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Pulsnitzer Anzeiger Ohorner Anzeiger Haupt- und Tageszeitung für die Stadt und den Amtsgerichtsbezirk Pulsnitz und die Gemeinde Ohorn Dienstag, 1V. September 1940 Nr. 212 92. Jahrgang bestimmten Plätzen keine Gewähr. Anzeigen sind an den Erscheinungstagen bis norm. 1V Uhr aufzugeben. — Verlag: Mohr k Hoffmann. Druck: Karl Hoffmann u. Gebrüder Mohr. Hauptschriftleiter: Walter Mohr, Pulsnitz; Stellv.: Walter Hoffmann, Pulsnitz. Verantwortlich für Anzeigen, Hetmatteil, Sport, Feuilleton, Kunst und Wissen Walter Hoffmann, Pulsnitz; für Politik, Bilderdienst und den übrigen Teil Walter Mohr, Pulsnitz. — Geschäftsstelle: Nur Adolf-Hitler-Strasse 2 — Fernruf nur 551 Alle Artung erschein; täglich mit Ausnahme Ler gesetzlich« Sou», rmd Feiertage. Bezugspreis: Bei Abholung 14 tägig 1.— RM-, frei HauS 1.10 RM. eiuschl.^ brz. ld Pf. Trägerlohn. Postbezug monatl. 2.50 RM. Die Behinderung Ler Lieferung rechtfertigt keinen Anspruch auf Rückzahlung de« Bezugspreises. ZettungsauSgab« für Abholer täglich S—8 Uhr nachmittags. Preise und Nachlaßsätze bei Wiederholungen nach Preisliste Nr. S — Für das Erscheinen von Anzeigen in bestimmten Rümmer» und «m Der Pulsnitzer Anzeiger ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen des Landrates zu Kamenz, der Bürgermeister zu Pulsnitz und Ohorn behördlicherseits bestimmte Blatt und enthält Bekanntmachungen des Amtsgerichts Pulsnitz, sowie des Finanz amtes zu Kamenz London von Flammen erhellt Neuneinhalbstündiges Bombardement der britischen Hauptstadt Dir kraftvolle und vernichtende Vergeltungsaktion de» Deutschen Luftwaffe gegen England, deren Leitung Reichs marschall Göring von Nordfranrrcich aus persönlich übernom men hat, hält weiterhin die ganze Welt in ihrem Bann. Alle Zeitungen berichten in grösster Ausführlichkeit über die harten deutschen Schläge, die jetzt auf England niedersausen, und ,dic nunmehr selbst die Lügcnagcntur Reuter zu Einzelgeständ- nissen der vernichtenden Wucht des Bombardements genötigt haben. Immer länger wird die Zeit, die die Briten in dcN Luftschutzkellern verbringen müssen. Und jeder neuen Steigen rung folgt bald eine nochmalige. So wurde nach Reuter am Sonntagabend um 7 Uhr Luftlnrm gegeben, der erst um 4.3o Uhr morgens zu Ende Ivar, also insgesamt 9 Stunden und 35 Minuten gedauert hat! Neber die deutschen Angriffe selbst berichtet Reuter: Un mittelbar nach der Luftwarnung begann im Londoner Gebiet ein schweres Bombardemc n t. Mitten in London brach ein heftiges Feuer der Flak aus und wurde von dem Fauchen der Bomben und von den Erplosioncn abgclöst. Massgebende Beobachter erklären, dass der Angriff noch intensiver ge wesen sei als der in der Nacht zu Sonntag. Im Laufe der Stunden wurde der Angriff immer heftiger, Die Bomben sielen in sehr kurzen Zwischenräumen, und noch acht Stun den nach Beginn des Alarms konnte man sie fallen hören. An verschiedenen Stellen entwickelten sich Brände, und" die Feuerwehr halte viel zu tun." In einer anderen Meldung mutz Reuter sich zu dem 'Eingeständnis bequemen, dass auch Verkehrslinien an gegriffen worden sind. Nach den Mitteilungen autorisierter Kreise sei der Luftkrieg nun drauf und dran, in ein kritisches Stadium zu treten. Man könne sagen, er sei in ein Crescendo iübcrgcgangcn, habe jedoch seinen Höhepunkt noch nicht erreicht. Im Verlause der deutschen Angriffe seien in der Grafschaft Kent eine Eisenbahnstation und zahlreiche Gebäude getroffen 'worden. In der Nähe der Londoner City und auf beiden User» der Themse seien Riesen brande ausgebrochcn, «ebenso in den Docks. Insgesamt, so stöhnt Reuter dann auf, jsei der Schaden grotz! Angesichts dieser ernsten Lage, in die Englands Haupt stadt durch die Zertrümmerung vieler wichtiger militärischer Anlagen geraten ist, ist es schon mehr als geschmacklos, wenn cs in Reuterberichten heisst: „Für viele" — und für die anderen? — „ist lediglich die Tatsache," dass der Gasdruck in ihren Wohnungen nicht die gewöhnliche Stärke hat und daher das Kochen des Mittagessens etwas länger als sonst dauert, der einzige Grund für Beschwerden, und dies sogar noch im humoristischen Sinne. Bei einem Rundgang während des An- qrifss ist man überrascht gewesen, in der Charing Cross Road gröbliche Schreie und Lachen junger Leute in der Dunkelheit zu hören". Wie tief ist Reuter doch gesunken, wenn er es für angebracht hält, in alle Welt zu melden, dass sich einige Halbwüchsige über die Katastrophe lustig machen! Er hat gar keine Empfindung mehr für das O r d i nä r e einer solchen Meldung. Ein Regupe aber, dessen Organe überhaupt keinen moralischen Massstab mehr finden, ist längst zum Un tergang reif! „Man hatte den EindruS eines Erdbebens" Einen dramatischen Augenzeugcnberichl über die Wirkung der deutschen Angriffe veröffentlicht die Zeitung „Stockholms Tidningen". In diesem Bericht heisst es u. a.: „Ich komme aus den bombardierten Gebieten. Meiuc Kleider sind noch vom Nicdrrwcrfen während des Angriffe beschmutzt, und meine Augen brennen vom Rauch. Durch ein wunderliches Geschick befand ich mich gerade südlich de, Themse, als der Kampf in der Luft seinen Höhepunkt er reichte. Ich kann feststcllen, dass die Geschichte niemals einen so furchtbaren Luftlampf erlebt hat wie den, den ich am Sonnabendabend über den Londoner Docks beobachtet habe. Sperrballvns sausten brennend zur Erde nieder, und plötzlich, ging es uns auf, waö hier geschah. Schwarze Rauchmaffen' wälzten sich in Brandwogen heran. Als der Kampf über uns ein Ende nahm, fuhren wir in das brennende Gebiet. Der Weg dorthin führte durch aufgerissene Straßen. Der Brand tobte auf beiden Seiten der Themse, aber am gewal tigsten brannte es aus der Südseite. Man war auf ein Bombardement in anderen Teilen der Stadt vorbereitet. Abe» Plötzlich begann der Kanonendonner im Osten der Stadt. Die Granaten explodierten am Himmel, und vielleicht nm zwei Minuten später schien es, als wenn die Flugzeuge ge radezu aus all-n Himmelsrichtungen auf die Stadt herab sausten. Die deutschen Maschinen erschienen in grossen Schwärmen am Himmel. Von allen Seiten her tauchten sic auf. Ich habe fünf Sperrballone gezählt, die in Flammen anfgingcn und abstürzten." Bald danach, so heißt es in dem Bericht weiter, seien neue Geschwader mit donnernden Motoren eingetrossen. „Mil einem ohrenbetäubenden Krach, der die Luft um uns zu zer reissen schien, stürzten sic sich in einem grossen Angriff auf den Hafen. Dieser Angriff hat alles in den Schatten gestellt, wat bisher im Luftkrieg geschehen ist. Wir fühlten, wie die Lust nm uns herum erbebte. Man hatte den Eindruck eines Erd bebens. Und dann stiegen gewaltige Rauchmaffen auf, dii sich schliesslich wie riesige Blumen am Himmel auSnahmen. Ich folgte der Menge der Feuerwehrleute nach dem Osten hin. Als wix ein bisschen näher vorgedrungen waren, erschien das Feuer wie eine riesige Mauer, die vor uns alles absperrtc. Die Flammen begannen längs der Strasse hoch- zuschlagcn, und als es zu gefährlich wurde, weiterzufahreu sprangen wir, Polizisten, Soldaten und ich, buchstäblich durck Feuerwände. Die aus Holz gebauten Speicher brannten knisternd wie JohanniZfcuer. Du- Lösch-,üge vesatzien «ich voi allem mit den großen Gebäuden. Vom Fluss her pumpte man ununterbrochen Wasser, denn die Wasserleitungen selbst waren bereits beschädigt. Ich stand am Südufer der Themse und sah, wie das Feuer sich auch am nördlichen User des Flusses ausbreitetc. Soviel ist klar, daß das Feuer nicht allein in den Docks entstanden ist, sondern dass sich der deutsche Angriff gleichzeitig auch gegen die industriellen Anlagen längs der Themse und im Osten Londons richtete. Das Elektrizitätswerk und an dere Anlagen der öffentlichen Dienste sind beschädigt worden. Der Tag ist gekommen, an dem dck Luftkrieg in sein schlimm stes Stadium eingctretcn ist. England kämpft für sein Leben. Heute nacht waren die Londoner tief unter der Erde, so tief, wie sich Menschen überhaupt nur einbuddeln können. In dem Bericht der Zeitung „Dagens Nyheter" heißt es: „Die Hauptstadt des britischen Imperiums hat ihren bisher, härtesten Schlag erhalten. Der sparsame Sonntagsver- kchr, die Lücken im Autobusdienst und in der U-Bahn zeigen am deutlichsten, was sich in der vergangenen Nacht ereignet hat. Rund um uns herum tobte die größte Kette von Feuers brünsten, die ich je gesehen habe, besonders in den Speicher anlagen des Häsens. Die Rauchentwicklung war so, gewaltig, daß es schwer war, überhaupt einen Ueberblick über den Umfang der Brände zu erhalten. Ganz deutlich sah man auch, daß aus der anderen Seite des Flusses ebenfalls Brände entstanden waren. Die Rauchwolken vereinigten sich über de» Themse zu einer dicken Wolkendecke. Die Flammen waren nicht besonders hoch, aber man sah sie grün, gelb und rot aus den! Dächern der Lagerhäuser hochflammen. Mittlerweile trafen die ersten Löschzüge ein, und eine gewaltige Löscharbeit be gann. Aber die Lagerhäuser schienen derartig viel Brenna bares zu enthalten, dass das Feuer nicht im geringsten ab-' geschwächt wurde." Diese verheerenden Angriffe auf Londons militärische Ziele, deren Wirkung die schwedischen Journalisten so lebendig schildern, sind die notwendig» Antwort an die plutokratische» Kriegsverbrecher, die dem deutschen Volk den Krieg erklärten, die cs aushnngcrn wollten, die seine Kirchen, Krankenhäuser, Baucrngehöste und Wohnhäuser bombardieren ließen «nS deren Lords brutal und zynisch vor aller Oeffentlichkeit e»i klärten: „Nur ein toter Deutscher ist ein guter Deutscher." Starker Aussehen in Moskau In M o s k a u ^berichtete auch der Rundfunk in gross»« Aufmachung über die deutschen Vergeltungsmaßnahmen, wo bei betont wurde, daß diese Maßnahmen unter persönlicher! Leitung des Reichsmarschalls Göring und unter Beschränkung ans militärische Ziele erfolgen. Tie New-Yorker Zeitungen melden, als am Sonn tag die neuen Bombardierungen begonnen hätten, da seien viele Feuer des vorausaegangenen Angriffs noch nicht ge löscht gewesen. Die Brände hätten London so stark erhellt, daß die Wirkung der Verdunkelung vollkommen aufgehoben worden sei. Ein Beamter des Luftfahrtministeriunis habe erklärt, cs sei unmöglich, die deutschen Bomber aufzuhalten. „New York Herold Tribune" berichtet u. a- im östlichen In dustriegebiet Londons seien gut zehn Meilen zerstört. ES wird angedeutet, daß neben den ungeheuren Schäden an Docks, Fabriken und Versorgungsbetrieben auch Gaswerke, Elektrizitätswerke und Bahnlinien beträchtlich zerstört worden sind. Straßcnzug über Straßenzug und schließlich Meile a»tf Meile, seien von Polizei und Feuerwehr zur Löschung und Ausräumung abgesperrt worden Im Gcgeniäk zu srüheren Berichten fehlt erstaunlicherweise fast jeder Zersuch, die deutschen Angriffe als wahlcofe Bombardierung hinzustcllen. Selbst die „New York Times" erklärt, ähnlich wie in der lebten Woche schienen kriegswichtig» Objekte daL Ziel der Angriffe zu sein. „Wo ist die englis-L Luilrecroe?" Die englandsreundliche „New Aork Times" schreibt, die schreckliche Vision, welche die Engländer längst mit Furcht erfüllt habe, sei wahr geworden. Die deutschen Angriffe hätten die Schwäche der britische?: Verteidigung! aufgcdeckt. Man frage sich jetzt, wo -'gen'lich die eng lische „Luftreserve" sei, die angeblich kart tem Frühjahr so rasch aufgebaut werde. Möglicherweise lie^ die Schwierig keit in der Knappheit an Fliegern sowie in der Tatsache, daß die Deutschen die südöstlichen Flugfelder systematisch un brauchbar gemacht hätten, von wo aus die Engländer Loudon geschützt hatten. Schwarze Stunde des britischen Empires Die italienischen Zeitungen berichten unter Schlage zeilen wie „London ohne Wasser, ohne Gas, ohne elektrischen Strom" über die deutschen Angriffe. In seinem Artikel be tont „Messaggero", die Gewissenlosigkeit und das verbreche rische Vorgehen der Engländer, die allzu lange ungestraft ge blieben seien, finden jetzt in einem Gottesgericht ihre Sühne. Während in der Welt die Stützpfeiler des britischen Impe riums Zusammenstürzen, schließe sich um London ein Ring aus Stahl und Feuer immer enger. Der Augenblick sei ge kommen, in dem England für die zahllosen Rechtsverletzun gen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, mit denen es sein Gewissen beladen habe, zahlen müsse. Auf alle Fälle hätten die deutschen Angriffe dargetan, dass England gar nicht in der Lage sei, seine Hauptstadt ausreichend zu schützen. Die japanischen Zeitungen sprechen davon, dass letzt die schwarze Stunde des britischen Empire geschlagen habe. Panik artig versuchten die Menschen aus London zu flüchten. Der Himm über London scheint zu brxnnen. «Reuters «Retufchierungsversuche Verzweifelte Stimmungsmache mit grotesken Mitteln Unter dem vernichtenden Eindruck des vergeltenden Stahl- gcwitters, das, wie Reuter meldet, stärker noch als in der vorhergehenden Nacht zum Montag niederging und von aus ländischen Berichterstattern mit einer Erdbebenkata strophe verglichen wurde, sieht sich Reuter gezwungen, wenn auch in dem bekannten kümmerlichen Ton, sowohl die Plan mäßigkeit der deutschen Anariffe. Wie auch die verheerende Wirrung zuzugeven. In einer Meldung vom Montag vormit-l tag heißt es: „Gestern abend wurden die feindlichen Angriffe auf Lon don kurz nach Einbruch der Dunkelheit wiederholt und die Nacht über fortgesetzt. Bei dieser Offensive setzte der Feind aufeinanderfolgende Wellen von Flugzeugen ein, die unabhänaia voneinander overierten und aus die ausae-