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Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag). Abonnementspreis beträgt vierteljährlich l Mark 20 Ps. priennmoranäo. Anzeiger Inserate werden bis spätestens Mittags des vorhergehenden Tages des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit >o Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Zwönitz und Umgegend. Organ für den Stadtgemeinderath, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Redacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. Litt. Donnerstag, den 16. September 1880. 5. Jahrg. Tagesgeschichte. Deutschland. Die vielfachen Auszeichnungen, mit welchen der österreichische Thronerbe bei seiner jetzigen Anwesenheit am hie sigen Hose empfangen worden, werden überall als beredtes Zeichen für die intimen Beziehungen zwischen Deutschland und Oesterreich aufgefaßt. Bei der Ankunft des Kronprinzen Rudolf war der Kaiser am Perron des Bahnhofes mit sämmtlichen Prinzen anwesend, was sonst nur beim Empfange von Souveränen der Fall zu sein pflegt. Der Kronprinz selber hat, wie aus Hofkreisen verlautet, über die ihm widerfahrenen Auszeichnungen unverhohlen seine besondere Dankbar keit geäußert. Durch sein leutseliges und liebenswürdiges Wesen hat der Prinz hier überall schnell Freunde gefunden. — Die Frage der Verlängerung der Legislaturperiode des Reichstags auf 4, resp. 5 Jahre soll in der Negierung nahestehenden Kreisen ventilirt werden. Man glaubt, nachdem die Absicht auf Einführung einer zweijährigen Vudgetperiode fallen gelassen, im Reichstag für eine Verlängerung der Legislaturperioden eine Majorität erlangen zu können. — Es liegt die Absicht vor, die Steuerreform in der bevorstehenden Session des Reichs- und Landtages zum Austrag zu bringen und zwar nach den Kardorffschen Vorschlägen. Danach würde für Preußen die Ueberweisung der halben Grund- und Gebäudesteuer, die Beseitigung der untersten beiden Stufen der Klassensteuer und die Ermäßigung der übrigen Klassensteuer, sowie die untersten Stufen der Einkommen steuer und die Beschaffung der Mittel durch Bier-, Branntwein-, Börsen-, Wehr-, vielleicht auch Zuckersteuer in Aussicht stehen. — In Deutschland wird als Eigcnthümer eines gewöhnlichen eingeschriebenen oder mit Werthangabe versehenen Briefes während der Beförderung desselben der Absender angesehen. Es können des halb nach unserer Postordnung die zur Post eingelieferten Sendungen von dem Absender vor der Zustellung an den Adressaten zurückge- uommcn werden. Die Zurücknahme kann erfolgen am Orte der Auf gabe oder am Bestimmungsorte, ausnahmsweise auch an einem Unter wegsorte, insofern dadurch keine Störung des Dienstes herbeigeführt wird. Die Zurückgabe geschieht au Denjenigen, welcher den Ein lieferungsschein, wenn aber ein solcher nicht ertheilt ist, eine von derselben Hand, von welcher die Originaladresse der Sendung ge schrieben ist, gefertigte Abschrift der Adresse abgiebt. Ist die Send ung bereits abgegangen, so hat Derjenige, welcher dieselbe zurück fordert, den Gegenstand bei der Postanstält des Abgangsortes schrift lich so genau zu bezeichnen, daß derselbe unzweifelhaft als der ver langte zu erkennen ist. Die Zurückforderung kann auch auf telegra phischem Wege geschehen. Aehnliche Bestimmungen gelten auch in Oesterreich-Ungarn, Frankreich, Holland, Belgien, Italien, Schweden und Norwegen, Portugal, in der Schweiz u. s. w. Dagegen werden in anderen Ländern die Sendungen, sobald sie der Post zur Beför derung übergeben worden, als Eigenthum des Adressaten angesehen und behandelt. Da diese Verschiedenheit innerhalb des Gebietes des Weltpostvereins vielfach zu Unzuträglichkeiten geführt hat, so soll, wie die „B. Bs. Ztg." erführt, unter den Ländern des Weltpost vereins auf dem nächsten im Jahre 1883 stattfindenden Postcongreß eine einheitliche Regelung der Sache herbeigeführt werden. Oesterreich. Der Empfang des Kaisers in der galizischen Laudesbauptstadt hat den feierlichen und würdevollen Charakter, wel cher den Einzug des Monarchen in Krakan zu einem so imporniren- den Feste gestaltet hatte, beibehalten. Von den Ansprachen an den Monarchen sind zwei in ihrem Wortlaute bekannt, jene des Bürger meisters vr. Gnoinski und des Landmarschalls Grafen Wodzicki. Beide waren von einer Herzlichkeit und Innigkeit durchweht, wie sie wohl in Ansprachen an einen Herrscher zu den Seltenheiten gehören. Sie betonten beioe die tiefgefühlte Dankbarkeit Galiziens für den Souverän, besten Herrschaft den Anbruch einer neuen Aera in der freien Entfaltung dieses Landes bedeutet. Graf Wodzicki erinnerte an das Losungswort des galizischen Landtages: „Zu Euer Majestät stehen wir und werden wir immerdar stehen" und versicherte, der Monarch habe die Herzen und den Opfermuth der Bevölkerung er obert. Der Bürgermeister Gnoinski drückte in ähnlichen Worten den Dank des Landes aus. Der Kaiser habe seine Herrschaft durch Thaten in der Geschichte Galiziens eingezeichnet, welche die kommen den Geschlechter, von Erkenntlichkeit erfüllt, einander überliefern wer den. Der Kaiser dankte in nicht minder warmen Worten für die Beweise der Liebe. „In gedeihlicher Fürsorge für das Wohl des Ganzen und in weiser Förderung der wahren Interessen des Landes liege die Bürgschaft der guten Zukunft." Keine der in Lemberg ge haltenen Ansprachen streifte irgend eine spezielle politische Frage und nahm auch keine eine spezielle Parteifärbung an. Frankreich. Wenn man die Journale liest, sollte man glau ben, es sei um das Kabinet Freycinet bereits geschehen und eine ministerielle Krisis inmitten der parlamentarischen Ferien sei im An zuge. In der That hat beinahe die gesammte Presse dem Ministerium und speziell Herrn v. Freycinet den Krieg erklärt und von bedeuten den Journalen sind nur noch der „Temps" und das „Journal des Debats" Vertheidiger des Kabinels geblieben. Es ist das genau derselbe Zustand, wie im vorigen Jahre, als der allgemeine Preßfeld zug gegen Herrn Waddington begann, der dann bald nach dem Zu sammentritt der Kammern mit dem Sturze dieses Ministers endete. Freilich liegt heute die Sache wesentlich anders. Die Radikalen be trieben den Sturz des Konseil-Präsidenten Waddington, weil derselbe ihre Forderung der allgemeinen Amnestie nicht bewilligen wollte, wenn sie in diesem Augenblick das Kabinet Freycinet stürzen, d. h. eine Ministerkrisis herbeiführen wollen, so bezwecken sie damit hauptsäch lich, Herrn Gambetta zu treffen und denselben zu zwingen, aus seiner unverantwortlichen Machtstellung hcrauszutreten und selbst die ver antwortliche Leitung der Geschäfte zu übernehmen. — Es haben sich nunmehr alle Congregationen der Declaration an die Regierung an- geschlossen. Spanien. In Madrid herrscht große Freude, aber vielleicht noch größere Enttäuschung. Die Königin Christine ist von einer Tochter entbunden worden. Mit einer Zuversicht, welche das Er gebniß nicht gerechtfertigt hat, wurde am spanischen Hofe auf die Geburt eines männlichen Thronerben gerechnet. Allein wie vor wenigen Tagen die Königin Emma der Niederlande statt des er hofften Prinzen einer Prinzessin das Leben gab, so ist es jetzt auch in Spanien geschehen, doch ist durch die Ankunft einer Prinzessin auf jeden Fall die Thronfolge gesichert — wenn in Spanien überhaupt von einer gesicherten Thronfolge die Rede sein kann. König Alfons hat die alten Traditionen des spanischen Hofes bei diesem Ereigniß aus das genaueste beobachtet und mit peinlicher Gewissenshaftigkeit die Vorschriften altkastilischer Etiquette erfüllt; damit hat er den An schauungen des spanischen Volkes gebührend Rechnung getragen. Nicht ohne Lächeln konnte man von den Vorbereitungen, welche für die Ankunft des Kindes getroffen wurden, lesen; sie riefen die Er innerung an die schlimmsten Zeiten des mittelalterlichen Aberglaubens wach, aber derselbe wurzelt nun einmal im spanischen Volke. Nichts hat das Ansehen Don Amadeo's so sehr geschädigt und seinen Sturz beschleunigt, als die Nichtachtung der Etiquette und die Vernachlässigung des alten Ceremoniells bei der Geburt seines jüngsten Sohnes. Prinz Ludwig wurde am 31. Januar 1873 geboren und am 11. Februar sah sich König Amadeo genötlngt, die Krone niederzulegen. Sollte das spanische Volk einmal mit Don Alfonso unzufrieden werden, so wird es jedenfalls nicht aus Ursachen verletzter Hosetiquette und Mißachtung althergebrachten Aberglaubens geschehen. Türkei. Simla, 12. Sept. In Herat ist ein Aufstand aus- gebrochen, der Gouverneuer wurde ermordet.