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Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag). Abonnementspreis beträgt vierteljährlich 1 Mark 20 Pf. prsenaworanäo. Anzeiger für Inserate werden bis spätestens Mittags des vorhergehende» Tages des Erscheinens erbeten und die CorpuSspaltenzeile mit lv Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Zwönitz und Umgegend. Organ für den Stadtgemeinderath, den Kirchen-- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Redacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. 61. Dienstag, den Tagesgeschichte. Deutschland. Der Vuudesrath wird sich demnächst über den Modus der Volkszählung, welche am 1. December er. im ganzen deutschen Reiche stattfinden soll, zu entscheiden haben. Die Conserenz der statistischen Centralstellen der Einzelstaaten, welche im Herbst vergangenen Jahres zu Berlin stattfand, wollte die Zählung u. A. auch auf ein elandwirthschaftliche Bodenstatistik und eine Viehzählung ausgedehnt wissen, dieser Vorschlag wird nun auch dem Bundesrath beschäftigen. — Für Oberschlesien soll eine Hausindustrie organisirt werden. Zur Bildung eines Betriebsfonds sollen alle Hilfskomitees, die für die Nothleidenden in Oberschlesien gesammelt haben, ihre Restbestände an den Leiter dieses Unternehmens, den Herzog von Natibor, abgeben. Das Grundkapital zur Herstellung dieser Haus industrie soll 70,000 Mk. betragen. — In Bezug auf die Bildung der 11 neuen Jnfanterieregimenter, die am 1. April ins Leben treten sollen, erfährt man, daß schon bei der nächsten Necrutcneiustellung im Herbst dieses Jahres bei jedem der 100 Jnfanterieregimenter der Linie 48 Necruten (auf jede Com pagnie also 4) mehr eingestellt werden sollen, um den erforderlichen Mannschaftsbestand des betreffenden Regiments herzustellen. Die meisten der neuen Regimenter sollen nach dein Rhein und dem Elsaß gelegt werden; so werden die beiden neu zu formirenden sächsischen Regimenter ihre Garnisonen im Ober-Elsaß erhalten, desgleichen das neue bayerische Infanterieregiment; von den 8 preußischen Regimen tern wird eins nach Köln und eins nach Koblenz kommen, von wo das 4. Garde-Grenadierregiment nach Berlin wird verlegt werden. Zwei Regimenter werden ihre Garnisonen in Baden erhalten, wo von dem 14. Armeecorps nur sechs Jnfanterieregimenter stehen, während zwei derselben sich in Elsaß-Lothringen befinden. Die übrigen vier Regimenter sollen im Bereich des 1. und 5. Armeecorps (Preußen und Posen) untergebracht werden. Oesterreich. Der hochofficiöse „Bereg" meldet, der Kaiser Franz Joseph sei von der Liebenswürdigkeit und Zuvorkommenheit, mit welcher seine Deputation neulich in Petersburg empfangen wurde, förmlich entzückt. Nicht minder seien es auch diejenigen, welche stets für ein russisch-österreichisches Einvernehmen eingelreten sind, insbe sondere der Erzherzog Albrecht. Es werde nun bestimmt versichert, der Kaiser Franz Joseph und der Kaiser Alexander II. würden noch in diesem Sommer in Galizien, wohin sich ersterer zu den Manövern begiebt, zusammeukommen. Diese Meldung des „Bereg" erweist sich als ein Fühler, denn in den unterrichtetsten Kreisen Wiens ist von einer solchen Begegnung nichts bekannt. — Der von der serbischen Regierung in Wien ausgesprochene Wunsch, es mögen die Unter handlungen wegen Vereinbarung eines Handelsvertrages so rasch als möglich aufgenommen werden, ist von dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Baron Haymerle, in der zufriedenstellendsten Weise beantwortet worden, so daß das unverweilte Eintreffen der serbischen Unterhändler in Wien und der Beginn der Unterhandlungen im Juni in sichere Aussicht steht. — Eine schauerliche Geschichte hat in Wien gespielt. Vor mehreren Monaten starb daselbst ein mehrfacher Millionär, Namens Ott, ohne directe Verwandte zu hinterlassen. Als Erbberechtigte meldeten sich allmählig eine Anzahl Personen und es begann eine förmliche Jagd nach den herrenlosen Millionen. Ein Testament und sonstige Aufschluß gebende Papiere waren auch nicht vorhanden. Auf einmal tauchte das Gerücht auf, der Millionär habe das Testament in dem Nocke stecken, in welchem er beerdigt worden ist. Das Gericht ordnete die Ausgrabung der Leiche Ott's an und dieser grauenvolle Akt fand denn auch in Gegenwart mehrerer Gerichtspersonen und Aerzte und der angeblichen Erbberechtigten statt. Nach IVMndiger Arbeit legten die Todtengräber den Sarg blos. Der eingelöthete Metallsarg, in welchem die Leiche ruhte, war in einem zweiten ein 25. Mai L88Ü. 5. Jahrg. geschlossen. Schon als der letztere geöffnet wurde, konnte man be obachten, daß die Leiche nahezu vollkommen verwest sei. An den Kanten des Metallsarges zeigten sich Sprünge, welche wohl den Zutritt der Luft und Feuchtigkeit begünstigten und hierdurch den Verwesungsproceß förderten. Den Löchern entströmten giftige Gase, die vorerst durch Anwendung von Karbolsäure unschädlich gemacht werden. Dann beginnt der Handwerker mit dem Lötheisen seine Arbeit. Bleiche, ängstliche Gesichter schauen ihm dabei über die Achsel. Ein Theil der Anwesenden tritt zurück, um nicht dem ersten Aushauch der Verwesungsdünste ausgesetzt zu sein. Es knarrt und kracht — der Deckel fällt zur Seite und es springt ein Mann hinzu der den offenen Sarg mit Karbolsäure übergießt. Nun wagen es die im ersten Schaudern abgewandten Blicke, den Inhalt des Sarges zu streifen. In sich zusammengesunken liegt die Leiche da, nur halb verwest, noch angethan mit dem schwarzen Gewände, das man ihr ins Grab mitgegeben. Das in der Feuchtigkeit steif ge wordene Gewand ist platt gepreßt an dem ausgezehrten Körper. Der Kopf ruht auf der linken Wange. Es ist ein Todtenkopf mit kahlem Schädel, im Genicke noch einige weiße Haare. Die gekreuzten Hände, die nach auswärts gebogenen Füße, sind noch fleischig, aber man erlasse uns, zu beschreiben, wie das aussieht: gräßlich, ekelhaft, allein ohne jegliche Spur des Vorhandenseins von Würmern. In das starre Entsetzen über diesen Anblick hinein schlägt wohlthütig eine menschliche Stimme an unser Ohr. Es ist der Notar, welcher die Interessenten auffordert, die begehrte Untersuchung der Taschen des Verstorbenen nach dem Testamente nunmehr vornehmen zu lassen. Was nun folgte, war der Gipfelpunkt des Grauenhaften. Ein Sanitätsdiener brachte den Leichnam in sitzende Stellung, indem er ihn an der schwarzen Kravatte in die Höhe zerrte. Der Kopf der Leiche sank vornüber und auf ihrem knöchernen Rücken wurde ein feuchtes braunes Hemde sichtbar, das sich straff um das Skelet schlug. Der schwarze Nock war rückwärts geborsten und schlotterte in zwei Theilen um den Leichnam. Sanitätsdiener erhoben die dünnen Arme der Leiche und zogen den Rock herab, worauf dieselbe, mit dem Kopfe wackelnd, wieder in ihre Lage zurttcksiel. Die furcht« losen Diener griffen in alle Taschen des abscheulichen Kleidungs stückes, auch in die kleine, welche an der Taille rechts angebracht zu sein pflegt. „Hier greif' ich ein Papier!" rief einer der Diener plötzlich. Mit athemloser Spannung warteten die Zuschauer auf das Erscheinen dieses Papieres, welches ohne Zweifel das gesuchte Testament war. Welch' anderes Papier sollte der Todte bei sich tragen? Wird es nur auch noch leserlich sein? das Papier kam zum Vorschein. Wäre nicht die Leiche dagelegen und die Stimmung eine so furchtbar ernste gewesen, man hätte sich eines Lächelns nicht erwehren können. Das Papier war eine Tramway-Karte. Der Millionär trug eine Pferdebahn-Karte (Nr. 22,871) bei sich, eine Tramway-Karte anstatt des gesuchten Testaments. Dazu also hatten sie ihn aus dem Todtenreiche heraufbefördern lassen. In ähnlicher Weise wurden das Gilet und die Beinkleider der Leiche durchsucht und schließlich auch die Leibwäsche und der Sarg selbst einer sorg samen Nachforschung unterzogen. Jedoch alles umsonst. Der Notar Di-. Seidl forderte nun die Anwesenden noch einmal auf, eventuell Anträge zu stellen, und als sich Niemand zum Wort meldete, wurde der Sarg im Beisein der Kommission geschloffen und wieder in das Grab gelegt. Frankreich. An Stelle Lepere's ist Constans zum Minister des Innern ernannt worden. Er charakterisirt sich selbst, indem er in seiner Wahlrede sagt: „Ich werve stets mit Gambetta sein!" Als besonderes Kennzeichen gelten dabei noch seine durchaus antireligiösen Gesinnungen. — In der „Lanterne" warnt Rochefort die Communards vor gewaltsamen Demonstrationen; man muß gerecht sein und sagen, daß der Laternenmann von jeher eine unüberwindliche Abneigung