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Dienstag, den 27. Juli 1926 Nummer 172 78. Jahrgang rechtsform durchzuführen. Dabei wird auch die Frage des Ehrenschutzes von Grund auf verbessert werden. Hand in Hand mit der Reform des Strafrechts werde die Verbesserung des Strafprozetzrechts gehen. Von besonderer Bedeutung sei dabei die Neurege lung der Untersuchungshaft. Außerdem wxrde man das Strafrecht durch ein Strafvollzugsgesetz ergänzen, dessen Aufgabe es sei, den Besserungs gedanken in den Vordergrund zu rücken, dem das Ziel zugrunde liege, aus dem Strafgefangenen wieder ein Mit glied der Gesellschaft zu machen. Neben diesen Hauptarbeiten beschäftige sich das Mini sterium mit einem Gesetzentwurf über die Rechtsstellung der unehelichen Kinder; ein Gesetz über den Vergleich zur Abwendung des Konkurses liege bereits dem Rechtsausschuß des Reichs tages vor. In Arbeit seien ferner das politisch wichtige Auslieferungsgesetz und eine bereits sehr weit fortgeschrittene Zivilprozeßreform, in der eine Re vision der Gesetze des gewerblichen Rechtsschutzes enthalten sein werde. Nach einer Erörterung verschiedener Gebiete der Reichs justizverwaltung betonte der Neichsjustizminister, daß er mit besonderer Sorgfalt die Beziehungen zu den Iustizverwal- tungen der Länder pflege. Voraussetzung einer gedeihlichen. Lösung aller die Rechtspflege angehenden großen Fragen sei die Erkenntnis, daß man sie nicht vom einseitigen poli tischen Standpunkt ansehen dürfe, sondern sie als native nale Lebensfragen erkennen müsse, die die tätige Mitarbeit des ganzen Volkes erfordern. sei ein feststehender Grundsatz unseres Rechtsstaates, an dem nicht gerüttelt werden dürfe. In Wahrheit richteten sich die Angriffe ja auch weniger gegen die Rechtsprechung als gegen die Gesetze selbst. Das Strafgesetzbuch sei reformbedürftig, und das Reichsjustizministerium erblicke seine Hauptaufgabe augenblicklich Karin, die Straf- Staat herangezogen würde, dann könnte man Platz schaffen für die Arbeitslosen, die heute Unterstützung bezögen. Wenn für diesen Gedanken eine Mehrheit im Parlament gefunden werde, dann müsse auch das Ausland vor uns Achtung haben, und wenn schließlich die wirtschaftlichen Nöte beseitigt seien, dann könnten wir uns auch einmal darüber streiten, welche Flagge die richtige sei. Während der Parteivorsitzende das Thema des deutschen Wiederaufbaus mehr vom wirtschaftlichen Gesichtspunkte aus behandelte, beleuchtete Rcichstagsabgeordneter Prof. vr. Bredt-Marburg das Problem von der nationalen und kulturellen Seite. Gegenüber den Versuchen der Deutsch nationalen und der Deutschen Volkspartei, ebenso den demo kratischen Wünschen, die Wirtschaftspartei zu sich herüberzu- ziehen, sei zu betonen, daß die Mittelstandspartci noch eine junge Partei sei, für die ein Zusammenschluß mit irgendeiner anderen Partei in dieser Stunde nicht in Frage kommen könne. Als berufsständische Vertretung sei sie dazu auch gar nicht in der Lage. Das Streben müsse darauf gerichtet sein, die führende Partei in einem großen Bürgerblock zu werden, der auf dem Boden des Privateigentums und der Privatwirtschaft stehe. Die Wirtschaftspartei müsse den gesunden Gedanken einer Aenderung der Verfassung von Weimar erhalten, namentlich den Gedanken, aus dem Parlamentarismus herauszukommen. Ferner muffe eine Revision der Ver- fassung in bezug auf das Privateigentumsrecht erstrebt werden. Die Flaggenfrage sei mit einer Volksabstimmung in keiner Weise zu lösen. Der Redner setzte sich dann sehr warm für den Anschluß, gedanken ein und wies darauf hin, daß sich die Wirtschafts partei nicht nur auf das jetzige Deutschland beschränken könne. Sie müsse an das gesamte Deutschtum Mitteleuropas denken» 28 Forderungen der Wirtschaftspaktes. Der zweite Tag der Reichstagung. Görlitz. Am zweiten Perhandlungstage des Partei Reichsjustizminister Dr. Bell über die? Aufgaben feines Ministeriums - Berlin. Reichsjustizminister vr. Bell ließ sich vor ; der Presse über die Aufgaben seines Ministeriums aus. Er stellte seinen Darlegungen den Grundsatz voran, daß gerade das Justizministerium unbedingt un- , politisch sein müsse, und daß der reine Rechtsstandpunkt überall in den Vordergrund gerückt und politischen Forde rungen gegenüber mit Nachdruck vertreten werden müsse. Die Oeffentlichkeit allerdings beschäftige sich mit einem wichtigen Teil des Rechtsgebietes vorwiegend aus politischen, j Anlaß, und dieses Teilgebiet sei das Strafrecht. Die ! leidenschaftlichen Erörterungen über die Handhabung des Strafrechts verfolge die Reichsjustizverwaltung mit gespannter Aufmerk samkeit. Wenn vielfach Kritik an richterlichen Fehlurteilen - geübt würde, so verwehre er keinem das Recht; aber er i müsse darauf Hinweisen, daß es sich um Einzelerschei - nun gen handele und daß es ein schweres Unrecht gegen den Richterstand sei, diese Einzelerscheinungen zu j verallgemeinern. Mit der Verpflichtung des Richters i zu verfassungstreuer Amtsführung sei selbstverständlich ein ! Gewissenszwang nicht verbunden. Die richterliche Unabhängigkeit Das Wichtigste Die sächsischen Landtagswahlen sollen nicht am 24., sondern am 3l. Oktober stattfinden. In Görlitz findet der Reichsparieitag der Reichspartei des Deutschen Mittelstandes (Wirtschaftspartei) statt. Reichsminister Dr. Külz ist gestern in Hamburg eingetroffen. Wie verlautet, wird er mit dem Senat über Polizeifragen Verhandeln. Poincares Finanzprogramm sieht ein schärferes Anziehen der Steuerschraube vor. In Spanien soll eine Art Volksabstimmung über die be stehende Staatsform stattfinden. In Tokio wurde im vergangenem März ein Wohltätigkeits- konzert veranstaltet zugunsten der Opfer der Januarüber- überschwemmnngen in Deutschland, Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Auf Deutschland entfiel vom Rein ertrag eine Summe von 4188 NM, die eingetroffen und ihrem Zweck zugeführt morden ist. Gestern wurde der dänisch-finnische Lchiedsgerichtsvertrag von dem finnländischen Minister Jdmann und dem däni schen Außenminister Graf Moltke ratifiziert. Im Zusammenhänge mit den in der letzten Zeit katastrophal auftretenden Unwettern unv Erdbehen har auch der Besuo wieder eine erhöhte Tätigkeit ausgenommen. Mächtige Flammen schlugen zum Himmel empor. nw Veredlung der prüsungsnöte. Von einem Fachmann auf dem Gebiete des Schul wesens werden uns folgende Anmerkungen zu der Neu ordnung der Reifeprüfung in höheren Schulen zugesandt, die wir wiedergeben, ohne selbst dazu Stellung zu nehmen. Das Prüfungswesen in Deutschland ist sehr ansehnlichen Umfangs. Die Prüfungsnöte begleiten den Menschen auf seinem wechselvollen Gange und beweisen ihm, daß des Lebens ungemischte Freude keinem Irdischen zuteil wird. Ausgehend von der ersten großen Staatsprüfung, die ein Grundschüler iin 10. Lebensjahre beim Uebertritt in die höhere Schule ablegen muß, begleitet den Jüngling das Prü fungsgespenst fast das ganze Leben hindurch. Die Schwierig keit beginnt mit der Abfassung des Zulassungsgesuches, nach dem das bedauernswerte Opfer viele Monate hindurch bei Tag und Nacht über den Büchern gebrütet hat. Kommt end lich, was nach diesem Schreiben ersehnt und doch gefürchtet wird, die zustimmende Antwort und wieder nach einigen Wochen der Folterung die Einberufung zur Prüfung, dann wirft sich das schon halbtote Prüfungsobjekt zitternd in seinen besten Sonntagsanzug und begibt sich zu seinen Peinigern, um sich, trotz aller Mühe und emsigen Fleißes, den „Durchfall" bescheinigen zu lassen. Wir kennen alle diese Nöte und wissen, von welchen Zusüllen eine auf reine Kenntnisse zugeschnittene Prüfung abhängt. Immer weitere Kreise werden dem Nachweis einer er folgreichen Prüfung unterworfen, und immer mehr werden die Anforderungen gesteigert. Eignungsprüfungen für Lehrlinge sind zur festen Einrichtung geworden, Gesellen- und Meisterprüfung folgen, und wer den Nachweis der Weiterbildung führen will, kann dies nur tun durch Vorzeigung der abgestempelten Urkunde einer Prüfungskommission. Es gibt geprüfte Heizer, geprüfte Putzer, geprüfte Weichensteller, geprüfte Männer und Frauen, geprüfte Kinder und Greise, geprüfte Beamte und Privat angestellte. Es läuft in Deutschland kaum noch ein erwach sener Mensch herum, der nicht „geprüft" ist. Die Prüfungsordnung schreibt die Aneignung bestimmter Kenntnisse vor, die dem Prüfling je nach Veranlagung und Fleiß ein großes Maß von Willenskraft und Beharrlichkeit auferlegt. Aengstliche und gewiß nicht die schlechtesten Kandi daten gehen mit Furcht und Zittern ins Gefecht, während dreiste und redegewandte Teilnehmer furchtlos ins Examen steigen und ost glänzender bestehen als diejenigen, welche im Schweiße des Angesichts sich abgemüht haben. Es ist längst bekannt, daß nicht die Menge des Wissens den Wert eines Menschen ausmacht, sondern die Fähig keit. die erworbenen Kenntnisse zu verwenden. Unbe- Oas Programm -er Wirischafiöpariei. - Parteitag der Reichspartei des Deutschen Mittelstandes j in Görlitz. , Görlitz. Der sechste öffentliche Parteitag der Reichs- 1 Partei des Deutschen Mittelstandes (Wirt- ! sch aftspartei) wurde in Görlitz eröffnet. Zahlreiche r j Parlamentarier, darunter auch Abgeordnete aus Deutsch- : i Oesterreich und den sudetendeutschen Ländern, sowie Delegierte i aus allen Teilen des Deutschen Reiches hatten sich eingefunden, j Der Parteivorsitzende Reichstagsabgeordneter Drewitz- j Berlin eröffnete den Parteitag mit dem Thema „Deutschlands s Mederaufbau in wirtschaftlicher, kultureller und nationaler ! Beziehung". Der Wiederaufstieg Deutschlands sei nicht möglich ohne einen zahlungsfähigen Mittelstand. Wenn es Deutschland nicht gelinge, aus eigener Kraft unser Volk zu heben und vom Ausland in wirtschaftlicher Beziehung unabhängig zu machen, ! dann sei nicht daran zu denken, daß wir jemals in die Lage kommen, die Fesseln des Versailler Vertrages abzuschütteln. Namentlich müsse der staatlichen Zwangswirtschaft ein Ende gemacht werden. Nicht soziale Fürsorge, sondern nur Belebung der Wirt schaft könne helfen, cknd diese Belebung könne nur eintreten, wenn die Fesseln der Zwangswirtschaft und die übergroße steuerliche Belastung beseitigt seien. Die von der Reichsregierung geschaffenen neuen Wege in der Steuerpolitik seien von den Ländern und Gemein den sabotiert worden. Die Notmaßnahmen des früheren Finanzministcrs würden heute in ganz anderem Sinne aus- j gewertet. Redner wandte sich dann scharf gegen die Um- i satzsteuer. In längeren Ausführungen behandelte der Redner hier auf das Problem der Arbeitsdienstpflicht. Wer Arbeitslosenunterstützung beziehen wolle, solle dafür ' auch etwas leisten. Wenn unsere Jugend zum Dienst für den «Reform des Strafrechts Das Programm der Wirtschaftspartei — Poincars zieht die Steuerschraube an — Die polnische Negierung unterstützt die Attentate in Oderschlesien PulsmherFageblait Fernsprecher 18., Te!.-Adr.: Tageblatt Pulsnitz ^näscheck-Konto Dresden 21 38. Girs-Konto 146 ^VAsAT»»TNst»ATAT^AUT?» Bank-Konten: Pulsnitzer Bank, Pulsnitz und Alv ATTA» Commerz- und Privat-Bank, Zweigstelle Pulsnitz Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Kamenz, des Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz sowie der Gemeinderäte Großnaundorf und Weißbach Hauptblatt und älteste Zeitung in den Ortschaften des Pulsnitzer Amtsgerichtsbezirks: Pulsnitz, Pulsnitz M. S., Großröhrsdorf, Bretnig, Hauswalde, Ohorn, Oberstem«, Niederstem», Weißbach, Ober- und Mederlichtenau, Friedersdorf, Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Achtenberg, Klein-Dittmannsdorf Geschäftsstelle: Pulsnitz, Albertstraße Nr. 2 Druck und Verlag von E. L. Försters Erben (Inh. I. W. Mohr) Schriftleiter: I. B. Otto Dorn in Pulsnitz — — — Erscheint an je » em Werktag - — — Im Falle höherer Gewalt — Krieg, Streik oder sonstiger irgend welcher Störung des Betriebes der Zeitung oder der Beförderungseinrichtungen — hat der Bezieher keinen Anspruch aus Lieferung oder Nachlieferung der Zeitung oder auf Rück zahlung des Bezugspreises. — Wöchentlich 0.65 ötM bei freier Zustellung; bei Abholung wöchentlich 0.55 RM; durch die Bost monatlich 2.60 RM freibleibend Anzeigen-Grundzahlen in RM: Die 42 mm breite Petitzeile (Moffe'SZeilenmesser 14) RM 0.25, in der Amtshauptmannschast Kamenz RM 0.20. Amtliche Zeile RM 0.75 und RM 0.60. Reklame RM 0.60. Tabellarischer Satz 50 «/, Ausschlag. — Bei zwangsweiser Einziehung der Anzeigengebühren durch Klage oder in Konkursfällen gelangt der solle Recknungsbetrag unter Wegfall von Preisnachlaß in Anrechnung. Bis >/,10 Uhr vormittags eingehende Anzeigen finden am gleichen Tage Aufnahme