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pulMitzerMchenblatt Dienstag, 29. Oktober 1912. Beilage zu Nr. 128. 64. Jahrgang. ^agEsgsfevtMts Deutsches Reich. Berlin, 27 Oktober. (Giuli anos Besuch in Berlin und in Wien.) Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt in ihrer heutigen Num mer an leitender Stelle; Den Besuch, den der öfter- rerchisch-ungarische Minister des Aeußeren Graf Bercht- old bei unserem italienischen Verbündeten abgestattet hat, trug, wie aus Wien, Florenz und Rom vorlie gende Kundgebungen erkennen lasten, ein Gepräge be sonderer Herzlichkeit und ist in voller Harmonie ver laufen. Ein Seitenstück sollen die Besprechungen von Pisa und San Rostore durch den für Anfang nächsten Monats in Aussicht stehenden Besuch des auSgezetch- netsn Leiters der italienischen AuSlandrpolitik Mar- quiS di San Giuliano bei uns in Oesterreich-Ungarn erhalten. Diese wiederholten Begegnungen zwischen Staatsmännern des Dreibundes gelten keiner Sonder politik in der ernsten Frage, mit der zur Zeit die euro- päis He Diplomatie befaßt ist. Sie stellen sich vielmehr in den Dienst derjenigen gemeinsamen Bestimmungen, die von den Großmächten zur Einschränkung des Kriegs brandes auf dem Balkan fortgesetzt verfolgt werden. Die Mächte streben dahin, einmütig zu handeln, so ¬ bald die Entwickelung der Kriegslage dafür reif sein wird. — (Kein demokratischer Kandidat für Berlin I. Zur ReichStagSwahl in Berlin l hat der Zentralvorstand der demokratischen Vereinigung nun mehr folgenden Beschluß gefaßt: Da sich seit der Haupt- wähl im Januar dieses Jahres in den politischen Ver- hältnisten des Wahlkreises nichts geändert hat, sieht die demokratische Vereinigung von der Aufstellung eines eigenen Kandidaten für die Nachwahlen in Berlin I ab. — (DieLeichederPrinzessin Rupprecht vonBayern) ist vom Sorrent, wo die künftige Köni- gin Bayerns plötzlich verstorben ist, nach München übergeführt worden. Dort findet am Mittwoch in St. CajetanS-Hofkirche die Beisetzung statt. Gesterreich-Nngarn. Wien, 28. Oktober (Zum Balkankrieg.) Der Spezialkorrespondent der Reichs post telegraphiert aus dem bulgarischen Hauptquartier: Die Aktion der Bulgaren gegen die türkische Ostarmee ist trotz ungünstiger Witterung in stetigem Fortschrei- ten. Den Türken ist der Rückzug nach Konstantinopel bereits abgeschnitten, die Bahnlinie Konstantinopel— Lule—Burgas ist bei CerkeSkoy unterbrochen, indem die dortige Eisenbahnbrücke in die Lust gesprengt wurde. MkMeLtürkischenWW Generalftabsofsiftere find natürlich jetzt tüchtig bei der Arbeit. Ihre Auf- gäbe besteht vorläufig noch im wesentlichen darin, die verschiedenen Gelände zu üudieren, und bei diesem Studium sehen wir sie auf unserem Bilde. Den tür- rrschen Offizieren wird große Tüchtigkeit nachge- rühmt. Sehr viele von ihnen hatten deutsche Ge nerale zu Lehrmeistern. Generalfeldmarschall Frei herr van der Goltz hat sich besonders um die Reorga nisierung der türkischen Ar mee großeBerdienste erwor ben und erfreut sich heute noch einer großen Ansehens in der Türkei. Ihm danken viele der Tüchtigsten ihre Ausbildung. Unter ande ren war auch der Ober kommandierende der gegen die Bulgaren kämpfenden Armee ein Schüler des GeneralkeldmorschallS. Türkische Gencralstabsoffiziere beim Studium der Karten. Leöcn heißt Kämpfe«. Roman von H. Courths-Mahler. 18 (Nachdruck verboten.) E« lag etwa« in dem Ausdruck ihrer Auge», wa» Gabi unruhig macht« und ihr Herz ergriff. Wa« r« da« Leid, welche« sie in Eva« Augen ruhen sah. war e« di« Erinnerung daran, wa« ihr Eva bi«h,r gewesen — sie sprang plötzlich auf und umschlang sie mit beiden Armen. »Eva — liebe Eva — verleihe mir, ich war garstig zu dir. 8« nicht bö« — steh — e« kam alle« so schnell — daß du Papa« Braut bist — ich kann e« nicht fassen — aber —" Eva schloß ihr den Mund. „Schweig, kleine Gabi/ sagte sie im alten zärtlichen Tone, und sah ihr tief in di« Augen. »Laß dich durch d«n Gedanken an dein«« Vater und mich nicht schrecken. Dein junge« Glück soll deshalb kein Schatten trüben. Ich ver stehe dich sehr g«t Aber entziehe mir drin« Liebe und dein Vertrauen nicht, glaub mir, d« schenkst e« keiner Unwürdigen. Der Glaube an mich wird dir schon wiederkommen." Gabi «eint« leise. „Ach, Eva — ich bin eine garstige Egoistin, die allein glücklich stin will." Eva lächelte, wie man zu der reuig«» Selbflanklag« eine« Kinde« lächelt, und strich Gabi da» Haar au« der Stirn. „Sei e« nur, Gabi! Nur wer selbst glücklich ist, ver mag andere voll und ganz zu beglücken." Gabi lächelt« schon wi«d«r. „Ach — du denkst an B««nhard. Gut« Eva, du wrißt doch, wie ich ihn lieb«. M«in Leben gebe ich willig hi», wäre e« nötig zu seinem Glücke." Eva umschloß di« zi«rliche Gestalt. Si« drückt« da« blonde Köpfchen fest an sich. Ihr Blick flog darüber hinweg zum Himmel empor. Ein heiße Bitte lag darin: »Laß ihn glücklich werden an ihrer Seite — da« Leid soll nur mir gehören, ich will e« klaglo« auf mich nehmen. At» Bernhard G«otv mittag» mtt Wens,»bürg herüber kam, fand er zunächst nur Gabi vor, die sich ihm mit glück lichem Lachen in di« Atme warf. Eva hatte «« vorgezogen, di«s«r Begrüßung fernjublribr» und kam erst Herrin, al« sie ann«hm«n konnte, daß sie vorüber war. Bernhard stand aber noch neben Gabi und halte seinen Arm um sie gelegt. Trotz aller Selbstbeherrschung zuckte fi« doch merklich zusammen, und jener ließ schnell die Hand fallen, al« ahn« rr, daß der Anblick Eva Schmerz bereiten mußte. Sie begrüßten sich dann, wie sonst- nur ihre Hand lag einen Moment wie leblo« in der seinen, und er gab sie schnell wieder frei. Sie sahen sich nicht an dabei. Eva hätte aufschreien mögen vor namenloser Qual. Auch bei Tffch« vermieden sie, sich antusehen. Nur ein mal trafen die Blicke «ine» flüchtige« Moment ineinander. In den seinen lag heimliche« schmerzliche« Forsche», aber ihr« Aug«» blickten leer und starr, wie au« einer toten Seel« herau«, und di« goldigrn Lichter darin war«« erloschen. Aber gerade da« erschütterte Bernhard bi» in« Tiefst«. Er sah. wa« fi« in der vergangenen Nacht gelitten hatte- Reu«. Schmer, und dumpf« Verzweiflung stritten sich um di« Herrschast in seiner Serl«, während er neben Gabi saß und ihr all« Ausmerlsamkrit«» «wie», dir «ine Braut von ihr«m Verlobte» «warten darf. Wendrnbmg hat!« bereit« die Verlobung«karten von Bernhard und Gabi bestellt. „Wir wollen die unsern erst in einigen Tage» au»« schicken, liebe Eva. Et wäre grschmacklot, wenn wir beide Verlobungen gemeinsam bekannt gäbe«. E» ist dir doch recht, nicht wahr?" sagte er zu ihr. Eva wollte rufen: Ich bi« nicht mit dir verlobt — werd« «» ni« srin — aber fi« sinkt« nur da» Haupt. Er konnte da» für ein« Zustimmung nehme». Zur Fei«r von Bernhard» und Gabi» Verlobung sollte rin Fest in der Villa Anna grgtben werden. Die Ein ladungen hier,» mußte» mit den Verlobunglanzeigen zugleich abgeschickt werden. Für Eva gab e» da reichlich zu tun, und fi« war froh darüb«. Arbeit, viel Arbeit brauchte sie, sie würde ihr am besten helfe«, da» Gleichgewicht ihrer Seel« wi«d«rzufind,». So besprach fi« scheinbar gleichgültig alle» Der türkischen Armee bleibt, um der Umklammerung zu entgehen, kein andere« Mittel, al» die Annahme einer Schlacht. Man nimmt an, daß ein letzter Kampf am Ergene stattfinden werde. Die Stärke der türki schen Streitkräfte auf der Linie Eski Baba—Lule Bur- gar wird auf 4 Armeekorps geschätzt. Z ^Frankreich. Paris, 28. Oktober. (Au« dem französischen Ministerrat.) Ministerpräsident Poincara erstattete im heutigen Ministerrat Bericht über die auswärtige Lage. Die Regierung habe be schlossen, drei Kriegsschiffe, darunter den Panzerkreuzer „GauloiS" nach der Küste von Kleinasien zu schicken, wo sich bereits zwei französische Kriegsschiffe in den Gewässern von Samos befinden. Die drei Schiff« ver laffen heute Toulon und begeben sich nach Beirut. England. 28. Oktober. (Umschwung in der englischen Presse zugunsten derBakan- staaten.) Die Erfolge der Alliierten sangen an, in England die Stimmung zugunsten der Balkanstaaten zu verändern. Die „Times" feiern heute besonder» die Eroberung von UeSküb durch die Serben. Wie der Krieg auch weitergehe, niemals würden die Ser ben mehr die Achtung Europa» für ihre Tapferkeit und ihre Treue gegen ihre alten Traditionen verlieren. Aus dem thrazischen Kriegsschauplätze, meint da» Blatt, werde Nazim Pascha, wenn die Türken nicht ganz von ihrem alten Geiste verlaffen seien, wohl den Bulgaren auf dem Wege nach Konstantinopel entgegentreten, daß er aber noch selbst die Offensive ergreife, sei unwahr- scheinlich. Die türkische Kriegsführung sei von Para- lyse ergriffen. Dis „Daily NewS" weist jeden Gedanken einer europäischen Intervention, welche die christlichen Provinzen nochmals unter türkische Herrschast stellen wolle, von sich. Nur beim vollständigen Ende der tür kischen Verwaltung könne Großbritannien an einer FriedenSvermittlung teilnehmen. Türkei. Konstautinopel, 28. Oktober. (Nachklänge zum Tripoliskrieg.) Unter dem 28. Oktober wird aus Tripolis und Benghast gemeldet, daß die meisten Araberstämme den Friedensschluß günstig auf- nahmen, ebenso die türkischen Truppen und ihre Füh rer. Nur Enver Bei erschien unerbittlich. Er lt«ß 3 als Parlamentäre zu ihm entsandte arabische Scheil« gefangen nehmen, welche ihm den Brief de» italieni schen Kommandanten mit einer Einladung zu einer Begegnung überbrechten, um die FrtedenSbesttmmungen auZzuführen. Am nächsten Tage setzte Enver Bei sie aber wieder in Freiheit und erklärte seine Bereitschaft, mit dem Kommandanten die Verhandlungen aufneh men zu wollen. Rumänien. Bukarest, 28 Oktober. (König Carol über die politischeLage.) Bei der Ver eidigung der Minister sagte der König: Ich bin zu- frieden, daß ich eine starke Regierung habe und glaube. Nöttge m» Wendenburg und Gabt. Nur Bernhard blieb stumm. Er beobachte!« inzwischen Eva« süße«, blaffe« Gesicht. Ihn konnte fi« durch die äußere Ruh« nicht täusch«». v«it gestern war rin Au»druck in ihrem Grficht, der vordem nicht dagewesen. Im Schmerz gereift — innerlich elrnd — aber nicht mutko«. Er sah, fi« war gewillt, den Kampf mtt dem Schicksal aufzunehue». Sollte er sich schwächer zeig«» al» fi«? Er richtete sich auf und schüttelt« die dumpf« Brr» zwe flung von sich ab. Abir «in heimlich« Wunsch keimt« in ihm und setzt« sich fest in srinrr Srrl«: Er mußt« «och einmal ohne Zeugen mit Eva sprechen, sie mußt« ihm die Wahrheit bekenne», we»halb fi, ihm da» angetan hast«. Die Gewißheit brauchte er, um sich in da» Unvermeidliche zu fügen. Nach Tesch unternahm da» Brautpaar einen Spazier gang durch den Park. Eva sah ihnen mit starren Augen nach. Dann wandte fi« sich um und trat zu Wendenburg Hera», der in «in«m Sessel am Kamin saß. „Würdest du nicht di« Güt« habe«, mir di« Abriss« meiner Mutter zu geben?" fragte fi», so ruhig fi« konnte. Er sah überrascht zu ihr auf. „Wa» willst du damit, lieb« Eva?" Obwohl ihr da» Herz bi» zum Hals« hinauf klopfte, bewahrte fi« ihr« Ruhr. Ich möcht« ihr s«lbst schr«ib«n von — von der Veränder ung in m«inem Leben." Er nahm ihr« Hand und küßt« fi«. „Willst du da« nicht lieber mir überlasse»? Ich sah« e« nicht gern, wen» du mit ih, in irgendwelche Berührung kommst," „Sie ist doch «ei» Mutter," sagte sie leis«. „Muß ich dir in« Sedächtni» zurückruft», daß fi« dich und deinen Vater herzlo» im Elrnd vrrließ?" Eva lächelte schmerzlich. „Nein — ich habe e« gewiß nicht vergessen. Ab« auch ich habe mich ihr gegenüber nie al« Tochter gezeigt, hab« nir versucht, mich ihr ,« nähern." „Dal war fi« auch nicht wert." „Et mag sein, wie du sagst — aber bitte gib mir ihr« Adresse, ich we»ß, daß du sie hast, s