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Die „Dttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen s,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »»n Inseraten bi, vormittag z» Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 57. Mittwoch den 13. Mai 1903. 2. Jahrgang. VrrUiches und Sächsisches. Gttendorf-Bkrilla, j2. Mai 1803. m Am gestrigen Nachmittag wurden beim Umkehren in Nähe des Bahnrestaurants Otten dorf die Pferde des Gutsbesitzers PH. aus Lichtenberg scheu, hierbei stürzte der Wagen um und die Pferde jagten die Straße entlang, da bei einen auf der Straste stehenden Wagen in den Suaßengrabcn stürzend. Der Wagen, vor welchen ine Pferde gespannt waren, wurde voll ständig demoliert und dieselben konnten erst, nachdem sie im Straßengraben gestürzt w ren. zum Stehen gebracht iverden. Die Pferde hatten mehrere Verletzungen erlitten und ist cs als ein Glück zu bezeichnen, daß auf der sonst sehr belebten Straße Niemand zu Schaden ge kommen ist. /V Am heutigen Tage beging das Friedr. August Großmannsche Ehepaar im Kreise ihrer Anverwandten das Fest der silbernen Hochzeit. A öge es dem Jubelpaar vergönnt sein, in körperlicher und geistiger Frische noch viele Jahre verleben zu können. Großokrilla. In der letzten Sonntags nummer dieser Zeitung wird der Wunsch aus gesprochen, daß die hiesige Gemeindevertretung der in Anregung gebrachten Vereinigung unserer Gemeinde mit der Ottendorfer zustimmen möchte und hierbei unter anderen erwähnt, daß viele segensreiche Einrichtungen unserer Nachbarge- Meinde uns mit zu Gute kommen und unsere jetzigen Gemeindeabgaben sich nicht erhöhen würden. Eine Anzahl hiesiger Einwohner Würde dem Einsender dankbar sein, wenn er hierüber näheren Aufschluß geben würde. Nur durch Klarlegung der Verhältnisse läßt sich be urteilen, ob die schon seit Jahren angeregte Ver einigung imJnteresse unseresOrtes liegt oder nicht. — Unfehlbare Regeln für das Jahr 1903 feien zu Nutz und Frommen der Gesamtheit nachstehend zum Abdrucke gebracht: Mai: Donnert« im Mai, ist der April vorbei! — Junit Stellen sich am Ersten Gewitter ein, wirds am Anfang des Monats sein» — Juli: Plagen im Juli den Hund die Flöhe, so sei vernünftig und meid seine Nähe! — August: Wälzt sich die Sau in der Jauche Lachen, ver such es nicht, ihrs nachzumachen! — September: Tritt vor Michaeli Reif ein, wird die größte Hitz' vorbei sein»-----Oktober: Sind gut geraten Hopfen und Neben, wird» später manchen Be trunkenen geben. — November: Bläst am Ersten der Wind aus Nord, so legt er sich oder weht fort. — Dezember: Hörst Du zu Sylvester der Glocken Kiang, so merk: es zieht einer am Glockcnstrang! — Für die bereits verfloßenen Monate waren folgende Regeln zu treffend: Januar: Schreit ein Schwein, indem mans sticht, glaubt mirS, 's liebt das Stechen nicht. — Februar: Raucht zu Lichtmeß der Schornstein sehr, so kommt da» meist vom Feuer her. — März: Am Tage von St. Kunigund sind alle Teller und Kugeln rund. — April: Balzt der Auerhahn auf der Eichen, tut der Truthahn nicht dergleichen. — Die ersten Frühjahrspilze werden im Monat Mai geerntet. Die regelmäßig erfolgen den Niederschläge fördern das Wachstum der zarten Frühjahrspilze, freilich darf auch die nötige Wärme nicht fehlen. Vor allem ist es die Morchel, der Edelpilz der deutschen Wälder, welcher im Mai frisch in den Handel gebracht wird- Die Morchel ist außer als selbständiges Gemüse eine delikate Beigabe zu Saucen, Suppen usw. und da sie mit dem Spargel zugleich die Saison hält, mit diesem vereint ein überaus schmackhaftes Essen! — Die bekannte Rheinische Fahnenfabrik Wilhelm Hammann, Düffeldorf, versendet an Interessenten ihren neu hergcstellten, reich illustrierten Hauptkatalog. In demselben finden sich Fahnen aller Art, als Haus- und Vsreins- fahnen, Schärpen, Abzeichen in Metall und Emaille, Dipiome Wappen, die verschiedensten Dekorationsgegenstande, als Papier-Guirlanden- und Rosetten usw., speziell auch Theater-Deko ¬ rationen in reicher Auswahl vor. Der Kata- og ist sehr übersichtlich zusammengestellt und wird Vereinen, Privaten und Restaurateuren zur Deckung ihres Bedarfs sehr willkommen ein. Derselbe wird gratis und franko auf Anfrage übersandt. Dresden. Der frühere Gemeindevorstand von Löbtau, Weigert, der zum Gemeindevor- teher in Tegel gewählt worden ist und im 6. ächsischen Reichstagswahlkreise kandidieren sollte, ieht von dieser Kandidatur ab. Dresden. Am Donnerstag griff ein mit dem Reinigen der Bogenfenster in der Nord halle des hiesigen Hauptbahnhofes beschäftigter Fensterputzer, obgleich er vor einer Berührung der Starkstromleitung ausdrücklich gewarnt worden war, mit den Worten: „ich will es Euch zeigen, daß ich es vertragen kann" an dieselbe und blieb an ihr haften. Einige so gleich herzuspringende Männer vermochten ihn wieder von der 3000 Volt starken Stromleit ung zu entfernen, und stellten an dem besinn ungslos gewordenen Verunglückten Wieder- relebungSversuche an, die nach kurzer Zeit er- olgreich waren. Er hatte eine schwere Brand- vunde an der inneren rechten Hand erlitten und fand Aufnahme im Friedrichstädter Kranken jause. Dresden. In der Nacht zum Sonntag gelang es der hiesigen Kriminalpolizei, in einer Weinstube der inneren Altstadt eine Gesellschaft reim Hazardspiel (Pokern) zu betreffen und aufzuheben. Die Teilnehmer waren alle poli zeilich bekannte Persönlichkeiten. — In der Pirnaischen Vorstadt erschoß sich der 30 jährige Kaufmann Bieke aus Prag. — Der Polizei ist es gelungen, eines weiteren Brandstifters, eines Bäckerlehrlings, habhaft zu werden, dem zur Last gelegt wird, in der Johannstadt und Oppelvmstadl zahlreiche Brände angelegt zu haben. Radeburg. Am Sonntag vormittag hielt die hiesige freiwillige Feuerwehr auf dem Markt platze eine größere Übung ab, bei der alles tadellos klappte. Nächsten Sonntag findet Jn- spektions der hiesigen Wehr statt. Lohmen. Durch Explosion war am Freitag nachmittag kurz nach 3 Uhr in der Chemischen Fabrik von Dr. Miersch hierselbst Feuer aus gebrochen, welches in kurzer Zeit so bedeutenden Umfang annahm, daß der Zugsverkehr auf der nahe vorüberführenden Bahnlinie Arnsdorf- Dürrröhrsdorf-Pirna gefährdet erschien und da her vorübergehend eingestellt werden mußte. Der von Arnsdorf nachmittag gegen 4 Uhr abfahrende Personenzug erhielt aus dieser Ur sache etwa einstündige Verspätung. Bei der Explosion wurden 9 Arbeiter verletzt. Mühlberg a. d. E. Unterhalb Mühlberg, auf Flur Altbelgern, wurde die Leiche eines unbekannten, anscheinend dem Schifferstande an gehörigen Mannes angeschwemmt. -- In einem Anfalle von Epilepsie brachte sich ein 16jähriger Schmiedelehrling aus Lennewitz zahlreiche Schnitte am Kopf, Hals und einer Hand bei. Die Ver letzungen waren so schwer, daß der Unglückliche sofort nach dem Krankenhause überführt werden mußte. — Auf dem ehemaligen Fort Zinna bei Torgau, in dem sich Munitionslager be finden, wurden zwei scharfe Artilleriegeschosse gestohlen. Als Täter wurde ein Schlosserge selle ermittelt, der cngab, er habe aus den Ge schaffen einen Zimmerschmuck in Form eines Zigarrenabschneiders anfertigen wollen. Ostritz. Die Näherin Marie Krause von hier, gegen welche kürzlich ein räuberischer Über fall verübt worden sein sollte, ist seit Mittwoch spurlos verschwunden. Ihr Geständnis, daß der Überfall nur fingiert gewesen, hat sie später widerrufen unter der Angabe, daß sie nur ihren eigenen Bruder damit habe retten wollen. Sie habe in ihm durch Gestalt und Bewegungen bestimmt den Räuber zu erkennen geglaubt. Nun ihr aber die Gewißheit geworden, daß ihr Verdacht ein unbegründeter war, habe sie es für geboten erachtet, ihr durch Geschwisterliebe veranlaßtes unwahres Geständnis zurückzunehmen. Am Mittwoch ist sie angeblich nach Görlitz ab gereist. Leipzig. Schärfere Formen hat hier nun mehr der „Bierkrieg" angenommen, nachdem das Generalkommando des 19. Armeekorps einer Deputation der Brauerei- und Saalbe- 'itzer erklären ließ, daß jedes Etablißement, in welchem eine sozialdemokratische Versammlung tattfinde, dauernd mit dem Mllitärverbot be rgt würde. General von Rabenhorst begleitete diese Eröffnung mit der Motivierung, daß die Sozialdemokratie durch Entfaltung der Macht rage zu dieser veränderten Haltung zwinge. Bisher wurde das Militärverbot nur für den Tag ausgesprochen, an welchem in einem Lokale eine sozialdemokratische Versammlung abgehalten wurde. — Vor den Geschworenen hatte sich am Freitag der 24 Jahre alte Arbeiter Fleischhauer aus Frauwalde, wegen Diebstahls und Körper verletzung wiederholt vorbestraft, zu verantworten, weil er am 26. Februar d. I. bei einem Aus bruche aus dem Amtsgerichtsgefängnis Lausigk, wo er wegen Fahrraddiebstahls interniert war, den Gefangcnaufseher Kunze niederschlug. Fleisch sauer brachte dem Überfallenen mit einer vom Zellentisch abgebrochenen Leiste etwa 40 Schläge bei und es ist ein Glück zu nennen, daß Kunze am Leben blieb. Der Entwichene stahl Kleider und einen Geldbetrag von 200 Mark, den er in Berlin verjubelte. Wegen versuchten Mordes wurde der Angeklagte zu 10 Jahren Zuchthaus, lO Jahren Ehrenrechtsverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht verurteilt. Wurzen. Sonntag nachmittag unternahmen vier junge Leute im Alter von 16 bis 18 Jahren eine Bootsfahrt auf der Mulde unweit des Ortes Bennewitz. Als sie mit dem Boote dem Wehre zunahe kamen, verloren die Ruderer die Herrschaft über das Fahrzeng; das Boot schlug um und die vier jungen Leute wurden über das Wehr getrieben. Drei ertranken in den Fluten» während der vierte gerettet werden konnte. Meerane. Das in Haft genommene spiri tistische Medium Frenzel ist vom Gericht vor läufig wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Die Verhandlung gegen dasselbe, die jedenfalls wegen Betrugs erfolgen dürfte, wird voraus sichtlich erst im Herbst stattstnden, da die Unter suchung noch längere Zeit währen wird. — Auf Antrag der Staatsanwaltschaft zu Chem nitz wurde der beim hiesigen Postamte seit zirka 10 Jahren beschäftigte verheiratete Land briefträger Metzner verhaftet und dem König lichen Amtsgericht übergeben. Er hat eine Postanweisung auf zirka 50 M. mit der Unter schrift des Adressaten gefälscht und den Betrag für sich behalten. Crimmitschau. Zu einem größeren Ar beiterausstand ist es am Freitag in der Vigognespinnerei und Färberei von Gebrüder Uhlig im Vorort Leitelshain gekommen. In dieser Spinnerei, der größten unserer Gegend, waren vier Arbeiter entlaßen worden, welche namens ihrer Mitarbeiter verschiedene Forder ungen, jedoch keine wegen Lohnerhöhungen, an die Chefs gestellt hatten, worauf die übrigen Arbeiter, ungefähr 150 Personen, die Arbeit niederlegten. Auch der Streik in der Paulschen Ofenfabrik ist noch nicht beigelegt, doch geht der Betrieb ununterbrochen weiter, da die Feiernden ersetzt sind. Glauchau. Sämtliche Arbeiter der Weberei Petzold L Co. haben am Sonnabend früh die Arbeit wieder ausgenommen, wodurch die von den vereinigten Webereibesitzern von hier für letzten Sonnabend angedrohte Aussperrung aller Arbeiter in sämtlichen hiesigen Fabriken verhütet worden ist. Zwickau. Der frühere Bankdirektor Exner aus Leipzig wird in der hiesigen Strafanstalt mit Abschreibearbeiten beschäftigt. Nus der Woche. Die sommerliche Politik gleicht einem Riesen« faultiere; sie schläft — und wenn sie sich gar bewegt, kommt sie nicht recht vom Flecke. In Macedonien ist die Gärung gewiß stark, aber man hört weder von umfassenden Aufständen, die die macedonischen Komitees doch so bestimmt vorausgesagt hatten, noch von jener „Beruhig ung", die Befürchtungen für die Zukunft aus schließt. Die türkischen Truppen stoßen ja fast täglich mit bulgarischen Banden zusammen, wo bei es den letzteren meistens recht schlecht er geht, aber der Erfolg der bulgarischen Brigan- age ist doch nur, daß die Türken durch sie die Entschuldigung finden, wenn sie sich mit den für Macedonien versprochenen Reformen nicht allzusehr übereilen. Man läßt in einem von Brandstiftern bedrohten Hause einstweilen alle Arbeiten im Innern ruhen. Daß Bul garien in der ganzen Affäre eine schmierige Rolle spielt, steht bombenfest. Fürst Ferdinand weilt gegenwärtig in Paris und hat mit den dortigen Machthabern mehrfache Unterredungen gehabt, über die er sich in der Presse sehr be- riedigt äußerte. Der Enkel Louis Philipps versteht sich so gut aufs Geschäft, wie sein Großvater. Louis Philipp verdiente im Exil ein Brot als Sprachlehrer und nachdem er iurch traditionellen Familienverrat König von Frankreich geworden war, wußte er so gut für eine Familie zu sorgen, daß die Orleans heute eine der reichsten Fürstenfamilien Europas sind. Seine Tochter Klementine, Ferdinands Mutter, hat ihr Geld in Bulgarien angelegt und Fürst Ferdinand ist redlich bemüht, sein Erbe zu mehren. Obwohl ihm von Rußland und Öster reich Ruhehalten dringend zur Pflicht gemacht ist, spielt er mit dem türkischen Feuer wie ein ungezogener Knabe; er weiß ja doch, daß ihn chlimmstenfalls die Großmächte in seinem Be- itze schützen. — In der Marokkosuche geht es auch nicht vorwärts. Was hilft es dem armen Sultan, daß Bu Hamara in vergangener Woche zum soundsovielten Male durch das böse Ge« rücht ermordet worden war. Der hinkende Bote kam gleich npch, indem die Sultantruppen m einem zehnstündigen Gefecht nahe der Haupt stadt geschlagen wurden. Heute siegt Bu Hamara, morgen der Sultan — wies trifft. Die Geschichte kann sich noch lange hinziehen, ebenso wie die Venezuela-Affäre, von deren weiteren Verlauf man auch nur tropfenweise etwas erfährt. Castros Macht ist immer noch nicht unbestritten, und die Meldungen darüber sind veränderlich wie Aprilwetter. Vor kurzem hieß es, Matos sei gelandet und Castros Lage bedrängt. Dann stand Matos irgendwo mit 2000 Mann und wurde von 7500 Mann Regierungstruppen eingeschlossen; seine Lage sei hoffnungslos. Anstatt weiterer Nachrichten aber entstand in den Meldungen eine Pause, die bis zur Stunde noch anhält. — In den Monarchen reisen ist gegenwärtig auch eine Pause einge treten. Kaiser Wilhelm hat in Italien — das zeigen in unparteiischer Weise alle Berichte — denselben starken persönlichen Erfolg erzielt, wie in Kopenhagen, während dem Besuch de» Königs Eduard in Paris höchstens ein Heiter keitserfolg zugesprochen werden kann, dem jede politische Folge fehlt. — Am Bodensee istAnfangS letzter Woche eine fürstliche Tochter geboren worden. Unsagbares Seelenweh einer auf jeden Fall tiefunglücklichen Mutter umziehen den Lebensmorgen jenes Kindes, um dessen nächste Zukunft schon die geschäftige Phantasie so manches Zeitungsschreibers bemüht ist. E» ist gut, daß es ein Mädchen ist! Wäre eS ein Knabe gewesen, er hätte unter besonderen Umständen dereinst den alten Thron der Wettiner besteigen müßen. Ein Mädchen! Alle Sorgen dieser Welt werden von Frauen herzen tiefer empfunden, aber standhafter er tragen, als von den starken Männern. Möge das arme Kind da am Bodensee nie erfahren, welche eigenartigen Verhältnisse seine Geburt umgaben und welche Seelenkämpfe die Mutter durchzumachen hatte.