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No. 23. Mittwoch, den 8. Juni 1910. Xil. Jahrgang. Derjfandelsgärfner Abonnementspreis Inserate Rna Handelszeitung für den deutschen Gartenbau " Petitzeile, e für das Ausland M.8,— jährlich. ■ • — Sämtliche Postsachen sind nur zu Arsoabe jeden Mittwoch. richten an Bestellungen Verlag von Bernhard Thalacker G. m. b. H. Leipzig-Gohlis. Bornhar “LThpalgckoniG“ nimmt jede Postanstalt entgegen. ■■■•• Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer. Schädigende Anlagen in der Nähe von Gärtnereien. Darf eine Forderung gegen einen böswilligen Schuldner ausgeboten werden? Dürfen wir den Privatgärtnern und sonstigen Angestellten noch Extraver günstigungen gewähren? Die Temple-Schau in London vom 24. bis 26. Mai 1910. I. Dieinternationale Frühjahrs-Ausstellung in Paris. I. Blütenbegonien zur Topfkultur. Aus unseren Versuchsanlagen, etc. etc. Schädigende Anlagen in der Nähe von Gärtnereien. In der Gewerbeordnung wie im Bürgerlichen Gesetzbuch ist dafür Sorge getroffen, dass eine Gärtnerei oder ein landwirtschaft liches Grundstück nicht durch nachbarliche Anlagen, und zwar durch die Zuführung von Rauch, Russ, Dämpfen, Abwässern, Schlacken usw. geschädigt werden kann. Ein Unterschied ist es nun, ob der Gartenbaubetrieb vor der Anlage bestand, also eine neue Anlage in Frage kommt, oder ob der Betrieb nach der Anlage errichtet worden ist, also eine neue Gärtnerei in Frage kommt. Je nachdem ist auch das Verhalten des Handelsgärtners einzurichten, der sich durch diese Anlagen geschädigt fühlt. Es ist ein grosser Fehler, dass die Handels gärtner, wenn sie Gartenland kaufen oder pachten, sich nicht vorher genau orientieren, ob etwa in der ”ähe eine schädigende Anlage vorhanden ist. So teilte uns. unlängst ein Handelsgärtner bei Dresden mit, dass er sich eine Gärtnerei gepachtet habe. Nachdem er alles in Betrieb genommen, habe sich herausgestellt, dass die Gemeinde ein Elektrizitätswerk mit Sauggasanlage 15 — 20 Meter von der Gärt nerei entfernt; erbaut habe. Von den ausströmenden Gasen habe er schwer zu leiden. Als der Pachtvertrag geschlossen worden sei, sei die Anlage noch im Bau begriffen gewesen. Es sei ihm wohl gesagt worden, dass die Gemeinde auch ein Elektrizitätswerk baue, aber von dieser Sauggasanlage sei nichts gesprochen worden. Man habe ihn schon einmal mit 340 Mk. entschädigt, der Schaden sei aber viel höher und es werde keine Abhilfe geschafft. Hier lag der Hauptfehler an dem Handelsgärtner selbst, der sich vor Abschluss des Pachtvertrages darum kümmern musste, was für ein Fabriketablissement in der Nähe der Gärtnerei gebaut wurde und welche Einwirkungen der Betrieb desselben auf seine Kulturen haben könnte. Wird eine Gärtnerei gepachtet, obwohl sich der Gärtner sagen muss, dass von einem benachbarten Grundstück Gefährdungen zu erwarten sind, so wird er sich zumeist nicht an den Verpächter halten können, da er ja nicht hintergangen worden ist. Nur dann würde er Ansprüche erheben können, wenn er über das Mass der Einwirkungen getäuscht worden wäre. Dasselbe gilt beim Kauf einer Gärtnerei. Im vorliegenden Falle scheint allerdings die Sauggasanlage, durchweiche der schädigende Einfluss hervor gerufen wird, absichtlich verschwiegen worden zu sein und dann wäre auch die Gemeinde haftbar zu machen. Immerhin ist auch in dem eben genannten Falle der Gärtner nicht rechtlos. Dass das industrielle Etablissement schon früher bestand als die Gärtnereianlage, gibt dem Besitzer desselben kein Recht, nun etwa ungehindert Gase, Dämpfe, Gerüche, Rauch, Russ, Wärme usw. dem nachbarlichen Grundstücke zuzuführen. Soweit das Nachbargrundstück nur uner heblich beeinträchtigt wird, muss der Gärtner allerdings dann die Zuführung dulden, denn nur ein aussergewöhnlicher Eingriff in das Eigentumsrecht des nachbarlichen Grundbesitzes wird durch das Gericht untersagt. In dem vorliegenden Falle kann nach unserem Dafürhalten Klage wegen Besitzstörung erhoben werden und zwar von Seiten des geschädigten Handelsgärtners. Er kann verlangen, dass Massregeln getroffen werden, welche die schädliche Ein wirkung auf die Kulturen ausschliessen, bezw. insoweit herab- mindern, dass sie nicht mehr als erheblich bezeichnet werden können. Wie das zu geschehen hat, das ist nicht die Sache des Handelsgärtners, sondern die des Inhabers des in Frage kommenden industriellen Etablissements. Sein Verschulden ist um so grösser, wenn von der Gewerbeinspektion Vorschläge zur Beseitigung der unzulässigen Einwirkungen bereits gemacht worden sind, aber von ihm nicht oder nicht in ausreichender Weise berücksichtigt werden, so dass der rechtswidrige Zustand fortbesteht. Die Klage würde in diesem Falle auf § 906, 907 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu stützen sein. Neben der Klage auf Beseitigung des Uebels aber, bezw. mit derselben verbunden, würde natürlich eine Klage auf Ersatz des entstandenen Schadens sein, da ein Verschulden des Besitzers des Elektrizitätswerkes vorliegt. Soll eine derartige Anlage, die eine Gefährdung der etwaigen nachbarlichen Gärtnereien mit sich bringt, erst erbaut werden, so ist den Besitzern der gärt nerischen Anlagen in der Gewerbeordnung ein Vorbeugungsmittel an die Hand gegeben. Das ist zwar eine bekannte Sache, aber doch wird es so oft äusser acht gelassen, von dem Recht des Einspruchs Gebrauch zu machen. . Zur Errichtung von solchen Anlagen, wie es zwar nicht ein Elektrizitätswerk, aber eine Sauggasanlage ist, gehört nach § 16 der Gewerbeordnung die Genehmigung der Gewerbebehörde. Wird der Antrag eingereicht, so wird er öffentlich bekannt gemacht, mit der Aufforderung, etwaige Einwendungen gegen die neue Anlage binnen 14 Tagen anzubringen. Einwendungen, welche später einlaufen, werden nicht berücksichtigt. Werden keine Einwendungen erhoben, so prüft die Behörde trotzdem, ob die Anlage erhebliche Gefahren, Nachteile oder Belästigungen für das Publikum herbei führen kann, und versagt oder genehmigt die Anlage je nachdem. Werden Einwendungen erhoben, die nicht nur privatrechtlicher Natur sind, so werden dieselben mit den Parteien erörtert und es wird dann eine Entscheidung getroffen, die innerhalb 14 Tagen durch Rekurs angefochten werden kann. Durch dieses Verfahren soll von vornherein schädlichen Einwirkungen auf benachbarte An lagen vorgebeugt werden und es sollte kein Handelsgärtner, in dessen Umgebung ein genehmigungspflichtiges Etablissement er richtet wird, versäumen, rechtzeitig von dem ihm zustehenden Protestrecht Gebrauch zu machen. Geht das Verfahren zu seinen Ungunsten aus, so bleibt ihm übrigens auch dann natürlich noch die Besitzstörungsklage. Uns gab namentlich der oben erwähnte Fall Veranlassung, auf die Sache nochmals zurückzukommen. Wir möchten erneut die Handelsgärtner darauf hinweisen, dass sie sich selbst schwer schä digen können, wenn sie Gärtnereien kaufen oder pachten, ohne sich vorher vergewissert zu haben, ob nicht etwa Anlagen in der Nähe sind, welche den Betrieb schädigen. Ist dies der Fall, dann lieber die Hand davon, als sich auf prozessuale Weiterungen ein zulassen.