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Ottendorfer Zeitung. Die „Dttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „5piel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi» vormittag is Uhr. -Inserate werden mit w Pf. für die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 63. Mittwoch, den 27. Mai 1903. 2. Jahrgang. Oerttiches und Sächsisches. Dttendors-Bkrilla, 26. Mai 1903. Ottendorf. Gestern Vormittag wurde von dem hiesigen Fleischbeschauer Herrn Küttner bei dem Köhlerei- und Wirtschafts besitzer Findeisen eine Kuh wegen Milzbrand verdacht- beanstandet. Der hinzugezogene Bezirkstierarzt bestätigte diesen Verdacht, in dem er nach der mikroskopischen Untersuchung tatsächlich Milzbrand feststellte. Der Kadaver wurde von der Kavillerei abgeholt. *** Am vergangenen Sonntag hielt der Turnverein „Jahn" Ottenvorf-Moritzdorf im Gasthof zum schwarzen Roß sein Schauturnen ab. Als erste Übung wurde ein Stab-Reigen mit Stab-Übung unter Leitung des TurnivartS Herrn A. May in exakter und schneidiger Weise aufgesührt, auch das darauf folgende Geräte Turnen kam in tadelloser Weise zur Aus führung. Bei dem zum Schluß statifindenden Wettlauf der Turner sowie Zöglinge gingen fünf als Sieger hervor. Unter froher Fest stimmung begaben sich die Turner in dem Saal des Gasthofs zum schwarzen Roß, wo der Tanz in seine Rechte trat und bis m die frühen Morgenstunden währte. — Interessant ist Vie in der heutigen Nummer unserer Zeitung sich befindende Glücksanzeige von Samuel Heckscher senr. in Hamburg. Dreses Haus Hal sich durch seine prompte und ver- ichwiegene Auszahlung der hier und in der Umgegend gewonnenen Beträge einen dermaßen guten Ruf erworben, daß nur jeden auf dessen heutiges Inserat schon an dieser Stelle auf merksam machen. — Für die Hühnerpest und die Geflügel- cholera wird im Reiche vom 1. Juni ad dis auf weiteres die Anzeigepflicht eingeführt. — Gegen Blitzgefahr schützt man sein Grund stück durch Blitzableiter; wo derselbe jedoch schad haft ist, kann eme Beschädigung der Grund stücke viel leichter eintreten als dort, wo über haupt keine Anlage vorhanden lst. Es muß deshalb eine öftere Untersuchung von fach männischer Serie stattfinden, ob sich die Anlage in gutsunkttonierendem Zustande befindet. —- Mil Rücksicht auf die erfolgte Einstellung zweier Krankenwagen in den Wagenpark der sächsischen Staatseisenbahnen hat die Königliche Generaldirekttüst der sächsischen StaatSeisen- bahnen jetzl die einschlagenden Bestimmungen der Eilenbahnverkehrsordnung über die Be förderung kranker Personen, sowie im Anschlusse daran die Einrichtung der beiden neuen Kranken wagen und die Vorschriften über die Anmeld ung der in durchgehende Züge einzustellenden besonderen Wagen erneut bekannt gegeben. — In rückstcht auf den Ausflugsverkehr an Sonn« UNd Festlagen wird vom Pfingst-Sonn tage ab auf verschiedenen Linien der sächsischen StaalSbahnen eine vermehrte Fahrgelegenheit eingerichtet. — Auf Ersuchen des Landeökulturrates hat das Ministerium des Innern den Erlaß poli zeilicher Vorschriften angeordnet behufs zwangs weiser Vertilgung der Ackerdistel. In Zukunft sind alle Besitzer oder Bewirtschafter von Feld- oder Wiesengrundstücken verpflichtet, die Acker distel und andere schädigende Distelarten auf ihren Grundstücken, soweit sie ohne Beschädig ung des Pflanzenbestandeö zugänglich sind der art rechtzeitig zu vertilgen, daß man sie nicht mehr in größerer Anzahl im blühenden oder reifen Zustande antriffl. Tie Vernachlässigung dieser Vorschrift soll Bestrafung nach sich ziehen. — Zu dem Entschluß der Proviantämter, in Zukunft Eier nur noch nach Gewicht, aber nicht mehr nach Zahl einzukaufen, bemerkt das Organ der Bundes der Landwirte u. a. folgendes: Die deutschen Geflügelzüchter, also die Produ zenten, sind mit dieser Neuerung sehr einver standen, denn die von den Händlern eingeführten Eier sind je älter, desto leichter, sodaß 1S frische, d> h. etwa 6 Tage alte Eier soviel wiegen wie 18 von 6 Wochen alte bei gleicher Größe. dadurch sind die Eierhändler beim Verkaufe nach Stückzahl natürlich nicht im Vorteile. Auch haben die deutschen Geflügelzüchter das Bestreben, möglichst große Eier zu produzieren, etwa 60—80 Gramm schwere, wohingegen die galizischen Eier meist nur 40—50 Gramm viegen. So ist denn die Maßnahme der Proviantämter durchaus dankenswert und ent- pricht dem Interesse der deutschen Geflügelzucht. Radeburg. Am Sonntag sprach der Kandidat der vereinigten nationalen Parteien Herr Amtsrichter Dr. Wagner aus Radeberg in )obra und in Oberebersbach. Beide Ver- ammlungen waren besonders von Landwirten )er Umgegend dieses Beziks sehr zahlreich be ucht und nahmen vom Anfang bis zum Schluffe einen günstigen Verlauf. Die AuS- ührungen des Herrn Dr. Wagner fanden sich mmer wiederholenden, stürmischen Beifall. Blasewitz. An den Badeanstalten wurde auf der Elbe ein weiblicher Leichnam ange trieben. Obwohl bei der Toten, welche etwa 22 bis 25 Jahre alt schien, keinerlei Papiere, noch sonstige Erkennungszeichen vorgefunden wurden, gelang es doch, festzustellen, daß der Leichnam, welcher vielleicht acht Tage im Wasser gelegen sein dürfte, jener des früher in Dresden wohnhaften Dienstmädchens F. ist. — Ein recher Diebstahl wurde Sonnabend früh gegen 3 Uhr durch den aus Sachsen ausgewiesenen tschechischen Schneidergesellen Frouda dadurch verübt, daß er die Scheibe in dem Schaukasten der Firma Arndt am Schillerplatz einschlug und drei Dutzend Herrenkragm stahl. Auf frischer Tat ertappt, wurde er dem Gericht eingeliefert. Kötzschenbroda. Der wegen Brandstiftung verhaftete Sattler- und Tupezierernmster Beuge tuerselbst Hal sich erhängt. Aus Großen ha >n schreibt man: Strich weise ist dieses Jahr die Maikäferplage eine gradezu schreckliche. Die Gebüsche des Kupfer- vergs erschienen z. B. von den gefräßigen Braunröcken förmlich besät. Auf jedem Blatte aß mindestens einer der schädlichen Gesellen, und von keiner Seite geschah etwas dagegen. Da trat private Hilfe ein. Ein Naturfreund beschloß, die Käfer aufzukaufen. Er setzte 5 Pf. bezw. 3 Pf. fürs 100 aus und erhielt binnen 2 Tagen 35500 Käfer abgeliefert, die lämtlich umgehend getötet wurden. Möge solches Beispiel Nachahmung finden zum Nutz und Frommen der Allgemeinheit. Private, wie ge meinnützige Vereine, könnten da viel tun. Großenhain. In Angelegenheit seines BankerottS wurde dieser Tage ein hiesiger Tischlermeister verhaftet, über dessen Vermögen kürzlich das Konkursverfahren eröffnet wurde. Der Verhaftete wurde in das Landgerichts gefängnis Dresden verbracht. — Sonnabend nachmittag erfolgte ferner die Verhaftung eines hiesigen Schuhmachers, der unter dem Ver dachte steht, unzüchtige Handlungen begangen zu haben. Mühlau. Einen schlechten Griff hat, wie bereits mitgeteilt, die hiesige Gemeinde mit ihrem neuen Gemeindevorstand Ender gemacht, welcher jetzt verhaftet wurde. Im Laufe seiner fünfwöchigen Amtszeit hat er sich dort Unter schlagungen in Höhe von 200 Mark zu Schulden kommen lassen, während sich in seiner früheren Stellung in Crimmitschau in den von ihm ge führten Kassen ein Fehlbetrag von etwa 4000 Mark herausgestellt hat, für den Enders Ver wandte auskommen wollen. Werdau. Der Fabrikdirektor Teichmann hier, gegen den am 17. Juni von der Zwickauer Strafkammer wegen verschiedener Vergehen gegen das Handelsgesetzbuch und die Konkursordnung verhandelt werden soll, ist verschwunden. E war seinerzeit gegen Hinterlegung von 10000 Mark Kaution auf freien Fuß gesetzt worden. Großschönau. Den seit 14 Tagen von hier mit einigen Mark durchgebrannten zwölf jährigen Sohn des Schneidermeisters Lange hat die Polizei nunmehr in Hamburg ausfindig gemacht und aufgegriffen. Es ist zu bewundern, daß sich das Bürschchen, das noch dazu bar- üßig war, so lange verborgen halten konnte. Waldenburg. Den Handschuhmachern im benachbarten Callenberg ist mitgeteilt worden, daß von dieser Woche ab eine 34prozentige Herabsetzung der Tariflöhne eintritt. Infolge dessen haben etwa 40 Arbeiter die Arbeit nieder gelegt. Leipzig. In der Nacht vom 22. auf den 23. Mai sind aus einer Rauchwarenzurichterei m Lindenau 1678 Stück zugerichtete Felle ge- 'tohlen worden; darunter 1567 Iltis-, 103 Steinmarder- und 8 Otterfelle. Der Gesamt- retrag beträgt 8000 Mark. Die wertvollen Felle lagerten in einem unverschlossenen Raume. Für die Wiedererlangung ist eine Belohnung on 200 Mark ausgesetzt, doch fehlt von den Dieben bis jetzt noch jede Spur. Leipzig. Nun muß sich auch Terpsichore, die tanzfrohe Muse, an den sozialdemokratischen Agitationskarren spannen lassen. In einer in Neureudnitz abgehaltenen, von 40 Personen be uchten sozialdemokratischen Frauenversammlung, n der es äußerst lebhaft zuging, wurden die Jungfrauen aufgefordert, nur in solchen Sälen zu tanzen, die der sozialdemokratischer Arbeiter schaft zu ihren Versammlungen zur Verfügung 'tehen, dann würden auch die Arbeiter mehr m diesen Lokalen verkehren. Darin liegt übrigens das stille Eingeständnis, daß viele Arbeiter solchen Lokalen fernbleiben und ver nünftigerweise dort verkehren, wo es ihnen am besten gefällt- — Am Sonnabend früh fanden Arbeiter im Hofe einer hiesigen Klinik eine Frau mit schweren äußeren Verletzungen tot liegend vor. Sie wurde als eine Frau Kalk brenner aus Zschochau rekognosziert, die als Patientin in der Klinik untergebracht war. Die ledauernswerte 48 Jahre alte Patientin war in der Nacht aus einem Fenster der ersten Etage in den Hof gestürzt. Man nimmt vor- äusig an, daß ein Unglücksfall vorliegt. Oschatz. Im hiesigen Krankenhause verstarb nach etwa l7stündigen Qualen die über 80 Jahre alte Auszüglerin Frau Christiane verw. Vogel aus Lonnewitz, die man in ihrem Bette mit schweren Brandwunden am Kopfe und Körper aufgefunden hatte. Dippoldiswalde. Beim Beginn der Marktmusik am Sonntage scheute das Pferd eines in der Nähe haltenden Landmannes aus der Umgegend. Das wildgewordene Tier raste durch die einen Kreis bildenden Musiker, drei davon mit dem Direktor umreißend und ver letzend. Dasselbe Schicksal ereilte dann auch noch zwei Kinder des Kaufmanns B., die an scheinend schwerer verletzt wurden. Markneukirchen. Im Walde beim „hohen Stein" wurde am Donnerstag nachmittag der österreichische Grenzaufseher Kirchner erschossen aufgefunden. Ob Mord oder Selbstmord vor liegt, ist noch nicht sicher festgestellt, man ver mutet das letztere. Plauen i. V. Wie der „Vogtl. Anzgr." aus Jägersgrün bei Auerbach berichtet, hat sich dort am Sonnabend abend im Walde ein Drama abgespielt. In der neunten Stunde begaben sich der Forstassessor Hertel und der Forstgehilfe Röder daselbst in den Wald, um Wilderern aufzulauern, ohne daß der eine von dem Vor haben des anderen wußte. Beide mögen sich in der Dunkelheit gegenseitig für Wilderer ge halten haben, denn sie feuerten auf einander. Dabei erhielt Forstassessor Hertel einen Schuß durch den Unterkiefer, während der 34 Jahre alte Forstgehilfe Röder sofort auf dem Platze blieb. Letzterer ist Vater von 6 Kindern. Forstassessor Hertel wurde schwerverletzt ins Krankenstift nach Zwickau gebracht. Beide fand man nur 6 Meter von einander entfernt. Nus der Woche. Wenn „der wunderschöne Monat Mai" mi feinen WetterabnormitätenI nicht Gesprächsstof in Hülle und Fülle böte, man wüßte kaum worüber man reden sollte. Alle politische Weis ¬ heit, die über Roosevelts Auftreten, über das Verhalten Rußlands gegenüber China wegen der Mandschurei, über die Unruhen in Marokko, Macedonien und Kroatien und sonstige sich lang hinziehende Angelegenheiten auf dem Markt lag, ist vergriffen und Neues passiert nicht. Wir laben zwar in Deutschland eine Wahlbewegung und es mag mancher des Abends mit einem roten Kopfe aus der Versammlung kommen; es fehlt auch nicht an den üblichen Verdächtig ungen und Beschimpfungen der „andern" Par- eien, ohne die sich ein Wahlkampf ja nicht denken läßt; aber es ist doch kein rechter Zug in der Sache, es fehlen die großen Schlagworte, die Wahlparole, die Graf Bülow diesmal für ich behalten hat, und so tun die einzelnen Aktionskomitees nur, was sie glauben tun zn müssen. Keins von ihnen findet in der Volks eele einen rechten Resonanzboden. Es ist ordentlich erfrischend, daß sich Joe Chamberlain in Birmingham zu einer Jmperialrede auf geschwungen hat, die ihre Spitze natürlich wieder egen Deutschland richtet und in der Forderung nach Vorzugsbehandlung der englischen Einfuhr in die englischen Kolonien gipfelt. Balfour ist darin sein vorsichtiger Gegner, dem sich in chärferer Tonart Rosebery beigesellt, und die australischen Staaten haben bereits zu wissen getan, daß sie da nicht mitmachen, weil sie zu urz kämen. Alle diese Dinge gehen das eng- iiche Volk an, das sich überhaupt mehr um eine Politik und Volkswirtschaft kümmert als vir; uns aber lassen diese Angelegenheiten kalt und an Anzapfungen seitens des englischen Kolonialministers sind wir schon so gewöhnt, daß sie uns nicht mehr erregen. In solcher ereignisarmen Zeit fesseln auch Vorgänge unsere Aufmerksamkeit, die sonst wenig Beachtung änden, wie z. B. der Rücktritt des Erbgroß- jerzogs von Meiningen vom Kommando des Schlesischen Armeekorps. Er soll wegen Ver öffentlichung des Erlasses über Soldaten mißhandlungen erfolgt sein. Das kann zu treffen, ist aber wahrhaftig nicht so wichtig, daß darüber ellenlange Artikel geschrieben zu werden brauchten. Auch ist es ein Zeichen der Zeit, d. h. der reifenden sauren Gurke, daß die an geblichen Verstimmungen zwischen München und Berlin wieder in voller Breite erörtert werden. Auch zwischen Karlsruhe und Berlin sollen solche Verstimmungen bestehen und zum Rück tritt des Erbgroßherzogs von Baden von seinem Generalkommando geführt haben. Aber kürzlich fuhr der Kaiser (von Donaueschingen aus nach Stratzburg) durch Baden und wurde von der großherzoglichen Familie aufs wärmste begrüßt. Die volle Wahrheit über solche Interna erfährt man ja doch nicht und darum sollte sich die Presse hüten, „Aufklärungen" zu bringen, deren Basis großenteils nur Hintertreppenklatsch ist. Die Welt lebt zu schnell, sie will immer Neues haben. Das sieht man so recht deutlich an der Ankündigung des in den nächsten Tagen gegen die Humberts beginnenden Prozesses. Von den Humberts hatte man kaum noch gesprochen. Und nun gar Dreyfuß. Vergebens ist versucht worden, die „Affäre" ins Leben zurück zugalvanisieren. Auch Giron ist heute schon ein fast vergessener Mann. In der Leute Mund zu kommen, ist leicht, darin zu bleiben schwer. Die Journalistik lebt gegenwärtig nur von der Nachlese. So wurde in Italien er zählt, Kaiser Wilhelm oder Graf Bülow hätten bei ihrer Anwesenheit in Nom versucht, das Papsttum und Italien miteinander zu versöhnen. Selbst die römische Deputiertenkammer hat sich mit diesem „Gerücht" befaßt, das allerdings von maßgebender Stelle mit dem einzig richtigen Titel Blödsinn bezeichnet worden ist. Auch die makedonischen Wirren, so kunterbunt es bei ihnen auch zugehen mag, fesseln nicht sehr, denn außer den Bombenattentaten in Salonichi ist nichts Großes, Packendes passiert und das ein fache Gurgelabschneiden und Erdolchen gehört zu den Lebensgewohnheiten jener interessanten Völkerschaften, die die Balkanhalbinsel bevölkern.