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« Jür unsere Lehrlinge j Monatsbeilage zum Sächsischen Gärtnerblatt 8 § dem Amtsblatt der Fachkammer für Gartenbau 8 * — - — » 4. Jahrgang « Dresden, den 1. August 1929 - Nummer 8 8 Wie einer die Schönheit der Kleinstadt fand Von Oskar Schwindrazheim (Absetzung v. Seite 24) Das hatte er nämlich verschiedene Male schon getan — zu brennend war sein Wunsch, einmal in Wahrheit etwas zu sehen, was dem ähnelte, wovon sein Buch über Kunstgeschichte in vielen Worten und auch in verschiedentlichen Abbildungen berichtete. Ja, der junge Mann besaß als höchsten Schatz ein Buch, das die Geschichte der Kunst von den ältesten Völkern an, viel älter als Methusala, bis aus die Zeit Napoleons behandelte. Wie das Buch hieß und wer's geschrieben, wußte er leider nicht, denn er hatte es ohne Umschlag und Titelblatt unter allerlei altem Papier gefunden, das sein Prinzipal zwecks Dütenfabrikation einmal billig gekauft hatte. Von diesem Buche stammten seine „dummen Ideen", wie seine Bekannten nnd Verwandten sagten. Vorher ein ganz vernünftiger und umgänglicher Mensch, war er durch das Studium dieses alten „Schmökers" ein „unbrauchbarer Spaßverderber", ein „verrücktes Huhn" geworden. Mochten sie so sprechen! Es gab für ihn nichts Schöneres, als nach Feierabend das liebe Buch zur Hand zu nehmen und immer wieder von neuem von den erhabenen Kunstwerken und den großen Meistern zu lesen, von den herrlichen Tempeln der Griechen, von den Wunderwerken eines Phidias und Praxiteles, von dem glanzvollen Rom der Kaiserzeit, von den ragenden Domen des Mittelalters, von der Wiederauferstehung der antiken Kunst in Florenz und Rom, von Niccola Pisano und Lorenzo Ghiberti, von Brunellesco und Bramante, von Raffael und Michelangelo, von den teuren deutschen Meistern Albrecht Dürer, Adam Krafft, Hans Holbein und den andern allen, vom bedauerlichen Sinken der Kunst im Barock und Rokoko und der abermaligen erfreulichen Wiederaufnahme der Antike und der Romantik, von Schinkel, von KönigLudwig, von Cornelius, Overbeck, Schnorr von Carolsfeld—— weiter ging das Buch leider nicht, da die letzten Seiten fehlten. Ganze Seiten des Buches, die von besonderen Lieblingen han delten, wußte er beinahe auswendig. Wie am Schnürchen konnte er die florentinischen, römischen, venezianischen, mailändischen Künstler der Renaissance hersagen. Die berühmten Tempel Aegyptens, Griechen lands, Roms, die berühmten Dome Italiens, Frankreichs und Deutsch lands konnte er in ihren technischen und anderen Besonderheiten und