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Bis '/-10 Uhr vormittags eingehende Anzeigen finden am gleichen Tage Aufnahme Das Pulsnitzer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft u. des Finanzamtes zu Kamenz des Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz sowie der Gemeinderäte Großnaundorf und Weißbach behördlicherseits bestimmte Blatt Hauptblatt und älteste Zeitung in den Ortschaften des Pulsnitzer AmtSgerichtsbczirks: Pulsnitz, PulSnitz M. S., Großröhrsdorf, Bretnig, Hauswalde, Ohorn, Obersteina, Niedersteina, Weißbach, Ober- und Niederlichtenau, Friedcrsdorf, Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Kleindittmannsdorf Geschäftsstelle: Pulsnitz, Albertstraße Nr. 2 Druck und Verlag von E. L- Försters Erben (Inh. I. W. Mohr) Schriftleiter: I. W. Mohr in Pulsnitz Nummer 131 Sonnabend, den 7 Juni 1S3V 82. Jahrgang Pfingsten Es ist vollbracht, das heil'ge Wunder, Nach langer banger Winternacht! Das ärmste Zweiglein am Hollunder Prunkt stolz in sel'ger Blütenpiacht. DeS Lebens Tore stehen offen, In Fülle, Schönheit prangt das Feld, Und Lebensglauben, Lebenshoffen Jauchzt jubelnd durch die Frühlingswelt. Pfingstglocken tragen ihre Weisen Durchs sonnengoldne Blütenland, Den großen Sinn des Alls zu preisen, Da neu die Erde auferstand, DeS Zweifels Knechte zu bekehren Zum großen heil'gen Lebenslied, Zu künden, daß zu Gottes Ehren Die Erde keimt und grünt und blüht. Den Dreiklang, jenen heilig schweren, Der letzten Rätsels Lösung weist, Im Werden der Natur zu lehren; Gott Vater, Sohn und heil'ger Grist; Gott als den Schöpfer im Gestalten, Die Liebe, die aus allem spricht, Unfaßbar jenes Geistes Walten In Blüte, Frucht, in Quell und Licht. So muß der Kreis des Alls sich schließen In Schöpfung, Liebe und in Geist! Ob hoch im Norden Gräfer spriesen Armselig, dürr und halb vereist, Ob Märchenwunder sich entfalten Im blütenschweren Tropenwald, Sie Preisen alle nur das Wallen Der nie erfaßten Gottgewalt! Sie reden alle eine Sprache, Die jede Kreatur versteht, Die an dem pfingstlich Hellen Tage Lobpreisend um die Erde weht; Heilkündend, segnend, Glückbenommen Jauchzt sie im weichen Frühlingswind, Daß wir aus einem Schoße kommen Und eines Gottes Kinder sind! Felix L o Göckeritz. Das Wichtigste Der Reichskanzler hat Freitaz abend Berlin verlassen und wird die Feiertage in Süddeutschland verbringen. Kapitän Lahmann erklärte kurz nach der Landung deS „Graf Zeppelin" in Friedrichshafen dem Vertreter der Telegraphen-Union, daß die bet der Südamerika Fahrt zurückgelegte Strecke beinahe 30 000 km betrage. Wie au» Moskau gemeldet wird, ist in Murmansk am Nördlichen Eis meer plötzlich große Kälte eingetreten. Die Temperatur fiel bis auf 5 Grad Kält«. Außerdem setzte Schneefall ein, der zum Schnee sturm auSartete und den Eiscnbahnverkeh, vollkommen lahmlegte. Man befürchtet, daß die Kälte längere Zeit andauern wird. Die Regierung der Bereinigten Staaten hat nunmehr amtlich bekannt, gegeben, daß gegen die Plazierung der deutschen ReparalionsbondS in Amerika keine Einwendungen mehr erhaben werden. Rach einer Meldung gu» Bombay find Freitag abend in Scholapur vier Inder wegen der Ermordung eines Polizisten bet den kürz- lichen Unruhen zum Tode verurteilt worden. Der Richter, der das Urteil sprach, war ein Inder StttliHe Md Mlischt AWlegecheilen Pfingstgrün Uebers Jahr, zur Zeit der Pfingsten Pflanz' ich Maien Dir vor» Haus, Bringe Dir au« weiter Ferne Einen frischen Blumenstrauß. So sang Hoffmann von Fallersleben, und mit Recht. Zu keiner anderen ZAt im Jahr sind die Bäume grüner und frischer, zu keiner anderen Zeit auch sind Wiesen, Raine und Ufer, sind Büsche und Hecken mehr voller farbigster Blütenpracht, als zu Pfingsten, wenige Wochen vor dem Mittsommerstag. Was Wunder, wenn die Menschen gerade Wie das Reich seine Finanzen ordnen will Dr. Stegerwald über die Matzuahme« der Negierung Die Blätter zum Deckungsprogramm der Reichsregierung Reichsarbeitsminister vr. Stegerwald sprach am Freitag vor Pressevertretern über die Neuregelung der Arbeitslosenversicherung. Der Minister erklärte, daß die augenblicklichen Beiträge für Arbeitslosenversicherung und die im Reichshaushalt bereitgestellten Mittel zur Unter stützung von 1,4 Millionen arbeitslosen Hauptunterstützungs empfängern und Krisenfürsorgeberechtigten ausreichten. Für 1,6 Millionen Hauptunter st ützungsemp» fänger und 400 000 Kr i se nfü rso rg e b e r e ch - tigte müßten jedoch weitere Mittel be schafft werden. Außerdem sei ein Arbeits» beschaffungsprogramm von Reichsregierung, Reichspost und Reichsbahn für mehrere 100 000 Arbeiter erforderlich. Hierfür sei insgesamt ein Aufwand von über zwei Milliarden Reichsmark notwendig. 850 Millionen Reichsmark, die insgesamt für die Inordnung- bringung der Arbeitslosenversicherung fehlten, sollen auf folgende Weise aufgebracht werden: 1. durch Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversiche rung 220 Millionen, 2. durch Ersparnisreform bei der Arbeitslosenversicherung 115 Millionen, 3. durch Notopfer der Festbesoldeten in der öffentlichen und in der Privatwirtschaft, der Ledigen und der Aus- sichtsrätc 350 Millionen, 4. durch Verkauf von Vorzugsaktien der Reichsbahn 100 Millionen und 5. durch Umgruppierung der Zahlungstermine für die Zigarettensteuer 50 Millionen. Der noch verbleibende Rest soll durch Einsparungen im Reichshaushalt hereingeholt werden. Weiter erklärte vr. Stegerwald, daß die Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auf 4^ Prozent und die in Aussicht genommene E r - sparnisreform sowie die in Vorschlag gebrachten Steuern, insbesondere das Notopfer für die Festbesoldcten, als eine Einheit angesehen werden müßten. Die Einführung eines allgemeinen Notopfers sei unzweckmäßig gewesen. Durch die jetzige Regelung werden belastet die Arbeit geber und die Arbeitnehmer mit der Beitragserhöhung, die besser bezahlten Versicherten, sofern sie keine 52 Wochen beiträge geleistet haben, mit einer Verringerung ihrer Unter stützungssätze, die über 21 Jahre alten Ledigen mit der Ein führung einer 14tägigen Wartezeit, und ferner die Fest besoldeten in der öffentlichen und Privatwirtschaft mit einem Notopfer von 4 Prozent ihres Einkommens (nicht der Einkommensteuer). Daneben werden noch die Ledigen und die Aufsichtsräte zum Notopfer herangezogen. Hie jetzt getroffene Regelung gilt für die Zeit vom 1 Jul' 1930 bis zum 31. März 1931. Bitte zahlen! Die Neubelastung, die sich für weiteste Volkskreise aus den von dem Neichskabinett beschlossenen Maßnahmen zur Sanierung der Finanzwirtschaft des Reiches ergibt, wird von allen Volkskreisen mit süßsaurer Miene ausgenommen werden. Man hört nur wieder von neuen Opfern, die dem Volke zugemutet werden, ohne zu erkennen, ob der Weg zum Ziel führt. Es ist nur zu hoffen, daß die Sanierung der Finanzen gelingt und daß die neuen Opfer wenigstens Zweck haben. Wir wollen kein Geld in einen Topf ohne Boden werfen. Der wichtigste Punkt des Sanierungsprogramms der Reichsregierung ist die Reform der Arbeitslosen versicherung, die im großen ganzen an die Beschlüsse des Vorstandes der Reichsanstalt der Arbeitslosenversicherung angelehnt ist. Freilich erfuhr die Beitragshöhe die beträcht liche Steigerung von 3,5 auf 4,5 Prozent. Diese Maßnahme war, wie der Reichsarbeitsminister sagt, nicht mehr zu um gehen, da die gegenwärtigen Beiträge zur Arbeitslosenver- sicherung, für die Mittel im Reichshaushalt bereitstehen, nur zur Unterstützung von 1,4 Millionen arbeitslosen Haupt- unterstützungsempfängcrn und Krisenfürsorgeberechtigten ausreichen. Um den Etat der Arbeitslosenversicherung und des Reichshaushalts nunmehr ins Gleichgewicht zu bringen, muffen, nachdem die Lage auf dem Arbeitsmarkt trotz der Frühjahrssaison eine geradezu bedenkliche Entwicklung ge nommen hat, neue Mittel beschafft werden, und zwar ist für die nächsten Monate mit etwa 1,6 Millionen Hauptunter stützungsempfängern und 400 000 Krisenfürsorgeberechtigten zu rechnen. Daneben sollen durch öffentliche Auftragsver- gedungen, hauptsächlich der Nrichspost und der Reichs bahn, wieder mehrere Hunderttausend Arbeiter in den Arbeitsprozeß eingefügt werden. Dafür ist insgesamt ein Aufwand von über 2 Milliarden Mark notwendig. Für die Inordnungbringung der Arbeitslosenversicherung des Reichs haushalts und für die Arbeitsbeschaffung fehlen dem Reich insgesamt 850 Millionen Mark, die nach dem jetzigen Beschluß des Reichskabinetts durch laufende Ein- nahmen und durch Reform der Arbeitslosenversicherung zu beschaffen sind. Der Kern dieses ganzen von der Reichsregierung der Oeffentlichkeit mit viel warmen und der Erklärung dienen sollenden Worten übergebenen Reformplans ist die Be- lastungderVersicherungspflichtigenmit aber mals rund 240 Millionen Mark und die Erhöhung der E i n ko m m en ste u e rn für die Festbesoldeten um nahezu die Hälfte des bisherigen Steuersatzes. Das vierprozentige Notopfer soll vom Einkommen, und zwar vom steuer pflichtigen Einkommen erhoben werden. Bei der Arbeits losenversicherung sind es heute schon mehr die Kreise der Arbeitnehmer als die der Arbeitgeber, die sich gegen die immer erneuten Belastungen wenden. Das Notopfer ist von denjenigen Festbesoldeten in der öffentlichen und pri vaten Wirtschaft zu erheben, die keine Beträge für die Sozialversicherung aufzubringen haben, mithin über ein Gehalt von über 700 Mark zur Verfügung und mithin eine „gesicherte" Existenz, soweit in der heutigen Zeit der ab- soluten wirtschaftlichen Ungewißheit überhaupt von „ge sichert" die Rede sein kann, nachweisen. Es ergibt sich mit hin die Tatsache, daß die Festbesoldeten in Zukunft eine Gesamtsteuerbelastung von 14 Prozent, die Unverheirateten sogar eine solche von 15 Prozent zu tragen haben. Aus alle dem geht hervor, daß das neue Regierungs programm durchaus auf dem Grundgedanken aufgebaut ist, daß in erster Linie der Bürger die Lasten des Staates zu tragen habe. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß dieser Gedanke doch in etwas überspannt worden ist, denn wo bleiben die Pflichten des Staates selbst? Von dem Behördenabbau, der seit 14 Tagen als die wichtigste Maß- nähme zur Sanierung der öffentlichen Finanzwirtschaft dar gestellt worden ist, ist in dem ganzen Programm nichts zu lesen. Von der Ausgabensenkung und den Einsparungs methoden ist kaum ein Wort gesagt. Berliner Blätter zum Dectungs- progamm der Reichsregierung DerN«, 6. Juni. Zu dem neuen Deckungsprogramm, das in der Donnerstagsitzung des Reichskabinetts verabschie det wurde, nehmen nur wenige Blätter Stellung. Die „D.A.Z." sagt: Wer vom Standpunkt der Idee einer durch greifenden Reform des öffentlichen Ausgabcnwesens das sogenannte Deckungsprogramm unter die Lupe nehme, werde seststellen müssen, daß nicht einmal der erste Schlitt getan werde, der eine grundlegende Aenderung herbeiführen könnte. Ob der Etat durch die vorgeschlagenen Maßregeln notdürftig balanziert werden könne, hänge weniger von der notorisch schwankenden Finanzpolitik ab, als von der Frage, ob sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in ihren Besprechungen zur Behebung der Wirtschaftskrise einigen könnten. — Der „Vorwärts" bezweifelt, ob sich für die Deckungsvorschläge eine Mehrheit finden werde. Von einigen Blättern wird besonders darauf hinge wiesen, daß in der amtlichen Mitteilung an einigen wichtigen Punkten, die für die Gesamtbeurteilung wichtig sind, die ent sprechenden näheren Zahlenangaben fehlen. Nach der „Bör sen-Zeitung" verlautet, daß sich die Höhe des Notopfers, bezw. der „Reichshilse" auf etwa 3 bis 4 °/, deS Einkommen steuerbetrages belaufe. Die in der amtlichen Mitteilung er wartete volle Deckung des Haushallfehlbetrages durch das Programm beruhe, dem Vernehmen nach, u. a. auf den in zwischen wesentlich günstiger sich gestaltenden Lteuereingängrn und Posteinnahmen, die im Monat Mai beinahe die ge schätzte Höhr erreicht haben sollen.