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Allgemeiner Anzeiger : 05.02.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191002059
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19100205
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1910
-
Monat
1910-02
- Tag 1910-02-05
-
Monat
1910-02
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 05.02.1910
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6me neue kalksnknse. Die tollsten Gerüchte kommen plötzlich aus dem osteuropäischen Wetterwinkel. In der Türkei, wo man seit Ausrollung der Kretastage nicht mehr mit Kciegsvorbereitungen ausgehört Pat. ist man fertig, in jedem Augenblick in Bulgarien und — in Griechenland einfallen zu können. Denn das Schwergewicht der politischen Spannung liegt in den türkisch - griechische« Beziehungen, die durch die Einberufung der Nationalversamm lung nach Athen sich jetzt äußerst ernst gestaltet haben. Noch einmal wollen die Schutzmächte den Versuch machen, nach Athen eine Note ab zusenden, in der die griechische Regierung auf die Folgen der gegenwärtigen Maßnahmen hin gewiesen und für die etwaigen Verwickelungen verantwortlich gemacht werden soll. Auch soll ihr bekannt gegeben werden, daß sie unter den gegenwärti gen Umständen auf keinen Kredit, weder aus Frankreich noch aus England, zu rechnen habe. Aber auch das wird angesichts der innerpoliti- schen Lage in Griechenland nur eine leere Drohung bleiben; denn die griechische Regie rung (und mit ihr der König) kann nicht anders, will sie nicht der Militarliga zum Opfer fallen. Das politische Leben Griechenlands kann nur genesen, wenn sich die Mlitärliga austöst, sich also ihres lähmenden Einflusses auf die gesamte Verwaltung begibt. Sie tut dies nur, wenn eine griechische Nationalversammlung einberufen wird, die auch die heikle Kreistage regelt. In diesem Falle aber erscheint die Türkei mit der Kriegsdrohung auf dem Plan. Es ist kein Wunder, daß Bulgarien diesen Zeit punkt der griechisch-türkischen Verwickelung wählt, um sich ebenfalls mit der Türkei auseinander- zusetzen. Bulgarien will nämlich auf seinen Einfluß iu Mazedonier» nicht verzichten und bat ihn im Gegensatz zu allen andern Mächten, die die Regelung der mazedonischen Verhältnisse der neuen Türkei über lasten haben, immer weiter geltend zu machen versucht. Daher jetzt die Spannung zwischen beiden Staaten. Die Lage wird noch kritischer dadurch, daß auch Serbien plötzlich wieder sich durch die Türkei bedrückt fühlt. Die Gerüchte von einem Balkandreibrmd gewinnen sonach an Wahrscheinlichkeit. In Cettinje, der Hauptstadt Montenegros, soll dem nächst eine Zusammenkunft zwischen König Peter von Serbien, dem Zaren Ferdinand von Bul garien und dem Fürsten Nikolaus von Monte negro stattfinden, während der ein Abkommen zwischen Montenegro, Serbien und Bulgarien zum Abschluß gebracht werden soll. Kommt dieses Schutzbündnis zustande, so wird die Türkei wohl oder übel auf bewaffnete Ver fechtung ihres Rechtes (betr. Mazedonien) ver zichten müssen, sie wird aber mit um so größerem Nachdruck ihr Recht aus Kreta be haupten. Hier ist es jetzt Aufgabe der Mächte, für Erhaltung des Friedens zu wirken. Politische Kunälckau. Deutschland. *Kaiser Wilhelm hat die außerordent liche belgische Gesandtschaft emp fangen, die dem Monarchen Mitteilung von der Thronbesteigung König Alberts machte. — Wie iu Hoftreifen verlaucet, wird König Albert mit seiner Gemahlin Ende April am Berliner Hofe einen Besuch machen. * Dem Reichstage ist erneut folgendes Ersuchen zugegangen: Der Reichstag wolle beschließen, die Geschäftsordnungstommission zu beauftragen, eine Abänderung der Geschäftsordnung zu entwerfen und sie deui Reichstage zur Beschlußfassung vorzulegen, wonach bei Besprechung vonÄnfragen Lie Snellung von Anträgen zugelassen wiro und von den Mitgliedern des Reichslages an den Bundesrat ooer den Reichskanzler kurze An fragen tatsächlicher Art über Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit des Reiches gehören, ge richtet werden können. * Das Ergebnis der Reichstags- Ersatzwahl im Wahlkreise Eisenach- Dermbach ist das folgende: Apprlius (nat.- lib.) erhielt 5786, Hädrich (deutsch-soz.) 4356 und Leber (soz.) 10 250 Stimmen. Leber ist somit mit einer Mehrheit von 108 Stimmen gewählt. * Nach einer Meldung des ,B. Tazebl.' wird an den in Frage kommenden Stellen der Ent wurf eines Gesetzes betr. die Reichswert zuwachssteuer ausgearbeitet. * Über den Zeitpunkt, an dem die Preuß. Wahlreformvorlage dem Landtage zu gehen werde, sind die Meinungen geteilt. Der ,B. L.-A.' meint, daß die Vorlage dem Land tage voraussichtlich noch vor dem 15. d. zu gehen werde. — Wie von andrer Seite ge meldet wird, hat die Wahlrechtsvorlage die Unterschrift des Königs erhalten und soll ihrem Hauptinhalt nach demnächst halbamtlich ver öffentlicht werden. * Am 13. d. findet in Berlin eine Ver sammlung des Deutschen Handels tages statt, der sich besonders mit der Reichsversicherungs-Ordnung be fassen wird. England. * Die erste Aufgabe der liberalen Regierung wird nach der Erledigung der heißumstrittenen Budgetstage die Wiederaufnahme des Kampfes gegen das Oberhaus sein; denn viele Abgeordnete haben sich ihren Wählern auf diesen Pcogrammpunkt verpflichten müssen. Es wird sich also sehr bald zeigen, ob die Re gierung stark genug aus den Wahlen hervor gegangen ist, um einen so schwierigen Kampf führen zu können. Dänemark. * Der Arbeitsminister Jensen ist infolge eines Konfliktes mit mehreren höheren Offizieren zurückgetreten. Der Minister hatte kürzlich in einer Versammlung von den Offizieren behauptet, daß sie bei der Regelung der Landesverteidi gungsfrage nur deshalb in eine Einschränkung ihrer Forderungen gewilligt hätten, weil ihnen Zugleich mit der Regelung dieser Frage eine Gehaltserhöhung in Aussicht gestellt worden sei. Der Chef des Generalstabes, General Giörtz, hatte infolgedessen in der Presse einen scharfen Artikel gegen die Beschuldigung des Ministers erhoben. Die Folge dieses Preß- seidzuges gegen den Minister ist nun sein Rücktritt. * Die Voruntersuchung gegen den früheren Justizminister Alberti, der sich am 8. Sep tember 1908 unter der Selbstbefchuldigung, Betrügereien und Urkundenfälschungen verübt zu haben, der Polizei gestellt hatte, ist jetzt endlich abgeschlossen worden. Durch die außerordentlich umfangreiche Umersuchung ist festgestellt worden, daß die Betrügereien Albertis sich auf fünf zehn MillionenKronen belaufen. Rußland. * Immer umfangreichere Unterschla gungen stellt die Heeresverwaltung fest, je weiter sich die Revisionen erstrecken. So ergab die Untersuchung, daß beim Bau von Kasernen und Befestigungen Millionen unterschlagen worden sind. Unter den Schuldigen befindet sich der Stabschef des Amurgebietes, Genera! Debesch, der bereits abberufen worden ist. Der Jngeniemgeneral, der seinerzeit den Bau det Befestigu ngen von Port Arthur^ leitete, soll ebenfalls mitschuldig sein; er ist nach ! Petersburg berufen worden. BatLanstrmten. * Die Kretamächle werden sich in der nächsten Zeit über eine schriftliche Erwiderung auf die jüngste Note der Türkei in der Kretaangenheit zu einigen Haden. Die türkische! Regierung ha: bereits vor Wochen gegen die ! letzten Vorgänge aus Kreta, insbesondere gegen die neuerliche Eidesleistung der kretischen Regie rung für den König von Griechenland, bei den genannten Müchren Einsprache erhoben. Die Kreiamächte haben darauf die mündliche Antwort erteilen lassen, daß sie den Einspruch der Türkei zur Kenntnis nehmen und, falls sich die Notwendigkeit ergeben sollte, Maßregeln ergreifen werden, um Angriffe auf die Hoheits rechte der Türkei auf Kreta zu verhindern. Damit hat die Türkei sich nicht begnügt. Sie hat abermals eine Note an die Mächte gerichtet, in der sie auf eine baldige und endgültige Regelung der Kretafrage dringt und erklärt, daß der Friede nur so dauernd gesichert werden könne. Amerika. *Jn den neuesten Zeitungen der Ver. Staaten wird lebhaft die Ansicht verfochten, daß es zwischen Amerika einerseits und Frank reich und Deutschland anderseits nicht zum Zollkriege kommen werde. Präsident Taft soll weitgehende Zugeständnisse gemacht haben. Das Gerücht ist unkontrollierbar, da die deutsche wie die französische Regierung die Verhandlungen streng geheim halten. * In der mittelamerikanischen Republik Nikaragua gestaltet sich die Lage immer schwieriger. Die Aufständischen haben unter General Estrada über die Regierungstruppen einen entscheidenden Sieg erfochten und es erscheint nicht ausgeschlossen, daß der neue Präsident Madriz gestürzt und durch den siegreichen Estrada ersetzt wird. Ob aber dann Ruhe einkehrt, ist fraglich, da auch Estrada sehr viele Widersacher hat. Asten. *Aus verschiedenen Provinzen waren an den Kaiser von China Gesuche gerichtet worden, das Parlament vor dem fest gesetzten Termin (1919) einzuberufen. Der Kaiser hat die E.ngaben abschlägig mit dem Hinweis beschieden, daß das Volk noch nicht genügend vorbereitet sei. (Das wird bei einem großen Teile allerdings 1919 auch noch der Fall sein.) * In einem Teile Südkoreas sind ernste Unruhen ausgebrochen, bei denen zwanzig japanische Ansiedler ermordet sein sollen. Die Regierung in Tokio hat umfassende Sicherheitsmaßregeln getroffen. Hus clem Keickstage. Der Reichstag erledigte am Montag zunächst die 3. Lejung des kolonialen Nachtragsetats. Abg. Erzberger (Ztr.) erklärte sich für Annahme des selben, meinte aber, die Verträge mit der Kolonial gesellschaft seien unklar abgefaßt. Abg. Arning (nat.-lib.) schloß sich dem an, ebenso Abg. Arendt (freik.), der erwartete, daß der Staatssekretär den Standpunkt des Reiches gegenüber der Gesellschaft energisch wahren werde. Staatssekretär Dern burg hielt daran fest, daß der Vertrag die Inter essen des Fiskus in klarer Weise seststelle. Der Ver trag sei nach wie vor maßgebend. Nachdem Abg. Ledebour (soz.) erklärt hatte, den Etat abzu lehnen, schloß die Beratung und der Etat wurde mit großer Mehrheit genehmigt. — Es folgte die zweite Lesung des Kolonialeiats für 1910. Abg. Erzberger (Ztr.) forderte Rechtsgarantien für die Pensionsbezüge der Kolonlalbcamten und Selbst verwaltung in der Kolonie. Die dortigen Gemeinden müßten mit Landeigentum ausgestattel werden. Abg. Arning (nat.-lib.) besprach allgemeine Verhältnisse in den Kolonien und beklagte die Einfuhrzölle auf Lebensmittel aus Deutschland. Staatssekretär Dernburg erwiderte, daß mit der Selbstverwal tung sehr vorsichtig vorgegangen werden müsse. Hin sichtlich Neuguineas habe er sich um ein gutes Ver- hälmis zwischen Gouverneur und Ansiedlern bemüht. Nach weiterer Debatte vertagte sich das Haus. Am 1. d. steht auf der Tagesordnung zu nächst die Beschlußfassung über den Einspruch des Abg. Ledebour (soz.) gegen den ihm am 29. v. erteilten Ordnungsruf. DebaiteloS wird der Einspruch gegen die Stimmen der Sozialdemo kraten, Freisinnigen und Polen abgelehnt. Es folgt die zweite Lesung des Handels vertrages mit Portugal. Abg. Horman u (frf. Vp.) erstattet den Bericht ! über die Verhandlungen der Kommission, die den! Vertrag abgclehnt hau Abg. Herold (Zeiur.): Wir meinen, die Regie- > rung hätte bei größerer Energie mehr erlangen i können. Trotzdem wird ein Teil meiner Freunde sür den Vertrag stimmen, weil der Zustand, der nach Ablehnung des Vertrages entsteht, noch ungünstiger ! sein würde, als bei der Annahme. Abg. Kämpf (freis. Vp.): Der Unmut, der stenbar einen Teil der Kommission zur Ablehnung des Vertrages bewogen hat, ist meines ErMenS berechtigt. Aber so berechtigt auch dieser Wrnmt einzelner Industriezweige unsres Landes ist, so wüsten doch auch die Zustände erwogen werden, wie sie bei Ablehnung des Vertrages sich gestalten werden. Vieles von dem, was zu retten gewünscht wurde bei den Verhandlungen mit Portugal, ist überdies ge rettet worden. Vor allem die Meistbegünstigung. Und daneben die Bindung bestimmter Zölle. Die Mehrheit meiner Freunde wird daher für den Ver trag stimmen. Abg. Graf Schwerin-Löwitz (kons.) ««p- fiehlt, Einzelheiten von Handelsbeziehungen nicht s» in aller Öffentlichkeit zu behandeln, sondern am besten in der Kommission. Meine Freunde werden trotz aller Mängel dem Vertrage zustimmen. Immer hin bietet uns der Vertrag mehr, als mancher andre Meistbegünstigungsvertrag. Abg. Stresemann (nat.-lib.): Dem Urteil des Abg. Kämpf über den Unwillen, der in weiten industriellen Kreisen entstanden ist, kann ich mich nur anschließen. Ich befürchte die Rückwirkung, die die An nahme dieses Vertrages auf unsre Stellung bei künftigen Verhandlungen mit andern Staaten haben kann. Meine Freunde sind einmütig der Ansicht, daß mehr hätte erreicht werden können. Der überwiegende Teil meiner Freunde verbleibt daher bei der Ab lehnung des Vertrages. Abg. Molkenbuhr (soz.): Meine Freunde stimmen für den Vertrag, weil wir durch dessen Ab lehnung die hohen portugiesischen Zölle doch gar nicht hindern können! Und zweitens, weil der Verlust der Meistbegünstigung uns schwer schädigen würde zugunsten andrer Staaten. Abg. Linz (sreikons.): Wir halten einen leistungs fähigen Jnlandsmarkt im Interesse unsrer Landwirt schaft für unentbehrlich. Aber wir wollen auch unsern Handel und Industrie durch einen kräftigen Export fördern. Der Handelsvertrag ist der schlechteste, der je dem Reichstage vorgelegt wurde. Trotzdem kann die Mehrheit meiner Freunde sich zu einer Ab lehnung nicht entschließen. Ausdrücklich aber ver langen wir, daß künftig die deutschen Interessen besser gewahrt werden. Staatssekretär v. Schön teilt mit, daß der Konsul zu Lissabon mit seiner Sachkenntnis den Beamten, die die Verhandlungen führten, überaus nützliche Dienste erwiesen habe. Abg. Pauly (Ztr.) lehnt den Vertrag ab. Das Auswärtige Amt sei gegenüber dem deutschen Wein bau rücksichtslos verfahren. Abg. Ahlborn (frs. Vp.): Wir sollten uns eigentlich von dem kleinen Portugal nicht so hohe Zölle gefallen lassen, aber mit der Stblehnung des Vertrages täten wir nur den Engländern einen Ge fallen, die dieses von uns mühsam eroberte Absatz gebiet ohne Schwierigkeit an sich reißen würden. Staatssekretär Delbrück legt nochmals dar, daß es vorteilhafter sei, den Vertrag anzunehmen. Vor einem Zollkriege sei dringend zu warnen. Das Wieder zu gewinnen, was wir jetzt preisgcbcn, wenn wir den Vertrag ablehnen, das sei doch eine sehr heikle Sache. Der Vertrag bringe doch auch eine Fülle günstiger Abmachungen: über Post sendungen, Küstenschiffahrt usw. Was würden Kampftarife den beiden Seiten für Vor teile bringen? Man meinte zwar, unsre tarifarischcu Maßnahmen würden auf Portugal sehr wirksam sein. Aber eine Reihe portugiesischer Swffe, wie Kork, braucht unsre Industrie! Ich bitte daher nochmals ernstlich zu erwägen, ob nicht ein Zoll krieg schlimmer sei, als^ die Annahme des Vertrages. Ein Antrag auf Schluß der Debatte wird an- ! genommen und die einzelnen Artikel des Vertrages aufgerufen. Die Abstimmung ergibt die Annahme des Vertrages mit etwa Dreifünftel Mehrheit. Darauf wird die Debatte über den Kolonial etat fortgesetzt. Abg. v. Liebert (sreikons.) : Es ist erfreulich, daß der koloniale Pessimismus im deutschen Volk ! so gut wie geschwunden ist. Es kann sogar überall ! ungetrübte Freude auslösen, daß die Entwickelung s unsrer Kolonien jetzt in einem solchen Tempo j erfolgt. Das verdanken wir vor allem dem Bahnbau. Der Bekämpfung der Schlafkrankheit mug größte ! Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die MissionL- j tätigtest ist gewiß zu begrüßen. Aber tausendjährige ! Gebräuche sollten die Missionen mindestens vorüber- ! gehend nicht antasten. Sonst stößr man die Emge- i üorenen nur ab. Abg. Goller (frs. Vp.): So lange die Mission bei dem „Bete und arbeite!" das Arbeiten voran stellt und das Beten Nachfolgen läßt, bewilligen wir ihre Kulturarbeit. Wenn sie aber ihre Hand auf die Schule legt, heißt es: Bis hierher und nicht weiter! Der Islam mit der Vielweiberei hat doch lange Ver gangenheit und — gewisse Berechtigung. Die Batzn- politik des Smalssekretärs billigen wir nach wie vor. Redner empfiehlt für Südwestafrika Kamelzucht und Zähmung von Elefanten. Staatssekretär Dernburg sagt Erwägung der vorgetragenen Anregungen zu. Die Beratung wird vertagt. A Eine titellose Geschickte. LZ Von Eugen Osborne. (K»rtj«tzu«g.> „Aber die Damen, Onkel, warm auch be- mer^nswert," sprach Helene ganz ernsthaft. „Es muß dem Prinzen angenehm gewesen sein, solchen ehwürdigen Matronen seine Achtung be- zeigen z können. Sie müssen missen. Edmund, daß keine darunter war unter dem Range einer Gräfin, und keine, die nicht viermal so viel Jahre gezahlt hätte als Seine Hoheit zu haben ge ruhten." „viadl«! Der muß sich amüsiert haben I" rief Herr v. Stein. -Doch, meine Nichte, es war doch eine da bei/ sprach der Kammerherr so bedenklich, daß darüber die Prise, die zu nehmen er im Begriff gestanden, auf halbem Wege zu der erlauchten Nase stehen blieb. „Frau v. Schöningen war dabei. Ihr Gatte stand damals in besonderer Gunst bei Hofe wegen einer geschickten finanziellen Operation. — Übrigens eine sehr achiungswerte Dame, aber doch ohne jeden Titel, eine gewöhnliche Adlige, bloß in der dritten Generation." — Und der Graf nahm seine Prise und seutzte. „Aber das ist ja eine ganz reizende Frau!" ries Herr v. Stein ziemlich lebhaft. „Eine sehr liebenswürdige Dame," bestätigte der Graf. Der Prinz schien auch ihre Anwesen heit nicht übel zu bemerken, was mich einiger maßen beruhigte, denn ich bin noch jetzt im Zweifel darüber, ob ich auch recht getan hatte, sie einzuiaden. Seine Hoheft hat sich sogar am Anfänge recht viel mit ihr unterhalten. Da bin ich aber eben dem Baron v. Guntzlow, der sich im Gefolge des Prinzen befand, recht sehr verbunden; er hat wirklich viel Takt bei der Gelegenheit bewiesen. Aus die feinste Weise wußte er es dem jungen Prinzen begreifllich zu machen, daß sich die älteren Damen durch eine Bevorzugung der Frau v. Schöningen für zurück- gesetzt haften könnten. Die Unterhaltung der jungen Dame nahm er danun gänzlich auf sich, während der Prinz sich ausschließlich den angesehensten Persönlichkeiten zuwandte. Zuletzt geruhten Seine Hoheit, die von der Reise ange griffen schienen, in ihrem Fauteuil fest einzu schlafen, während Fra« v. Schöningen und der Baron auf dem kleinen Sofa dort in der Ecke sich fortwährend mit großer Lebhaftigkeit unter hielten." Helene lächelte, auch Herr v. Stein schien sich über den Takt, den Herr v. Guntzlow be wiesen, ausnehmend zu amüsieren. Nach einigen Minuten einer gleichgültigen Unterhaltung nadm der junge Mann seinen Hut und empfahl sich. Onkel und Nichte blieben allein. „Ich habe mich heute mit Edmund fürchter lich gelangweilt," begann Helene. „Mein liebes Kind, er ist doch ein liebens würdiger junger Mann aus guter Familie." „Lieber Onkel, ich langweile mich aber stets, wenn ich lange mit ihm allein zusammen bleibe." „Nun, meine Tenre, das ist ja nach der Heirat leicht zu vermeiden." „Ich weiß nie, worüber ich mit ihm sprechen soll." „Verheiratete Leute brauchen sich nicht viel miteinander zu unterhalten. Deine selige Tante und ich Haden zwanzig Jahre in glücklicher Ehe gelebt, und nach einer oder zwei Meinungsver schiedenheiten, gleich in den ersten Wochen nie mehr miteinander gesprochen, es sei denn in Gesellschaft, denn die Konvenienzen," fügte der Graf ernsthaft hinzu, „die Konvenienzen müssen stets berücksichtigt werden." Helene sah etwas ungläubig aus. Zum Glück brachte ein Diener eben die Tagespost herein und machte dadurch der Unterhaltung ein Ende. Helene griff hastig zuerst nach den Mode- journalen, und welche von unsem Leserinnen wird es ihr verargen, daß sie alles darüber ver gaß, sogar ihren Bräutigam. 2. Indem Fräulein v. Kriegsheim nach ihrem Zimmer eilte, entfiel dem Paket, das sie in der Land trug, ein Brief, der mit einem lebhaften Ausruf der Freude ausgenommen wurde. Er kam von einer Freundin: „Teures Mädchen!" — so begann der Brief. — „Vor einigen Tagen erhielt ich den Besuch des Herm L., meines Anwalts, den Du ja kennst. Du hast sogar die richtige Bemerkung gemacht, das dieser ehrenwehrte Freund und ausgezeichnete Jurist stets magerer würde, und eine spitzigere Nase bekäme, in dem Maße, wie seine Erfolge glänzender würden. Es ist als zehre sein eigener Ruhm an ihm. Nun, jetzt hat er ihn fast aufgezehrt. Herr L. ist dünn wie ein Faden geworden, und hat meinen lang wierigen und langweiligen Prozeß, um den > Nachlaß meines verstorbenen Gatten, gewonnen. — Nun bin ich frei wie ein Vogel und herz lich froh darüber; denn Herr L. zwang mich, in so vielen vergilbten staubigen Dokumenten zu kramen; er hat mir so viel erklärt, erläutert und auseinandergesetzt, daß ich endlich ganz und gar aufhörte, irgend etwas zu begreifen, und fast geneigt war, mein ganzes gutes Recht eher über den Haufen geworfen zu sehen, als es mit so viel Schererei zu beweisen. Herrn L. bin ich zu herzlichem Dank verpflichtet, daß er mich davon abgehalten, und schließlich alles zu einem guten Ende geführt hat. Am meisten freut es mich, daß mir das Haus zugesprochen worden, das mir teurer ist als ein Andenken an meinen seligen Gatten. Eine prachtvolle Bibliothek befindet sich darin. Mit meinen Verwandten habe ich auch Frieden geschlossen. Nachdem sie eingesehen, daß sie nichts ausrichten würden, Haden sie sich schließlich beruhigt. Fünf Cousin« und drei Neffen meines Mannes haben sich so gar plötzlich daran erinnert, daß sie sür mich persönlich eigentlich stets eine besondere Hoch achtung gehegt. Einige von ihnen scheinen nicht übel Lust zu haben, mich zu meiner eigenen Frau Cousine oder Nichte zu machen. Daraus wird aber nichts werden. Abgesehen davon, baß ich sehr wohl weiß, daß ein großer Teil meiner Anziehungskraft in der reichen Erbschaft beruht, was sollte ich jetzt anfangen mit irgend solch einem jungen Hasenfuß, nachdem ich ein Jahr die Gefährtin eines so unendlich ehrenwerten, klugen und ernsten Mannes gewesen bin, dessen Andenken ich ehre, wie das meines Vaters, und liebe, wie das an den besten, treuesten Freund!
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