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Pulsnitzer Anzeiger Ohorner Anzeiger Haupt- und Tageszeitung für die Stadt und den Amtsgerichtsbezirk Pulsnitz und die Gemeinde Ohorn Dir!» Zeitmm erschein, täglich mit Ausnahme der gesetzlichen Sonn- und Feiertage. Der Bezugspreis beträgt bei Abholung wöchentlich 45 Rps-, bei Lieferung frei Haus 50 Rp:. Postbezug monatlich 2.30 RM. Im Falle höherer Gewalt oder sonstiger Betriebsstörungen Hal der Bezieher keinen Anspruch aus Lieferung der Zeitung oder Rückzahlung des Bezugspreises. — Preise und Nachlaßsätze bei Wiederholungen nach Preisliste Nr. 3 — Für das Erscheinen von Anzeigen in bestimmten Nummern und an bestimmten Plätzen keine Gewähr. Anzeigen sind an den Erscheinungstagen bis vorm. 10 Uhr aufzugeben. — Verlag, Mohr lk Hoffmann. Druck: Karl Hoffmann u. Gebrüder Mohr. Hauptschriftleiter: Walter Mohr, Pulsnitz; Stellv.: Walter Hoffmann, Pulsnitz. Verantwortlich für den Heimatteil, Sport u. Anzeigen Walter Hoffmann, Pulsnitz; für Politik, Bilderdienst und den übrigen Teil Walter Mohr, Pulsnitz. D. A. VI.: 2250. Geschäftsstellen: Albertstiaße 2 und Adolf-Hitler-Sti aße 4. Fernruf 518 und 550 Der Pulsnitzer Anzeiger ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast zu Kamenz, des Stadtrates zu Pulsnitz und des Gemeinderates zu Ohorn behördlicherseits bestimmte Blatt und enthält Bekanntmachungen des Amts gerichts Pulsnitz, sowie des Finanzamtes zu Kamenz Nr. L51 SM! tEAl Mittwoch, den 1. Juli 1936 88. Jahrgang Protest gegelt die Auslösung der Ande Aussprache in der französischen Kammer Paris, 1. Juli. Die französische Kammer trat zusammen, um sich mit den von rechtsgerichteter Seite vorgebrachten Anfragen über die kürzlich erfolgte Auflösung der sogenannten Kampfbünde zu befassen. Da man einen sehr erregten Ver lauf der Sitzung vorausgesagt hatte, waren die Publi kumstribünen bis aus den letzten Platz besetzt. Der rechts gerichtete Abgeordnete Vallat erklärte, daß die aufgelösten Gruppen gesetzmäßig gebildet gewesen seien, und daß sie nicht unter das Lavalsche Auflösungsgesetz vom 10. Ja nuar dieses Jahres hätten fallen dürfen. Zum Schluß fragte der Redner, der oft von stürmischen Zwischenrufen ins der Linken unterbrochen wurde, oen Jnnenmtnister, ob er die Kommunisten ihre Pläne zur Zerstörung des Vaterlandes weiter verfolgen lassen wolle. Der Führer der ehemaligen Patriotischen Jugend, Taittinger, bezeich nete das Verbot feiner Partei als euren reinen Willkürakt. Das Gesetz sei im übrigen nicht gegen alle militärähn lichen Verbände angewandt worden, sondern nur gegen die politischen Gegner. Es sei also ein Ausnahmegesetz. Der den Feuerkreuzlcrn nahestehende Abgeordnete Devaud gab seiner Verwunderung über die Begründung für die Auflösung der Verbände Ausdruck. Abgeordneter Jsnards begründete seine Anfrage über die stürmischen Zwischenfälle am 21. Juni auf den Champs Elysöes und fragte den Innenminister, ob die Trikolore die alleinige französische Fahne sei, oder ob es noch eine andere Fahne gebe, nämlich die rote Fahne des Bürgerkrieges. Alsdann nahm Innenminister Salengro das Wort, um die Maßnahmen der Regierung zu verteidigen. Er wurde in seinen Ausführungen ständig durch heftige Zwischenrufe von rechts unterbrochen, so daß der Kam merpräsident mit der Aufhebung der Sitzung drohen mußte. Der Innenminister erklärte, die Regierung wolle wirklich regieren und könne die Bedrohung der Ordnung nicht zulassen, auch wenn die Kampfbünde'sich als Partei tarnen sollten. ' Vertrauensvotum für die Regierung Zum Schluß der Kammsraussprache über die Auflösung der Kampfbünde wurde von den Vereinten Dolksfrontparteien eine Tagesordnung eingebracht, die folgenden Wortlaut hat: „Die Kammer billigt die Erklärungen der Regierung und spricht ihr das Vertrauen aus, die republikanische Ordnung zu sichern, indem sie die Gesetze für die Verteidigung der Republik mit Entschlossenheit zur Anwendung bringt." Innenminister Salengro stellte auf die Tagesordnung hin die Vertrauensfrage. Die Kammer billigte sie mit 375 gegen 192 Stimmen. — Damit war die Sitzung beendet. Ist ÜIW UID M i« »MO Van Zeeland zum neuen Präsidenten gewählt Gens, 1. Juli. Der zweite Tagungsabschnitt der 16. Völkerbunds versammlung wurde unter dem Vorsitz des englischen Außenministers Eden in seiner Eigenschaft als Ratsprä sident und Vizepräsident der Versammlung eröffne». Die Sitzung begann mit der Verlesung des Schreibens, in dem der bisherige Präsident, der tschechoslowakische Staats präsident Dr. Benesch, sein Amt niedcrlegt. Während der Verlesung betrat der Negus Hatte Selassie an der Spitze einer zahlreichen schwarzgekleideten Abordnung den Saal. Eden sprach Dr. Benesch den Dank der Versammlung für seine Tätigkeit aus. Die Versammlung beschloß, ein Telegramm in diesem Sinne an ihren ehemaligen Präsi denten zu richten. Hierauf wurde der Bericht des Ausschusses zur Prü fung der Vollmachten der Delegierten angenommen, aus dem hervorging, daß Paraguay, El Salvador und Guate mala keine Abordnung entsandt haben. Hinsichtlich der Delegierteneigenschaft des Negus hatte sich der Ausschuß jeder Stellungnahme enthalten, da eine solche seine Zu ständigkeit überschritten haben würde. Die Versammlung wählte darauf den belgischen Mini sterpräsidenten van Zeeland zum neuen Präsidenten, und »war in geheimer Wahl mit 47 von 51 Stimmen. Van Zeeland erhielt sogleich das Wort zu einer An sprache, in der er aus die Schwere der Entscheidungen hin wies, die die Versammlung zu treffen habe. Im weiteren Verlaus der Sitzung bestieg der Negus, während die Scheinwerfer aufleuchtcten, die Redner tribüne und gab in amharischer Sprache eine Erklärung ab. Die ersten Worte des Negus wurden übertönt durch Pfiffe aus den Reihen der italienischen Journalisten. Ein starkes Polizeiaufgebot verhaftete die an der Demon stration beteiligten Journalisten. Präsident van Zeeland verlas die Denkschrift der italienischen Regierung, die nach einem Rückblick und nach einer Schilderung des in Abessinien angetroffenen Zu standes der Barbarei und der sreiwilligen Unterwerfung der Bevölkerung und ihrer Stammeshäuptlinge die gro ßen Linien des von der italienischen Regierung unter nommenen Aufbauwerkes in Abessinien darlegt. Dieses Werk betrachte die italienische Regierung als eine heilige Kulturmission. Zum Schluß weist die italienische Regie rung aus die Notwendigkeit einer Völkerbundsresorm hin, an deren Verwirklichung sie mitzuarbeiten bereit sei. Da bei wird jedoch andererseits aus die durch die Völkerbunds beschlüsse geschaffene anormale Lage Italiens hingewiesen. Der argentinische Vertreter Ruiz Guinazu begründete kurz den Antrag seiner Regierung aus Einberufung der Versammlung noch einmal. Diese Erklärung wurde als Antrag aus Nichtanerkennung der Annexion Abessiniens angekündigt. Italienische Pressevertreter polizeilich abgeführt Präsident van Zeeland verlas die Denkschrift der italie nischen Regierung; sie legt nach einem Rückblick auf die am 18. April 1936 vom Völkerbundsrat als endgültig gescheitert erklärten Friedensbemühungen und nach einer Schilderung des in Abessinien angetroffenen Zustandes der Barbarei und der freiwilligen Unterwerfung der Bevölkerung und ihrer Stammeshäuptlinge in großen Linien das von der italie nischen Regierung unternommene Aufbauwerk in Abessinien dar. Zum Schluß weist die italienische Regierung auf die Notwendigkeit einer geeigneten Völkerbundsreform hin, an deren Verwirklichung sie' mitzuarbeiten bereit sei. Der argentinische Vertreter Ruiz Guinazu begründete nochmals den Antrag seiner Regierung auf Einberufung der Versammlung. Der Grundsatz der Achtung der gebietsmäßi gen Unversehrtheit der Staaten sei 1926 von allen amerika nischen Kongressen verfochten worden. Wenn der Völker bund seinen universellen Charuakter bewahren solle, müsse er sich, unbeschadet der jeweiligen besonderen Umstände, auch zu diesen Grundsätzen bekennen. Wenn sich hingegen die Art, wie der Pakt angewendet werde, nicht mit diesen amerikanischen Grundsätzen vereinbaren ließe, so müsse sich die argentinische Regierung überlegen, ob sie weiterhin mit dem Völkerbund zusammenarbeiten könne. Nach dieser argentinischen Erklärung, die als Antrag auf Nichtanerkennung der Annektion Abessiniens angekün digt worden war, bestieg der Negus unter dem Licht der Scheinwerfer die Tribüne, um eine Erklärung in amharischer Sprache abzugeben. Bei dem ersten Wort ertönte ein alles'übertönendes Gepfeife aus den Reihen der italienischen Journalisten. Sie wurden innerhalb weniger Minuten von einem starken Po lizeiaufgebot abgeführk, während die meisten Delegierten klatschten. DerNeguserklärte, daß er, Halle Selassie, Kai ser von Abessinien, heute hier stehe, um die seinem Volk ge schuldete Gerechtigkeit und den Bei st and zu fordern, der ihm vor acht Monaten von fünfzig Nationen verspro chen worden sei. Er gab seiner Erbitterung darüber Aus druck, daß er in seinem Vertrauen auf die wirksame Hilfe des Völkerbundes, das ihn veranlaßt habe, vorteilhafte An gebote der italienischen Regierung abzulehnen, enttäuscht worden sei. Die abessinische Regierung habe nie erwartet, daß andere Vöker, deren eigene Interessen nicht unmittelbar vf dem Spiele standen, Pfui ihrer Soldaten vergießen sollten. Die abessinischen Krieger hätten nur Verteidigungs mittel verlangt. Aber die wiederholt geforderte Finanzhilfe für den Ankauf von Waffen sei Abessinien ständig verweigert und der Gebrauch der Eisenbahn Dschibuti—Äddis Abeba für Waffentransporte praktisch unmöglich gemacht worden. Heute bestehe nicht die Unmöglichkeit sondern die Weigerung, den Angreifer aufzuhalten. Im Namen Abessiniens ver lange er von der Versammlung, „alle Maßnahmen zu tref fen, um dem Pakt Achtung zu verschaffen". „Ich erkläre vor der Well, daß der Kaiser, die Regie rung und das abessinische Volk sich nicht vor der Gewalt beugen werden, daß sie ihre Forderungen aufrechlerhalten und alle ihnen zur Verfügung stehenden Mikkel gebrauchen werden, um den Sieg des Rechtes und des Paktes durchzu sehen. „Vertreter der Welt", so schloß der Negus, „ich bin nach Genf gekommen, um vor Ihnen die peinlichste der Pflichten eines Staatsoberhauptes zu erfüllen. Welche Ant wort soll ich meinem Volk überbringen?" Nach der Rede des Negus wurde die Sitzung auf Mitt woch vormittag 10.30 Uhr vertagt. Dr. Schuschnigg kommt nicht nach Genf In hiesigen österreichischen Kreisen wird entschieden in Abrede gestellt, daß der französische Außenminister sich im K Einvernehmen mit Eden mit Lem österreichischen Bundes kanzler Schuschnigg in Verbindung .gesetzt habe, um ihn zu veranlassen, zur Völkerbundsversammlung nach Gens zu kommen. Von der Wiener amtlichen Nachrichtenstelle wird folgende Darstellung über die Ablehnung Dr. Schuschniggs, nach Genf zu reisen, gegeben: „Rach hiesigen Informationen der ausländischen Presse sollen der französische Außenminister Delbos und der englische Außenminister Eden den Wunsch geäußert haben, noch wäh rend der gegenwärtigen Tagung des Völkerbundes mit dem österreichischen Bundeskanzler Dr. Schuschnigg in persönliche Fühlung zu treten. Dieser Wunsch wurde am Dienstag tat sächlich in entsprechender Form zum Ausdruck gebracht. So sehr man auch von österreichischer Seite für diese Anregung empfänglich ist und zu einer derartigen Fühlungnahme prin zipiell bereit ist, so ist es Bundeskanzler Dr. Schuschnigg sowohl mit Rücksicht auf die Kürze der gegenwärtigen Genfer Rats tagung als auch auf seine eigene, im voraus festgelegte Ar beitseinteilung im Inlands zu seinem Bedauern nicht möglich gewesen, gegenwärtig von Wien abzukommen. Die nächste Völkerbundsversammlung wird aber dem österreichischen Re gierungschef Gelegenheit zu einer Begegnung mit den Chefs der französischen bezw. englischen Diplomatie bieten, auf Lie man natürlich auch in Wien großen Wert legt." Ernste Rücktrittsabsichten Baldwins? „Daily Mail" weiß zu berichten, daß die Gerüchte über seine» bevorstehenden Rücktritt jetzt feste Formen an- nehmen und daß Baldwin nunmehr aus gesundheitlichen Gründen gezwungen ftin würde, entgegen seiner Absicht, noch vor den Krönungsfeierlichkeiten im nächsten Jahr in den Ruhestand zu treten. Diese Gerüchte werden aus par lamentarischen Kreisen bestätigt. Es wird teilweise sogar angenommen, daß Gpoßhritannien schon in den nächsten Wochen einen neuey Ministerpräsidenten haben werde. Ueber die Person des Nachfolgers gehen die Ansichten noch weit auseinander.