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Rochenblukt für Pulsnitz, Königsbrück, Jadeberg, Uadebnrg. Moritzburg und Umgegend. E«s»Al't Mittwochs u. Sonnabends. AbonuementspreiS: «Üierleljäi'rliL Iv Ngr., auch bei Bestellungen durch die Post. Inserate werden mit 8 Pf. für den Naum einer gespaltenen Korpus-Heile be rechnet und find bi« spatesten« Dienstags und Freitags früb !> Uhr hier auszugeben. ^Amtsblatt der Königlichen Gerichtsbehörden und der städtischen Behörden zu Pulsnitz und Königsbrück. DmundrmaMBtr Jahrgang. Verantwortliche Nedaction, Druck und Verlag von Ernst Ludwig Förster in Pulsnitz. Geschäftsstellen für .Königsbrück: bei Herrn Kaufm. Motch Tschersich, Dresden: An- nonccnbnrau von Max Ruschpler, Leipzig: H. Engler, Leonhard u. Komp, daselbst Haajensteis und Vogler daselbst und Engen Fort daselbst.^ Sonnabend W 42 dm 27. Mai 1871. Rundschau Unser Reichstag hat schon manche Sitzung gehalten, weiche ebensowohl durch die Bedeutung des Gegenstandes, um den es sich handelte, die - Seelen der Abgeordneten mächtig ersüllte, wie durch Lie Art und Weise, in rer die Behandlung erfolgte, ein hochehrendes Zeugniß für den ernsten, patriotischen und im innersten Grunde einheitlichen Sinn der deutschen ' Volksvertretung ablegtc. Der Umschwung in den inneren Angelegenheiten , unserer Nation war zu groß, die äußeren Erfolge zu mächtig, der in beiden : Beziehungen sich ergebende Gewinn zu bedeutend, das Bedürfnis:, den frei- I willigen Zuwachs und den erzwungenen Erwerb mit dem früheren Be stände naturgemäß zu verbinden und dadurch dauernd zu sichern, zu stark herantrelend, als raß das anders hätte sein können und raß die Sitzungen nicht hätten einen Charaeter annchmen müssen, in dem sich die Größe der nächsten hinter uns liegenden Zeit spiegelt. Aber kaum ist unter ihnen eine gewesen, welche die Signatur res im deutschen Volke lebenden Geistes ! in gleich mächtiger Fracturschrift enthielte, wie die vom 1t). dieses Monats, in welcher der Gesetzentwurf über Pensionirung und Versorgung der Mi- . litärpersonen des ReichSheyreS und der kaiserlichen Mariue, sowie die Unter- : stützung derHinterlassenen solcher Personen zur ersten Beratung kam. Soviel isl wenigstens gewiß, roß keine eine innigere lleberemsummung der Regierung und der Vertretung des deutschen Volts gezeigt, daß in leiner andern eine solche Einmüthigkeit der Abgeordneten selber geherrscht hat, i die auch nicht den leisesten Schatten eines Parteihaders aufkommeu ließ f und selbst die lustigen Personen des Reichstags, wie Ewald, der als Heb- - räer berühmt ist, und Bebel, der als Drechsler es nicht ist, zum Schweigen verdammte; daß leine andere in gleicher Weise Veranlassung gegeben hat, die sittlichen Gefühle der Verpflichtung und Dankbarkeit, des Mtgcsühls und res Geistes der Hnmanität, wie er im Herzen des deutschen Volks lebt, zu so deutlich geprägtem Ausdrucke zu bringen. Wo möchte, um nur das Letztere fühlbar zu machen, weil die beiden ersten Punkte von selbst in die Augen fallen, wo und in der Vertretung welcher anderen Nation möchte ein Antrag gestellt und nicht blcö gestellt, auch von dem ganzen Hause mit gleich lebendigem Bcifalle ausgenommen worden sein, wie der des Abg. Miquel, der die Wohlthaten des berathenen Gesetzes auch für die Soldaten aus dem Elsaß und aus Lothrillgen in Anspruch nahm, die im Kampfe gegen Deutschland verwundet oder gefallen sind, weil nur eine traurige historische Rothweudigkeit sic gezwungen habe, gegen ihr alteS Mutterland die Waffen zu führen ? Aber auch seitens der Regierung oder des BundesratHF konnte die Verhandlung nicht würdiger und zum Herzen sprechender eröffnet werden, als durch die Wahl dessen, der die Vorlage an den Reichsrath zu bringen und zu besürworten hatte, durch die Wahl Roons, des preußischen KriegsministerS. Roon, der sür die Bereitschaft und die Schlagfertigkeit des norddeutschen Heerwesens und für die unver- sieglichc Nachhalligkeif in der Befriedigung aller Bedürfnisse der Armee und der Kriegführung mit so eingehender und slaunenöwerther Sorge ge- i lvaltct, war schon hierdurch der autcritätsvolle Vertreter der Opfer, welche der Krieg an Leib und Leben der streitenden Mannschast gefordert hatte; er war eS außerdem und impvnirte nicht bloS dem Geiste, auch dem Herzen der Versammlung dadurch, paß man wußte, wie lief die Sache in sein eigenes Gemüth und Leben greife, da er selbst die theuersten und nächsten Glieder seines Hauses dem Tode für's Vaterland hatte verlassen sehen. So war's denn natürlich, daß über die geschüftmäßige und nur den Verstand in An- : ipruch nehmende Behandlung der Sache sich eine Weihe ergoß, die auch der Macht der Gefühle hier ihren freiesten Raum ließ. Davon war Jeder durchdrungen, daß hier etwas Große« geschehen müsse, daß hier nicht ge reizt, nicht gekargt werden dürfe, wo es die Invaliden und die Hinter- Mbenen der Gefallenen gelte, wenn auch Alle sich sagten, daß, so hoch auch ausfalle, was hierin der Staat thue, eö doch in weitem und un- Temesscnem Abstande hinter allem zurückbieibe, was Ersatz oder Entschädigung genannt werden könne. Unsers Invaliden sind nicht mehr die In validen der srühren Zeiten.. Das liegt in der gegenwärtigen Zusammen setzung unseres Heeres und in der Sache, um die cS geblutet. So lange noch im vorigen Jahrhunderte unsere Armeen sich durch Werbung ergänzten, die ihnen außer übertölpelten Unglücklichen in der Hauptsache nur in ihrem bürgerlichen Berufe verkommene Subjecte, leichtsinnige Abenteurer und den moralischen Auswurf des Volkes zusuhrte, konnte auch keine Begeisterung wach werden für sie und die Ihren durch großartige Anstalten zu sorgen; sie konnte zu der Allgemeinheit und der Stärke, in welcher sie waltet, sich auch dann noch nicht heben, als Conscription und Recrutirung wesent lich nur auf einem Theile des Volkes und zwar dem untersten lastete un- so das Mitgefühl der übrigen Stände nicht in gleicher Stärke in Anspruch nahm. Sie konnte das um so weniger, als mit alleiniger Ausnahme der Befreiungskriege das Blut des Heeres nicht im Dienste des Volkes floß, sondern oft in diametralem Gegensätze zu seinen Wünschen und Neigungen und im Dienste der Cabinete und der Dchnasteu, zwischen denen und ihm nicht selten eine weite Kluft des Verständnisses und der Interessen sich ausoehnte. Das ist setzt etwas Anderes. Jetzt umfaßt das Heer die Söhne des ganzen Voltes und von jeder Staffel der bürgerlichen Glie derung; jetzt erscheint der Wehrstand weder im Lichte der Lust einer frei-: willigen Wahl, oder im Lichte, der Last eines von der Natur der Dinge dazu auserseheneu VoltztheilS, sondern a!S die moralische Verpflichtung jedes der bürgerlichem Ehre noch nicht ganz verlustigen wehrfähigen Mannes; jetzt ist eS die Wohlsahrt, die Ehre, das Recht, in Allem die Sache des Volkes selber gewesen, der die Wunden des Einen und ver Tod deö Andern zu Gute kamen. Daß da nicht mehr von einem Schick sale der Invaliden die Rede sein kann, wie es noch Chamisso so bitter drastisch in dem Gedichte: der Bettler und sein Hund schildert, daß hier eine durchgehende Anerkennung einer Ehrenschuld und eine warme Bereit willigkeit, sie abzutrageu, im Kreise der Negierung wie in dem der natio nalen Vertretung vorhanden ist, das kann nicht befremden, das könnte eS nur, wenn das nicht wäre. Freilich ist, was hier geschaffen werden soll, etwas ganz Außerordentliches. Das ist's schon nach der Zahl derer, für die gesorgt werden muß. Denn diese bildet für sich allein eine recht statt liche Armee, eine Armee, wie sie so zahlreich der ganze dreißigjährige Krieg kaum einmal beisammen gesehen, nämlich nicht weniger, als rund 5000 Offiziere und 120,OM andere Combattauten. Diese aber oder ihre An gehörigen nur so zu unterstützen, daß immer noch dem Selbsterwerbe und der Privatwohlthätigkeit ein weiter Spielraum zur Ergänzung übrig ge lassen bleibt, erfordert nicht weniger als einen jährlichen Aufwand von mehr als 13 Millionen Thaler oder, wenn dieser durch Gründung eines Eapitals gedeckt werden soll, nach Analogie der Lebensversicherungsgesell schaften und nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung die enorme Summe von 240 Millionen. Aber wenn in der französischen Volksver tretung noch vorm Jahre das stolze Wort gehört wurde: „Frankreich ist reich genug, um seinen Ruhm zu bezahlen," so wird Deutschland, das diese Zahlung empfängt und doch den Ruhm behält, nicht so arm sein, daß es nicht einen Theils dieser Zahlung zur Tilgung seiner heiligen Schuld an seine eigenen Söhne verwenden wollte. Bleiben sie doch auch nach der projectirten Entschädigung noch immer unsere Gläubiger, wie wir ihre tiefverpflichteten Schuldner! Würden sie es doch bleiben, selbst wenn statt des Fünftels oder Sechstels, wie man's im Sinne hat, die ganze un faßbare Summe der französischen Kriegsentschädigung nur zu ihrem Besten verwendet würde! Aber so weit auch die Erfüllung hinter dem Gefühle der Verpflichtung zurückbleibt, immerhin zeugte diese Sitzung des Reichs tags von dem starken Pulsschlag, den in dem Herzen der deutschen Na- non und ihrer Vertreter der Gedanke an die Ovser des Kriegs weckt, i immerhin bleibt der 13. Mai durch die über ihn ausgegossene Weihe reiner Menschlichkeit und echt patriotischen Sinnes ein Ehrentag sür das