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Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »»n Inseraten bi» vormittag 40 Uhr. Inserate werden mit za Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 53. Sonntag» den 3. Mai 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Dttendorf-Gkrilla, 2. Mai 1903. -r. Einen plötzlichen Tod erlitt gestern abend gegen 9 Uhr der schon längere Zeit kränkliche Glasmacher Robert Geist aus Okrilla auf der Lonmitzerstraße durch einen Blutsturz. Der Verstorbene hinterläßt eine Frau und mehrere unversorgte Kinder. Auf die morgen Sonntag im Gasthof zum schwarzen Roß stattfindende Zusammen kunft der hiesigen Radfahrer seien die geehrten Leser noch an dieser Stelle aufmerksam ge macht. — Auf die der heutigen Nummer bei liegenden Beilage der Firma P. Grundmann Berlin S.W., Katzbachstraße 10, seien hier durch unsere geehrten Leser noch ganz besonders darauf hingewiesen. — Pflicht der Gemeinden zur Be leuchtung der Straßen. Ein Arbeiter wollte sich an einem Wintertage morgens gegen 5^/z Uhr zu seiner Arbeitsstätte begeben. Die Straßen waren nicht beleucbtet. In der Dunkelheit rannte der Mann gegen einen Träger der elek trischen Leitung, wobei er sich erhebliche Ver letzungen zuzog, sodaß er vier Monate arbeits unfähig wurde. Er verklagte die Stadtge meinde auf Schadenersatz, und das Gericht er kannte zu Gunsten des Klägers, indem es im Urteil folgendes ausführte: Die Gemeinde sei verpflichtet, während der Dunkelheit die L-lraßen jU beleuchten und zwar so, daß keine Gefahr für die Passanten vorhanden sei; eine Zeitbe schränkung könne für die Beleuchtung nicht geltend gemacht werden. Dadurch, daß sie die Beleuchtung am dunkeln Morgen unterlassen habe, habe sie fahrlässig gehandelt und sei zum Ersätze des Schodens, den der Kläger erlitten, verpflichtet, zumal cS bekannt gewesen sei, daß die betreffenden Straßen morgens viele Leute auf ihrem Gange zur Arbeitsstätte benutzten. Der Einwand der Gemeinde, der Arbeiter hätte sich selber Licht besorgen müssen, sei unbeacht lich, dazu sei dieser nicht verpflichtet. Die Ver pflichtung zur Straßenbeleuchtung resultiert, wie das Ministerium des Innern im Einvernehmen Mit dem Finanzministerium kürzlich entschieden hat, nicht aus der Wegeunterhaltungspflicht, sondern ist lediglich vom Gesichtspunkt der öffentlichen Sicherheit aus zu beurteilen und eine sich notwendig machende Beleuchtung auch bei fiskalischen Straßen nicht Sache der staat lichen Straßenbauverwaltung, sondern Sache der Ortspolizeibehörde. — Esset GrünesI lautet die Parole im Frühjahr. Der junge Frühling bieNt bereits die ersten frischen Sprossen von Brunnenkresse, Petersilie, Rapünzchen, Spinat, Wintersalat, Sauerampfer, Löwenzahnblättern, Brennnesseln. Namentlich in den Suppen ist Grünes er frischend, erhöht den Geschmack, stärkt den Magen, reinigt das Blut. Die Frühjahrs suppen sind die besten, die verachteten Brenn nesseln machen z. B- dieselben sehr schmack haft. — Die Mai-Nachtfröste, die großen Mörder der jungen Pflanzenwelt, sind wieder in die Nähe gerückt. Schon manchem Gärtner und mancher Blumenfl eundin haben sie schwere Enttäuschungen bereitet; doppelt willkommen dürfte da ein Mittel sein, durch das man den Eintritt der Nachtfröste vorher bestimmen und seine Lieblinge vor ihnen schützen kann. Wie der Direktor des Botanischen Gartens in Dresden, Prof. Drude in langjährigen Beobacht ungen festgestellt hat, kann sich der Gärtner schon am Mittag über die Temperaturverhält- nisse der ganzen Nacht unterrichten. Es be darf dazu eines feuchten Thermometers, d. h. eines Thermometers dessen Quecksilberkugel mit feuchter Gaze umwunden ist. Zieht man von der Höhe, die dasselbe um Mittag zeigt, 4*/, Grad 6. ab, so erhält man die Temperatur der kommenden Nacht bis auf Grad v. annähernd. Zeigt das feuchte Thermometer um Mittag beispielsweise 5 Grad 0., so kann man für die Nacht Grad 6. erwarten, die Tem peratur, wo sich auf den Blättern bereits Rauch frost zu bilden beginnnt; es gilt also, leicht er frierende Pflanzenkinder durch Decken, Sträucher, Bestreuen mit Torfmull rc. zu schützen und die leicht transportierbaren wieder in das wärmende Treibhaus oder Zimmer zurückzubringen. Die Methode Drudes hat sich bisher bei allen Be obachtungen als durchaus vertrauenswürdig er wiesen. — Die Schwalben sind, nachdem sich die Aprilrevolution in den Wettersphären beruhigt, unverzüglich eingetroffen. Jeder begrüßt die niedlichen Sommervögel mit Freude und mit der Zuversicht, daß das Blühen und das treibende Leben der Natur nun ohne wesentliche Störung sich entwickeln wird; denn die Wieder kehr der Schwalben verkündet stets die Bereit schaft der Natur zu neuem Schaffen und Wirken. — Folgendes Wild und Geflügel hat für den Monat Mai im Königreich Sachsen Schon zeit: Rot- und Damwild, Hochwild, weibliches Rehwild und Rehkälber, Rehböcke, Dachs und Hase; Rebhühner, Enten, Auer-, Birk- und Fasanenhennen, Haselwild, Wachteln. Vom 15. Mai ab bis Ende Juni ist Schonzeit für Schnepfen, Trappen, wilde Schwäne und sämt liches Sumpf- und Wassergeflügel. Nur wilde Gänse und Fischreiher dürfen geschossen werden. Für den Weidmann tritt also Mitte Mai eine Ruhezeit ein. Doch bereits am 1. Juli be ginnt wieder die Abschußzeit für männliches Evel- und Damwild, sowie der Rehböcke und wilden Enten. Schwarzwild, Raubsäugetiere, Raubvögel, einschließlich Würgern, Raben, Krähen, Elstern, Dohlen, Hähern und wilden Tauben, sind das ganze Jahr über der Ver folgung preisgegeben und können von Jagdbe rechtigten stets geschossen oder gefangen werden. Klotzsche-Königswald. Die Gemeinde vertretung beschloß, dem im Prießnitzgrunde ge legenen Bade ein zweites größeres Bassin hin zuzufügen. Dresden. Die Maifeier der Sozialdemo kraten nahm allenthalben einen ruhigen Verlauf. Die vormittags abgehaltenen Versammlungen waren zumeist von Bauarbeitern, Arbeitslosen und Angestellten hiesiger sozialdemokratischer Betriebe besucht. Es wurden da Resolutionen für Einführung des AchtstundenarbeilStags und Beschlüsse gegen den Militarismus und die Zölle angenommen. Auf einigen Bauen stellten die Arbeiter erst mittags die Arbeit ein, in den meisten Fabriken wurde aber der Betrieb wie gewöhnlich durchgeführt. Die nachmittags nach dem Großen Garten auf Kommando unter nommenen Spaziergänge trugen einen harm losen Charakter. Gegen frühere Jahre war jedenfalls keine Zunahme der Feiernden zu be obachten. Am Abend fanden in einigen Sälen bei instrumentalen und vokalen Vorträgen Kommerse statt. .-..Dresden. Am Donnerstag vormittag ver kehrte ein Sonderzug von Dresden über Riesa nach Leipzig (Dresdner Bahnhof), der besondere mit elektrischer Beleuchtung versehene Personen wagen führte. — Herr Rechtsanwalt Dr. Franz Gustav Alfred Bernhardt hier, der am 20. v. Monat von der 2. Strafkammer des hiesigen Königlichen Landgerichts wegen Betrugs zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt wurde, ist gegen Hinterlegung von 15000 M- Kaution aus der Haft entlasten worden. Dresden. Aus Anlaß der bei der Rück kehr Cr. Majestät des Königs geplanten Hul digungsfeierlichkeiten wird heute Sonntag der Wiener Platz, die Fahrbahnen der Prager Straße, Seestraße und des Altmarktes, sowie der besonders abgegrenzte westliche Teil des letzteren selbst, die Fahrbahn der Schloßstraße, das Georgentor und der Teil des Schloßplatzes zwischen Georgentor und Grünem Tor von 11 Uhr vormittags an bis nach Beendigung der Feierlichkeiten für allen Verkehr — einschließ lich desjenigen der Straßenbahnen — gesperrt. Loschwitz. In selbstmörderischer Absicht stürzte sich Donnerstag nachmittag eine in Dresden wohnhafte Frauensperson, anscheinend ein Dienstmädchen, in der Gegend der Elb- schlöster in die Elbe. Die kühle Flut brachte sie indes bald zur Vernunft und um Hilfe rufend, strebte sie, wieder ans Ufer zu kommen, was ihr auch gelang. Mehrere Schiffer hoben das ohnmächtig gewordene Mädchen auf und veranlaßten seine Überführung nach der Stadt. Laube gast. Dem hiesigen Gemeindeamte wurde am Freitag ein vier- bis fünfjähriges Mädchen zugeführt, das sich verlaufen hatte und von Straßenpastanten auf der Schandauer Straße in der Vorstadt Striesen weinend an getroffen worden war. Das Kind hat blondes Haar, blaue Augen und nennt sich „Trudel". Ueber Namen und Wohnung seiner Eltern wußte das Kind nichts anzugeben. Wachwitz. Am 27. v. M. entstand hier ein großer Exzeß. Eine große Anzahl Reser visten, welche die in Niederpoyritz stattgefundene Kontrollversammlung besucht hatten, waren in einem hiesigen Restaurant eingekehrt. Einer der Reservisten benahm sich derartig, daß er von d.m Wirte aus dem Lokale gewiesen werden mußte. Der Mann leistete jedoch dieser Weis ung keine Folge, weshalb polizeiliche Hilfe in Anspruch genommen werden mußte. Dochauch da verließ der Mann das Lokal noch nicht und mußte mit Gewalt hinausgebracht werden. Als er nach dem Gemeindeamts gebracht werden sollte, leistete er hartnäckigen Widerstand und konnte nur mit größter Mühe im Arrestlokale unvrgebracht werden. Lau begast. Einen dreisten Diebstahl wollte in einem hiesigen Uhrmacherladen ein schon mehrfach vorbestrafter Arbeiter verüben. Er betrat den Laden, um einen Ring zu kaufen und eniwendete einen solchen während der Aus wahl. Der Diebstahl wurde sofort entdeckt und die Verfolgung ausgenommen. Der Arbeiter warf nach einiger Zeit 'den gestohlenen Ring von sich und wandte sich nach den bei dem Wasserwerk in Tolkewitz belegenen Elbwiesen. Hier verschwand er im Busch. Pulsnitz. Hier wurde der achtjährige Schulknabe Müller vom Zuge tödlich überfahren. Meißen. Vor dem Dresdner Landgericht stand der frühere Meißner Polizei-Inspektor Schulze, vorher im Polizeidienste Leipzigs. Er war angeklagt, Anzeigen unterdrückt zu haben, um die Betreffenden der Strafe zu entziehen. Es waren dazu 20 Zeugen geladen, darunter Bürgermeister Dr. Ay, der Dezernent des Meißner Polizeiwesens Stadtrat Dr. Goldfried- rich und eine Anzahl Schutzleute. Die Ver handlung ergab, daß es geringfügige Übertret ungen waren, die S. durch seine Handlungs weise der Bestrafung entzogen hat (2 Fälle von Straßenpolizei-Übertretungen, in einem Falle eine fragliche Verletzung des Briefgeheimnisses) und daß Schulze sich zur Zurückweisung dieser Anzeigen berechtigt halten konnte, wobei aller dings tadelnswerte Anmaßung und Eitelkeit eine Rolle spielte. Auf die Abhörung mehrerer Zeugen verzichtete der Gerichtshof, dem der Staatsanwalt das Urteil anheimstellte. Das selbe lautete auf kostenlose Freisprechung und sofortige Haftentlassung. Großenhain. Eine 30 Jahre alte von der Staatsanwaltschaft Dresden wegen Rück fallsdiebstahls steckbrieflich verfolgte Frauens person wurde hier ermittelt und festgenommen. Nauleis. Am Mittwoch nachmittag gegen 4 Uhr entstand auf noch unaufgeklärte Weise beim Gutsbesitzer Beeger hierseldst Feuer. Niedergebrannt sind Scheune, Schuppen, und Schweineställe. Das Wohngebäude konnte durch die herbeigeeilten Spritzen, voran die Grog- dobritzer, erhalten werden. Befremden erregte es, daß die Spritze von dem am nächsten liegen den Dorfe Lenz nicht zu Hilfe kam. Es wird Brandstiftung vermutet. Nachts kurz vor 1 Uhr brach das Feuer nochmals aus und es brannte sodann das Seitengebäude nieder. Riesa. Dienstag nachmittag gelang es dem beim Aufbau der Elbbadeanstalt der Herren Dechert L Große hierselbst mit beschäftigten Fährmann Moritz Schneider aus Nünchritz ein junges Menschenleben vom Tode des Ertrinkens zu retten. Das 4^/^ Jahre alte Söhnchen Hans des Oberschweizers Friedolt auf Rittergut Promnitz spielte mit seinem um zirka 2 Jahre älteren Bruder auf einer oberhalb der Bade anstalt auf dem Elbstrome an Land liegenden Holzbrahme. Hierbei hatte der kleine Hans das Unglück, ab und in den Strom zu gleiten, von dem er sofort weiter getrieben wurde. Kurz entschlossen ging der obengenannte Herr Schneider in den Strom und es gelang ihm, das fast leblos gewordene Kind zu ergreifen und zu bergen. Den Bemühungen der übrigen beim Bau der Badeanstalt beschäftigten Per sonen gelang es dann, durch kunstgerechte Be handlung den Knaben bald wieder ins Leben zurückzurufen. Leipzig. Die Verhaftung des Rechtsanwalts Dr. Werlhauer ist wegen Meineidsverdachts er folgt; jedenfalls aber steht die Angelegenheit mit Wuchergeschäften in Verbindung, welche die mit verhafteten Ossipowitsch Josefson und Alex. Strauß trieben. Dr. Werthauers Verhaftung erregt um so größeres Aufsehen, als sich der selbe in glänzenden finanziellen Verhältnisten befand; er ist vor längerer Zeit vom Juden tum zum Christentum übergetreten, seine Brust zierte u. a. auch das Comthurkreuz des Erlöser ordens und er war überall gern gesehen, namentlich in musikalischen Kreisen hoch geschätzt. Es ist kaum anzunehmen, daß die Sucht nach Gewinn ihn zum Verbrechen trieb; vielleicht liegt nur eine allzuweitgehende Auffassung seiner Pflichten als Anwalt vor. Olbernhau. Den seltenen Tag des 65- jährigen eisernen Ehejubiläums beging in Neu hausen der Holzdrechsler K. G. Matthes mit seiner Ehefrau. tölsni tz i. V. Daß namentlich unsere Land leute noch zäh am Althergebrachten hängen, zeigt sich insbesondere am Walpurgisabend (30. April). Die eigentümlichen Gebräuche, vor allem die Walpurgisfeuer, haben sich bis auf den heutigen Tag erhalten. Mag das Wetter freundlich oder ungünstig sein — auf jeder Anhöhe schwingen junge Burschen und Mädchen von Beginn der Dunkelheit an brennende Besen Feuerräder erzeugend, umtanzen wohl auch ein am Boden angezündetes Feuer und schleuderu schließlich die nach und nach herabgebrannten Besenftümpfe hoch in die Luft. Dabei werden sogenannte Kanonenschläge (Feuerwerk) gelöst und Büchsenschüsse abgefeuert. In der Adorfer Gegend huldigen die Landleute vielfach noch dem alten Aberglauben, daß am Walpurgis abend über das Korn geschaffen werden muß, damit es gedeiht. Kirchennachrichten für Ottendorf-Mkrilla. Sonntag Jubilate, den 3. Mai 1903, vorm. 9 Uhr: Predigtgottesdienst, abends i/r8 Uhr: Missionsstunde. Kirchennachrichten für Loinnitz. Sonntag Jubilate. Früh 8 Uhr: Text Joh. 21, 20—22. Nachm. 2 Uhr: Unterredung mit der konf. Jugend. Kirchennachrichten für ffteckingen und Grossckittmannsckars. Medingen: Sonntag Jubilate. 1 Uhr nachm-: Predigt. 2 „ „ Katechismusunterredung. Großdittmannsdorf: 8 Uhr vorm: Beichte, ^«9 Uhr: Predigt und heiliges Abendmahl, 10 Uhr: Katechismus unterredung.