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Pulsnitzer Anzeiger Ohorner Anzeiger Haupt- und Tageszeitung für die Stadt und den Amtsgerichtsbezirk Pulsnitz und die Gemeinde Ohorn Hoare vor dem Unterhaus bleibt im Mittelmeer" London, 10. Juli. Im Unterhaus erklärte der Erste Scclord, Sir Samuel Hoare, auf eine Anfrage, cs bestände nicht die Absicht, die britische Flotte aus dem Mittelmeer zurmkzuzieheu; aber es sei beabsichtigt, zu sehr naher Zu kunft diejenigen Einheiten zu entlassen, die vorübergehend aus den Heimatgewässern und anderen Ueberseestationen nach dem Mittelmeer entsandt worden seien. Der liberale Abgeordnete Mander fragte hierauf ironisch, für welchen genauen Zweck die Schiffe im Mittel meer behalten würden, da die Regierung doch nicht die Absicht habe, irgendeines ihrer Schiffe zu „riskieren". Peter MacDonald (konservativ) fragte darauf, ob die britische Flotte nicht schon über 300 Jahre im Mittel meer sei. Daraufhin erhob sich Hoare und sagte, er könne dem Abgeordneten versichern, daß die britische Flotte wahr scheinlich noch weitere drei Jahrhunderte im Mittelmeer bleiben werde. (Beifall der Regierungsmehrheit.) London, 10. Juli. Die englische Regierung hat sich zu einer politisch hochbedeutsamen Geste gegenüber Italien entschlossen, die zu einer wesentlichen Entspannung zwi schen beiden Ländern führen dürfte. Wie amtlich mitgeteilt wird, soll die britische Mittelmcerflotte umgehend auf den normalen Zustand zurückgcführt werden. Dies besagt, das; der Zustand der Mobilisierung aufgehoben und der nor male Fricdensdienst wieder durchgeführt wird. Es wird hervorgehoben, das; dies in der Hauptsache im Interesse der Mannschaften und Offiziere liege, die im mobilen Zu stand einen sehr harten Dienst gehabt hätten. Zugleich wird eine gewisse Verminderung in der Stärke der Mittelmeer slotte erfolgen. Die britische Admiralität hatte während des abessi nischen Konflikts die Mittelmeerflotte außerordentlich ver stärkt. Hand in Hand damit gingen eine Verstärkung der Besatzungen in Gibraltar, aus Malta, Zypern und vor allem am Suezkanal, eine Verstärkung ferner der Luft waffe bei den englischen Stützpunkten und eine Heran ziehung verschiedener Kriegsschiffe aus Indien und dem Fernen Osten nach Aden und Britisch-Somaliland. Die Mittelmeer-flotte im Normalzustand umfaßt ein Schlacht geschwader mit fünf Linienschiffen, zwei Kreuzergcschwa- dern mit zusammen acht Kreuzern, einen Flugzeugträger, drei Zerstörerflottillen und eine U-Boot-Flottille. Zu dieser stattlichen Flotte hatte London dann die modernsten und größten Schlachtschiffe der Heimatflotte stoßen lassen, ferner mehrere schnelle Kreuzer und eine ganze Reihe von Zerstörerflottillen. Die Mittelmecrflotte unter dem Kom mando von Admiral Fisher umfaßte während der britisch italienischen Krise etwa 200 Kriegsschiffe und war damit zu einem Kampfinstrument geworden, wie es selbst im Weltkriege noch nie einem englischen Admiral zur Ver fügung stand. Bereits in den nächsten Tagen dürften die Schlachtschiffe, die in Gibraltar stationiert sind, die Rück reise nach England antreten, w,ährend die vor Alerandria liegenden Schiffe der englischen Ostasienflotte nach dem Fernen Osten zurückkehren werden. Im Zusammenhang hiermit wird in Marinekreisen volle Befriedigung über die Art und Weise ausgedrückt, in der Deutschland seine Verpflichtungen aus dem englisch-deutschen Alotkenverlrag vom vorigen Jahr erfülle. Die Streikunruhen in Frankreich In mehreren Gegenden Frankreichs sind neue Streiks ausgebrochen. In der nordfranzösischen Spiegelglasmanu- faktür in Älle haben die Arbeiter die Betriebe besetzt, weil sich der Direktor der Werke weigerte, einen entlassenen Italiener wieder einzustellen, der sich ungehörig benommen hatte. In Limoges sind neun Spinnereien von den Arbei tern besetzt worden. Die Bäckereigehilfen in Lyon haben ebenfalls grundsätzlich den Streik beschlossen, der jedoch noch nicht ausgebrochen ist. Eine neue Art haben die Anhänger der Volksfront in Mandelieu bei Nizza eingeführt, um ihre politischen Forderungen durchzusetzen; sie haben seit acht undvierzig Stunden das Gemeindehaus besetzt und Verschärfte Flottenrüftmg Englands Die Veröffentlichung der Nachtragshaushalte für die Wehrämter findet in der englischen Presse starke Beachtung. Vie von Sir Samuel Hoare im Unterhaus vorgelegten Nach forderungen ermöglichen eine bedeutende Beschleu nigung des britischen Flottenbauprogramms, was, wie in amtlichen Kreisen versichert wird, weiter beschleunigt wer den könne, „falls eine derartige Beschleunigung eine beruhi gende Wirkung auf Europa ausüben sollte". Die Admiralität habe feststellen können, daß es möglich sei, die geplanten Schiffe sehr viel schneller, als ursprünglich angenommen, zu bauen. Obwohl es heute noch nicht möglich sei, mit dem Bau der geplanten beiden neuen Schlachtschiffe sofort zu begin nen, könne man doch bereits Vorbereitungen treffen. Lin Ausschuß berät zur Zeit die Frage, ob außer den bisher vorgesehenen beiden Schlachtschiffen noch mehr Schlachtschiffe in Auftrag gegeben werden sollen. Wie es heißt, sei zur Zeit geplant, vier Schlachtschiffe zu erneuern, während drei bereits in den Docks einem Umbau unter zogen würden. Wit dem Bau der vier neuen U-Boote werde die britische U-Vootflotte 55 Einheiten umfassen. Die im Nachtraashaushalt vorgesehenen Kreuzer seien kleine Kreu zer zu 5000 Tonnen. Man baue 5 Kreuzer, weil in Zukunft ein Kreuzergeschwader aus 5 und uicht aus 4 Schiffen be stehen soll. Die Tonnage des Flugzeugmutterschiffes werde unter 23 000 Tonnen gehalten sein. Sämtliche vorgesehenen Schiffsbauken sollen so beschleunigt werden, daß sie sechs Monate früher, als vorgesehen, fertiggestellt sein werden. „Die britische Flotte 2,S-Milliar-en-Wehreiai Die bereits angekündigten Ergänzungshaushalte für die englische Wehrmacht wurden jetzt im Unterhaus bc- kanntgcgeben. Insgesamt werden danach im Nachtrags haushall 19,652 Millionen Pfund — zusätzlich zu den im Mai bereits angeforderten 10,3 Millionen Pfund Nach tragshaushalt für die Flotte — angefordert. Seit der Bekanntgabe des Haushalts sind also hiermit insgesamt 29,952 Millionen Pfund Sterling nachgefordert worden. Die Ziffern verteilen sich wie folgt: Für die Flotte 1,05!« Millionen (außer den im Mai geforderten 10,3 Millionen), für das Heer 6,6 Millionen Pfund, für die Luftwaffe 11,7 Millionen Pfund, für Munitionsfabriken 0,293 Millionen Pfund. Der Gesamthaushalt für Rüstungszwecke in diesem Jahre hat damit bereits die riesige Höhe von 200 Millio nen Pfund, das sind 2,5 Milliarden Reichsmark, erreicht, während er im Vorjahre nur 130 Millionen Pfund betrug. Nach „News Chronicle" sind im Zuge der in erhöhtem Tempo fortschreitenden englischen Aufrüstung Ende des Jahres noch weitere Nachtragsctats zu erwarten. Die neuen Nachtragshaushalte sollen vor allem für die Einstellung von weiteren 5000 Mann bei der Luft flotte dienen, die dann 55 000 Mann zählen wird. Der Ankauf von Motoren und Ausrüstungsteilen soll beschleu nigt werden. Die größte Bedeutung wird jedoch der For derung nach Erhöhung der Stärke der Heimatluftflottc auf 1750 Maschinen ausschließlich der Flugzeuge der Ma- rine beigelegt. Ferner ist eine gewaltige Erhöhung der Luftgeschwader in Uebersee vorgesehen. Für die Flotte wird eine beschleunigte Fertigstellung der Schiffe des Bau programms von 1936 verlangt, weiterhin aber zwei neue Kreuzer von je 5000 Tonnen, neun Zerstörer, ein Flug zeugträger und vier Unterseeboote. Bei den Nachforde rungen für die Armee soll den bei den Kämpfen in werden würden.'Die politische Einstellung Italiens könne Hch nur nach Tatsachen richten; das sei besonders auch des wegen angebracht, weil öie fraglichen Flottenavma- chungen eine durch nichts gerechtfertigte italienische Tendenz hätten, die in Widerspruch zur traditionellen italienisch-englischen Freundschaft im Mittelmeer und zu den Freundschaftsverträgen Italiens mit Frankreich, Griechen land und der Türkei stehe. Wie leicht würde dadurch auch das System des Gleichgewichts im Mittelmeer zu ungunsten Italiens gestört. Die „Tribuna" erklärt, die Flottenabmachungen Eng lands hätten praktisch den Wert einer Mobilmachung aller »ratzen und kleinen Mittelmeerstaaten und stellten die schlimm st eGefahrfürdenallgemeinenFriS- d e n dar. Diese provisorische Politik sei höchst gefährlich und müsse schnellstens liquidiert werden, um in einen neuen, möglichst endgültigen Abschnitt einzutreten. Italien werde dazu einen wertvollen Beitrag leisten können, zuerst aber müsse das Gelände von den Trümmern freigemacht werden. Paris zum Beschluß der englischen Regierung Paris, 10. Juli. Die Ankündigung des Entschlusses der englischen Regierung, einen Teil der Flotte aus dem Mittelmeer zurückzuziehen, ist in Pariser politischen Kreisen mit Genugtuung ausgenommen worden. Man erwartet davon eine Entspannung der Lage. Es wird jedoch in hiesigen politischen Kreisen betont, daß die römische Regierung üben die Erklärungen überrascht gewesen sei, die Ler englische Außenminister am 18. Juni vor dem Unterhaus und an schließend noch einmal in Genf gemacht habe, und in denen er betonte, daß die Abkommen, die anläßlich des italienisch abessinischen Krieges von England getroffen worden seien, im Falle eines italienischen Angriffes im Mittelmeer Unters stützung zu finden, trotz der Aufhebung der Sühnemahnahmen weiterbestehen blieben. Die französische Regierung habe in London und in Rom amtlich wissen lassen, daß sie die Ab kommen, die sie in Zusammenhang mit dem Abessiniens Streitfall mit England getroffen habe und die sich auf die gegenseitige Unterstützung gegen einen möglichen Angreifer! laut 8 3 des Art. 16 des Dölkerbundspaktes bezögen, als hinfällig betrachte, nachdem der Völkerbundsrat: die Aufhebung der Sühnemaßnahmen beschlossen habe. Die französische Re gierung, so betont man in politischen Kreisen, stehe auf dem Standpunkt, daß der einstimmig gefaßte Beschluß der Mit gliedsstaaten des Völkerbundes auch die Aufhebung aller Abkommen nach sich ziehe, die zur Durchführung der Sühne maßnahmen getroffen worden seien. Im entgegengesetztes Falle könne man sich nicht vorstellen, wann die Mittelmeer abkommen, die eine Folge der Anwendung des Art. 16 ge wesen seien, überhaupt aufgehoben werden könnten. Palästina erwachsenen Anforderungen Rechnung getragen llm die Mittelmeer-Abmachunge» Italienische Antwort auf Baldwins Erklärungen Die Erklärungen, die Ministerpräsident Baldwin im englischen Unterhaus über die Flottenabmachungen Eng lands im Mittelmeer abgab, finden in italienischen politi schen Kreisen große Beachtung. Man glaubt, daß sie den Weg für eine noch weitergehende und vielleicht sogar end gütige Klärung dieser Frage anbahnen können. Das halbamtliche „Giornale d'Jtalia" ist der Meinung, daß man mit den „symptomatischen Erklärungen" Baldwins die Mittelmeerabmachungen Englands infolge der Aufhebung der Sanktionen als automatisch verfallen betrachten könne. Es sei offensichtlich, daß nach dem Widerruf der Sanktionen auch jeder Anlaß eines italienischen Gegenstoßes und damit auch der Abwehr einer italienischen Drohung verschwunden sei. Italien nehme von diesen Erklärungen Kenntnis, warte, aber vorerst ab, ob sie auch in greifbare Tatsachen umgesetzt Befriedung im Mittelmeer Nückberufung englischer Kriegsschiffe Nr. 139 88. Jahrgang Freitag, den 10. Juli 1936 Der Pulsnitzer Anzeiger ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshanptmannschaft zu Kamenz, des Stadtrates zu Pulsnitz und des Gemeinderates zu Ohorn behördlicherseits bestimmte Blatt und enthält Bekanntmachungen des Amts gerichts Pulsnitz, sowie des Finanzamtes zu Kamenz Dtzev Zeitung erschein: täglich mit Ausnahme der gesetzlichen Sonn- »nd Feiertage betrüg! bei Abholung wöchentlich 43 Rpf., bei Lieferung frei Haus » ^-?°^ez«g monatlich 2.80 RM. Im Falle höherer Gewalt oder sonstig« Betriebsstörungen hat der Bezieher keinen Anspruch aui Lieferung der Zeitung oder Bezugspreise«. - Preise und Nachlaßsätze bet Wiederholungen nach Preisliste Nr. 8 - Für da« Erscheinen von Anzeigen in bestimmten Nummern und an bestimmten Plätzen keine Gewähr. Anzeigen sind an den Erscheinungstagen bi» vor«. 10 Uhr aufzugeben. - Verlag: Mohr 5 Hoffmann. Druck: Kar Hoffmann u. Gebrükr Mohr. Hauptschristletter: Walter Mohr, Pulsnitz; Stellv: Walter Hoffmann, PulSnitz. 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