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I Jür unsere Lehrlinge, Monatsbeilage zum Sächsischen Gärtnerblatt 8 dem Amtsblatt der Fachkammer für Gartenbau 8 A -- - -- - ----- § 4.Jahrgang « Dresden, den 1. Mai 1929 * Nummer 5 8 SSSSSSSSSSSSSÄNSSSSSÄ-SNSSSSSSSSSSSKSSSFSSSSSStz Wie einer die Schönheit der Kleinstadt fand Von Oskar Schwindrazheim In einem kleinen, ganz kleinen alten deutschen Städtlein lebte einmal ein junger Mann, ein armer, bedauernswerter junger Mann. Er hatte es schriftlich, daß er das war! Einmal, wenngleich nicht mit dürren Worten ausgesprochen, stand's in der ihm von einem löblichen Magistrat auf fein Gesuch zugesandten Antwort, daß er ob seiner ge ringfügigen Einnahme, besonders in Ansehung des Umstandes, daß er da von auch noch seine alte Mutter erhalten müsse, von jeglicher Steuer be freit sei. Zweitens, und zwar diesmal klipp und klar ausgesprochen, hatte er's schriftlich in einem Briefe seines Vetters Richard in Berlin. Vetter Richards Ausspruch gründete sich weniger auf Mangel an irdischen Glücksgütern, der Berliner Vetter litt auch nicht an Ueberfluß! — nein, er beruhte auf einem Umstande, der, wenigstens nach Vetter Richards Ansicht, noch weit, weit trauriger war: Konrad Treuen war ein Kleinstädter, ein richtiger Kleinstädter! Daß er in der Klein stadt geboren war und bis dato in der Spezereiwaren-, Mehl- und Eisenwarenhandlung des Herrn Jakob Christoph Melber daselbst als Kommis gelebt, war zwar schon traurig genug, wenn Vetter Richard dabei bedachte, welche Genüsse der Großstadt er dadurch versäumt hatte. Aber weit schlimmer war es, daß er als richtiger, waschechter Kleinstädter keine Schneid hatte, denn sonst hätte er Vetter Richards schon oft geäußerten, wohlmeinenden Rat, feinem „knauserigen" Prin zipal „den Kram vor die Füße zu werfen" und dem „traurigen Nest" den Rücken zu kehren, um schnurstracks nach Berlin zu fahren, schon längst befolgt! Aber als „richtiger Kleinstädter, wie er im Buche steht", konnte er sich vor allerlei „dummen, lächerlichen und altmodisch sentimentalen" Rücksichten und Bedenken zu einem solchen Schritt natürlich nicht aufraffen! Ihm, Vetter Richard in Berlin, könne es ja egal sein, so schloß der Brief, wenn es ihm denn Spaß mache, so möge er eben „versauern und verkommen" in dem „blödsinnigen" Nest, in seiner „lieben Vaterstadt"! In feiner lieben Vaterstadt! So hatte Konrad Treuen nämlich mehrmals das kleine Städtchen, in dem er geboren war und in dein er als Herrn Jakob Christoph Melbers rechte Hand wirkte, genannt. Vetter Richard fand die Bezeichnung „frauenzimmerhaft übergeschnappt" und hatte ihn mehrmals ernsthaft gebeten, sie nicht mehr zu verwenden, wenigstens nicht in Briefen an ihn, weil er sich jedesmal darüber