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Dienstag, den 30. Juni 1903 55. Jahrgang. Montag. dkN 6. Juli 1903, vormittags '/,12 Uhr öffentliche Sitzung des Wezirksuusschusses. D<e Tagesordnung hängt in der Amtshauptmannschaft aus. Königliche Amtshauptmannschaft Kamenz, am 27. Ium 1903. von ErdmannSdorff. Auf den öffentlichen Meger^ haben sich infolge der anhaltenden Trockenheit viel Steine aus dem Verbände gelockert und liegen nun auf der Fahrbahn umher. Dadurch wird diese verdorben und das Zuchtvieh leicht lahm. Diese Steine sind abzurechen und auf der Seite in Haufen zu werfen, sodaß sie zur Ausfüllung etwa entstehender Löcher wieder verwendet werden können. Diese Arbeit, die nicht viel Kosten verursacht, zur guten Erhaltung aber sehr viel beiträgt, isb sofort in Angriff zu nehmen und noch vor Beginn der Ernte zu beenden. Königliche Amtshauptmannschaft Kamenz, am 29. Juni 1903. von Erdmaunsdorff. bürg feierte am Sonntag mit seiner Gemahlin die diamantene Hochzeit. Ein deutscher Hülfsverein für entlassene Strafge fangene hat sich in Hamburg konstituiert. Am Montag, 6. Juli, wird vor dem Oberkriegs gericht der Ostseestation die erneute Hauptver handlung gegen den Fähnrich z. See Hussener stattfinden. Der Onkel König Alexanders, Furst Moruzzi ver öffentlicht in einem Bnkarester Blatte eine hef tige Anklage gegen König Peter. Nach einer Meldung aus Afrika sind bei Gefechten im Somalilande neuerdings 39 englische Offi ziere gefallen; 2000 eingeborene Soldaten ga ben sich dem Mullah gefangen. Am St. Gotthard hat sich ein schweres Unglück durch Lawinensturz ereignet. Tas sächsische Landtagswahlrccht bildete in den vergangenen Reichstagswahlen einen wesent» lichen Agitationsstoff der sozialdemokratischen Partei. Die Schlagwörter von der „Wahlentrechtung der Mafien", „Wahl- rechtSraub", von der Degradierung der Staatsbürger zu Wäh lern zweiter und dritter Klaffe hallten wivcr in der gegneri schen Presse und in den zahlreichen Flugblättern. Für das beschämende Ergebnis der Reichstagswahlen in Sachsen wird zu einem großen Teil unser sächsisches Landtagswahlrecht mit verantwortlich gemacht. Und wir möchten zugeben: nicht mit Unrecht. Unser neues LandtagSwahlgesetz ist seit dem Jahre 1896 in Kraft. Es trat an Stelle des früheren direkten Wahl rechts, nach welchem die Erfüllung des 25. Lebensjahres und die Entrichtung eines StaatSsteuersatzeS von 3 Ms. die Wahl berechtigung verlieh. Die maßlose Opposition der damaligen Sozialdemokraten im sächsischen Landtage und jdi« Verhinde rung aller geordneten parlamentarischen Erledigung der Ge schäfte, die durch daS ur qualifizierbare Verhalten der Gegner nirmalS rechtzeitig ausgearbeitet werden konnten, sodaß man den Landtag alljährlich statt aller zwei Jahren hätte einb - rufen mögen, stellten die Vertreter der bürgerlichen Parteien vor die Notwendigkeit, hierin Wandel zu schaffen. Wie aber? Der damalige Führer der konservativen Partei im Landtag, der jetzige Präsident desselben, Geh. Hofrat Or. Mehnert wird als der Vater des neuen Wahlgesetze« bezeichnet: Man entschied sich für Abschaffung der direkten Wahl. Der Wäh ler kann hiernach den Abgeordneten nicht mehr selbst wählen, sondern muß ihn erst durch einen von ihm zu wählenden Wahlmann wählen zu lassen. Also eine indirekte Wahl. So dann wurde di« bisherig« Gleichheit der Wahlberechtigen aus- gehoben. Man teilte sie nach ihrem Einkommen in drei Klas sen ein. Zur erst-n Klasse in jedem Wahlbezirk gehören alle die, die da« erste Drittel der StaatSsteuern bezahlen, zur >weit«n Klaffe, die da« zweite Drittel, zur dritten Klaffe, die daS dritte Drittel bezahlen. Also eine Klassenwahl. Soweit gingalleS nach preußischem Muster. Um nun aber zu verhindern, daß einzelne sehr hohe Einkommen gleich eine ganze Klaffe oder gar zwei vertreten und der Betreffend« da unter Um ständen ein Drittel oder zwei Drittel der Wahlmänner allein wählt — wie dies in Preußen tatsächlich der Fall ist — 'etzte man für die 2. und l. Klaffe gewisse Einkommengren zen: Wer 38 Mk. direkte StaatSsteuer zahlt, also über 2500 Mk. Einkommen hat, wählt auf jeden Fall in der 2. Klaffe, und wer 300 Mk. direkte StaatSsteuer zahl,* also üb« 10000 Mk. Einkommen besitzt, hat auf jeden Fall in der I. Klaffe zu wählen. Damit wollte man dem indirekt« Klaffenwahlqesetz den plutokratischen preußischen Charakter nehmen. Eine Verpflichtung, den und den Abgeordneten zu wählen, brauchen die Wahlmänner nicht einzugehen, llebrr« die« geben sie ihre Stimmzettel geheim ab, sodaß ihre Ab stimmung auch gar nicht kontrolliert werden kann. Nach diesem hier kurz skizzierten sächsischen Wahlgesetz sind nunmehr sämtliche 82 LandtagSabgeordneten, von denen alle zwei Jahre ein Drittel in den Landtag neu eintritt, ge wählt. Das Gesetz ist also im ganzen Lande einmal prak tisch probiert. Der Erfolg freilich ist allenthalben nicht der beabsich tigte gewesen. Zwar ist der Hauptzweck erreicht: die sozial- demokratrschen Abgeordneten sind — und zwar gänzlich — auS dem Landtage entfernt, und es ist so gut wie ausge schlossen, daß es ihnen in irgend einem sächsischen Wahlkreis« gelingen könnte, ihren Kandidaten durchzubringen — ei sei denn, daß alle Wahlmänner der 2. und 3. Klaffe sich auf einen Sozialdemokraten verpflichten ließen, was wohl kaumi anzunehmen ist. Dafür ober hat das Gesetz mancherle. un liebsame Folgen gehabt. Einmal war durch da« Fernhalter deS Volkes von der direkten Wahl ein scheinbarer politisch«! JndifferentiSmu« (Gleichgiltigkeit) eingetreten. Wir sagrr absichtlich scheinbarer, denn die jetzige ReichStagSwahl hat be wiesen, daß daS sächsische Volk durchaus nicht politisch indis- ferent geworden ist. Zum andern verschärfte die Klaffenein teilung nach dem Einkommen nur noch mehr die ohnedies beständig zunehmenden Klassengegensätze. Also ein durchaus höchst unmoderner und antisozialer Erfolg. Zum dritten war die durch die örtlichen Verhältnisse gegebene Ungleichheit zu groß, als daß sie nicht ost verwirrend, ja direkt komisch wir ken konnte. Zum Beispiel kann in einem notorisch armen Dorfe der Lehrer mit einem Einkommen von 1500 Mk. mit in die 1. Klaffe gehören, während dasselbe Einkommen in einem von reicheren Leuten bewohnten Orte in die 3. Klass, fällt. Oder umgekehrt kann jemand, der 9000 Mk. Ein- komimn versteuert, in einem sehr wohlhabenden Orte in di« 2. Klaffe fallen, während er in hundert anderen Orten in die 1. Klasse gehören würde. Die Verstimmung über dieses Wahlrecht macht sich denn auch nach den Wahlen wohl in jedem Wahlkreise geltend, erst nur schüchtern, und im privatem Verkehr, dann immer lauter und nun auch in einem großen Teil der gutgesinnten bürgerlichen Presse. Wir gestehin offen, daß wir von allem Anfang kein Freund dieses indirekten KlaffenwahlrechtS gewesen sind, und daß uns die Bangigkeit, eS werde sich bei den Reichstag«- wahlen rächen, gleich bei seiner Einführung beschlichen fpt. Wir haben uns leider nicht getäuscht. ES muß zugegeben werden, daß eS notwendig war, die überwuchernde sozialde mokratische Hetz« in unserem Landtag einzudämmen. Aber man hätte dazu doch zu weniger drastischen und antisozialen Mitteln greifen müssen. Wir meinen, eine Erhöhung de« CensuS von 3 auf 10 Mk. (daS entspricht einem Einkommen von 1100—1250 Mark), eine Heraufsetzung der Altersgrenze von 25 auf 30 Jahre, oder wenn man wollte eine BerufS- klaflenwahl nach dem Muster des Stadtverordneten-Wahlrecht« in Chemnitz hätten zu dem gleichen Ziele geführt ohne eine Verletzung de« innersten politischen Gefühls der breiten Volkt- maflen, di« b«i jed«r Wahl den Ausschlag zu geben habe». Amtsblatt für den Bezirk des Uonigl. Amtsgerichts Pulsnitz, umfassend die Ortschaften: Pulsnitz, Pulsnitz Ak. S., Böhmisch-Vollung, Großröhrsdorf, Bretnig Hauswalde, Ohorn, Gbersteina, Niedersteina, Weißbach, Oberlichtenau, Niederlichtenau, Friedersdorf-Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Klein-Dittmannsdorf Druck und Verlag von L. L. Försters Erben. Expedition: Pulsnitz, Bismarckplatz Ar. 2S5. ' Verantwortlicher Redakteur Gtto vorn in Pulsnitz. Neueste Ereignisse. Kaiser Wilhelm hat dem Könige Peter von Ser bien auf die Mitteilung von seiner Thronbe steigung als erster der europäischen Souveräne geantwortet und seine Glückwünsche ausge sprochen. Zwischen Kaiser Wilhelm und König Oskar von Schweden fand wegen der Regelung des Be sitzrechts auf die Stadt Wismar ein Depeschen wechsel statt. Präsident Roosevelt erhielt vom Kaiser Wilhelm ein Dankestelegramm anläßlich der Anwesenheit des amerikanischen Geschwaders in Kiel. Die englische Regierung will die tatsächlichen Be weise besitzen, daß Peter Karageorgiewitsch vollste Kenntnis von der Verschwörung gehabt habe. In Erlau in Ungarn wurde am Freitag Morgen ein heftiges Erdbeben verspürt, das schwere Folgen hatte. An Bord des amerikanischen Flaggschiffes „Kear- sarge" wurden Trinksprüche zwischen Kaiser Wilhelm und dem Admiral Cotton ausgetauscht. Der Großherzog Friedrich Wilhelm von Mecklen- Sm!a-ung Lum kesuq des Wochenblattes. um bevorstehenden Huartalswechsel erlauben wir uns hierdurch zum Abonnement auf das Wochenblatt für Pulsnitz und Umge gend (Amtsblatt) ergebens: einzuladen. Mit seinen beiden Gratisbeilagen: „Illustriertes Sonntagsblatt" und „Landwirtschaftliche Beilage,, kostet das Wochenblatt vierteljälirlicli nur i lv. 25 pk. Inseraten sichert das Wochenblatt für Pulsnitz und Umgegend den grö fiten Erfolg. Bestellungen auf das Wochenblatt werden in unsrer Geschäftsstelle, sowie von sämtlichen Zeitungsboten jederzeit entgegengenommen. Auch die Postanstalten und Landbriefträger nehmen Bestellungen auf das Wochenblatt entgegen. Hochachtungsvoll Expedition des Wochenblattes für Pulsnitz u.Umg L. L. Förster's Lrben. Wochenblatt belegi'amm-Messe: Prenspeectiep lvocßenblallpukM. für Pulsnitz und Umgegend Inserate für denselben Tag sind bis vormittags zo Utzr aufzugeben. Preis für die einspalt. Zeile oder deren Raum zo Reklame 20 Bei Wiederholungen Rabatt, kille Annoncen Expeditionen nehmen Inserate entgegen. X-No. lS. H n Erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend. Beiblätter: Jllustr. Sonntags blatt und landw. Beilage. Bbonnement: Monatl. so^, vierteljährlich z.25 bei freier Zustellung ms Haus, durch die Post bezogen unter Nr. 3SO2 z.qo. Aints-Blatt -es ttömgl. ttmtsgenickts und -es §ta-tnatkes Lli pulsnttL.