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Ottendorfer Zeitung. Die „Dttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen t,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Leid und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag w Uhr. Inserate werden mit ,o Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 33. Mittwoch, den 18. Mär; 1903. 2. Jahrgang. Oertlichrs und Sächsisches. Vttendorf-Dkrilla, >7. März 190Z. ):( Wegen vorzumhmender Inventur bleibt die hiesige Volksbibliothek vom 25. März bis zum Beginn des neuen Schuljahres ge schlossen. Bei der vorgestern abgehaltenen Früh jahrsversammlung des Feuerwehrverbandes für Dresden und Umgegend wurde die diesjährige Inspektion der Feuerwehr zu Radeburg auf den 17. Mai vormittags, sowie die Feuer wehr zu Cunnersdorf auf den 30. August nachmittags festgesetzt. Der Verbandstag findet am 13. September zu Radeberg statt. — Eine Zählung der Eisenbahnreisenden fand auf den sächsischen Bahnlinien am 14., 15. und 16. März statt. Langebrück. Der in der Kiesgrube der Firma Lippold u. Co. beschäftigte Arbeiter Otto Mieth geriet am Sonnabend nachmittag zwischen die Sandloris und erlitt eine schmerz hafte Beinquetschung. Man brachte den Ver letzten auf einem Handwagen in das Gasthaus „Zur deutschen Eiche" in Klotzschc-KönigSwald, wo Herr Sanitätsrat Dr. Reichardt die erste Hilfe leistete. Mittels Stechkorbes und Kranken wagens brachte man sodann Mieth in seine in Weixdorf bei Lausa befindliche Wohnung. Radeberg, 16. März. Die städtischen Kollegien haben beschlossen, das in unserer Stadt überhand nehmende Versteigerungsunwesen durch ein Regulativ zu regeln. Nach demselben ist jede Versteigerung mit genauer Angabe der zu versteigernden Gegenstände und des Ver steigerers dem Stadtrate zehn Tag« vor der Versteigerung anzuzeigen. Zu Zwecken der Gastwirtschaft bestimmte Räume dürfen nicht mehr als Verstcigerungslokal benutzt werden, auch ist das Mictdieten des Eigentümers bei Strafe verboten. Die Versteigerungübedingungen sind in deutlich lesbarer Schuft am Eingänge des Versteigerungslokales auszuhängen. L 0 schwitz- Eine interessante Zwangs versteigerung fand am Sonnabend vor dem Königlichen Amtsgericht Dresden statt. Das bekannt« Hotel Demnitz hier wurde für 170000 Mark dem Königlichen Stiftsarzt Hofrat Dr. Honecker in Dresden zugeschlagen. Ausgefallen sind 94400 Mark Hypotheken, darunter zirka 16000 Mark, welche einer hiesigen Großbrauerei gehörten. Das Grund stück, 37,7 Ar groß, bestehend aus Gastwirt schafls- und Saalgebäude, Wintergarten und diversen Anbauten, großem Konzert- und Re- staurationSgarten, wurde bereits am 4. Sep tember 1902 versteigert und damals 260000 Mark ohne Inventar geschätzt. Die diesmali e Schätzung ist infolge der inzwischen einge tretenen Reparaturbegürftigkeit um 10 000 Mk. niedriger ausgefallen. Le üben. Ein auf seinem Geschirr ein geschlafener Kutscher stürzte am Freitag Abend auf der Landstraße zwischen Zschieren und Mügeln vom Wagen herab und zog sich eine stark blutende Kopfverletzring zu. Dem Um stande, daß die Pferde sofort stillstanden, ist es zu danken, daß größeres Unheil verhütet wurde. — Uhrennepper in Sicht! Seit einigen Tagen sind in der Mügelner Gegend einige Händler mit Uhren und Uhrketten aus getreten und haben diese Waren, die sie als Schweizer Fabrikate anzupretsen pflegen, unter der ländlichen Bevölkerung zu billigen Preisen zu vertreiben versucht; es sind aber ganz Minderwertige Fabrikate. — Also Obacht I Weinböhla, 13. März. Nachdem vor kaum 14 Tagen ein Feueralarm statt gefunden, ertönten gestern Abend kurz nach 10 Uhr wiederum Feuersignale. Da es sich bsim letzten Male nur um ein geringfügiges Objekt handelte, mar eü gestern Abend ein größeres Schadenfeuer, Köhlerstraße 36, im Grundstück der Witlwe Keulig. In der am Wohnhaus angebauten, gefüllten Scheune befand sich der B.andherü. Dank dem schnellen Em greifen der Feuerwehr wurde das Wohnhaus erhalten. Großenhain. Se. Königliche Hoheit der Kronprinz von Sachsen fuhr heute Vor mittag Sr. Majestät dem deutschen Kaiser ns Elsterwerda entgegen, wo er über Großen- zain 1 Uhr 37 Minuten eintras. Der Kaiser raf 1 Uhr 58 Minuten dort ein; beide setzten dann gemeinsam die Reise über Großenhain rach Dresden fort. Zum Ehrendienst des Kaisers, der h.ute Dienstag nachmittags 3 Uhr n Dresden eintraf, sind kommandiert worden: der kommandierende General des 19. (zweiten königlich sächsischen) Armeekorps General der Infanterie von Treitschke und zwei Offiziere des Grenadier-Regiments Nr. 101. Großenhain. Dieser Tage wurde ein Husar beim Exerzieren durch einen Lanzen- tich am Halse gefährlich verletzt. Der Husar wtte die Geistesgegenwart, die eingedrungene Lanzenspitze sofort selbst aus der Wunde zu ziehen: auch b gab er sich selbst in das Lazarett. Großenhain. Ein hier beschäftigt gewesener 23 Jahre alter Bäckergeselle lieh sich bei einem hiesigen Fahrradhändler ein Rad, angeblich um sich in eißen eine neue Stell ung zu suchen. Er hatte aber nichts eiligeres zu thun, als das Rad, welches einen Wert von 100 Mark hatte, an einen Hausdiener für 15 Mark zu verkaufen. Der Schwindler konnte noch rechtzeitig ermi telt werden und gelangte zur Haft. Riesa, 14. März. Gestern Mittag be trat der Arbeiter H. aus Poppitz nahe der alten Pausitzerstraße in selbstmörderischer Absicht den Bahndamm, um sich von einem Zuge überfahren zu lassen. Ta er sich aber zum Glück zu spät über das Geleise gelegt hatte, erlitt er nur schwerere Verwundungen im Gesicht und ist dann von der Maschine beiseite geschoben worden. Kamenz. Die Voruntersuchung gegen den in Dresden beim Kriegsgericht der 32. Divi sion in Hast befindlichen Leutnant Münzenberg vom 178. Infanterie-Regiment iti Kamenz wegen Fahnenflucht, Betrugs rc. ist abgeschlossen, so daß die Verhandlung bereits in nächster Zeit stattfinden wird. Großröhrsdorf bei Pulsnitz, 15. März. Ein Topf mit zirka 30 Stück alten Münzen wurde hier beim Neubau der zur geplanten neuen Schule führenden Straße gefunden. Die Münzen haben die Größe der früheren Achtgroschenstücke und stammen aus dem sieb zehnten Jahrhundert. Fundort ist der Garten der Brücknerschen, früher Burkhardtschen Fabrik, neben der alten Post. Großröhrsdorf. Der König hat Herrn Kürschnermeister Ludwig Bauer in Groß röhrsdorf in ehrender Anerkennung der viel seitigen Verdienste, die er sich als Gemeinde- oorstand während der Zeit seiner langjährigen Armierung erworben, das Ritterkreuz vom Albrechtsorden huldvollst verliehen. Bautzen, 15. März. Das seit dem 29. Januar hier vermißte Dienstmädchen Christiane Häckert ist am Sonnabend in Ler Spree, unweit der hiesigen Eisenbahnbrücke, er trunken aufgefunden worden. Das Mädchen war 19 Jahre alt und eine Waise. Es ist aus Schwermut ins Wasser gegangen. — Am gleichen Tage wurden 90 Gefangene unter der nötigen Bewachung von Zwickau nach der neuen Landesstrafanstalt Bautzen übergeführt. Bautzen, 14. März. Das hiesige Stadtveroröneten-Kollegium hat in seiner letzten Sitzung einstimmig die Uebernahme der hiesigen Handelsschule, die bisher von der Kaufmanns- Innung verwaltet wurde, genehmigt. Mühlberg an der Elbe, 15. März. Der Strafanstaltsgefangene H., der schon früher zweimal aus der Strafanstalt in Lichtenburg entwichen ist, machte kürzlich nachts einen drillen Fluchtversuch, der glücklicherweise diemal miß lang. Trotz der strengen Aufsicht hatte der als Schuhmacher beschäftigte Sträfling, der ein recht erfinderischer Kopf sein muß, es ver landen, aus Bindfaden eine längere Strickleiter und aus einem Stückchen Eisen einen Nach- chlüssel mit zwei Bärten anzufertigen; der Hammer sollte ihm als Brecheisen und Haken dienen. Er war auch schon glücklich im Freien, als er beim Uebersteigen der letzten Mauer vom Außenposten bemerkt und wieder in Nummer Sicher gebracht wurde. E l st e r w e r d a, 13. März. Die gegenwärtig hier eifrig fortgesetzten Ausgrab ungen von Eisensteinen lenken den Blick in eine crn hinter uns liegende kulturgeschichtliche Periode zurück. Denn das geförderte Eisen erz trägt durchweg unverkennbare Spuren einer schon einmal durchgemachien Schmelzung an sich, so daß man annehmen muß, daß hier in alter Zeit bereits schon eine Art von Schmelz ofen gestanden hat. Diese Annahme erhält noch mehr Berechtigung dadurch, daß auch eine ogenannte Eisensau, ein eigentümlich geformter, ester Eisenklumpen, von etwa 5 Ztr. Schwere mit ausgegraben worden ist, wie solche sich nur m Schmelzöfen bilden. Bei den damaligen ersten Anfängen der Eisenindustrie und der Mangelhaftigkeit der Einrichtungen und Werk zeuge läßt sichs wohl erklären, daß man nur einen Teil des Eisengehaltes aus dem Gestein ;at scheiden können, den Rest aber als un verwendbar weggeschüttet hat- Eine Probe des etzt ausgegrabenen Gesteins ist an das Ober- »ergamt in Freiberg i- Sa. unter welchem das Eisenwerk Lauchhammer bei seiner Gründ ung stand, gesendet worden. Daß abgegebene Gutachten soll dahin lauten, daß das Gestein in seinem jetzigen Zustande wohl schon über 1000 Jahre in der Erde gelagert haben könne. Fn der Nähe der hiesigen Oberförsterei ist, wie dem Berichterstatter mckgeteilt wurde, unter dem Eisengestein u- a. ein eiserner Ring und ein kleines Hufeisen, wie das von einem Maul tiere, gefunden worden; bei Annaburg, wo auch derartige Ausgrabungen stattgefunden haben, ist ein großer Stein mit zu Tage ge ordert worden, der als Ambos gedient haben soll. Es ist bedauerlich, daß keine alte Ur kunde ausfindig gemacht werden kann, in der genaueres über die industriellen Veranstaltungen jener ferneren Zeit nachznlesen wäre. Chemnitz, 16. März. Eine Petition an die sächsische StaalSregierung und eine Adresse an den Bundesrat, welche sich gegen üie vom Reichskanzler in Aussicht gestellte Auf hebung des K 2 des Jesuitengesetzes und somit gegen die Wiederzulassung der Jesuiten richten, werden von den evangelischen Arbeitervereinen zu Chemnitz vorbereitet. Schedewitz, 15. März. Der hiesige Gemeinderat befürchtet, daß durch Auffüllen der Grundstücke des Forster Steinkohlenbaureviers mit Haldenmassen, welche bereits höher sind, als die Krone des Dammes der Mulde, die Ueberschwemmungsgefahr für Schedewitz und Zwickau eine größere wird, und hat deshalb beschlossen, bei der Königlichen Amtshauptmann schaft Zwickau vorstellig zu werden. Aus der Woche. Die russischen Zustände sind wirklich nicht beneidenswert und Herrscher des heiligen Ruß lands zu sein, gehört nicht zu den höchsten An nehmlichkeiten menschlichen Daseins. Unsinniger weise macht man diesen bedauernswerten Herrn in erster Linie für alle Gebrechen und Gebreste verantwortlich, an denen das Riesenreich krankt, und so kommt es, daß seit hundert Jahren die Zaren stets die Zielscheibe der Wut eines un zufriedenen Adels oder der noch unzufriedeneren Nihilisten gewesen sind. Nur „Roß und Reisige" vermögen die hohe Person des Zaren zu schützen und ein Experiment wie es Graf Eberhard von Württemberg unter nahm, nämlich sein Haupt ruhig jedem Unter tanen in den Schoß zu legen, würdr ihm schwer ¬ lich gut bekommen. Darum ist das Leben des Zaren und selbst eines persönlich so guten und edeldenkenden, wie es Nikolaus der Zweite ist, eine ewige Angst. Indessen der jetzige Zar nimmt das als etwas Gegebenes hin und „manifestiert sich so durch", Sein neuestes Manifest ist ein Akt der Pietät gegen seinen Vater. An dessen Geburtstag — er war am Donnerstag — überraschte der Zar sein Achtzig millionenreich mit der Ankündigung grund legender Reformen, die als Anfang moderner Staatseinrichtungen und als Fortsetzung der 1862 vom Zaren Alexander dem Zweiten be gonnenen Bauernbefreiung gelten können. Es ist dem jungen Zaren zu wünschen, daß er mit den angekündigten Reformen mehr Glück hat, als mit seiner Abrüstungsidee, die schließlich auf das Haager Schiedsgericht ausgelaufen ist, — eine an sich sehr respektable Schöpfung, die aber leider von den Großmächten wenig be achtet wird. — In Washington ist vorige Woche der Kongreß zusammengetreten, um endlich die Panama-Sache ins Reine zu iringen. Daß dd'S gelingt, steht fest. Seit dem Kriege mit Spanien haben es die Ver einigten Staaten mit der Großmannssucht be kommen und sie werden es sich nicht nehmen lassen, den Franzosen zu zeigen, was eine Harke ist. Der alte Lesseps hat mehr als anderthalb Milliarden Frank in Mittelamerika verbuddelt und obendrein seinen Ruhm als Erbauer des Suezkanals darangegeben, ohne auch nur an nähernd zum Ziele zu kommen. Amerika kauft die Arbeiten der Panamagesellschaft für ein Butterbrot an und wird die Geschichte nun zu Ende bringen. Es hat mit dem Pounce- ote-Vertrag das seinerzeit in Südafrika durch )en Krieg mit den Buren festgenagelte England ordentlich über das Ohr gehauen und der neue Kanal, den die Welt in wenigen Jahren haben wird, steht — wenn es darauf ankommt — ausschließlich zur Verfügung der Nordamerika» nischen Union. — Die Sachen in Marokko stehen noch auf dem alten Flecke; „nichts Ge wisses weiß man nicht." — In Makedonien ist's ebenso. Die bulgarischen Revolutions- Komitees nehmen zwar den Mund und beide Backen voll, es finden auch wohl ver einzelte politische Morde statt, die der Tele graph gewissenhaft in alle Welt hinaus meldet, dabei aber verschweigt, daß da hinten weit in der Türkei Menschenleben allezeit billig sind wie Brombeeren und daß es da beim Niedermetzeln ebensowenig wie beim Berichten darüber auf eine Handvoll Noten auch nur im geringsten unkommt. Gut Ding will Weile haben und die Reformen in Macedonien sind so ein gut Ding. Sie sind auch keineswegs eine Neuigkeit. Sie datieren vom Ende der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts und nach aber hundert Jahren wird man zweifellos wenn auch nur geringe Vorteile wahrnehmen. — Der Abrüst ungszar hat dem Königreich Serbien zehn Millionen Patronen geschenkt, wie er sich ja Serbien gegenüber stets als Patron erwiesen hat, trotz Draga. Das ist ein Geschenk zur Belohnung für den frommen und getreuen Knecht, den Gatten der ebenerwähnten Dame; er hat sich bisher in den macedonischen Wirren nie daran erinnert, daß das alte Serbenreich einst bis an das heutige Griechenland heran reichte; er hat nie, wie Bulgarien, im Trüben zu fischen versucht. Das erheischt eine öffent liche Belohnung und Anerkennung, die zarter als durch das Patronengeschenk nicht zum Aus druck gebracht werden konnte. — Unser liebes Vaterland hat durch die prompte Erledigung des Trierer Schulstreites sehr schnell das innere Gleichgewicht wiedergefunden, das auf kirchen politischem Gebiete in die Brüche zu gehen drohte. Die Kulturkämpfer auf beiden Seiten sind zur Abrüstung genötigt und können den hoffentlich nicht nur kalendermäßig bald be ginnenden Frühling bis zu den Reichstags wahlen hin in beschaulicher Ruhe genießen.