Volltext Seite (XML)
Fernsprecher: Nr. 18. Bezirks-Anzeiger und Zeitung Telegr.-Adr.: Wochenblatt Pulsnitz. Inserate für denselben Tag sind bis vormittags 10 Uhr auszugeben. Die fünf mal gespaltene Zeile oder deren Raum 12 Pf. Lokalpreis 10 Pf. Reklame 25 H.. Bei Wiederholungen Rabatt. Zeitraubender und tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Erfüllungs-Ort ist Pulsnitz. Amts- DK- Blatt des Königs. Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz. Erscheint: Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Mit „Jlluftr. Sonntagsblatt", „Landwirtschaft- icher Beilage" und „Für Haus und Herd". Abonnement: Monatlich 45 Pf., vierteljährlich 1.25 bei freier Zustellung ins Haus, durch die Post bezogen 1.26. ÄlmtäNsatt^lkl'umfassend die Ortschaften: Pulsnitz, Pulsnitz M. S., Vollung, Großröhrsdorf, Bretnig, Hauswalde, Ohorn, Obersteina, Nieder- sUb <1lltlL>Zvl lcljlTol'cZllr steina, Weißbach, Ober-u. Niederlichtenau, Friedersdorf-Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Klein-Dittmannsdorf. Druck und Verlag von L. L. Förster's Erben (Inh.: Z. w. Mohr.) 'Expedition: Pulsnitz, Bismarckplatz Nr. 265. Verantwortlicher Redakteur I. w. Mohr in Pulsnitz. Dienstag, den^. Ieöruar 1908. Ar. 15. 60. Jahrgang. Aröeitsnachweis. Hausmädchen, welches Feldarbeit mit übernimmt, spätestens den :. April :yv8 von Rittergut Bretnig. 2 Arbeiterfamilien für Landwirtschaft, Antritt lofort, von Rittergut Btraßgräbchen. S Pferdeknechte, 1 Milchknecht für sofort (Lohn nach Uebereinkunft und Leistung, höchste Löhne) von H. Bode, Reichenbach b. Königsbrück. Gesucht werden: I Hausmagd bei sofortigem Antritt, Lohn nach Uebereinkunft, von Ll. Pampel, Rittergutsxachter, Ritter gut Hennersdorf bei Kamenz. Einträger, alte Leute, welche nur noch leichte Arbeit verrichten können, Tagelohn ),?o Mark, von Aug. Leonhardi, Glasfabrik, Schwepnitz. Aas Wichtigste vom Tage. König Friedrich August empfing gestern die außer ordentliche schwedische Gesandtschaft und den schwedischen Gesandten Grafen Taube in feier licher Audienz. Der Zustand des Herzogs von Sachsen-Altenburg ist weiter besorgniserregend. Es wird bestätigt, daß der Reichskanzler bereits dem Frankfurter Oberbürgermeister Adickes das Schatz sekretariat angeboten, dieser sich aber Bedenkzeit erbeten hat. Der junge König von Portugal eröffnete gestern die Sitzung des Staatsrats mit einer Ansprache. König Manuel ll. hat eine Proklamation an das por tugiesische Volk gerichtet, in der er den Antritt seiner Regierung ankündigt. Die Ruhe soll nach amtlichen Meldungen im Lande ungestört, in Lissabon wieder hergestellt sein. Die Entsendung englischer Kriegsfahrzeuge nach Lissa bon wird auf 2 Schiffe beschränkt, weil auf die Erhaltung der Ruhe in Portugal gerechnet wird. Die französische Kammer veranstaltete eine Beileids kundgebung für das Königshaus von Portugal unter Widerspruch der Sozialisten. Prinz Heinrich ist am Sonntag in Zarskoje Sselo eingetroffen. In 22 russischen Gouvernements herrscht Hungersnot und Mangel an Saatkorn. Oer ßünigsmord in Lissabon. Ein Verbrechen von einer Grausamkeit, wie es in der Weltgeschichte ohne gleichen dasteht, wurde, wie am Sonntag vormittag durch Anschlag von uns gemeldet, in Lissabon am Sonnabend, den 1. Februar, abends in Lissabon verübt. König Don Carlos I. von Portugal und sein ältester Sohn, der Thronfolger Ludwig Philipp wurden nach ihrer Rückkehr aus der Villa Vicosa von einer Gruppe Bewaffneter erschossen. Der zweite Sohn des Königspaares, Jnfant Manuel, wurde leicht verwun det, die Königin Amalie blieb unverletzt. Die Leichen wurden um 9 Uhr abends in zwei geschlossenen Landauern nach dem Palais Necessidades, von Munizipaltruppen es kortiert, übergeführt. Nachmittags war das Königspaar aus der Villa Bicosa nach Lissabon wieder zurückgekehrt. In dem Augen blick, als der Wagen in die Arsenalstraße einbog, schoß eine Anzahl mit Karabinern bewaffneter Leute aus den König und den Thronfolger, die beide sterbend in das Marine-Arsenal geschafft wurden. Alle vier Mitglieder der königlichen Familie hatten denselben Wagen benutzt. Als die Schüsse fielen, erhob sich die Königin, um den Thronfolger mit ihrem Leibe zu decken. Das heldenmü tige Opfer mütterlicher Liebe war nutzlos. Der König wie der Kronprinz wurden jeder von drei Kugeln durch bohrt. Die Mörder schossen aus nächster Nähe, sodaß sie ihr Ziel sicher wählen konnten. Sie vermieden es, aus die Königin zu schießen, und auch Jnfant Manuel erhielt nur durch einen Zufall eine leichte Verletzung. Die Gründe für die verbrecherische Tat, die an die Ermordung des serbischen Königspaares in der Juninacht 1903 erinnert, aber noch grausiger erscheint als diese, sind bekannt. Im November vorigen Jahres errichtete der Ministerpräsident Franco, als er mit dem Parlament in Konflikt geraten war, die Diktatur. Trotz aller Drohungen und Warnungen, ja trotzdem sich unter den Truppen eine bedenkliche Gährung bemerk bar gemacht hatte, beharrte Franco auf seinem Starrsinn und wußte sich das Vertrauen des Königs zu erhalten. In der Voraussetzung, daß Spanien, wie es schon des öfteren getan hatte, der bedrängten Regierung seines Nachbarlandes im äußersten Falle der Not militärische Hilfe leisten würde, schritt Franco aus dem Wege drako nischer Maßnahmen in herausfordernder Weise vorwärts. Sein jüngstes Dekret, das am Tage des Königsmordes amtlich publiziert wurde, verfügte die Ausweisung aller verdächtigen Personen oder ihre Deportation in die Kolonien. Das Dekret hebt auch die parlamentarische Immunität auf und erhielt rückwirkende Kraft für alle Verbrechen, die seit dem 21. Januar 1907, dem Tage der Aufrichtung der Diktatur, in Portugal begangen wurden. In diesem Dekret, das natürlich ohne die königliche Sank tion nicht hätte erlassen werden können, hat man den unmittelbaren Anlaß zu der furchtbaren Katastrophe zu suchen. Die Regierung König Karls l. von Portugal weist neben Licht- auch düstere Schattenseiten aus. Ganz Por tugal jubelte dem Könige zu, als dieser bei seinem Re gierungsantritt erklärte, die Ansprüche Portugals auf seine Kolonien England gegenüber entschieden zu ver treten. Aber schon wenige Monate später gab es tumul- larische Szenen im Lande, als der König Englands For derungen hatte weichen müssen. Erst 1891 gelangte Por tugal zu einem einigermaßen befriedigenden Kolonialab kommen mit dem überlegenen britischen Rivalen. In zwischen aber verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage Portugals, und die Staatsfinanzen gerieten in Schwie rigkeiten. Wohl wurden die Beamtengehalte um 5 bis 20 Prozent gekürzt, die direkten Steuern erhöht, der König verzichiete auf s/z der Zivilliste. Trotzdem erfolgte der Staatsbankerott. Am 13. Juni 1892 erschien ein Dekret, das den Staatsgläubigern nur ein Drittel ihrer Zinsen anwies. Ernste Proteste Deutschlands und der übrigen interessierten Mächte blieben erfolglos, und erst als de- bisherige General-Prokurator am obersten Gerichtshöfe Hintze Ribeira an die Spitze der Regierung trat, der sich größter Sparsamkeit befleißigte, gelang die Befriedigung der auswärtigen Gläubiger, aber auch nur im bescheide nen Umfange und sehr allmählich. Der ermordete Aönig Don Larlos I. von Portugal wurde als ältester Sohn des Königs Ludwig I. und der Königin Maria Pia, einer Tochter des Königs Viktor Emanuel von Italien, am 28. September 1863 in Lissabon geboren und bestieg nach dem Tode seines Vaters am 19. Oktober 1889 den Thron. Am 22. Mai 1885 hatte er sich mit ger am 28. September 1865 geborenen — der König und die Königin feierten an dem gleichen Tage Geburtstag — Prinzessin Amalie von Orleans-Bourbon vermählt. Dieser Ehe sind zwei Söhne entsprossen, der mit dem König ermordete Thronfolger Jnfant Ludwig Philipp, der am 21. März 1887 geboren wurde, also im kommenden Monat sein 21. Lebensjahr vollendet hätte, und der Jnfant Manuel, der am 15. Oktober 1889 ge boren wurde. — Die Königin, mit der Don Carlos in nahezu 23 jähriger glücklichster Ehe verbunden war, und die die Kunstliebhabereien des Königs teilte und der ein zige weibliche Doktor ist, der an der Universität Lissabon promoviert wurde, erkor König Karl aus reiner Herzens neigung. Sein Vater wollte ihn aus Staatsgründen mit einer österreichischen Erzherzogin vermählen. Der damalige Thronfolger aber widerstand diesen Plänen, und als er gelegentlich des Besuches bei einer französi schen Gräfin das Bild der Prinzessin Amalie von Or leans-Bourbon erblickte, stand es bei ihm fest, diese und keine andere. Und der jugendliche Prinz setzte seinen Willen durch. Einzelheiten über die Ereignisse. Der königliche Zug hatte Villa Vicosa in der Rich tung nach Barreiro am Südufer des Tajo verlassen. In Barreiro kam der Zug infolge einer Entgleisung in der Nähe des Bahnhofes Casabranca mit einer kleinen Ver spätung an. Die Ueberfahrt mittels Fährbootes über den Tajo erfolgte ohne Unfall. Das Fährboot legte am Lan dungsplätze in Lissabon an, wo die königliche Familie die Begrüßung der Minister und der Truppen und der anwesenden Privatpersonen entgegennahm. Eine junge Dame bot der Königin ein Bukett. Die Königin Amalie und König Carlos unterhielten sich mit den offiziellen Persönlichkeiten, woraus die Königliche Familie die bereit stehende Equipage bestieg. Eine große Volksmenge hatte sich angesammelt, um die Vorbeifahrt der Majestäten zu sehen. Als der Wagen im gewöhnlichen Tempo am Finanzministerium vorbei- suhr, drängte sich aus der Menge ein Mann im Sport anzug vor und gab mit einem Revolver einen Schuß auf den König ab, der diesen auf der linken Seite verwun dete. Die Königin und der Kronprinz stießen Schreie aus. Die Königin erhob sich, indem sie mit dem in der rechten Hand haltenden Blumensträuße auf den Angreifer hin wies, der alsbald einen zweiten Schuß abgab, der den König in den Rücken traf. Der König fuhr mit der Hand nach dem Kopfe und fiel auf die rechte Seite. Meh rere Personen stürzten sich auf den Mörder, der, indem er zu Boden gerissen wurde, noch einen dritten Schuß ab gab, der in die Luft ging. Inzwischen war ein zweiter, in einen großen Mantel gehüllter schwarzbärtiger Mann an den Wagen herangetreten und hatte zwei Schüsse auf den Kronprinzen abgegeben, die diesen im Gesicht und an der Brust trafen. Als er zum dritten male schießen wollte, schlug ihm ein Polizeibeamter die Waffe aus der Hand und tötete ihn durch einen Säbelhieb. In diesem Augenblicke allgemeiner Panik erschien der Herzog von Qporto im Automobil, zog einen Rerolver aus der Tasche und folgte mit der Waffe in der Hand dem Königlichen Wagen, der in das Marinearsenal einfuhr. Die Verwir rung war eine allgemeine. Der Tod des Königs trat sofort ein. Der Kronprinz lebte noch fünf Minuten. Die Leichen wurden auf die ärztliche Station des Marine arsenals gebracht. Hier stellten die Aerzte fest, daß der König zwei Schüsse erhalten hatte, von denen der eine die Wirbelsäule getroffen hatte. Bei dem Kronprinzen war die eine Kugel durch die rechte Wange in die Nase gegangen, während die andere, die das Brustbein durch drungen hatte, die Lunge durchbohrte. Inzwischen be fanden sich die Königin und der leichtverwundete Jnfant Manuel, dem ein Verband angelegt wurde, in einem an deren Raume des Arsenals, wo sie erst den Tod des Kö nigs und des Kronprinzen erfuhren. Auch die Königin- Witwe Pia war dort eingetroffen. Nach Prioatmeldungen hat die Königin einen Streifschuß an der Schulter erhalten, als sie den Kron prinzen mit ihrem Körper zu schützen suchte. — Das Befinden des Königs Manuel ist befriedigend. Seine Verwundung hatte bisher keine Komplikation im Gefolge. Er trägt einen Arm in der Binde und erklärte, daß er keine Schmerzen habe. — Im Schlosse finden sich zahl reiche Personen ein, um ihre Anteilnahme auszudrücken. Auch aus allen Teilen des Landes laufen Beileidsäuße rungen ein. Den Behörden gehen allenthalben Ergeben heitskundgebungen zu. Die Polizei beobachtet Schweigen über die Persönlichkeiten der Mörder und die von ihr eingeleitete Untersuchung. Der Minister des Aeußeren teilte mit, daß die Mörder des Königs von Portugal sechs mit Karabinern und Revolvern bewaffnete Per sonen waren und daß sie von politischen der Regierung feindlichen Agitatoren bezahlt wurden. Unter den Ge töteten sei ein Franzose, der den für die Beteiligung an dem Verbrechen gezahlten Preis in einem Beutel bei sich trug. Man ist überzeugt, daß die Mörder die Absicht gehabt hätten, auch die Königin und den Prinzen Ma nuel zu töten, um die dadurch entstandene Bestürzung und Verwirrung zur Proklamierung der Republik zu benutzen. — Die letzten Ereignisse haben das mo narchische Gefühl in Zivil- und Militärkreisen noch mehr gestärkt. Der Geist und die Disziplin des Mili tärs sind ohne jeden Tadel. Wie sich jetzt herausstellt, ist das Gelingen des Attentates auf den König und den Kronprinzen auf ein Versäumnis des Oberhofmarschalls zurückzuführen. Kurz nämlich, bevor das Königspaar die Fahrt nach Lissabon antreten sollte, erhielt der Oberhofmarschall von dem Chef der Lissaboner Polizei die Mitteilung, daß eine weit verzweigte Verschwörung bestehe, die gegen das Leben des Königspaares gerichtet sei, und daß die Ausführung eines Attentates bei der Rückkehr des Königspaares nach