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drittes Geschäft ist das eines jungen Mädchens", welches, nachdem dieselbe in einem hiesigen Blumengeschäft gelernt und ein Jahr als „Erste Binderin (?)“ fungirte, eine solche Vorliebe zu den Kindern Flora’s entwickelte, dass dieselbe ebenfalls ein Blumengeschäft etabliren musste, nur um ihrem „Herzensdrang" nachzugeben. Mit Hilfe dieser „Kollegen“ und „Blumeure“ sind wir nunmehr bei einer Einwohnerzahl von 23 000 Seelen glück lich bei der leidlichen Zahl von 10 Blumenläden angelangt, abgesehen von den sogenannten „Kränzeiweibern“. Doch nicht genug damit. Um einem „Dringenden Bedürfniss" — — — abzu helfen, wird nunmehr am 1. April d. J. ein „Elftes“ Ge schäft etablirt und zwar von keinem andern „Kollegen“, als von einem ehemaligen Grossindustriellen und Fabrik besitzer, welcher sich heute so weit „erhöht“ resp. ernie drigt hat, sich als Kunst und Handelsgärtner und Blumen laden-Inhaber zu etabliren, jedoch, wiegesagt, nur um einem dringenden Bedürfniss abzuhelfen. — — Schade, dass heute nicht der Befähigungsnachweis geliefert werden muss, so wäre uns wenigstens die Möglichkeit geboten, derartige Herren Grosskapitalisten von unserer Branche , fern zu halten. X. Die Fachschule für Gärtnerlehrlinge zu Lindenau bei Leipzig. (Otto Jaenich, Lindenau bei Leipzig.) Lindenau bei Leipzig, mit ca. 17,000 Einwohnern, bil det mit seinen grossen Feldfluren ein Heim der Leipziger Gärtnerei, es sind seit Jahren eine Menge mittlere und kleinere Handelsgärtnereien dort errichtet worden, so dass gegenwärtig über dreissig an der Zahl bestehen. Die Inhaber dieser Geschäfte, welche durch einen Lokal verein in steter Verbindung stehen, sind stets gegen die Fabrikation von Gärtnergehilfen eingetreten, infolge dessen jährlich nur bis zu 20 junge Leute als Lehrlinge in den gesammten Geschäften ausgebildet werden. Als in den siebziger Jahren das neue sächsische Schul gesetz in Kraft trat, wonach jeder aus der Volksschule entlassene junge Mann bis zum 17. Jahre die Fortbildungs schule besuchen muss, waren auch wir gezwungen, unsere Lehrlinge wöchentlich 4 Stunden in dieselbe zu schicken. Bald stellte es sich heraus, dass unsere, meist gut erzoge nen jungen Leute durch andere, die Fortbildungsschule besuchende Altersgenossen verdorben wurden. Man be merkte an den jungen Leuten vielfach den Umgang mit roheren Elementen, was eine Beeinträchtigung der Lust und Liebe am gewählten Berufe zur Folge hatte, zumal andere j Schüler scheinbar über mehr freie Zeit zu verfügen hatten, j Diese Erscheinungen erweckten wiederholt bei uns den Ge danken, eine eigne Fachschule für unsere Lehrlinge zu ( gründen. Durch das feste Zusammengehen aller hiesigen | Collegen wurde es dem Lindenauer Gärtnerverein nach län- I gerer Zeit doch möglich, Ostern 1883 ‘.eine Fachschule ins I Leben zu rufen. Die königliche Schulinspektion, der hie- j sige Schulvorstand, sowie die Schuldirektion förderten, in | Rücksicht auf den Nutzen des Fachunterrichts in dankens- i werther Weise unser Unternehmen. Neben einem tüchtigen hiesigen Volksschullehrer, wel cher den Unterricht in Deutsch, Stil, Rechnen und Geo metrie ertheilt, sind noch zwei hiesige Kollegen an dem Unterricht für die Fächer: Zeichnen. Botanik, Obstbau und der allgemeinen Theorie des Pflanzenbaues betheiligt. Der hiesige Gärtnerverein bestreitet den Fehlbetrag j für das Honorar der Lehrer aus seiner - Vereinskasse. Für die Unkosten erleichternd wirkt wesentlich, dass der hiesige Schulvorstand die Räumlichkeiten, sowie Licht und Heizung zur Verfügung stellt.. Die Prinzipale sind moralisch ves- pflichtet, für das Schulgeld, welches 1 Mark pro Monat be trägt, aufzukommen. Die Oberleitung dieses Fachunterrichts hat der Direktor der hiesigen Volksschule, eine im Fort bildungsschulwesen bedeutende Capacität, mit einer vom Lindenauer Gärtnerverein ernannten Kommission. Da die Einrichtung dieser Fachschule allseitiges In teresse erregt, und im Kollegenkreis viel Freunde gefunden hat. so stehen bei der jährlich stattfindenden Osterprüfung äusser den vom hiesigen Verein gestifteten Prämien nicht selten auch andere Prämien als Belohnung für die besten Schüler zur Verfügung Der Unterricht wird im Winterhalbjahr an zwei Aben den von 7 — 9 Uhr und der Zeichenunterricht 2 Stunden Sonntags Vormittags ertheilt. sodass der Gesammtunterricht wöchentlich 6 Stunden im Winterhalbjahr umfasst Im Sommerhalbjahr findet, da die Lehrlinge mehr an das Ge schäft gebunden sind, nur 2 Stunden Unterricht an einem Wochenabend statt. Diese Einrichtung hat sich bis jetzt sehr gut und vortheilhaft bewährt. Dem Unterricht liegt flgender Lehrplan zu Grnnde: Ä. Der Unterricht im Deutsch. Der Unterricht im Deutsch gliedert sich in Lesen, mündlichen und schriftlichen Gedankenausdruck. In den "Händen der Schüler befindet sich: Lehr- und Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschu len von E. Stötzner. Das Lesen kann nur kursorisch be trieben werden. Die Schüler sind zur Privatlektüre fleissig anzuhalten. Der mündliche und schriftliche Gedankenausdruck wird geübt durch Anfertigung stilistischer Arbeiten, zu denen die Stoffe ausschliesslich dem gärtnerischen Geschäftsleben entnommen werden. Die Schüler sollen befähigt werden, die schriftlichen Arbeiten, die das Leben verlangt, kurz, klar und formrichtig anzufertigen. Die 12 Arbeiten sind von den Schülern in der Klasse in ein besonderes Heft möglichst sauber einzuschreiben und werden dann vom Lehrer korrigirt und zensirt. Zur Besprechung gelangen auch die wichtigsten Be stimmungen für den Postverkehr, desgleichen ist auch die richtige Ausfüllung' postalischer Formulare zu üben. Gelehrt wird ferner Wechselkunde und gewerbliche Buchführung. Dieser ist der Geschäftsgang einer Gärtnerei zu Grunde zu legen. Stoffvertheil ung. a) Lesen. 1. Jahr. Nr. 8. Neujahrsnacht eines Unglücklichen. Nr. 23. Ben jamin Franklin. Nr. 30. James Watt. Nr. 32. Der alte und der junge Borsig. Nr. 37. Was ist eine chemische Verbin dung? Nr. 41. Die Elasticität des Wasserdampfes. Nr. 43. Die Wunderthaten der Maschine. Nr. 46. Vom Lichte des Kienspahns bis zum Lichte der Elektricität. Nr. 54. Hand werkszeug und Maschine. Nr. 93. Die Wnnder des Ver kehrs. Nr. 111. Die Wohnung der Menschen und die Luft. Nr. 125. Eine Stunde der Versuchung. 2. Jahr. Nr. 14. Man muss die Zeit auskaufen und pünkllich sein. Nr. 56. Die Verkettung der. Gewerbe. Nr. 58. Die letzte Nacht im Elternhause. Nr. 76. Vom Branntwein trinken. Nr. 102. Von der Wehrpflicht. Nr. 106. Die Fa milie als Grundlage des Staates. Nr. 107. Familie und Staat. Nr. 128. Von der Rechtspflege. Nr. 134. Die Gemeinde, ein Staat im Kleinen. Nr. 138. Die wundervolle Ordnung im Staate. Nr. 140. Die Rechtsverfassung. Nr. 141. Grundzüge einer Landesverfassung.