitens des Reichstages abwarten. — Sicherem Vernehmen nach soll es die Absicht der Reichsregierung sein, die Mehrausgaben, die infolge der Novelle zum Militärgesetz für den nächstjährige» Militäretat ent stehen, durch eine Anleihe zu decken. Oesterreich-Ungar». Die Besinnung kehrt den Pestern wieder. Die Generalversammlung der hauptstädtischen Repräsentanz hat beschlossen, Günther die Concession zu deutschen Vorstellungen in dem Theater in der Wollgasse auf 5 Jahre zu ertheilen. Das auf den Galerien anwesende Publikum mußte wegen Lärmens auf An ordnung des Oberbürgermeisters die Galerien räumen. Acht der Ruhestörer wurden nach dem Schluß der Sitzung zur Haft gebracht. — In der Nacht zum Freitag hat schon wieder ein nicht unbe deutender kurzer Erdstoß in Agram stattgefuudeu. Frankreich. Baudry d'Asson forderte den Präsidenten Gam betta aus, den Deputirteu den Brief mitzutheilen, in welchem er wegen seiner ungesetzlichen Entfernung aus der Kammer die gericht liche Verfolgung gegen Gambetta beantragt habe. Gambetta erklärt, der Brief sei ein außerparlamentarischer. Der Zwischenfall fand damit seine Erledigung. Die Kammer setzte hieraus die Berathung des Einnahmebudgets fort. In dem von Brisson eüigebrachten Artikel 3 wird beantragt, daß die Güter der Congregationen den ordent lichen fiskalischen Vorschriften unterworfen werden. Freppel verlangt die Vertagung der Berathung dieses Artikels, weil derselbe einen Theil der Civil-, Handels- und Strafgesetzgebung abzuändern bezwecke. Die Vertagung wurde mit 353 gegen 157 Stimmen abgelelmt. Der Präsident der Budgetcommission, Brisson, schilderte das Verhalten der Congregationen und führte aus, daß dieselben ihr Vermögen ver heimlichten, um dasselbe der Besteuerung zu entziehen. Der Werth der Güter der Congregationen wurde vou Brissou auf 590 Mill, an geschlagen. Schließlich wurde der Artikel 3 mit 356 gegen 113 Stimmen angenommen. — Frankreich geht wieder einer Krisis ent gegen. Die clericale Liga hat Aussicht, daß der Senat das Gesetz über die Reform des Richterstandes verwirft, um sie zu bringen. Wiederum führt Jules Simon die Schaaren, welche für Altar und Thron kämpfen. Italien. In der Kammer der italienischen Deputirteu erklärte der Minister des Auswärtigen auf mehrere Anfragen, daß die italie nische Regierung von der französischen das dringende Versprechen erhalten habe, daß die Ordensgeistlichen in Hautecombe (Savoyen) nicht ausgewiesen werden würden. — Die Pforte hat in formeller Weise Genugthuung für den Vorfall in Mytilene zugesagt. — Zum Schutz der italienischen Staatsangehörigen in Peru hat die Negier ung im Einvernehmen mit den übrigen Mächten die erforderlichen Maßregeln ergriffen. — Jnbetreff der Ausdehnung der österreichischen Zolltarife aus Bosnien erklärte der Minister, daß er weitere Infor mationen darüber einholen werde. England. Eine aufregende Scene spielte sich kürzlich in Vrookeborough, einem Flecken der Grafschaft Fermanagh, ab. Am Sonntag sollte daselbst ein Meeting der Landliga abgehalten werden, und es hieß, daß Mr. Parnell zugegen sein würde. Da viele Orga nisten des Orts sich entschlossen zeigten, eine feindselige Kundgebung in Scene zu setzen, und deshalb ernstliche Ruhestörungen befürchtet wurden, untersagte die Ortsbehörde das Abhalten des Meeting. Nichtsdestoweniger versammelten sich über 5000 Personen, entschlossen, das Meeting abzuhalten. Da die Volksmenge, trotzdem der Bürger meister die Aufruhracte verlesen ließ, nicht auseinanderging, schritt die bewaffnete Macht ein, und 100 Polizeiconstablern, sowie einer Abtheilung Dragonern gelang es, ohne große Mühe die Straßen zu säubern. Es wurden drei Verhaftungen vorgenommen. — Gladstone hat ein Rundschreiben an die Anhänger der Regierung erlassen, in welchem er dieselben auffordert, sich am 6. k. M. auf ihren Plätzen im Parlamente einzufmden, da dem Parlamente sofort nach seinen! Zusammentritt Angelegenheiten von großer Wichtigkeit zur Berathung unterbreitet werden würden. — Die irischen Agitatoren versuchen an mehreren Orten, die Truppen zur Untreue zu verleiten. Bekanntlich besteht nahezu ein Drittel der Truppen aus Irländern. Eine Dub liner Firma verkauft täglich 40—50 Revolver an Iren. Dänemark. Der sich in Dänemark vollziehende Umschwung der öffentlichen Meinung Deutschland gegenüber geschah auch zur Zeit, wo die Befestigungsfrage Kopenhagens auf der Tagesordnung stand. Es trat damals deutlich zu Tage, daß die Befestigung der Hauptstadt nicht aus Furcht vor einem Kriege mit Deutschland, son dern vor einem Conflicte mit anderen Staaten, die es auf Seeland absehen würden, befürwortet wurde und man hierbei ausdrücklich auf die Unterstützung Deutschlands rechnete. Von diesem deutschfreund lichen Standpunkte aus muß auch die Thatsache erklärt werden, daß der Herzog von Cumberland sich seit seiner Hochzeit mit der Prin zessin Thyra, aus welchem Anlässe die Welfen ihm, so ungeschickte Ovationen dargebracht hatten, der dänischen Hauptstadt fern gehalten hat, während die Prinzessin, seine Gemahlin, mehrfach bei ihren Königlichen Eltern zum Besuche gewesen ist. Die Welfen sind über haupt Meister in der Kunst, ihren dynastischen Chefs Verlegenheiten zu bereiten. Rußland. Am 8. December ist der Czar nach Petersburg zurückgekehrt. Loris Melikoff hat ihn begleitet; auch Kriegsminister Miljutin befand sich im Gefolge. Niemand wußte Tag und Stunde der Abfahrt von Livadia oder der Ankunft in Petersburg, eine sehr erklärliche Vorsichtsmaßregel, so daß man in Petersburg recht über rascht war, den Herrscher so plötzlich wieder im Winterpalast zu wissen. — Bei der Ankunft des Kaisers Alexander aus Livadia er eignete sich in Petersburg ein merkwürdiges Schauspiel. Der Kaiser fuhr mit dem Thronfolger von dem Bahnhofe direct zur Kasanschen Kathedrale. Beide betraten die Kirche und schritten bis zum Altar, wo sie vor dem bekannten Heiligenbilde der Kasanschen Mutter Gottes beteten. Dann wendeten sie sich gegen das Publikum, küßten einander und verbeugten sich vor der Menge. Diese öffentliche Ver- söhnungsscene machte auf die Anwesenden einen tiefen Eindruck. Sie hatte offenbar den Zweck, die Gerüchte über noch immer bestehende Zerwürfnisse zwischen Vater und Sohn zu zerstreuen. Bulgarien. Das Ministerium Zankoff hat sich ganz im Stillen gehäutet. Karaveloff ist zum Konseil - Präsidenten, Finanz minister und interiministischen Minister der Justiz, Zankoff nun Mi nister des Innern, Ehnroth zum Kriegsminister, Slaveikoff zum