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Jahrgang Ein Vierbund zur Befriedigung Europas Deutschland soll das Mandat über Kamern« erhalten Die Stellung der Länder zum Reichsschulgesetz — Der Reichsfinanzminister zur Denkschrift des Reparationsagenten Reichsminister Hergt über die politische Lage — Zu den deutsch-rumänischen Verhandlungen — Gespannte Lage in Rumänien Wallstreet und der Dawesplan — Die französische Presse zur Rede Loyd Georges Das Wichtigste Der Dampfer „Mafalda", mit 1300 Pasfaabren an Bord, ist nach Bahia unterwegs gesunken. Nur 702 Passagiere konnten gerettet werden. Nähere Einzelheiten fehlen noch. Wie ein Berliner Mvrgenblatt meldet, ist das ReichSinncnministerium mit Erhebungen beschäftigt, wie sich das Reichsschulgesetz finanziell auswirken würde. Die vielfach genannte Zahl von über 1 Mil liarde Mark für die Kosten deS Schulgesetzes wird jetzt schon als maßlos übertrieben angesehen. Der BildungsauSschuß des Reichstages trat am Dienstag vormittag 11 Uhr z» seiner erste» Sitzung zur Beratung des Schulgesetz, entwurss zusammen. Reichsinnenminister Dr. v. Keudell wohnte den Beratungen bei. Die Parteiführer wurden vom RcichSfinanzminister über die Denkschrift des Reparatiousagcnten unterrichtet. Ein tschechische« Abendblatt behauptet, der Bulgarenkönig Boris sei inkognito in Prag eingetroffcn, um mit seinem Vater, dem Exkönig Ferdinand, zusammenzukommcn. Infolge starker Schneefälle sind die Alpenstraßen des Großen und Kleinen St. Bernhard bereits für Len Automobilverkehr gesperrt. Bis ans 900 Meter herunter hat es geschneit. Das Hospitz aus dem St. Gotthard verzeichnet einen halben Mkter Neuschnee. Wie verlautet, beabsichtigt Chamberlain die Bildung eines Vicrbundcs untir Einschluß Deutschlands. MMt mi> sächsische Angelegenheiten Pulsnitz. (N a m e n and er un g) Die Bezeichnung der Postagentur in Bischheim (Sachsen) ist in Bischheim - Gersdorf (Sachfen) geändert worden. — Im Telegraphen- und Fernsprechver kehr führt die Postagentur künftig den Ortsnamen Bischheim- Gersdorf Sachsen (ohne Klammer). — sek. (Wachstum des Aberglaubens?) Lehrreich, aber nicht erfreulich für die Scelcnkunde der heutigen deutschen Menschen ist die vom Börsenblatt für den deutschen Buchhandel festgestellte Tat« fache, daß im Jahre >9'6 dle Büchercrzcugung zurückgegangcn ist. Den stärksten Rückgang, l ä rlich nm 27,l v. H, hat die schöne Litera tur z» verzeichnen. Anch d e Erecngung an theologischen oder rcliqions- Wissenschasilichen Büchern bat sich um 6,2 v. H. vermindert. Aber cs ist nicht e>wa nur d c finanzielle Notlage, sie manchen vom Bücherkauf abhält, eS ist vor allem die Ablenkung durch and re Genüsse, nament lich durch ein Uebcrmaß an Sport. Von der Abnahme der allgemeinen Büchercrzcugung hebt sich um so schärfer ab die Zunahme im Bereich der „Gehcimwissenschaslcn", die nicht wmiger als 14 v. H. bet ägt. Demnach hat ein illustriertes Blatt schwerlich unrecht, das kürzlich schrieb: „Der Bcschwürnngszaubcr des modernen abergläubischen Men« scheu gleicht sich, in veränderter Form, den Erscheinungen vergangener Kulturen an, und der glückbringende Feilsch ist heute so begehrt wie einst bei den Negern und Indianern." Treffend wird die Seelenversas- sung solcher Zeitgenossen von der Zeitschrift „Zeitwende" charakterisiert: „Man kokettiert sörmlich mit dein Aberwitz, und Unterhaltungen über den Aberglauben gehören heute durchaus zum guten Ton. Man rühmt sich seiner Fetische und Amulette — man denke an die Autopuppen —, man schwärmt von den Orakeln pfiffiger alter Weiblcin, und der „freie Mensch" ist stolz darauf, keinen Schritt zu tun ohne deren Horoskop. Heimatlos gewordene religiöse Gefühle flüchten sich in den krassesten Aberglauben, so daß man staunen würde, wenn man sähe, welcher Narr- heilen sonst ganz üichtiae und verständige Menschen auf diesem Gebiet fähig sind. Es bleibt eben zu Recht bestehen: Glaube, dem die Tür l versagt, steigt als Aberglaub' ins Fenster; wenn die Götter ihr verjagt, s kommen die Gespenster. Hier zieht eine neue ernste Gefahr für die ! deutsche Volksbildung herauf. Demuitz - Thumitz, 25. Oktober. (Tödlicher ' Unfall in einem Steinbruch.) Am Montagmorgen früh ff,8 Uhr verunglückte der 20 Jahre alte Arbeiter Albert Böhme aus Neukirch im Steinbrnch „Großer Jungfernstein". Böhme und ein anderer Arbeiter waren aushilfsweise damit beschäftigt, Abraum nach der Halde zu fahren. Der erste Kipper, der von beiden dorthin gefahren wurde, ist jedenfalls durch die nasse Witterung mit den Vorderrädern über die Schienen hinausgcfahrcn. Der Verunglückte, welcher hinten auf dem Kipper stand, ist dabei in hohem Bogen die etwa 12 Meter hohe Halde hinuntergeschleudert worden. Durch dos Ausschlagen aus die Steine erlitt B. einen Schädel- und Brustwirbelsäulenbruch, sowie verschiedene andere Verletzungen. Ueberdies wurde er noch von dem nachfolgenden Kipper ge troffen. Nach dem ärztlichen Befunde ist der Tod sofort eingetretcn. Dresden, 25. Oktober. (Aus dem Untersuch ungsausschuß für Böhlen.) Im Untersuchungsaus schuß des Landtags, der aus Anlaß der Dammbruchkata strophe an der Hochkippe beim Braunkohlenwerk Böhlen der Aktiengesellschaft Sächsische Werke eingesetzt wurde, stand heute Dienstag der Bericht deS Mitberichterstatters Lippe DVP. London. Von gut Unterrichteter Seite wird gemeldet, daß zwischen England, Deutschland, Frankreich und Italien Verhandlungen im Gange find, die das Ziel haben, den Frie den Europas sicherznstellen. Das Programm soll den Zu sammenschluß der vier Staaten zu einem Vierbund vorsehen «nd eine Neuordnung des Kolonialbesitzes einschließeu, um dadurch eine der Hauptursachen des Zwiespalts auszuschalten. Unter den diesbezüglichen Plänen des neuen Vierbundes steht vorerst die Ilebergabe eines Kolonialmandats an Deutschland. Ferner werden die territorialen Wünsche Italiens befriedigt werden und schließlich soll ein Notblock gegen die Verbreitung kommunistischer Ideen geschaffen werden. Wie verlautet, ist die Hauptperson, die hinter diesem Plan steht, der britische Außenminister Sir Austen Cham- der la in, und dieser soll auch bereits mit den Außen ministern der übrigen Staaten in dieser Angelegenheit in Verbindung getreten sein. Man erwartet sogar in Londoner offiziellen Kreisen, daß eine endgültige Erklärung über den Erfolg des Planes sehr bald herausgegeben werde. Bei den kolonialen Verschiebungen wird, wie verlautet, Deutschland das Mandat über seine frühere Kolonie Kamerun erhalten. Frankreich ist die Herr schaft über Marokko zugedacht, wofür es das Mandat über Syrien an Italien abtritt. Italien wiederum hat auf seine Pläne hinsichtlich der Balkanstaaten zu verzichten. * Man wird diese Nachricht mit Vorsicht aufnehmen müssen, jü>vch wird man vermuten dürfen, daß derartige Pläne in dieser oder jener Form hinter den Kulissen der internatio nalen Diplomatie erörtert werden. Was die Ilebergabe eines Kolonialmandats an Deutschland anbetrifft, so sei daran er innert, daß bereits der japanische Dölkerbundüelegierte Ishii ähnliche Pläne aufdeckte. Die Stellung der Länder zum Reichsschulgesetz. Im Reichstagsausschuß für Bildungswesen be gann die Beratung des Reichsschulgesetzes. Reichsminister des Innern von Keudell gab eine zusammenfassendc Ueberficht über die Beschlüsse des Reichsrats und über die Verhandlungen über das Reichsschulgesetz. Zunächst legte der preußische Ministerialdirektor Kästner umfangreiches statisti- sches Material vor und behauptete, daß in Preußen für die Bekenntnisschule genügend gesorgt sei. Der Staat müsse für die in der Verfassung als Regelschule vorgesehene Gemeinschafts schule cintreten. Die Kostenfrage trete drohend auf. Wir müßten uns auf den Neubau von einigen hundert Gebäuden für Bekennt nisschulen vorbereitcn. Weitere Kosten würden uns die Emrich- tung neuer Lehrerstellen nnd di« Versetzung von Lehrern bringen. Dabei sei schon die Aufrechterhaltung des jetzigen guten preu ßischen Schulwesens bei der gegenwärtigen Finanznot außer ordentlich schwierig. Für Bayern gab Ministerialrat Freiherr von Im- Hoss eine Erklärung ab, der wir solgendes entnehmen: Die reli giöse Erziehung ihrer Kinder zu bestimmen, sei ein unentziehbarcs, natürliches Recht der Menschen, von der Reichsverfassung als solches anerkannt und gegenüber dem Gesetzgeber selbst als Grundrecht ge währlesstet. Es könne nicht der Wille eines Rcichsgesetzes sein, dieses Grundrecht zu beeinträchtigen oder aufzuheben. Die Rcichs- verfassung lasse es nicht zu, daß Kinder im Gegensatz zu dem offen kundigen Willen der Erziehungsberechtigten in einer Schule ohne Bekenntnisgepräge einer Gemeinschaftsschule überwiesen würden, bevor die Verhältnisse etwas anderes gestatteten. Di« bayerische Staatsregierung müsse deshalb gegen Versuche Widerspruch er heben, irgendwo und in irgendwelchen Fällen ohne Rücksicht auf den Willen der Erziehungsberechtigten die Gemeinschaftsschule ein zurichten. Die bayerische Staatsregierung müsse auch verlangen, daß unbeschadet des Aufsichtsrechts des Staates die sachliche Rege lung und die Ucbcrwachung des Religionsunterrichts den Kirchen zuerkannt werde. Im übrigen erscheine der bayerischen Regierung der Entwurf der Reichsregierung, von einigen minder wesentlichen Punkten abgesehen, sowie vorbehaltlich einer befriedigenden Lösung der Kostenfrage, als eine geeignete Regelung d«r in Artikel 146 Absatz 2 der Reichsverfassung vorgesehenen Gesetzgebungsaufgabe. Der sächsische Ministerialdirektor vr. Poetzsch nannte die Grenzen für die Simultanschule zu eng gezogen. Be denken errege ferner d«r Eingriff in die Schulhoheit des Staates. Der Hamburgische Regierungsdirektor Flem- z ming memre, er flehe vurchaus auf dem Standpunkt der natio- ! nalen deutschen Volksschule. Die Vorlage trage aber den Bedürf- ; niffen, besonders der Hansastädte, keine Rechnung. Anschließend verlangten die Kommunisten noch einmal Aus kunft über die Kosten des Gesetzes. Der Demokrat Ronneburg beantragte darauf mit Rücksicht auf die Erklärungen des preußi schen Vertreters, die Verhandlungen abzubrechen. Darauf wurde die Sitzung auf Mittwoch vertagt. Oer ReLchsfinanzminister zur Denkschrift des Reparationsagenten. Aus Kreisen, die dem Reichsfinanzminister nahestehen, verlautet über die Denkschrift des Reparationsagenten Parker Gilbert und den Einspruch gegen die Besol dungsvorlage aus. Der Minister lege besonderen Wert dar aus, zu erklären, daß das Memorandum Parker Gilberts keinen Vorstoß gegen die Finanzpolitik des Reiches bedeutet, sondern daß es sich lediglich um eine schriftlicheFestlegungallderBedenken handle, die der Reparationsagent gegenüber den Finanzvorlagen des Reiches habe. Die Denkschrift habe zum Ausgangspunkt den Jahresbericht vom Juni 1927, der sich mit der deutschen Finanz-, Währungs-und Kreditpolitik befaßte. Seitdem seien zwischen dem Finanzministerium und dem Re parationsagenten zahlreiche Aussprachen gewesen, die die an gebliche undurchsichtige Etatsgebarung zum Gegenstand hatten, und dabei wurden auch die schweben den Gesetzentwürfe besprochen. Diese Verhandlungen wurden durch den Urlaub des Reichs finanzministers und des Reparationsagenten unterbrochen und im September fortgeführt. Jetzt kam auch noch die Frage der Beamtenbesoldung hin^u. Es sei der ausdrückliche Wunsch des Reichsfinanzministers gewesen, daß der Reparationsagent all das schriftlich zu sammenfaßte, was sich in den bisherigen Aussprachen be- reits ergeben habe und was an weiteren Bedenken vorlag. Der Ein spruch Parker Gilberts sei also kein Vor stoß gewesen, sondern geschah, wie es in dem Begleitschreiben ausdrücklich heiße: „In Gemäß heit unserer Vereinbarung . . ." Die Denkschrift sei also kein Protest und stelle keine unzulässige Ein mischung dar. Eine Klärung der ganzen Angelegenheiten halte der Fi- nanzminister deshalb für um so notwendiger, als in fünf Wochen der Jahresbericht des Reparationsagenten vorliegen wird. Wenn nun von Indiskretionen gesprochen werde, so müsse darauf hingewiesen werden, daß weder das Reichs finanzministerium noch der Reparationsagent diese Indis kretionen verschuldet habe, durch die der Zweck der Verhand lungen nur gefährdet werde. Es wäre verkehrt und wider spreche der Linie der Reichsregierung, wenn in diesem Augen- blick der Dawesplan aufgerollt würde. Reichsfinanzminister Or. Köhler erklärte bei dieser Gelegenheit, daß die V o rl a g en fre u d i g leit, die die Reichsregierung im Jahre 1927 gezeigt habe, dadurch zu er klären sei, daß man sich darüber klar sei, daß in der Ueber- gangszeit bis zum Normaljahr des Dawesplans im Jahre 1928 all das noch erledigt werden müßte, was die Reichsregierung dem Volke seit Jahren schuldig sei. Die Beamten warteten jetzt etwa acht Jahre auf die Reform, und die Regelung sei endlich notwendig geworden. Die Reform würde ebenso wie die ganzen anderen Gesetzentwürfe in dem nächsten Jahre nicht mehr zum Abschluß zu bringen sein. / Reichsminister Hergt über die politische Lage Wie die Berliner Morgenblätter aus Liegnitz melden, hielt dort Reichsjustizm nister Hergt vor dem Landesverband Niederschlesien der Deutschnattonalen Bolkspartü einen Vortrag über die politische Lage. Er warnte vor der sich immer mehr bemerkbar machenden W»hlpsychose. Die gegenwärtige Regierungskoalition habe ihre Existenzberechtigung bewiesen. Die Kraftanstrengungen dieser Koalition müßten auch ihre Gegner anerkennen. Beim Reichsschulgesetz werde es auf die notwendige Verständigung mit der Deutschen BolkSpartei ankommen. Bor allem gelte es auch, die Strafrechtsreform zu erledigen.