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Tabellarischer Satz 50°/, Aufschlag. - Bei zwangsweiser Einziehung der Anzeigengebühren durch Klage oder in Konkursfällen gelangt der ->olle Rechnungsbetrag unter Wegfall von Preisnachlaß in Anrechnung. Bis */,10 Uhr vormittags eingehende Anzeigen finden am gleichen Tage Aufnahme Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Kamenz, des Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz sowie der Gemeinderäte Großnaundorf und Weißbach Hauptblatt und älteste Zeitung in den Ortschaften des Pulsnitzer Amtsgerichtsbezirks: Pulsnitz, Pulsnitz M. S., Großröhrsdorf, Bretnig, Hauswalde, Ohorn, Obersteina, Niedersteina, Weißbach, Ober- und Niederlichtenau, Friedcrsdorf, Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Klein-Dittmannsdorf Geschäftsstelle: Pulsnitz, Albertstrahe Nr. 2 Druck und Verlag von E. L. Försters Erben (Inh. I. W. Mohr) Schriftleiter: I. W. Mohr inPulSnitz Nummer 223 Freitag, den 24. September 1926 78. Jahrgang Das Wichtigste Reichsaußenminister Dr. Stresemann hat dem Reichspräsidenten v. Hin denburg Bericht über Genf und Thoiry erstattet. Das badische Zentrum hat sich in mehreren Entschließungen gegen den Unitarismns und für Wahlrechtsreform ausgesprochen. Auf der Sirecke Aschersleben—Halberstadt versuchten drei 12- bis 13- jährige Schuler einen Anschlag gegen die Eisenbahn. Wie die Berliner Morgenblätter aus Magdeburg melden, ist in Calbe an der Sullle eine siebenköpfigc Familie an Typhus erkrankt. Bei einem Zusammenstoß zwischen Expreßzug und Personenzug in Frankreich wurden sieben Personen getötet und etwa 20 verletzt. Die Aufständischen in Nicaragua haben die Bedingungen der Regierung angenommen und die Kampfhandlungen eingestellt. Verhandlungen werden in der nächsten Woche beginnen. Wie die Berliner Morgenblätter aus Kalkutta melden, haben große Ueberschwemmungen in mehreren Distrikten großen Schaden ange richtet. Nach den bisherigen Mitteilungen find 10 Personen in den Fluten ertrunken. Etwa 1000 Häuser sind zerstört, die Ernten ver wüstet, mehrere Brücken fortgeschwemmt. Zahlreiche Viehherden sind in den Fluten umgekommen. Nach dem Stand vom 15. September ist das Gssamternteergebnis im Reich für dieses Jahr mit rund 7 Prozent geringer als im Vor jahre anzunehmen. Der Kampf um Asien. Das Ringen nm die Vormachtstellung ,n Asien zwischen England und Rußland nimmt immer schärfere Formen an, während der Bürgerkrieg das chinesische Niesenreich ln Elend und Chaos führt. Daher bieten wir im folgenden unseren Lesern aus sachver ständiger Feder einen zusammenhängenden Ueberblick der Vorgänge im Fernen Osten. Das Ringen um den Besitz von Asien dauert fort. Die Hauptmächte England und Rußland rüsten. Sie waffnen sich im stillen, sie sind noch nicht selbst auf den Plan ge treten. Man weiß nicht, wann der große Schlag erfolgen wird. Das Arbeiten der russischen Diplomatie ist vorbild lich. Die Bolschewisten haben mit den Türken, mit den Persern Verträge abgeschlossen. In Genf wurde übel ver merkt, daß das zuletzt genannte Abkommen mit den Ver pflichtungen des Artikels 16 unvereinbar sei. Tschitscherin ließ sich nicht beirren. Am 31. August erfolgte in Pagman, der Sommerresidenz des afghanischen Emirs, die Unterzeich nung eines Neutralitätsvertrages, durch den der russische Einfluß bis an die indische Grenze ausgedehnt wird. Es ist in politischen Kreisen ausgefallen, daß die Russen die Einreise nach Zentralasien für Fremde gesperrt haben, was jahrelang nicht der Fall gewesen ist. Lange vor dem Weltkriege hatten die Russen Turkestan zur Etappe für einen Feldzug gegen Indien ausgebaut. Nicht nur Taschkent, son dern auch die Ortschaften, die längs der Eisenbahnlinie Krasnowodsk (am Kaspisee) —Andischan liegen, waren stark mit Truppen belegt, und umfangreiche Kasernenbauten boten Raum für eine Mehrzahl von Soldaten. Von Osch führt der Fahrweg, der allerdings nur in der günstigen Jahres zeit benutzbar ist, über Guldscha aufs Pamirplateau. Die afghanische Grenze ist damals schon durch eine Stichbahn er schlossen worden. Zwar fanden in der Revolutionszeit i heftige Kämpfe in Turkestan mit den Eingeborenen statt, doch ist wohl anzunehmen, daß die Dolschewiki entstandene Schä- z den inzwischen ausgebessert haben. In der Mandschurei ist Rußland auf starken chinesischen Widerstand gestoßen. Dis ostchinesische Bahn läuft bekannt- lich nach Wladiwostock. Chinesisches Gebiet greift hier weit i nach Rußland hinein. Es erstreckt sich nach Chaborowsk und ; Pokrowskaja. Tschang Tso-lin, der chinesische Marschall, der ' sich auf die Mandschurei stützt, hat die Auflösung der Sun- ! garischiffahrt (der Sungari ist ein Nebenfluß des Amur), > die Aufhebung der roten Kulturinstitute und freie Truppen- j beförderung auf der ostchincsischen Bahn gefordert, und die ! Sowjets mußten aus einst gewonnener Machtposition wei- chen. Sie opferten sogar ihren Botschafter Karachan in ' Peking, dessen Stellung wohl unhaltbar geworden war, aber i sie haben den Kampf trotzdem-nicht aufgegeben. Nach den ; zuletzt aus Mukden eingetroffenen Nachrichten ist in Ost- i sibirien eine Kommission russischer Gencralstabsoffiziere mit i der Aufgabe eingetroffen, die Konzentration russischer Trup pen an der mandschurischen Grenze durchzuführen. Be- sondere Bedeutung gewinnt die Meldung dadurch, daß an scheinend an der Spitze der Kommission der bekannte russische i Kavalleriegeneral Budjenny steht. z Dr. Stresemann bei Hindenburg Die Notwendigkeit einer Abrüstungskonferenz Hamburg—Berlin — Vor Bildung Der Sturm in Mittelamerika — Vor Berichterstattung über Gens und Thoiry Berlin. Reichsaußenmimster vr. Stresemann traf am Donnerstagnachmittag wieder in Berlin ein. Der Minister kehrte zunächst allein aus Gens zurück, da die Dele gation noch bis zum Schluß der Arbeiten des Völkerbundes in Genf bleibt. Am Abend hatte sich der Außenminister zum Reichspräsidenten' von Hindenburg begeben, um ihm einen vorläufigen Bericht über die in Genf und Thoiry betriebene Politik zu erstatten. Ursprünglich war in Aussicht genommen, daß sogleich eins Zusammenkunft der Minister beim Reichskanzler zu einer ersten Unterrichtung und Aussprache stattfinden sollte, aber dieser Plan ist wieder geändert worden, da die meisten der in Berlin anwesenden Kabinettsmitglieder durch eine ge sellschaftliche Veranstaltung beim Reichsverkehrsminister Or. K roh n e in Anspruch genommen waren. Das Kabinett trat daher erst am Freitagvormittag zu einer offiziellen Ka binettssitzung zusammen. Es ist damit zu rechnen, daß eine amtliche Mitteilung über die Stellungnahme des Kabinetts zur Politik des Außenministers veröffentlicht wird. Dieser Bericht dürfte wahrscheinlich in ähnlicher Kürze gehalten sein wie die vor einigen Tagen in Paris ausgegebene amtliche Mit teilung über den Bericht Briands im französischen Minister rat. Die Kabinettssitzungen in Berlin werden jedoch mit der Freitagsitzung noch nicht beendet sein, sondern der Gesamt komplex der Außenpolitik wird in allen Einzelheiten auch an den folgenden Tagen von der Reichsregierung weiter beraten werden. Da die Regierung über die Grundlinien dieser Politik bereits durch den Staatssekretär Pünder vor einigen Tagen unterrichtet worden ist, kann man auf Grund des in politischen Kreisen vorherrschenden allgemeinen Ein druckes annehmen, daß die Reichsregierung sich dem Standpunkt des Außenministers in allen Punkten anschließen wird und daß dann die von vr. Stresemann in Aussicht genommenen weiteren Schritte auf Grund der mit Briand getroffenen Verein barungen weitergeführt werden. Die Vollversammlung des Völkerbundes erkennt die Notwendigkeit einer Abrüstungskonferenz an. Genf. In der Donnerstag-Vollversammlung des Völ- kerbundes wurden die Berichte und Resoluttonen von der Versammlung angenommen, die im wesentlichen folgenden Inhalt haben: „Die Vollversammlung hofft, daß die Abrüstungskonfe renz zusammentreten wird, sobald die politischen Umstände das gestatten. Das Datum ist von dem Völkerbundrat fest zusetzen. Die Frage der Abrüstung kann aber nicht auf ein- mal gelöst werden. Bei fortschreitender allgemeiner Sicher heit muß auch die Abrüstung fortschreiten. Es kann sich deswegen nicht um eine einzelne Abrüstungskonferenz han deln, sondern dieser müssen weitere folgen. Die Aufgabe der erste» Konferenz ist es vor allem, für eine bestimmte Zeitspanne jedes weitere Wettrüsten zu verbieten. Unter diesen Umständen soll die erste Abrüstungskonferenz nach Möglichkeit vor der Herbsttagung des Völkerbundes im Jahre 1927 zusammentreten, falls dies nicht aus technischen Gründen unmöglich ist." ' Die Abrüstungsfrage vor der Vollversammlung. Genf. In der Sitzung der Vollversammlung, die acht Verhandlungsgegenstände auf der Tagesordnung aufweist, war nur die Abrüstungsfrage von Interesse. Der Berichterstatter Paul-Bo ncour legte einen Antrag des dritten Ausschusses der Versammlung vor, in dem der Völ kerbundrat aufgefordert wird, die Abrüstungskonfe renz noch vor der nächsten Völkerbundver sammlung einzuberufen, falls keine materiellen Hindernisse im Wege stehen sollten. In der Begründung anerkannt — Eisenbahnfrevel auf der Strecke einer neuen Regierung in Spanien einer neuen Regierungskrise in Polen seines Antrages versuchte er zunächst in indirekter Weise die Kritik der Amerikaner abzuschwächen, indem er den vorbe reitenden Arbeiten der Unterausschüsse Lob zollte. Er wies dann auf die Bedeutung der Locarno-Verträge hin, die im Zusammenhang mit den anderen internationalen Verträgen der letzten Zeit die Möglichkeit einer Abrüstungs konferenz ins Auge fassen. Paul-Boncour unterstrich hierauf von neuem die Wichtigkeit der Kontrolle der Rüstungsmaß nahmen durch den Völkerbund und schloß mit dem Hinweis auf die Bedeutung des Artikels 16 im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Quellen einer Nation. Nach Paul-Don- cour sprachen noch mehrere Redner vor fast leeren Bänken über die Abrüstungskonferenz, ohne jedoch den Gegenstand zu erschöpfen und ohne zur Annahme des von Paul-Boncour gestellten Anttages zu gelangen. Vor einer neuen Regierungskrise in Warschau? Warschau, 24. September. Die polnische Regierung hat sich bei den Donnerstag-Beratungen bSs von ihr vorgelegten provisiorischen Haushaltquartals in der Haushaltkommission weitere Abstriche an ihrem Voranschlag gefallen lassen müssen, trotzdem der Regierungsvertrcter erklärt hatte, die Regierung werde einen abgeändcrtcn Voranschlag nicht annehmen. Die ersten Reden in der Hauplaussprache im Plenum des Sejm haben nunmehr sogar den Eindruck erweckt, daß nicht einmal der abgeänderte Voranschlag im Sejm zur Annahme g langen könne. Be achtenswert war besonders die Rede des deutschen Sejmabgeordneten Dr. Pitsch, der erklärte, daß die Erwartungen, die man nach den Mai- ereigntssen auf die Versprechungen der neuen Männer gesetzt habe, schwer getäuscht worden seien. Die deutsche Minderheit habe die Hoff nung auf eine Besserung von seilen dieser Regierung aufgcgeben. Dr. Pitsch erinnerte in diesem Zusammenhang an die 80 Bombenattentate, die allein in der letzten Zeit auf Deutsche und deren Eigentum in verschiedenen Ortschaften stattgesunden hätten und die bis zur Stunde noch unaufgeklärt seien. Die deutsche Sejmfraktion werde gegen die Regierung und ihr Budgetprovisorium stimmen. Die Aussprache wird am Freitag fortgesetzt. Ministerpräsident B.artel empfing gleich nach Schluß der Sitzung die Vertreter der Presse und erklärte in sehr erreg- tem Ton, die Streichungsbeschlttsse der Kommission seien reine Tendenz- beschliisse gegen die gegenwärtige Regierung. Dieser Beschluß des Ausschusses sei für dw Regierung unmaßgevlich Die Regierung werde entsprechend zu antworten wiffm. Man spricht in diesem Zusammen hang von der Möglichkeit der Scjmauflösung. Es sei nicht ausge schlossen, daß die Regiermrg sich entschließe, keine Neuwahlen auszu» schreiben und ohne Sejm weiter zu regieren. Es fehlt auch nicht an Aeußerungen, die im Zutammenhang mit dieser Möglichkeit von einem gewaltsamen Sturz des Kabinetts Bartel sprechen. Der Reichsaußenminister an das Rheinland Köln. Die „Kölnische Zeitung" veröffentlicht eine Er klärung des Reichsaußenministers Or. Stresemann, dis dieser ihrem Vertreter mit der Adresse an das Rheinland kurz vor seiner Abreise aus Genf abgab. Or. Stresemann sagte: „In dem Augenblick, in dem ich Genf verlasse, ist es niir ein Bedürfnis, der Bevölkerung des Rheinlandes, unter der ich ja in wenigen Tagen auf dem Kölner Parteitag der Deut schen Volkspartei weilen werde, einige Worte treuen Ge denkens zu sagen. Wir haben hier an der Stätte des Völker bundes Fragen von geschichtlicher Bedeutung erledigt und haben in einer so kurzen Zeitspanne wichtige politische Ver-j Handlungen geführt. Aber inmitten aller Arbeit, die wir geleistet haben, waren unsere Blicke unaufhörlich auf das Rheinland gerichtet. Des Rheinlandes gedachten wir in der Stunde, als wir, von 48 Nationen begrüßt, in den Saal des Völkerbundes einzogen,. Dem NHMlande gehörte all unser Gedenken in den Be- sprechungen von Thoiry, auf deren große Bedeutung für die Zukunft des Rheinlandes ich nicht mehr einzugehen brauche. Ich glaube, die rheinische Bevölkerung, die in schwersten Stunden soviel Treue und soviel Hingebung an das große Vaterland bewiesen hat, darf am Ausklang dieser denk würdigen Genfer Tagung das frohe Gefühl haben, daß ihre Treue und Hingebung unvergessen blieb und daß sie die sichere Grundlage war, auf der allem an dem Werke der deutschen Freiheit gearbeitet werden konnte."