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Erscheint: Mittwoch und Sounabenl. AlS Beiblätter: I . Jllustrirtes Sonntagsblatl -wöchentlich); 2 ^andwirthschaftliche Beilage -monatlich). Abonnements - Breis «iertelj chrl. 1 M. 25 Pj. Auf Wunsch unentgeltliche Zu- , senoung. schell ü/E Königsbrück, Naöeberg, Radeburg, Moritzburg und Umgegend. Blatt Amts und des Städtisches des Königl. Amtsgerichts puszeile (oder deren Raum) 10 Pfennige. Geschäftsstellen: Buchdruckereien von A. Pabst' Königsbrück, C. S. Krausche, Kamenz, Carl Daberkow, Groß röhrsdorf. Annoncen-Bureaus vonHaasen- stein L Vogler, Jnvalidendank, Rudolph Mosse und. G. L. Daube L Comp Inserate sind bis Dienstag und Freitag Vorm/ 9 Uhr aufzugeben. Preis für die einspaltige Cor- Zu Wutsnitz Druck und Verlag von E. L. Först er's Erben in Pulsnitz. Ich >0. 3. Februar 1897. Mittwoch. Mittwoch, den 1V Februar 1887: Viehmarkt in Pulsnitz. Aus Rutz land. Bevor der neue russische Minister des Aeußeren, Graf Murawiew, sein Amt übernimmt, hat er auf Wunsch des Zaren in Paris einen Besuch abgestattet und ist auf der Rückreise in Berlin eingetroffen, wo er ebenfalls einige Tag verweilen wird. Der französische Besuch, der ein Akt der Höflichkeit war, erfüllte zugleich den politischen Zweck, daß der neue Minister das diplomatische Terrain und die maßgebenden Personen des Landes kennen lernte, mit dem Rußland gegenwärtig im engsten Einverständniß lebt. Die Zeit, wo Gras Murawiew der russischen Bot schaft in Paris angehörte, liegt schon ziemlich fern, und in dem politisch raschlebigen Frankr ich wechseln die Minister schnell. Es war also nützlich, daß Graf Murawiew sich die neuen Gesichter im Elyioe und am Quai d'Orsay an sah und im mündlichen Gedankenaustauich sich mit Hanotaux über die wichtigsten Punkte der französisch»rujsi)ch>n Be ziehung verständigte. Jedenfalls war mit diesem Besuch keine Feindseligkeit gegen den Dreibund und insbesondere gegen Deutschland beabsichtigt. Eme solche Annahme ist schon dadurch aus geschlossen, daß der Graf auch in Bertin Station macht. Es ist viel von der deutschfeindlichen Gesinnung des Grafen die Rede gewesen. Der russische Leiter des Auswärtigen gilt als ein zurückhaltender, verschlossener Mann, der sich nicht so leicht das Geheimniß seines politischen Glaubens bekenntnisses entreißen läßt und dessen wahre Absichten, allerdings geleitet und modifizirt durch den Willen des Zaren und die überlieferten leitenden Grundsätze russischer Slaatskunst, sich wohl erst im Laufe seiner Amtssührung enthüllen werden. Was bisher über ihn und seine Familie verlauiet ist, weist darauf hin, daß er ein Stockrusse ist, ein Slawe vom reinsten Wasser, dem Westrn eher abge neigt als wohlgesinnt. Unter günstigen Auspizien über nimmt er die Leitung der Geschälte. Rußland hat sich in den letzien Jahren zu einer maßgebenden Rolle in Europa aufgeschwungen, eine Erscheinung, die mit einer beypullos erfolgreichen Belhäligung seiner Expansionskiast nach Osten hin zusammenhängt. Das umfangreiche Wlrlhschaflsgebi-t, das es sich ui Ostasien erobert hat, wird erst nach Vol- lendung der transsibirischen Eisenbahn seine vollen Erträge abwersen. Schon jubeln dem weißen Zaren die den sibirischen Nomadenstämmen verwandten nomadischen Unterlhanen des Sohnes des Hinin.els in Nord-China als ihrem Befreier zu; sie harren seiner als eines Reiters und Erlösers und verehren in ihm eine strahlende Offenbarung Buddhas. Die Vorstöße nach Persien, Afghanistan und Indien er- Weitern den asiatischen Machtbereich Rußlands nach Süden hin. Am Bosporus führt trotz des von Lord Salisbury veröffentlichten Blaubuchs der russische Botschafter die ent scheidende Stimme. Während die äußere Machtstellung Rußlands sich so bedeutend gehoben hat und so einflußreich gellend gemacht, stehen diesen Fortschritten in der inneren Verwaltung des Reiches nur wenige Reformen gegenüber. Auch Rußland ist reformbedürftig, gleichwie die Türkei, nur nicht in demselben Sinne. Die Kultur, die es den Steppenvölkern Asiens bringt, bedeutet sür diese einen er heblichen Schritt vorwärts; am westeuropäischen Maßstab gemessen, steckt aber das Zarenreich noch tief im finstersten Mittelalter. Es ist eine fremde Welt, in die man nach Ueber- schreltung der russischen Grenze tritt, eine Welt der Er- starrung, der gefesselten Kräfte, die nach Freiheit ringen. Aber es ist zugleich eine jugendliche Welt, die eine vielver sprechende Zukunst verheiß». Die Reformen, die im letzten Jahre in der inneren Verwaltung eingesührt wurden, be treffen lediglich technische Einzelheiten der Justizpflege und des Steuerwesens. Im Uebngen herrscht der starke Cäsaro papismus, dessen Orakel Pobedonoszew, ;der siebzigjährige Oberprokureur des heiligen Synod, noch wie unter Alexan der HI. das Ohr d»s Zaren besitzt. In einer Sammlung von Aussätzen, die vor einigen Monaten unter dem Titel „Moskowskl Sbornik" erschien, erweist sich dieser Mann als reinster Reaktionär. Mit einem Fanatismus, der eines Torquemada würdig ist, bekämpft er jede von der herrschen den Rechtgläubigkeit abweichende Lehrmeinung. Staat und Kirche sind ihm in der Person des Zaren als der höchsten Spitze vereinigt. Aber sie sollen sich auch im Leben der Äesammtheit wie in dem jedes Einzelnen stetig und unauf' löslich durchdringen. Die Kultur des Westens ist diesem Heiligen ein Gräuel, mit Abscheu spricht er von den Errungenschaften der Wissenschaft, den Ent deckungen und Erfindungen, die nur Unruhe und Ver wirrung in die Geister bringen und die heilige Seelenruhe stören. Eine chinesischer Mandarine könnte nicht mit mehr Geringschätzung von der europäischen Zivilisation sprechen und dabei eine größere Selbstgerechtigkeit zur Schau tragen. Es ist wie eine Stimme aus den Zeiten des Mittel alters, wenn man die»e Essays liest. Und Pobedonoszew, der Verkündiger dieser kirchlichen Mystik in der Politik, ist am Hofe des Zaren ein hochverehrter Mann. Seine politischen Lehren gelten unumschränkt innerhalb der Gren zen des russischen Reiches. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Beiträge sür diesen. Theil werden gegen Vergütung dankend angenommen. Pulsnitz. Das so Wenigen beschiedene Fest des goldenen Ehejubiläums, war am vergangenen Sonntag den Goitfried Tobias Thomas'schen Eheleuten zu feiern ver gönnt. AuS Anlaß dessen wurde des noch rüstigen Jubel paares vielseitig und ehrend gedacht. Mögen dem ehrwür digen Paar nach einem so arbeitsreichen Leben noch recht viele gesunde Jahre beschieden sein! Pulsnitz. Wie hinreichend bekannt ist, findet heute, Mittwoch, Abend im hiesigen Schützenhause der längst von Vielen erwartete öffentliche Maskenball statt. Da über den Besuch irrige Meinungen vorhanden sind, theilen wir den Balltheilnehmern zur Beruhigung mit, daß Herr Schützen hauspachter Schäfer eine Nicherfüllung des Saales nicht zuläßt und sür ausreichende Bedienung Sorge tragen wird. In den bekannten Verkaufsstellen können auch heute noch Eintrittskarten entnommen werden. Pulsnitz Bä der hiesigen Sparkasse wurden im Monat Januar 1897 969 Einzahlungen im Betrage von 65 511 Mk. 73 Pf. geleistet, dagegen erfolgten 541 Rück zahlungen im Betrage von 55 667 Mk. 43 Pf. — Im Saale des Gasthofs zuBöhmisch-Vollung hatten sich die Mitglieder nebst Angehörigen des Kranken unterstützungsvereins für Pulsnitz M. S. und Böhmisch- Vollung zahlreich zur Abhaltung des 28. Stiftungsfestes eingefunden. Nach einem vom Großröhrsdorfer Musikchor gut ausgeführten Concert, dem sich eine schwungvolle An sprache des Herrn Vorstand Böhme anschloß, gab man sich den Freuden des Tanzes hin. Ni e d er st e i n a. Am vergangenen Sonntag Abend feierte der hiesige Arbeiterverein sein 24jähriges Stiftungs fest durch Concert und Ball. Nach einigen Concertstücken begrüßte der Vorstand die Erschienenen mit herzlichen Worten, auf die Ziele und Zwecke des Vereins hinweisend. Ver schönt ward die Festlichkeit durch Gesangsvo-träge des Weißbacher Gesangvereins, die mit viel Beifall ausgenommen wurden, ebenso erregten die im Laufe des Abends vor kommenden humoristischen Vorträge die Heiterkeit der Zu hörerschaft. — Jagd-Kalender für den Monat Februar. Abschuß zeit für männliches und weibliches Edel- und Damwild und deren Kälber sowie für Wildenten. Schonzeit für alles übrige. — Nachdem der Rath der Stadt Radeberg fast einstimmig die Einführung einer Polizeistunde, die mit 1 Uhr Nachts beginnt, beschlossen hat, hoben auch die Stadtverordneten diesem Beschlusse mit großer Mehrheit in ihrer letzten Sitzung am 20. v. Mts. zugestimmt. Die Veranlassung zu duser Maßregel gaben die sich Mihrenden nächtlichen Ruhestörungen. Dresden, 1. Februar. Die Abreise des Königs von Sachsen nach Leipzig erfolgte Montag abends 7 Uhr 31 Minuten mit dem fahrplanmäßigen Schnellzuge. Nach dem Empfange daselbst begab sich der Monarch in das Palais, woselbst der 2hee eingenommen wurde. Dresden. Für den 22. März, den Tag, an welchem vor 100 Jahren der erste deutsche Kaiser Wil helm I. geboren wurde, wird von dem Königlichen Mini sterium die Schmückung der öffentlichen Gebäude angeordnet und von dem Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts den Schulen die Veranstaltung entsprechender Schulfeiern anheimgegeben werden. Auch werden durch das Evangelisch - lutherische Landesconsistorium die ihm unterstellten Geistlichen zu entsprechender Berücksichtigung der Bedeutung des Tages in der Predigt des vorhergehenden Sonntags (21. März) angewiesen werden. Durch diese allgemeinen Anordnungen ist selbstverständlich nicht beab sichtigt, etwaigen weitergehenden örtlichen Veranstaltungen irgendwie vorzugreisen. — Gelegentlich des für Fastnachtsdienstag den 2. März in Aussicht genommenen großen Hofballs können in Anbetracht des Umstands, daß Ihre Maj. der König und die Königin zu dieser Zeit an der Riviera weilen, keine Vorstellungen am Kgl. Hofe stattfinden. Die nächste Gele genheit für Vorstellungen bei den allerhöchsten und höchsten Herrschaften ist anläßlich des großen Hofballs am 10. Fe bruar und sodann bei dem für den Ostermontag, den 19. April, geplanten großen Hofconcert geboten. — Im Februar 1872 legte die Königl. sächsische Slaalsregierung der Ständeversammlung das Projekt einer Eisenbahnverbindung zwischen Pirna und Kamenz unter Benutzung der bereits vorhandenen Radeberg - Kamenzer Linie vor, welche zur Ausführung gelangte und wonach für dieselbe in diesem Jahre gewissermaßen das 25jährige Jubiläum der Begründung kommt; in gleicher Weise in Bezug auf den Weiterbau der Südlausitzer Bahn über Neustadt-Dürrröhrsdors nach Pirna. Auf ein 50jähriges Jubiläum blickt der Slaatseisenbahnbetrieb in Sachsen hinsichllich der sächsisch-bayerischen Linie: Am 3. December 1846 beschloß eine außerordentliche Generalversammlung der Aktionäre dieser Linie die Abtretung der Bahn an den Staat, welcher dieselbe unter Umwandlung der Aktien erst in 4procentige und dann in 3procentige Staatspapiere am 1. April 1847 übernahm. Die Ursache hierzu war die Unzulänglichkeit des ursprünglich vorhandenen Kapitals und ein Mehrbedürfniß von 5 Millionen Thaler zur Vollendung der Linie, die in gewissen Zeiträumen bereits streckenweise eröffnet war. Am genannten Tage trat die königliche Direktion der sächsischen-thüringischen Staatseisen bahn an Stelle des Privatdirektoriums und damit begann der Staalseisenbahnbetrieb in Sachsen. — Die Bäcker-Innung des Amtsbezirks Meißen hat am 24. Jan. beschlossen, daß vom 1. Februar ab die Zugaben auf weiße Backwaaren, wie sie bisher üblich waren, und fortan auch die Weihnachts-Zugaben in Weg- fall kommen sollen. Weinböhla. Am Mittwoch Nachmittag fand eine hiesige Familie ihre in der Oberstube allein wohnende 70- jährige Mutter schrecklich verbrannt auf den Dielen am Ofen liegend und todt vor. Jedenfalls ist die Bedauernswerthe von einem Schlaganfall betroffen worden und dann ist Feuer aus dem Ofen gefallen, welches ihre Kleidungsstücke erfaßt hat, denn Hilferufe Hal die im Parterre wohnende Familie nicht vernommen. — In einen Hotel in Pirna erschdß sich am Sonn abend der Rechtsanwalts-Expedient Hillmann aus Dresden, welcher sich Tags zuvor wegen Unregelmäßigkeiten heimlich entfernt hatte. Der Selbstmörder soll außerdem verschiedene Betrügereien ausgeführt und auch seine Wirthin bedeutend geschädigt haben. — Ein einziger Meister Lampe bildet die „Strecke" einer Treibjagd, die vorige Woche in Eppendorf abge- hallen wurde. Die über dieses glänzende Resultat höchst erfreute Jagdgesellschaft bestand aus — 63 Personen. — Der wegen des Verdachts des an dem Dienst mädchen Marie Gärtner verübten Mordes verhaftete und bisher im Amtsgenchtsgefängniß zu Großschönau untergebracht gewesene Reviersörster Horn aus Hainewalde ist am 27. Januar per Bahn in das Landgerichlsgefängniß nach Bautzen überführt worden. (Fortsetzung in der Beilage.)