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Allgemeiner Anzeiger : 06.11.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189711065
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18971106
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18971106
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Bemerkung
- Vorlagebedingter Textverlust
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1897
-
Monat
1897-11
- Tag 1897-11-06
-
Monat
1897-11
-
Jahr
1897
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 06.11.1897
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Politische Rundschau. Deutschland. * Der Kaiser kehrte am Sonntag nbcad «ach dem Neuen PalaiS zurück. Montag morgen hörte der Kaiser den Vertrag des Chefs des Zivilkabinetts und die Marine-Vorträge. * Der Staatssekretär des Reichs-Marineamts, Kontrcadmiral Tirpitz, wird in den nächsten Tagen nach München reisen, um sich dem Prinz-Regenten vorzustellen. * Das Meininger .Regierungsblatt' ent hält folgende Kundgebung: „Es entspricht nicht den Wünschen Sr. Hoheit deS Herzogs, daß aus seinem vor nunmehr bald 50 Jahren erfolgten Eintritt in die preußische Armee Veranlassung zu — wie man hört, hier und da beabsichtigten — Festlichkeiten oder irgend welchen sonstigen Veranstaltungen ge nommen werde, da es ihm — sehr wider seinen Willen — nicht vergönnt war, der selben längere Zeit aktiv anzugehören." *Graf Schwerin, der deutsche Ge sandte auf Haiti, verlangte von der dortigen Regierung für die unberechtigte Ge fangenhaltung eines deutschen Unterthanen namens Lüders Genugthuung. Da solche ver weigert wurde, brach Graf Schwerin die diplomatischen Beziehungen ab. Die Aufregung auf Haiti ist sehr groß. Die Zeitungen führen eine höchst aufreizende Sprache gegen die dort wohnenden Deutschen. Die Kammer von Haiti heißt die ablehnende Hal tung des Präsidenten gut. —Der Konflikt ist übrigens durch Freilassung des Lüders schon wieder beigelegt. * Die Militärstrafprozeßreform wird im Laufe dieser oder der nächsten Woche das Plenum des Bundesrats wieder beschäftigen und voraussichtlich ohne weitere Schwierigkeiten in der vom Ausschuß vereinbarten Form an genommen werden. Die Frage, ob betreffs des obersten Gerichtshofes ein Reservatrecht Bayerns besteht oder nicht, wird dabei kaum noch weiter in die Diskussion gezogen werden da eine Bestimmung hierüber vor der Hand aus dem Gesetzentwurf ausgeschicden worden ist. Man kann demgemäß annehmen, daß die Vor lage in einer Fassung an den Reichstag ge langen wird, die auch dort eine Mehrheit finden dürfte. * Am 1. k. findet im Deutschen Reich wieder eine allgemeine Viehzählung be schränkteren Umfanges statt. Es werden jetzt schon von den Verwaltungsbehörden die Vor bereitungen dazu getroffen. Die Zählung wird sich auf Pferde, Rind-, Schaf-, Schweine- und Ziegenvieh sowie auf Gänse, Enten und Hühner erstrecken. *Die polnischen Arbeiter aus Rußland und Oesterreich, welche im rheinisch-westfälischen Jndustriebez rk beschäftigt find, erhalten augenblicklich, wie mehrfach be richtet wird, Ausweisungsbefehle. Aus Dort mund z. B. seien 70 Polen ausgewiesen worden. Oesterreich-Ungarn. *Von Wien aus wird versichert, daß eine österreichische Kabinettskrise vor erst nicht besteht. *Der sich des besten Wohlbefindens er freuende Abgeordnete Dr. Lecher wurde am Sonntag in seinem Wohnsitze Brünn auf dem Bahnhof von der Gemeindevertretung, Mit gliedern aller deutschen Vereine und einer riesigen Menschenmenge erwartet und mit stürmischen Hoch- und Heilrufcn begrüßt. Bürgermeister Dr. v. Wieser dankte Lecher für seine Parla mentsrede und überreichte ihm einen Kranz. Dr. Lecher wurde, nachdem er gedankt hatte, von einigen Verehrern auf den Schultern zum Wagen getragen. — In Hall (Tirol) brachte die Bürgerschaft ohne Unterschied der Partei dem gewesenen Präsidenten des Abgeordneten hauses Dr. Kathrein, Bürgermeister jener Stadt, einen großartigen Fackelzug mit Sere nade dar. Der Gefeierte sagte u. a., mit der Politik könne cs so nicht weiter gehen; Be dingung für die Wiederkehr geordneter Zustände sei eine aufrichtige Verständigung mit den Deutschen. ^rautreich. * Trotz lebhaften Einspruchs vom ,Jntran- figeant', ,Libre Parole' und ähnlichen Blättern fordern inderDrechfus-Angelegenheit .Journal des Dubais', .TempS' und .GauloiZ' bereits eine Revision des Prozesses und geben die Möglichkeit eines Rechtsirrtums zu. Senator Scheurer-Kestner widerspricht auch der Meldung, daß sein Auftreten eine Folge von Machen schaften der Familie Dreyfus sei; er habe nie mals ein Mitglied der Familie Dreyfus ge kannt. Svanien. *Der Wechsel im Oberbefehl auf Cuba hat sich ohne Störung vollzogen. Vor seiner Abreise stattete General Weyler dem Marschall Blanco einen Besuch ab und übergab ihm die Regierungsgewalt. Mar schall Blanco richtete an die Kubaner eine Kund gebung, in der cs heißt, die Regierung habe ihn beauftragt, Reformen vorzunehmen und eine Selbstregierung einzuführen unter Aufrecht erhaltung der Souveränetät Spaniens. Er werde eine Politik weitgehender Hochherzigkeit und des Vergessens befolgen und hoffe auf die Unterstützung aller Bürger. *Jn Barcelona wurden 103 der als „Anarchisten" verhafteten Personen frei- gelassen und 11 davon des Landes verwiesen. Rußland. *Wie aus Warschau gemeldet wird, wurde dort in letzter Zeit eine Reihe neuer Russifizierungs-Maßregeln an geordnet, wodurch die Hoffnungen der aus gleichsfreundlichen Partei sich stark herab minderten. Auch die russischen Zeitungen schlagen jetzt Polen gegenüber wieder den früheren un versöhnlichen Ton an, welcher mit den Friedens schalmeien zur Zeit des Zarenaufenthaltes in Warschau keineswegs im Einklänge steht. *Jn Rußland beginnt die Arbeiter bewegung, deren Bestehen trotz aller amt lichen Widerrufe nicht geleugnet werden kann, Erscheinungen zu zeitigen, die auf tiefgehende Erbitterung der Arbeiterkreise schließen lassen. Nach einer Meldung aus Wladimir hat in der großen Baumwollenmanufaktur von Wikula Moroschow in Oreschowo - Sfijewo ein teil weiser Arbeiterausstand einen großen Umfang angenommen. Die Ausständigen steckten das Haus des Direktors der Manufaktur in Brand, erbrachen die Fabrikkasse und verbrannten 50000 Rubel Papiergeld. Der Direktor selbst hatte sein Leben mit Not durch die Flucht retten können. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung wurde Militär aufgeboten, das vorläufig den Ausstand unterdrücken wird, aber die Unzufrieden heit deshalb nicht beseitigen kann. Balkanstaaten. *Die Pforte hat beschlossen, in betreff Kretas eine neue Note an die Groß mächte zu senden, welche gegen die Ermuti gung Protest erhebt, die angeblich den Auf ständischen im geheimen von der griechischen Regierung zu teil wird. Von Athen aus wird dagegen die Nachricht, daß die Italiener in Kanea 10 000 Gewehre aus Griechenland be schlagnahmt hätten und daß diese Waffensendung unter Mitwissen der griechischen Regierung statt gefunden habe, als jeder Grundlage entbehrend bezeichnet. *Ein Jrade ordnet für die Provinzen den Unterricht im Koran an. Die türkischen Blätter begleiten diese Verfügung mit Hinweisen auf die Geschichte, welche beweise, daß der Koran - Unterricht die Mohammedaner allen andern Völkern überlegen mache. (?) * Die Lage in Thessalien scheint sich beruhigender zu gestalten. Nach einem Tele gramm aus Achen find bereits etwa 45000 Flüchtlinge mit 40 000 Stück Vieh nach Thessalien zurückgekhrt. Afrika. *Nach einer Meldung aus Sansibar gibt der Gesundheitszustand des Sultans u Besorgnissen nicht mehr Anlaß; das Be- inden hat sich gebessert. * Den Riffpiraten will man anscheinend ernstlicher zu Leibe gehen. Lie soeben in Tanger überreichte italienische und portugiesische Note, welche über die Seeräubereien der Riffbewohuer Klage führt, ist in einem entschiedeneren Tone gehalten, als die frühere. Auch heißt es, einige l europäische Vertreter seien für ein gemeinsames § Vorgehen zur Bestrafung der Piraten. Asien. *Jn seinem Kamvfe gegen die indischen Grenzstämme ist General Lockhart in den letzten Tagen siegreich gewesen. Er hat nicht nur den Sempagharpaß mit verhältnismäßig geringen Verlusten genommen, sondern seitdem auch die Ebene von Arhanga erobert. Der Feind wurde durch konzentrisches Artilleriefeuer aus seinen Verschanzungen vertrieben. General Lockhart befindet sich gegenwärtig mit seinen Truppen auf dem Abstieg in das Tirahgebiet. * Der Emir vonAfghanistan hat in einem Schreiben dem englischen diplomatischen Agenten mitgeteilt, daß er eine Abordnung der Afridis und Orakzais in Kabul empfangen, die ihn bat, sich bei der englischen Regierung für sie zu verwenden, um die Bedingungen für ihre Begnadigung zu erfahren. In einem zweiten Briefe an den Vizekönig von Indien erklärt der Emir, er werde sich bemühen, den Mullah von Hadda gefangen zu nehmen; wenn sich die Afridis auf afghanisches Gebiet flüchten sollten, würde er ihnen niemals gestatten, auf englischem Gebiete Unruhen zu stiften. Die neuen Kartenbriefr. Pünktlich find mit dem 1. November von der Post die neuen Kartenbriefe ausgegeben worden, nachdem das Publikum durch die Zeitungen auf dieses Ereignis vorbereitet wor den war. Das Aeußere der Kartenbriefe ist ein einfaches und gefälliges. Der Aufdruck und die Striche auf der Adressenseite sind von derselben sanften roten Farbe, wie die aufgedruckte Zehn pfennigmarke und heben sich von dem Weiß des Papiers angenehm ab. Wenn voraussichtlich die Kartenbriefe, da fie einem wirklichen Be dürfnisse entgegenkommen, bald eine große Ver breitung gewinnen dürften, so werden fie wahr scheinlich bei den Polen sich einer ganz beson deren Beliebtheit erfreuen. Einmal prangen fie in den polnischen Farben rot und weiß. Außer dem ist aber mehr dem polnischen, als dem deutschen Sprachgefühl Rechnung getragen. Auf der Rückseite der Kartenbriefe lesen wir nämlich in wunderschönen roten Buchstaben folgenden Satz: „In denjenigen Verkehrsbezichungen zum Aus land, wo das Briefporto 20 Pf. beträgt, ist das Franko um 10 Pi. in Marken zu ergänzen." Nach dieser Stilprobe, schreibt die ,Nat.-Ztg.' müssen wir allerdings daran verzweifeln, daß die von uns kürzlich erörterten Worte: „das Botenlohn" auf den Telegrammformularen sich in die Worte: „der Botenlohn" verwandeln werden. Angesichts des obigen Satzes ist jedenfalls zu befürchten, daß seit dem Tode Stephans das Deutsch der Postverwaltung sich in einer absteigenden Entwickelung befindet. Nebenbei bemerkt: ein ängstlicher Kartenbrief schreiber könnte aus dem Pluralis „Marken" der oben mitgeteilten Anmerkung schließen, da man bei Verwendung der Kartenbriefe nach dem Auslande nicht eine Zehnpfennigmarke zukleben darf, sondern mehrere Marken, also zwei Fünf pfennigmarken nehmen muß. Die Schreibfläche der Kartenbriefe ist viermal so groß, wie die einer Postkarte und also auch für weitläufigere Mit teilungen genügend. Die Schreibfläche besteh nämlich zunächst aus drei fortlaufenden Feldern die mit der auf der Innenseite des Papiers angebrachten feinen mattgrauen Maserung hübsch aussehen; dann aber kann auch noch die weiße Rückseite der dritten Fläche, die beim Zu sammenfalten des Kartenbriefes mit ins Innere kommt, beschrieben werden. Man sieht, Herr v. Podbielski ist ein galanter Mann: er kommt auch den Damen entgegen, die, wenn die drei ordentlichen Felder beschrieben find, immer noch ein viertes außerordentliches Feld fürdas Postskrip tum übrig haben. Die Durchlochung des Randes des Kartenbriefes scheint aber leider, wenigstens nach den Erfahrungen, die wir gleich mit zwei Kartenbriefen gemacht haben, eine allzu gründliche zu sein: die beim Oeffnen des Kartenbricfes abzureißenden Streifen lösen sich anscheinend zu leicht ab. Das Tragen in der Brusttaschc war bei den erwähnten zwei Karten briefen schon ein genügender Grund für diese Streifen, den Kartenbrief zum Teil zu verlassen. LZ dürste sich vielleicht empfehlen, die Durch lochung nicht ganz bis zum untern Rande fort zusetzen, sondern etwa 1 Zentimeter von dem selben damit aufzuhören. N»n Antz nnd Fern. Darmstadt. Der Generalmajor v. Bülow, Flügeladjutant der drei ersten hohenzollern- schen Kaiser, ist hier infolge eines Sturzes vom Pferde gestorben. Sein Bruder, der neue Staatssekretär des Auswärtigen, der gegen wärtig in Italien weilt, um sich dort zu ver abschieden, ist durch die Todesnachricht aufs effte erschüttert, so daß er an den ersten beiden Tagen nach Empfang der Unglücksbotschaft nie mand, auch seine intimsten Freunde und sogar den Preuß. Gesandten beim Vatikan, seinen Vetter v. Bülow, nicht empfangen wollte. Leipzig. Die Stadtverordneten stimmten sem Beschlusse des Rates zu: „anläßlich deS Regierungsjubiläums des Königs Albert die reservierten 400 000 Mk. aus dem Betriebe deS Jahres 1896 zur Errichtung eines Genesungs heims für Lungenkranke zu verwenden". Die Stiftungsurkunde soll dem König am Jubiläums tage als Huldigungsgabe überreicht werden. Die Sozialdemokraten erklärten, der Verwendung der 400 000 Mk. zuzustimmen, aber nicht in Ver bindung mit dem Regierungsjubiläum. Lüben. Bei der Schnitzeljagd der Offiziere des hiesigen Dragoner-Regiments stürzte der Regiments-Kommandeur v. Tresckow mit feinem Pferde und wurde schwerverletzt aufgehoben. Die Aerzte hoffen auf Wiederherstellung des Verunglückten. Eilenburg. Auf Bahnhof Eilenburg fuhr abends 9 Uhr 30 Min. dem ausdrücklichen Be- ehle des Stationsbeamten und der beteiligten Weichensteller zuwider der Führer einer leeren Lokomotive auf den Einfahrtsweg des von Düben kommenden Personenzuges und diesem in die Flanke. Es wurden zwei Wagen umgeworfen, die Lokomotiven und fünf Wagen beschädigt, vier Reisende und der Lokomotivführer des Per- soncnzuges schwer, 23 Personen leicht verletzt. Der Führer der leeren Lokomotive erklärte später selbst, daß die Signale die Einfahrt verboten hätten. Kiel. Die Eisenbahnbrücke über den Nord ostseekanal bei Taterphal wurde durch den Dampfer „Octa" Sonntag vormittag angerannt und dadurch wurden ihre hydraulischen Be wegungsvorrichtungen beschädigt. Der Schiff fahrtsverkehr ist unbehindert, nur dauert das Drehen der Brücke, weil durch Menschenkraft erfolgend, etwa länger wie sonst. Hamburg. Der aus Thorn flüchtige Fleischermeister Benjamin Rudolph ist in Ham burg kurz vor Einschiffung nach Amerika auf Requisitton der Thorner Staatsanwaltschaft ver haftet worden, da der Verdacht der Unterschlagung von Jnnungsgeldern vorliegt. Erfurt. Einige junge Franzosen, die in hiesigen Gärtnereien als Volontäre arbeiten, haben kürzlich erfahren müssen, daß das Aus kramen des französischen Chauvinismus in Deutschland denn doch von sehr unangenehmen Folgen für die gallischen Hitzköpfe begleitet sein kann. Die jungen Lente kamen etwas ange zecht in ein hiesiges Cafö und begannen hier in ftanzösischer Sprache mit „deutschen Schweinen und preußischen Hunden" herumzuwerfen. Ein auwcscnder Reisender übersetzte seinen deutschen Tischgenoffen die Schimpfereien, und nun hagelte es Ohrfeigen nach Noten. Wer von den Franz männern nicht ergriffen wurde, suchte in rasen dem Laufe das Weite. Wittenberg. Schwer verletzt wmde zu Mellesdorf ein Mann, welcher sich an der Ver folgung eines Einbrechers beteiligte. Dieser war nachts beim Gastwirt Scheer eingebrochen, aber bemerkt und gestört worden, so daß er sich nur für etwa eine Mark Kleingeld aneignen konnte. Auf seiner Flucht schoß der Räuber, welcher von mittlerer, untersetzter Statur und mit grauer Gurtjoppe und grauer Hose bekleidet war, auf seine Verfolger und traf einen derselben. Falsches Hetd. 11 Kriminal-Novelle von E. v. Lippe.*) ES war mir nach langen Jahren gelungen, auf meinen besonderen Wunsch zur Kriminal abteilung versetzt zu werden. Viel Thatendurst und Ehrgeiz nach Auszeichnungen hatte ich in meine neue Stellung mitgebracht, nur hatte die Gelegenheit noch gefehlt, mich Hervorzuthun. Für einen jungen Beamten, der an Avance ment und dergleichen denkt, ein wirklich düsteres Geschick. Die eines Vormittags bei dem Chef der Abteilung stattfindende Konferenz hatte fast ihr Ende erreicht. Ich war dem Vortrage wohl mit Aufmerksamkeit, aber ohne besonderes Interesse gefolgt; plötzlich wurde dasselbe ge weckt durch die Mitteilung, daß nach einer aus! Petersburg eingegangenen Anzeige sich in unserer Residenz Fälscher russischer, äußerst gut nachge- ahmter Banknoten aufhalten sollten; wären die Leute nicht mehr in der Residenz, so sei doch unzweifelhaft, daß fie sich hier aufgehalten hätten, und es wurde dringend gebeten, die! Spur der Verbrecher zu ermitteln und zu ver-! folgen. Leider fehlte jedes Signalement der Gauner, nur das war mü ziemlicher Gewißheit angegeben worden, daß es zwei Personen waren, - von denen der eine schwarze Augen habe und mit dem Kreuze der Ehrenlegion geschmückt ge wesen sei, ferner wäre er außer der russischen auch der französischen und deutschen Sprache vollständig mächtig. Dann wurde mitgeteilt, *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. daß die Gauner in der Verbrecherwelt der „Fälscher" sehr gute Verbindungen haben müßten; ! dafür spräche die Art und Weise, wie in Moskau, Warschau und anderen Orten die Verausgabung der Falsifikate bewerkstelligt worden wäre. Es wurde also von dem Vortragenden empfohlen, unsere besondere Aufmerksamkeit zunächst auf die in der Residenz anwesenden Russen, und namentlich auf ein Subjekt mit stechenden schwarzen Augen, mit dem Kreuze der Ehrenlegion dekoriert, zu richten. Nun hatte ich am Samstag der vergangenen Woche im Garten desFriedrich-Wilhelmftädtischen Theaters nach Schluß der Vorstellung, während des noch stattfindeuden Konzerts, einen Herrn bemerkt, auf den diese Beschreibung genau zu traf, und der mit einem Herrn, anscheinend einem Geistlichen, an einem Tische unweit meines Platzes gesessen hatte. Ich hatte hierbei bemerkt, daß die beiden sich nicht unterhielten, und glaubte deshalb, daß fie zufällig an ein und demselben Tisch Platz genommen und sich vollständig fremd wären, wurde aber eines Bessern belehrt, als ich eine Viertelstunde später in der Karlsstraße beide Personen in der Droschke 2007 bei mir vorüber fahren sah. Die Konferenz war beendigt und in größter Eile verließ ich das Präsidium. Was ich thun, wie ich beginnen wollte, wußte ich selbst noch nicht, nur darüber war ich mit mir einig, daß, wenn der Ritter der Ehrenlegion, den ich im Theatergarten gesehen, der verfolgte Fälscher war, ich sicher seine Spur finden würde; denn ich wußte ja die Nummer der Droschke, die der Herr Ritter mit dem Geistlichen erst vor fünf Tagen benutzt hatte, und ich glaubte mit Recht voraussetzen zu können, daß die Herren zu so später Stunde wohl nur nach ihrem Hotel den Weg genommen hatten; entweder fand ich dort noch beide, oder waren dieselben schon abge reift, so konnte ich von dort aus ihre Spur Wetter verfolgen. — Trafen diese Voraus setzungen zu, dann war die Verfolgung der Fälscher in meiner Hand. Ich war ganz mit diesem Gedanken be schäftigt weiter gegangen, ich sah gar nicht den Hellen freundlichen Morgen, wie die Sonne so lustig in den Straßen der Residenz hineinschien, daß die Gesichter der hier wandelnden glücklichen Menschen noch fröhlicher ausschauten, und die Bettübten und Unglücklichen unter diesem Sonnengruße wohl, wenn auch nur aus Minuten, das, was fie bekümmerte, vergessen konnten. Instinktiv hatte ich meine Schritte nach den Straßen gelenkt, in welchen die Wogen des Menschenstromes vom frühen Morgen bis spät in die Nacht hinein fast gleichmäßig fluten. Ich war in die Königstraße gelangt, und drüben — da stand vor dem Schaufenster eines Juweliers der Herr Prediger, der mich in Gemeinschaft mit seinem Freunde, dem Ritter der Ehrenlegion, seit einer halben Stunde so lebhaft be schäftigte. Etwas unschlüssig, ob ich den „Herrn Prediger" nicht sofort anreden und um Ausweis seiner Person bitten sollte, bemerkte ich, wie ein kleiner, aber kräftiger Herr in grüner Joppe, einen Kalabreser burschikos auf dem Kopfe, einen Stock mit Gemshornkrücke in der Hand, sich scheinbar recht harmlos an die Seite des Predigers stellte und während er that, als be ttachte er die Goldsachen im Schaufenster, den Herrn dabei scharf fixierte. Nach einigen Mi nuten verließ mein Herr Pfarrer das Schaw fenster und schritt das Trottoir entlang; einige Schritte dahinter folgte ihm der Jägersmann, stillvergnügt ein Liedchen summend. An der Ecke der König- und Spandauer' straße, unmittelbar bei der Droschlenstation, schob plötzlich der Jäger seinen Arm unter den des Pfarrers und diesen so zur nächsten Droscht hin. „Steigen Sie gütigst ein," sagte der Forst mann äußerst freundlich, fest in das erbleichens Gesicht des Landgeistlichen blickend, währen^ seine freie Hand mechanisch den WagenschA öffnete. Aber nur einige Sekunden hatte d> Ueberraschung bei dem „würdigen Herrn" Sf, währt, mit einem Ruck hatte er feinen Arm lov gerissen und machte einen mächtigen Satz A Flucht. Plötzlich blieb er jedoch wie vom gekosten stehen, dann taumelte er rückwärts s dem Jäger hin, der nicht einen Schritt ihm S. folgt war, nur die Gemshornkrücke seines Stoss, hatte sich um den Hals des „Pfarrers" gc/A und diesen gezwungen, zu der Droschke und Besitzer des Stockes zurückzukehren, dessen fW . sich jetzt eUig in den Nacken des GcWM§ hinter das tadellos weiße Halstuch schoben, daß das Gesicht desselben dunkelrot wurde- „Sie werden nicht klug, Sie machen wieder Dummheiten und unnützes Auf)^ Feilner," sagte der Forstmann sehr ruhig leicht tadelndem Tone, den Festgehaltcucii § ! die Droschke schaffend und neben ihm §
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