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Pulsnitzer Mckenbiatt Ielegr.-5ldr.: Wochenblatt Pulsnitz erscheint: Dienstag, Donnerstag u.Sonnabend. 5lmts des l^Önigi. Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz 6mtcrbl/ltt umfassend die Ortschaften: Pulsnitz, Pulsnitz M. S., Vollung, Srotzröhrsdork, Breinig, löausvvalde, Ohorn, Obersteina, Nieder- ' tltttootUtt i Ut t itINtIget I LI) IO 11 IX uiO! tii), steina.VVsitzbach, Ober-u.Nisdsrlichtsnau,§risdsrsdork-1'hiemsndorf, Mitteldach, (Zrotznaundork, Lichtenberg, Klein-Dittmannsdork. Verantwortlicher Redakteur: I. XV. Mohr in Pulsnitz. C-cpedition: Pulsnitz, Bismarckplatz Dr. 265. 6l. Jahrgang Donnerstag, den 28. Januar 1909 Zeitraubender und tabellarischer Satz nach be sonderem Tarik. Lrwllungsort ist Pulsnitz. Inserats kür denselben Tag sind bis vormittags 10 Uhr aukzugeben. Die funk mal gespaltene Zeile oder deren Naum 12 Pf., Lokalpreis 10 Pf. Neklams 25 pk. Sei Wiederholungen Nabatt. Druck und Verlag von L. L. körster's Lrden (Inh.: Z. XV. Mohr). und Zeitung KM'Klatt Fernsprecher: Nr. 18. Vszirks-Anzsigsr Mit „Illustr. Sonntagsblatt", „Landwirtschaft- kicher Beilage" und „§ür IZaus und löerd". Abonnement: Monatlich 45 pk., vierteljährlich Mk. 125 bei kreier Zustellung ins Saus, durch dis Post bezogen Mk. 1.41. Aas Wichtigste. Der Geburtstag des Kaisers wurde überall im Reiche festlich begangen. Der Kaiser hat aus Anlaß seines Geburtstages zahlreiche Auszeichnungen ver liehen. Die österreichische und englische Presse ge denkt des Tages mit warmer Sympathie. Die älteste Frau Sachsens, die in Zittau lebende Witwe Geier, feiert heute ihren 103 Geburtstag. Laut einer Londoner Blättermeldung wird die britische Admiralität im kommenden Frühjahr unter dem Namen „Nordseeflotte" eine gänzlich neue Flotten macht bilden. Bei dem Bergwerksunglück in Pittsburg sind 22 Per sonen umgekommen. Die Türkei zi-ht an der ostrumelisch - adrianopler Grenze Truppen zusammen. Serbien beruft wei tere Reserven ein. In Messina hat sich eine neue starke Erderschütterung ereignet. Der am 1. Februar in Köln ausbrechende Aerzte- Ausstand wird jedenfalls einen größeren Umfang annehmen. vis nsus krisgsgskabr im Orisnt. Die Verhandlungen zwischen der Türkei und Bul garien über die schwebenden Streitfragen stocken jetzt vollständig, da man weder in Konstantinopel, noch in Sofia bezüglich der Entschädigungssumme für die Orient bahnen und die Ablösung der türkischen Tributs noch weiter entgegenkommen will. Die bulgarische Regierung hat die türkische Forderung von 200 Millionen Francs als Abfindungssumme für viel zu hoch erklärt, und will Bulgarien höchstens 150 Millionen Francs zahlen. Da bei wird auf einmal in Sofia die Befürchtung laut, daß die Türkei einen Handstreich gegen Bulgarien plane und sich in den Besitz einiger wichtigen Grenzgebiete Bulga riens setzen wolle, um ein Faustpfand für die türkischen Forderungen zu bekommen. Zugleich wird dabei gemel det, daß Bulgarien einem türkischen Handstreiche durch Verstärkung seiner Besatzungen an der Grenze vorbeugen wolle. Diese letzteren Meldungen sind aber absolut wert los, und kann man nicht begreifen, wie solche direkt blöd sinnige Depeschen in die Welt gesetzt werden können, denn es ist ja ganz klar, daß ein türkischer Handstreich gegen Bulgarien sofort den Ausbruch des Krieges zwischen Bulgarien und der Türkei zur Folge haben würde. Wenn man also in Konstantinopel auf kriegerische Mittel gegen Bulgarien sinnt, so kann das nur eine Kriegserklärung gegen Bulgarien oder der Einmarsch der ganzen türkischen Armee in Bulgarien sein, denn man müßte ja in der Umgebung des Sultans allen diplomatischen und mili tärischen Verstand verloren haben, wenn man gegenüber Bulgarien, das sich einer Menge Uebergriffe und Anma ßungen schuldig gemacht hat, mit hüben und kleinen Mitteln vergehen wollte. Es wird sicher jedermann dem aufstrebenden Bulgarien eine gute Entwickelung gönnen, aber es kann niemals gebilligt werden, daß Bulgarien einen Teil der türkischen Orientbahnen in Besitz genom men hat und sich von der Türkei als losgelöst erklärt hat, ohne eine entsprechende Verständigung mit der Türkei erzielt zu haben. Für jeden anderen Großstaat wäre dieses dreiste und anmaßende Gebühren Bulgariens schon längst mit einer Kriegserklärung beantwortet worden und wir glauben auch nicht, daß irgendeine Großmacht den Bulgaren beistehen wird, wenn sie sich nicht mit der Türkei verständigen und die streitigen 50 Millionen Francs noch zahlen. Da die ganze Streitfrage zwischen der Türkei und Bulgarien aber eine Geldfrage ist, so ist auch nicht anzunehmen, daß die Großmächte ruhig zusehen, wenn der Konflikt zwischen der Türkei und Bulgarien ein Kriegs brand zu werden droht, es wird daher wohl bei Zeiten der kalte Wasserstrahl seitens der Großmächte nach Kon stantinopel und vor allen Dingen auch nach Bulgarien geleitet werden, um die dortigen Machthaber von ' ber- eilten Schritten abzuhalten. Der weder vom Sultan noch ' von den Großmächten anerkannte Zar Ferdinand von Bulgarien müßte ja auch kein kluger Fürst sein, wenn er wegen des NichlbezahlenS von 50 Millionen Francs einen in seinen Folgen sehr zweifelhaften Krieg mit der Türkei heraufbeschwören wollte, denn der Krieg könnte ihm leicht mehr kosten, als die ganze Forderung der Türken beträgt, des Menschenverlustes und des zer störten Eigentums im Kriegsfälle gar nicht zu gedenken. Oder wollten die Bulgaren von England wirklich heim lich zum Kriege gegen die Türkei aufgemuntert werden? — Wir wüßten eigentlich nicht recht, was England durch einen Steg der Bulgaren über die Türkei gewinnen wollte! Will England vielleicht dann den Friedensvermittler spie len und sich wieder eine türkische Insel schenken lassen! Es ist doch auch gar nicht sicher, daß die Bulgaren die Türken so leicht besiegen werden, es kann auch der Fall eintreten, daß Bulgarien geschlagen wird und daß die siegreiche Türkei dann wieder den alten Zustand zwischen sich and Bulgarien herstellt, d. h. ihre Eisenbahn wieder in Besitz nimmt, und den Bulgaren die. Unabhängigkeit wieder entreißt. Die Möglichkeit dieses gefährlichen Aus ganges des Konfliktes zwischen der Türkei und Bulgarien dürfte auch die bulgarischen Staatsmänner noch geneigt machen, sich mit der Türkei finanziell zu verständigen, um den Krieg zu vermeiden. Osrtiicdss und Säcdsiscbss. Pulsnitz. Am Abende des 26. Januar hielt unsere Stadtschule eine Vorfeier des Geburtstages unseres Kaisers ab, die sich einer außerordentlich großen Teilnahme unserer Bürgerschaft erfreute. Nach dem allgemeinen Gesänge des kraftvollen Liedes: Wir treten zum Beten, sprach Herr Schuldirektor Brück das Gebet für Kaiser und Reich, dem unter Leitung des Herrn Lehrers Steglich ein Kindergesang: Deutsches'Matrosen- li.-d folgte. Sodann hielt Herr Lehrer Winkelmann den Festaortrag, der die Hörer in den Kieler Hafen zur Be- stchligung eines unserer Kriegsschiffes führte. Auf Grund eigener Anschauung entwarf der Herr Redner ein aus führliches Bild der bewundernswerten Einrichtung eines Schlachtschiffes, schilderte eine Rundfahrt durch den Kriegs- Hafen und schloß mit dem Hinweise auf die Bedeutung unserer starken Flotte Dem Kaiscrhoch folgte der ge ineinsame Gesang des Kaiserliedes. Nach einer Pause sprach der Schüler Ehrenfried Haufe das markige Weihe lied von Gottfried Schwabe, und nun fesselten eine An zahl Lichtbilder unserer Schiffe und unserer Küste das Auge. Nach einem Gedichtsvortrage schloß die Feier mit dem Gesänge der Wacht am Rhein. Um die geschmack volle Ausschmückung der Turnhalle hatte sich Herr Schul hausmeister L-chwiebus sehr verdient gemacht, ebenso Herr Betriebsleiter Geißler um das Gelingen d.r Lichtbilder vorführung. Pulsnitz. Der 50. Geburtstag Sr. Maj. Kaiser Wilhelm II. wurde auch in unsrer Stadt festlich begangen. In den Morgenstunden ertönte ein von der Stadtkapelle ausgeführter Weckruf und >/z12—-/g1 Uhr mittags fand Konzert auf dem Marktplatze statt; die öffentlichen wie Privatgebäude waren geflaggt. — Eine der Bedeutung des Tages entsprechende, würdevolle Feier veranstaltete der hiesige Königlich Sächsische Militärverein in Gemein schaft mit dem Konservativen Verein für den Amtsge richtsbezirk Pulsnitz im Saale des Schützenhauses, auf dessen Podium sich die Büste des Kaisers inmitten Pflan zengrün erhob. Zahlreich hatten sich die Mitglieder der genannten Vereine mit ihren Angehörigen eingefunden. Die Vorstandschaft hatte es trefflich verstanden, der Ver anstaltung ein vornehmes Gepräge zu verleihen, denn was der Abend bot, war ein sehr leicher Strauß von ansprechenden instrumentalen und gesanglichen Tonwerken. Passend gewählte, exakt und gut zu Gehör gebrachte Kon zertstücke der Stadtkapelle, von denen der große Zapfen streich und das harmonische Kavallerie-Retrait „Unter den Linden" mit den Biavourleistungen des Herrn Trompeter Wittig besonders beifällig ausgenommen wurde, wechselten ab mit schönen Weisen des Militärgesangvereins, der wohlverdienten Beifall erntete. Als Mitwirkende waren gewonnen worden die Königliche Hofopernsängerin Fräu lein Gertrud Sachse und der Pianist Herr Karl Pretzsch aus Dresden. Fräulein Sachse zeichnete sich durch ihren seelenvollen, Herz und Gemüt gefangennehmenden Ge sang aus, wobei eine künstlerische Ausbildung hervor strahlte. Herr Pietzsch erwies sich als ebenso feinfühliger Be gleiter der Gesänge, wie vollständiger Beherrscher der Tasten als künstlerischer Pianist. Die Zuhörer dankten für den gebo tenen hohen Kunstgenuß mit derartig starkem und an haltendem Applaus, daß sich die Dresdner Künstler zu Zugaben verstehen mußten. Im Mittelpunkt der Feier stand die Ansprache des Herrn Or. mect. Kreyßig, welcher den hohen Geburtstagsträger in erhabener Weise feierte und ein Hoch auf denselben ausbrachte. Begeistert stimmte die Festversammlung ein, worauf das „Heil Dir im Sie gerkranz" mächtig den Saal durchbrauste. Nachdem das Konzert beendet, beschloß ein frohbelebter Ball die erhe bende Feier. Pulsnitz. In den letzten Tagen und Wochen herrschte unter Erwachsenen und Kindern eine gewisse Aufregung, da man in Erfahrung gebracht hatte, daß ein Nichtsnutz Gefallen daran fand, Passanten mit Vitriol zu bespritzen. Die Polizei hat zwei Fälle festgestellt, von denen einer vor und einer nach Weihnachten datiert. Der verursachte Schaden beträgt 80 M. Weiter ist es der Polizei gelun gen, in dem Vitriolspritzer den Arbeiter B. aus Weißbach, der in Pulsnitz beschäftigt war, zu ermitteln. Er wird nun der verdienten Strafe entgegensetzen. Pulsnitz Am Montag, den 25. Januar waren es 50 Jahre, daß Herr Schuhmachermeister Gotthelf Ludwig Kind sich sein Meifterrecht bei der Schuhmacher-Innung zu Pulsnitz erwarb. Die Innung ließ dem Jubilar durch ten Obermeister, Herrn Alwin Schreiber, sowie mehrere Vorstandsmitglieder die herzlichsten Glückwünsche darbrin- gcn und ihn zum Ehrenmitglied ernennen. In der am Nach mittag selbigen Tages stattgefundenen Jnnungsversamm- lung wurde dec Jubilar weiter geehrt, indem ihm sei tens eines Vertreters der Gewerbekammer Zittau, Herrn Gerbermeister Eduard Scheumann - Kamenz, der Ehren- Meisterbrief überreicht wurde. Pulsnitz. Anläßlich der in hiesiger Gegend statt findenden Winterfelddienstübung der Regimenter Nr. 177, 178 und der Grenadiere sind für den 29. d. M. in hie siger Stadt Quartiere bereit zu halten für 2 Generäle, 10 Stabsoffiziere, 5 Hauptleute, 1 Leutnant, 1 Feldwebel, 1 Vizefeldwebel, 3 Unteroffiziere, 19 Gemeineur^d 36 Pferde. Pulsnitz. Vielseitigen Wünschen entsprechend, gehen wir, wie schon in Nr. 5 dieses Blattes angeküfidigt, aus den nächsten Inhalt des von dem Wohltätigkeitsverein „Sächsische Fechtschule" nächsten Sonntag, den 31. Januar zur Aufführung gelangenden Theater Stückes „König W i ti ch'is" an dieser Stelle näher ein und bringen in kurzen Umrissen einen Auszug aus jeaer Zeit der Geschichte, aus welcher uns der Verfasser Personen und Ereignisse in diesem Drama vorführt und in Wort und Handlung zu Gehör und Gesicht bringt. Nicht unerwähnt bleibe, daß der Verfasser einzelne Ereignisse eng zusammen gefaßt hat, um ein geschloffenes Ganzes zu schaffen. Der Kampf um Rom bildet die Grundidee. Wir müssen, um den Besuchern ein vollständiges Bild von der Lage der Dinge zu jener Zeit, in welcher sich die Handlung des Stückes abspielt, geben zu können, zurückgreifen bis auf die Zeit der Völkerwanderung. (4.-6. Jahrh. n. Ehr.) Durch diese wurde das römische Weltreich zertrümmert und der Uebergang vom Altertum zum Mittelalter an gebahnt. Ein großer Teil Europas erhielt durch diese Wanderungen eine neue Bevölkerung. Einzelne Völker setzten sich auf den genommenen Sitzen dauernd fest. Die römische Hochkultur, der Luxus und die feineren Ge nüsse verlockten ganze Stämme, in römische Dienste zu treten oder sich vertragsmäßig niedcrzulassen. Andere Völker raubten die ersehnten Reichtümer oder fruchtbaren Landstriche. So auch die Gothen. Durch die Hunnen, welche aus dem Innern Asiens hervorbrachen und im Jahre 375 das mächtige Gotenreich Hermanrichs zerstör ten, wurde eine förmliche Ueberschwemmung des römischen Reiches durch barbarische Völkermassen herbeigeführt. Die Ostgothen unterwarfen sich den Hunnen und setzten sich in der ungarischen Tiefebene fest. Durch den Sieg über Valens bei Adrianopel sicherten sich die Westgoten Mösien und Thrakien. Alarich führte sie 401, nachdem er 395 bis 96 Griechenland verwüstet hatte, nach Italien, wurde aber von Stilicho zurückgeworfen. 408 brachen die West gothen wieder in Italien ein, zogen 412 nach Gallien und gründeten 419 in Südgallien und Nordspanien ein selbständiges Reich. Die Trümmer des westgothischen Reiches konnten sie nicht behaupten und als Lheoderich d.Gr., König der Ostgothen, 488 sein Volk wiederum nach Italien führte, besiegte er in 3 Schlachten den germani schen Söldncrkönig Odoaker, der sich 476 des weströmi schen Thrones bemächtigt hatte, und tötete ihn 493 nach