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Frankfurt a. N). 1930 als Tagungsort der Gartenbau- und Friedhofsbeamten In Frankfurt haben Gartenfachleute seit langen Jahren in größeren Veranstaltungen nicht mehr getagt. Die „Deutsche Gesellschast sür Gartenkunst" hielt 1910 ihre Haupt versammlung, die „Dendrologische Gesellschaft" hatte in Frankfurt und Umgegend eine Kriegstagung, der „Ver band der Blumengeschäftsinhaber" hielt kurz nach der Inflation seine Jahresversammlung im Palmengarten ab und der „Reichsverband der Kleingartenvereine" tagte 1927 am gleichen Ort unter zahlreicher Beteiligung der Mit glieder, Parlamentarier und Behördenvertreter. Aber die Gartensachwelt im engeren Sinne kam seitdem nur in kleineren Gruppen oder als Einzelgast zu Besuch. Dabei ist unsere Stadt bei anderen Berufen und Korporationen des In- und Auslandes als Kongreßstadt beliebt und so haben auch auf verschiedenen, uns nahe liegenden Arbeits gebieten hier wichtige Tagungen stattgesunden. So tagte der Internationale Städtebaukongreß im Herbst 1929; der „Bund deutscher Architekten" hielt im Jahr zuvor seine Iubiläumsversammlung, der „Deutsche Forstverein" eine vollbesuchte Jahresversammlung vor 3 Jahren in Frank- surt ab. Mit Recht entsteht die Frage, ob denn überhaupt unsere Stadt — auch ohne die Anziehungskrast einer Ausstellung und dergl. — fachliche Sehenswürdigkeiten von einiger Be deutung bietet, ob es sich überhaupt lohnt, die Reise so aus zudehnen, daß außer den Sitzungen und Vorträgen noch Zeit für Besichtigungen fachlicher Art aufgewendet wird. Nun, wir dürfen solchen Bedenken gegenüber nicht allein darauf Hinweisen, daß unsere Landschaft am Main und Rhein an sich schon reizvoll genug ist, wir wollen nicht nur mit Goethes Worten geheimnisvoll andeuten, daß „Frankfurt voller Merkwürdigkeiten stickt", sondern wir können auch mit gutem Gewissen dazu einladen, zu kommen und zu schauen, was Frankfurts Gärtner heute bauen Es ist vielleicht eine gute Vorbedeutung, daß alle jene genannten Kongresse — und auch solche, denen unsere Berufsaufgaben noch viel ferner liegen, in ihrem Besichtigungsprogramm einige der hiesigen neuen Gartenschöpsungen ausgenommen hatten und lebhaftes Interesse an unserer Tätigkeit bekundet haben. Allerdings, der Rus des modernen Frankfurt hat sich dank einem stärkeren Propagandabedürfnis mehr aus anderen Gebieten eingeprägt: So werden wir Frankfurt kennenlernen, als eine derjenigen wenigen Großstädte, in welchen der Städtebau und die städtische Siedlungsbewegung konsequent und tatkräftig Reformen und neue Bauweisen nicht nur predigen, sondern in ausgedehnten neuen Stadt teilen und Trabantenstädten verwirklichen. Frankfurt steht in der Bewältigung eines großzügigen Wohnungsbaues und Beseitigung der Wohnungsnot ziemlich an erster Stelle in Deutschland. Man löst diese ungeheuere Aufgabe nicht nur in den engen Grenzen des eigentlichen Hochbaues, sondern bedient sich ausgiebig der sogenannten Flachbauweise, die anstelle mehrgeschossiger Wohnhäuser lange Zeilen ein- und zweigeschossiger Siedlungshäuser bevorzugt. Eng damit ver knüpft und auch hiervon nicht zu trennendes Teilgebiet ist die Eingliederung und Gestaltung des Grüns, das als Siedlergarten oder öffentliche Anlage diese neuen Stadt teile lockert und ihnen erst das Gepräge moderner Lebens- und Wohnungsreform nach außen hin gibt. Hier arbeiten Städtebauer und Gartengcstalter an der Gesamtdisposition, die im Generalbebauungsplan ihren Niederschlag findet, erfolgreich zusammen: Der erstere, indem er die Flächen auf teilt und die architektonischen Grundgedanken festlegt, dabei die großen Gesichtspunkte: Verkehr, Industrie, Wohnstadt" und Ueberleitung srüherer Stadtentwicklung zu einer neuen Form berücksichtigend. Der letztere: Landschastserhaltend oder gestaltend, neue Grünbezirke erschließend und mit den programmatischen Forderungen der Gegenwart und der Zu kunst einer künftigen Millionenstadt ausfüllend. Näher hieraus einzugehen, erübrigt sich heute. Nur soviel sei gesagt, daß die Jahre seit 1910, besonders aber die Nach kriegszeit dem städtischen Garten- und Friedhosswesen Auf gaben stellten, die, sowohl nach Umfang als auch nach ihren landschaftlichen Vorbedingungen, nicht zuletzt auch nach dem Tempo der Verwirklichung mit in vorderster Reihe kommu naler Gartengestaltungsarbeit stehen dürsten. Frankfurt a. M-, von jeher eine Stätte, in welcher der organisierte Sport sich lebendig betätigt hat, vermehrte, nicht zum wenigsten gefördert durch die Initiative des Gartenwesens, seine Sportflächen und Ubungsfelder so, daß es die bekannte Forderung des Reichsausschusses sür Leibesübungen mit 3 qm an Spielfläche aus den Kopf der Bevölkerung längst überflügelt hat. Hierbei stellen wir es uns zur selbstver ständlichen Ausgabe, so weit als irgend durchführbar auch Übungswiesen, Spiel- und Badeplätze gewöhnlicher Art in landschaftliche Beziehung zur näheren Umgebung zu setzen. Daß das Franksurter Stadion eine der ersten und bedeutendsten Kampfspielstätten solchen Charakters wurde, sodaß sein Ruf nicht nur als sporttechnisch hervorragende, sondern landschastskünstlerisch eindrucksvolle Anlage sich weit im Ausland verbreitet hat, dürfen sich die am Entwurs und Aussührung beteiligten Gartengestalter als ihren Erfolg buchen. Es hat seit seiner Entstehung 1920—1928 vielsach zum Studium und jüngeren Schöpsungen zum Vorbild gedient. Frankfurt a. M. ist als Sitz des Reichsverbandes der deutschen Kleingärtner neben Leipzig eine der ältesten sührenden Städte aus dem Gebiete des Schrebergarten wesens. Auch hier solgte theoretischer Propaganda — und häufig genug, ohne viel davon Aufhebens zu machen — die Tat. Als 1919 der Kleingartengedanke dazu führte, den Massenhunger nach Boden nur mit Gemüse- und Kartoffel land zu befriedigen, wurde durch die Ausstellung „Hos und Garten", die wir gemeinsam mit den neugewählten Führern des hiesigen Kleingartenbaues veranstalteten, die deutsche Kleingärtnerschast, besonders durch die Musteranlage einer Dauerkolonie ermahnt, ihre Ziele über die augenblickliche Ernährungsnot hinaus rechtzeitig höher zu stecken, so wie es ihre Vorkämpfer Schieber, Kronberger u. a. ihnen gezeigt hatten. Seit jener Kampf- und Drangperiode sind gerade in Frankfurt Dauerkolonien errichtet worden, die sich vor dem Fachmann und dem Laien sehen lassen können, und die als Glieder der öffentlichen Grünflächen ihre Lebens berechtigung erwiesen haben. Planmäßig und zielbewußt werden im Freiflächenplan von heute die Kleingartengebiete eingeordnet und je nach dem Zeitpunkt ihrer Verwirklichung auch projektmäßig bis ins einzelne durchgestaltet.