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für den Deutschen Buchhandel und für die mit ihm verwandten G e krh ä kt s z w e i g e. Herausgegeben von den Deputieren des Vereins der Buchhändler zu Leipzig. Amtliches Blatt des Börse,»Vereins. 2. Freitags, den 4. Januar 1839. Co rrespondenznach richten. Erste Anwendung des neuen Würtembcrgischcn Gesetzes gegen den Nachdruck. Stuttgart. Dccember 1838. Unser neues Gesetz gegen den Nachdruck und die durch dasselbe gegen diesen vcrordnctcn Maaßregeln sollten bald genug in Anwendung gebracht werden, freilich bei einem Falle, wie man, so kleinlich, ihn nicht vermuthct hätte. So geht es aber mit jeder Schußwaffe: die Kugel, die uns gegen den Angriff des wilden Tigers schützt, muß oft auch gegen den schwa chen Fuchs gesandt werden, wenn dieser unser Eigenthum beschädigt: und die Strafe des Gesetzes, sei dieses auch hauptsächlich nur gegen die Giganten gegeben, trifft auch den Zwerg, wenn er gegen die Bestimmungen des Gesetzes fehlt. So hören Sie. — Die Kunde von den hiesigen Wiedertäufern wird wohl auch bis zu Ihnen gekommen sein: ist doch der Apostel der neuen Lehre, der dieselbe hier verbreitete und von dem deren Anhänger mittelst Untertauchcns im Neckar die heilige Taufe empfingen, ein ehemaliger Buch händler aus Hamburg, Namens Oncken, und im Buch händler-Verzeichnisse wohl zu finden. Es ist begreiflich, daß diese Taufe im Neckar hier be deutende Sensation erregte: diese machte ein unglücklicher Setzer, dem an Beschäftigung es fehlte, sich zu Nutze, verfaßte eine kleine Beschreibung dieser Taufe, gab solche in eine Druckerei und einige Tage darauf finden wir an allen Ecken der Stadt: „Die heilige Taufe im Neckar, eine Art Mucker-Ge schichte" 6r Jahrgang. zu 6 Kreuzer ausgebotcn. — Die Schrift ist reißend ge gangen. Ein Leidensgefährte des Verlegers derselben, ein Buchdrucker, dem es auch an Arbeit fehlte, bot sich ihm als Verbreiter seines Opus an. Er wollte 300 Exempl. fest nehmen, wenn der Verleger ihm einen billigen Preis mache: dieser wollte das Expl. zu 3 Kreuzer lassen, jener aber nur ä 2 Kr. cs nehmen — kurz, sie einigten sich nicht und trennten sich, nachdem der Colportirende noch ein Expl. für 6 Kr gekauft. Mit diesem machte er sich auf den Weg nach dem, eine halbe Stande von hier ent fernten, Eannstadt, und wände sich dort an Herrn Buch drucker Richter, der sich auch bald dazu verstand, die mit gebrachte Schrift schnell nachzudruckcn. Der rechtmäßige Verleger muß aber Wind bekommen ha ben: am nächsten Morgen wanderte er auch nach Eannstadt, ging zu Herrn Richter und verlangte dort, ohne das Ge ringste sich merken zu lasten, ein Expl. der Neckertaufe, die, wie er gehört, bei ihm gedruckt, und die er sehr be gierig sei, zu lesen. Er wird auf den Nachmittag wieder bestellt, wo erst Exemplare fertig würden. Statt aber ruhig wiedcrzukommcn, war der rechtmäßige Verleger zum Ober amtmann gegangen, hatte dic-sem den Fall genau ausein ander gesetzt und, sich berufend auf Artikel 1 des neuen Gesetzes zum Schutz des literarischen Eigenthums, beantragte er Confiscation des Nachdrucks und Bestrafung des Nachdruckers, was Beides auch vollzogen wurde. Dies die erste Anwendung des neuen Würtembergi- schcn Gesetzes gegen den Nachdruck. Hat mau nicht Unrecht, sich jetzt noch zu beklagen über den geringen Schutz, den Autor und Verleger hier genießen! Die 3