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Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Okrilla. Die „MtenLorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Annahme von Inseraten bis vormittag t» Uhr. Inserate werden mit io Pf. 'für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Nr. 150. Mittwoch, den 16. Dezember 1903. Oertliches und Sächsisches. Bttendorf-Gkrilla, rs. Dezember 1803. — Die Weihnachtsferien der Zweiten sächsi schen Kammer beginnen am IS. Dezember und dauern bis zum hohen Neujahrstage des kom menden Jahres. Die Ferien der Ersten Kammer fallen ziemlich auf dieselbe Zeit. — Nach der neuesten amtlichen Aufstellung der Durchschnittspreise der wichtigsten Lebens mittel haben sich die Getreidepreise nur wenig verändert, ebenso die Fleischpreise mit Aus nahme des noch mehr zurückgegangenen Preises für Schweinefleisch. Erheblich teurer geworden ist die Buller, auch der Kauoffelpreis stieg. Dresden. Ein trübes Bild hinsichtlich der Erwerbsverhältnisse der als Verkäuferin notdürftig ihr Leben fristenden jungen Damen sogenannter besserer Stände entrollte dieser Tage eine Verhandlung vor dem hiesigen Amts gericht. Ein junges Mädchen, die 19 Jahre alte Pauline Anna Hartwig, ist die Tochter eines höheren Postbeamten. Das junge Mädchen hat jedoch schon früh seine Eltern verloren, es blieb vermögenslos zurück und konnte auch bei wohlhabenden Verwandten keine Zuflucht finden. Das Mädchen lernte als Verkäuferin, war an stellig und willig und erlangte schließlich mit 18 Jahren eine Stelle als Verkäuferin mit einem Monatsgehalt von sage und schreibe — 15 Mark. Hiervon mußte sie sich kleiden, be köstigen, Steuern zahlen und Wohnung mieten. Die Verkäuferin brachte das fertig, indem sie, wie sie unter Tränen in der Gerichtsverhand lung hervorbrachte — hungerte. Doch Hunger tut weh und in ihrer großen Not verg-.iff sie sich schließlich an der Ladenkasse. Sie eignete sich in fünf Monaten 43 Mark an. Der Prinzipal zeigte das Mädchen wegen Unter schlagung und Diebstahls an, denn die Ver käuferin hatte auch noch — fünf Briefbogen und sechs Ansichtspostkarten sich angeeignet. Das Mädchen gestand unter einem Strom von Tränen ihr Vergehen ein. Der Gerichtshof hielt größte Milde hier am Platze und erkannte auf zwei Wochen Gefängnis. Großenhain. Gestern früh wurde die seit mehreren Jahren in einer hiesigen Familie bedienstet geweseme 38 Jahre alte Selma Therese I. aus Grödel tot aus dem Röder- mühlgraben gezogen. Die Entseelte genießt den Stuf eines treuen Dienstboten und dürfte den Tod in einem Anfalle von Schwermut gesucht haben; Jie hatte einer in einem benachbarten Dorfe wohnhaften Schwester brieflich von ihrem Vorhaben Mitteilung gemacht, jedoch zu spät, um sie an dessen Ausführung verhindern zu können. Machern. Eines eigenartigen Todes starben auf dem hiesigen Nittergute 11 Kühe. Sie hatten Maische zu fressen bekommen, jeden falls aber im Uebermaß. sodaß sie an Alkohol vergiftung verendeten. Eine Anzahl anderer Kühe sind noch krank. Geithain. Der hier verhaftete Mechaniker aus Pest, welcher u. a. auch in Borna Ein bruchsdiebstähle verübte, ist aus dem Amts- gerichtSgcfängnis wieder ausgebrochen Er hatte zuvor den in der Zelle besiu lichen Ofen weg gerissen, dadurch den Weg durch die Esse auf den Vorsaal erlangt, wo er sich in seinen gerade noch dort hängenden Anzug umkleidete, und sich alsdann an seinen Schlasdecken durch ein Aborlfenster berunterließ. Chemnitz. Vergangenen Sonnabend fand seitens mehrerer Herren vom Königlichen Finanz ministerium und derSlaatsbahn-Generaldirektton ine technische Prüfung der neuerbaulen Linie Chemnitz —Ogergrüna statt. Die Herren trafen mit dem vormittags 11 Uhr 5 Minuten vom Dresdner Hauptbahnhof abgehenden Schnellzuge hier ein und fuhren mittelst Sonderzuges Uhr nachmittags von hier nach Obergrüna. Unterwegs wurden alle an der Neubaulinie gel-'gemn Kunstbauten und Stationsanlaien eingehenst besichiigt und geprüft- Nach be endeter Prüfung trafen die Herren nachmittags 1/26 Uhr über Wüstenbrand wieder hier ein und kehrten mit dem 6 Uhr 7 Minuten ab gehenden Schnellzuge nach Dresden zurück. — Das Finanzministerium hat beschlossen, die normalspurige Nebeneisenbahn Chemnitz— Obergrüna am 17. Dezember dem allgemeinen Verkehr zu übergeben. Diese Bahn wird nur dem Güterverkehr dienen. An derselben liegen die Ladestellen Borna bei Chemnitz, Rottluff und Niederrabenstein, sowie der Güterbahnhof Chemnitz-Altendorf mit der Ladestelle an der Beyerstraße. — Der Viehtransport-ur Max Musch hier ist auf hiesigem Bahnhofe von einem Personen zug überfahren und getötet worden. Frankenberg. Einem entsetzlichen Ver hängnis ist der frühere Böttchermeister und jetzige Privatmann Stadtrat Johann Friedrich Naumann zum Opfer gefallen. Ein leichter Schlaganfall warf den 68jährigen auf das Krankenlager. Freitag früh erhob sich Nau mann in einem unbewachten Augenblicke und beugte sich zu dem an das Bett anstoßende Fenster hinaus, um die Fieberglut in der Morgenluft abzukühlen. Hierbei verlor er das Gleichgewicht und stürzte zwei Stockwerke hoch auf die Straße hinab, wo er als Leiche liegen blieb. Leipzig. Zu dem Raubmord an dem Trödler Cohn ist noch mitzuteilen, daß auch ein Zinsschein der Deutschen Hypothekenbank in Meiningen gestohlen wurde, 24. Zinskupon zum 4 0/0 Pfandbrief Serie II Int L, Nummer 06089, 6 Mark halbjährliche Zinsen von 300 Mark, zahlbar am 1. Oktober 1903 bei der Deutschen Hypothekenbank in Meiningen und bei den bekannt gemachten Bankhäusern in Berlin und Frankfurt a. M. Es wird um sofortige Benachrichtigung der Staatsanwalt schaft oder Kriminalpolizei ersucht, falls der Kupon in Zahlung gegegen werden sollte. Crimmitschau. Der Weberstreik, der auch den Reichstag beschäftigte, kostet den Arbeitern bisher über 2*/^ Millionen Mark An Arbeitslöhnen sind 1,6 Millionen Mark verloren gegangen und an Unterstützungen sind 990000 Mark gezahlt worden. In den Kreisen der Gespinstfabrikanten läuft nach dem „Berl. Tagebl." ein Aufruf um, der die Organisation der Textilindustrie Deutschlands zu einem großen Verband anregt, dessen Hauptwerk die Schaffung eines gemeinsamen Streikfonds für die Arbeit geber sein soll. Crimmitschau. Fortgesetzt treffen Arbeiter nnd Arbeiterinnen aus Bayern, Böhmen, Galizien ein. Sie werden am Bahnhofe von ganzen Scharen Streikender umringt, denen es mitunter gelingt, einige zur Rückreise zu be wegen, nachdem sie mit Geldmitteln versehen sind. Nach Weihnachten steht noch größerer Zuzug von Arbeitswilligen zu erwarten. Die Unternehmer suchen ganze Familien in Crim mitschau ansässig zu machen und sagen außer freier Wohnung in einzelnen Fällen einen Wochenminimallohn von 22 Mark zu. In dem altenburgischen Grenzstädtchen Schmölln haben drei Versammlungen Streikender stattgefunden, an denen sich etwa 6000 Mann beteiligten. Der Weg zwischen Crimmitschau und Schmölln gewährte das Bild einer förmlichen Völker wanderung. Die einstimmig angenommene Resolution erhebt Protest gegen die Maßnahmen der Behörden in Crimmitschau. Niederplanitz. Gegen den flüchtigen Sparkassenkassierer Colditz von hier, 1876 in Stollberg geboren, ist von der Staatsanwalt schaft Zwickau nunmehr Steckbrief erlassen worden. Die Anklage lautet auf Diebstahl, weil Colditz die Werte gestohlen hat. Die Summe beläuft sich nach neueren Feststellungen auf über 40 000 Mark. Die hiesige Gemeinde hat 500 Mak Belohnung auf Ermittelung des Colditz ausgesetzt. Reichenbach i. V. Auf hiesigem oberen Bahnhofe siud am Sonnabeno abend gegen 9 Uhr bei starkem Nebel sechs vom Rangier berge ablaufsnds Güterwagen auf eine Loko motive aufgefahrcn. Hierdurch wurden die Lokomotive und drei Wagen beschädigt und ein Wagen entgleiste dabei. Glücklicherweise ist bei diesem Unfälle niemand verletzt worden, auch erlitt der Betrieb keine nennenswerten Störungen. Plauen i. V. Vergangenem Sonnabend wurde auf dem Hauptpostamt ein Markthelser überfallen und ihm die Mappe mit 800 Mk geraubt. Der Dieb, der Malergehilfe Schön feld aus Minden, wurde festgenommen. — .Abermals wurde ein frecher Raubanfall verübt. In der Nähe von Kürbitz wurde die Botenfrau Bretterlein beim Nachhauseweg von einem unbekannten Burschen mit dem Rufe: Geld her oder das Leben! überfallen und mit einem starken Knotenstock geschlagen, dann nahm der Unbekannte ihr die ganze Barschaft von etwa 40 Mark ab. Verschiedene Personen nahmen die Verfolgung des Burschen auf, doch derselbe entkam seinen Verfolgern. Aus der Woche. Nüchtern wie die Thronrede waren auch die Auseinandersetzungen, die der neue Chef der Reichsfinanzen, Frh. v. Stengel, über den Reichsetat ablas. Zahlen und wieder Zahlen! Dazwischen verschleierte oder offene Unannehm lichkeiten ! Herr v. Stengel ist weit ungünstiger daran, wie sein italienischer Kollge Luzzatti, der nur örtlich von ihm getrennt, aber gleich zeitig mit Herrn v Stengel, vor sein Parla ment trat und einen Ueberschuß von 70 Mill. Lira ankündigen konnte und zugleich wie „Hans im Glücke" sich über die weise Verwendung dieser Schätze ausließ; wenn es nach ihm ginge, soll Italien ein soziales Musterland werden und die hochgehendm Wogen der Sozialdemokratie nicht gewaltsam niedergedrückt, sondern durch die allgemeine Zufriedenheit des Volkes ent kräftet werden. Nun, übers Jahr kann man ja 'mal wieder nachfragen, was aus dieser Sache geworden ist! Vielleicht ließe sich von den italienischen Rezepten auch etwas für die deutschen Finanzen verwerten, denen jetzt durch die „kleine Reform" des Herrn v. Stengel etwas auf die Beine geholfen werden soll. Man will von der Franckensteinschen Klausel ein ordentliches Stück absägen, aber bisher sind dem gegenüber noch alle Parteien des Reichs tages kalt wie Eiszapfen. Bei aller Geld- Kalamität ist indessen die endliche Befriedigung der Invaliden von 1870/71 eine dringliche Notwendigkeit. Ein bekannter Abgeordneter, der sich auf seine vermittelnde Tätigkeit viel zugute tut, hatte folgenden kurzen Gesetzentwurf über Jnvalidenversorgung ausgearbeitet: Z 1. Das Reich zahlt jedem Kriegsteilnehmer von 1870/71 eine jährliche Pension von 1200 Mk- A 2. Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1951 in Kraft." Der Verfasser hat aber nicht einmal die Unterstützung seiner eigenen Partei genossen gefunden! Obwohl der Reichstag mit Arbeiten ühsrpackt ist und die Teilnahme der Mitglieder bei der fortgesetzten Diätenlosigkeit stets ein heikler Punkt bleibt, den die Oppo sition jederzeit „aus Bosheit" ausnützen könnte, so sind doch alle Fraktionen fleißig bei der Arbeit für den großen Papierkorb des Hauses. Alle Tage kommen die Initiativanträge stoß weise. Wenn alle erledigt werden sollten, müßte das hohe Haus entweder Tag und Nacht arbeiten oder Doppelschichten einführen. Unter jenen Anträgen sind manche alte gute Bekannte, wie z. B. die Wehrsteuer, während man dagegen wieder andere, die sich früher mit gleicher Promptheit einstcllten, diesmal gern vermißt; z. B. wegen Einführung der Doppel währung. — Bei unsern Nachbarn jenseits der Vogesen ist die Langeweile eingekehrt; die Franzosen leben gegenwärtig ohne „Affäre"; der Versuch, die Dreyfus - Angelegenheit noch mals für die O-ffentlichkeit auezubeuten, ist gänzlich mißglückt, seitdem der KciegSminister 2. Jahrgang. Andree seinen Beamten strengstens Geheim haltung befohlen und auch nur die juristische Seite des Renneser Prozesses einer Nach prüfung unterzogen wird. Auch die Schnitzel jagd, die eine parlamentarische Kommission auf die Humbert-Papiere unternommen hat, verläuft gänzlich uninteressant. Die „große Therese" hat eben immer geflunkert und ihre angedrohten „großen Enthüllungen", vor denen die Welt starr sein werde, sind die gleichen Seifenblasen wie die ganze Crawfordsche Erbschaft. Das Parlament ist auch in Paris wieder beisammen, die Mühle klappert tüchtig, aber sie gibt wenig Mehl. Das kirchengegnerische Programm des H-rrn Combes ist in seiner Ausführung zwar episodenreich, aber ein Fall verläuft wie der andere und der starke Mann, der Staat, bleibt selbst bei starkem tatsächlichen Widerstande spielend leicht Sieger; das Publikum aber will doch auch einmal mit etwas anderem unter halten sein und da kommt die Meldung ganz apropos, daß sich das kleine Häufchen der Bonapartisten in zwei Unterhäuflein gespalten hat, von dem das eine an dem Kaiser-Präten denten Viktor Napoleon in Brüssel festhält, während das andere die Republik will mit einem Konsul an der Spitze und dies soll Prinz Louis sein, der als Oberst in der russischen Armee in der Tat keine so üble Rolle spielt. Aber beide Häuflein mögen sich beruhigen; es sieht trotzdem und alledem in Frankreich nicht so aus als ob in absehbarer Zeit bonapartistischer Weizen reifen sollte. Eine Republik läßt sich nicht so leicht um die Ecke bringen, wie das Königshaus Obrenowitsch, als dessen letzte Erinnerung jetzt die Garderobe der Frau Draga und die Schlipse und Toupets des armen Alexander öffentlich meistbietend versteigert werden sollen. Daß die Herrlichkeit seines Urgroßneffen ein so jämmerliches Ende nehmen werde, hat der vor 43 Jahren ver storbene Schweine-Großzüchter und serbische Nationalheld Tescho-Obren wohl auch nicht geahnt! Aber auch der Thronkonkurrent, der König Peter, wird seiner Würde nicht froh. Auf der einen Seite die Königsmörder, auf der andern die ehrlichen Leute, die durch ihr gänzliches Unbeteiligtsein keinen Anspruch an die Dankbarkeit des Königs haben! Zwischen diesen muß sich uun der arme Peter winden und drehen, um es mit niemand ganz zu ver derben. Denn was seinem Vorgänger Alexander passiert ist, das kann auch ihm passieren: die Mörder haben ihre Prüfungsarbeit gut bestanden, keinem von ihnen ist ein Haar gekrümmt worden und das Verhalten des zivilisierten Europas ist das gleiche geblieben, wie es vor der Blut nacht war. Der neue König muß also ein gesehen haben, daß ihm dis mächtigen Nachbar staaten nicht einmal moralischen Schutz bieten können. — Im Balkangebiete ist alles wieder hübsch ruhig. Sultans Majestät haben die österreichisch-russische Reformpille herunterzu schlucken geruht und es gewinnt nun den Anschein, als ob es demnächst in Mazedonien mit den „Aufräumungsarbeiten" beginnen sollte. Der Zar hat dem Großherrn schon einen Prä- numerando-Dankbrief geschickt. Schlachtvieh-Preise auf dem Viehhofe zu Dresden am 14. Dezember 1903. Zum Auftrieb waren gekommen: 283 Ochsen, 250 Kalben und Kühe, 230 Bullen, 220 Kälber 800 Schafe und 2150 Schweine, zusammen 3933 Schlachtstücke. Es erzielten für je 50 Kilo: Ochsen Lebendgewicht 26—42 Mk., Schlachtgewicht 50—73 Mk., Kalben und Kühe Lebendgewicht 27—39 Mk., Schlacht gewicht 50—67 Mk., Bullen Lebendgewicht 29—39 Mk., Schlachtgewicht 56—68 Mk., Kälber Lebendgewicht 38 —47 Mk., Schlacht gewicht 58—70 Mk., Schafe Lebendgewicht 35—40 Mk., Schafe Schlachtgewicht 68 bis 77 Mk-, Schweine Lebendgewicht 35—42 Mk., Schlachtgewicht 50—55 Mk.